Über den Tod hinaus von JAKOzZ ================================================================================ Kapitel 1: Über den Tod hinaus ------------------------------ Über den Tod hinaus Ein Jahr ist vergangen seit sie ihn das letzte Mal gesehen hatte. Sie starrte auf sein leeres Gesicht welches mit einem Lächeln geschmückt war, das jeglichen Ausdruck des Glücks und des Friedens in ihr auslöschte. Eine Welle der Übelkeit überkam sie und ihre Augen füllten sich mit schwarzen Tränen. Sie liefen ihre Wange entlang, blieben an ihrem Kinn hängen, als würden sie verzweifelt versuchen ihre letzte Hoffnung zu ergreifen um wieder den Weg zurück zu finden. Doch es gibt keinen Halt. Nicht in dieser Welt. So wie er sie losgelassen hatte, mussten auch die Tränen sich fallen lassen, denn es gibt keinen Weg zurück. Das Mädchen hörte Stimmen, doch sie hatte nicht mehr die Kraft, sich um zu drehen. Sie hatte alles verloren. In einem Moment. Ein Moment des Schmerzes! Seine letzten Worte … Sie hallten immer noch in ihrem Kopf wider. Jemand nahm sie in den Arm und zog sie von dem Ort des Grauens weg, doch ihr Blick galt ihm, bis in alle Ewigkeit. „Ich habe dich gemocht …“ Dieser Satz ließ Lea alles in Frage stellen woran sie geglaubt hatte. Eigentlich schien er nichts zu bedeuten, doch schließlich kam er nicht von irgendwem. Dave war kein normaler Junge. Er war schon immer anders. Am Anfang haben die beiden sich gar nicht leiden können. Seine Art, einerseits einfühlsam und romantisch, doch auf der anderen Seite frech und gewaltsam, machte Lea immer wieder nervös und unentschlossen. Sie wurde hin und her gerissen von dem Gefühl, dass sie ihn sehr mag und dann hasste sie ihn doch wieder für das was er tat. Dave schrieb Gedichte, die schönsten die Lea je gehört hatte, aber meistens handelten sie von Schmerz und Trauer. Die Lehrer waren total begeistert von ihm. Er konnte alles. Im Sport war er die Nummer eins, egal was er angefasst oder getan hatte. Seine Schulnoten standen über dem Durchschnitt. Und doch schien er gar nicht an seine Zukunft zu denken, denn er sprach schon immer davon, dass er sich jetzt schon fragte wie er mal sterben würde. Lea wollte ihm das ausreden, doch er hielt an seiner Meinung fest, dass er mit seinem Tod alle beeindrucken wollte … dies hatte er geschafft. Tausend Gedanken schossen auf Lea ein, doch für einen Moment hielt sie inne und blickte auf das Abbild des Todes, das 20 Meter in der Höhe schwebte. Wieder liefen dicke Tränen an ihren Wangen hinunter. Sein Rücken war mit großen, federgeschmückten Engelsflügeln bestückt, die er sich vor genau einem Jahr von Lea geliehen hatte. Damals sagte er, dass er diese für eine Theateraufführung brauchte. Ob er wohl schon zu der Zeit seinen Selbstmord geplant hatte? Zumindest konnte sich Lea an diesen Tag genau vor einem Jahr sehr gut erinnern, denn es war der Tag an dem Dave für immer aus ihrem Leben verschwand. Diese Zeit kam ihr wie ein ganzes Leben vor, denn es war so monoton und langweilig gewesen ohne ihn, doch sie konnte noch hoffen ihn wieder zu sehen. Nun wünschte sie sich, dass das Wiedersehen anders gewesen wäre. Langsam versiegten ihre Tränen. Sie stellte sich immer wieder dieselbe Frage: „Wieso hast du das getan?“ Doch keiner antwortete. Der Wind säuselte um ihr feuerrotes Haar, das bis zur Taille reichte. Lea erinnerte sich daran wie ihr Dave einmal versicherte, dass ihr Haar das schönste war, das er jemals gesehen hatte. Lea hatte sich darüber so gefreut, dass sie den ganzen Tag über ihr Haar berühren musste um sich selbst davon zu überzeugen. Als Provokation hatte sie ihn gefragt, ob er denn nur ihr Haar schön fand und was er antworte war das romantischste, was je jemand zu ihr gesagt hatte. „Dein Haar lässt die Schönheit des Vollmondes erblassen, doch DU lässt sogar die Schönheit deines Haares erblassen.“ Sie wusste zu dem Zeitpunkt nicht, was er für sie empfand und auch nicht was sie selbst für ihn empfand. Jetzt wusste sie, was er damit meinte und sie wünschte sich, sie könnte die Zeit irgendwie zurückdrehen, vielleicht wäre dann alles anders geworden, denn am nächsten Tag war er verschwunden. Lea bemerkte, dass sie im Krankenhaus war. Warum? Sie war doch nicht verletzt. Oder doch? Ihre Liebe des Lebens war nicht mehr da, ihr Herz gebrochen in tausend Scherben und die Welt war ihr aus den Händen geglitten. Plötzlich wurde sie wütend. Sie rannte auf den Balkon des Krankenhauses und schrie sich die Seele aus dem Leib. „Warum? Warum hast du mich verlassen? Gab es keinen anderen Weg? Oh bitte lass mich zu dir!“ Dann verstummte sie. Langsam richtete sich ihr Blick auf die Straße. Sollte dies ihr letzter Gedanke sein? Sollte sie ihm folgen? Und schon hatte sie den Entschluss gefasst. Diese Höhe sollte ihr Schicksal und ihr Tor zu ihrer großen Liebe sein. Schnell zog sie ihre Schuhe aus und kletterte über das Gitter. Lea ließ die Schuhe los und schaute zu wie sie in Zeitlupe auf dem Bürgersteig knallten. Sofort richteten sich alle Augen in ihre Richtung, doch ihr war es egal. Sie kniff die Augen zusammen und sprang … Sie fiel und fiel und schaffte es sogar ein Lächeln auf ihr Gesicht zu zaubern. Lea versuchte nicht auf den Boden zu gucken, denn sie hatte Angst und wollte, dass es schnell geht. Irgendwie kam es ihr so vor, als ob sie langsamer wurde. Sie konnte der Versuchung nicht widerstehen und schaute Richtung Erde. Lea erschrak denn was sie sah, konnte einfach nicht möglich sein. Genau unter ihr stand Dave mit geöffneten Armen, bereit sie aufzufangen. Und es geschah auch. Sie fiel genau auf ihn drauf, sicher und wohl behalten. Doch die ganze Aufregung war zu viel für sie und sie wurde ohnmächtig … Als sie wieder aufwachte, blickte Lea sich erstmal hektisch im Zimmer um, doch nur die Krankenschwester saß neben ihr und las ein Buch. Diese schaute sie auch gleich an. „Ah, geht es dir besser?“ Lea musterte sie gespannt. „Wo ist Dave?“ Die Krankenschwester schaute sie verwirrt an. „Wer, bitte?“ Genervt rollte Lea mit den Augen. „Der Junge der mich aufgefangen hat. Er ist doch auch hier, oder?“ Zuerst sagte die Schwester gar nichts, dann stand sie langsam auf und umarmte Lea leicht. „Tut mir leid, aber hier war kein Junge. Und es hat dich auch keiner aufgefangen. Du bist aus dem 15. Stock gesprungen und seltsamerweise hast du es überlebt ohne einen Kratzer. Du bist ein medizinisches Wunder.“ Die Frau lächelte sie lieb an. „Bitte mach so etwas nie wieder, ich flehe dich an. Ein Menschenleben ist unbezahlbar. Ich hoffe dein Freund weiß auch, was er für Glück hat, dass du noch bei ihm sein kannst. Grüß ihn von mir.“ Mit diesen Worten ging sie hinaus. Lea blickte zum Fenster in den Himmel. Konnte sie sich so irren? War es doch nicht Dave? Aber wer dann? Jemand hatte sie gerettet und dieser war Dave zum verwechseln ähnlich gewesen. Aber die Schwester hatte gesagt, dass sie aus dem 15. Stock gesprungen war. Das heißt, dass sie klinisch tot wäre. Doch Lea hatte diese Tat ohne irgendeine Verletzung überstanden. Sie schrie auf, denn jemand flüsterte ihr etwas ganz leise ins Ohr. „Ich liebe dich …“ Blitzschnell drehte sie sich um, doch es war niemand da. Sie war allein im Raum. War sie das wirklich? Plötzlich spürte sie das Gefühl des Glückes wieder in ihr aufkeimen. Sie lächelte und Tränen der Freude liefen ihr über ihr strahlendes Gesicht. „Dave, du bist es! Du warst es! Du hast mich vor meiner eigenen Tat gerettet! Ich liebe dich auch! So sehr!“ Sie drehte sich im Kreis und lachte dabei so ausgelassen. Nun wusste sie, dass er sie nicht für immer verlassen hatte. Und wieder öffnete sich die Tür. Es war ein Mann in Polizeiuniform. „Guten Tag, Fräulein Matsuki. Wir haben hier etwas für sie, was wir in der Wohnung des gestrig Verstorbenen gefunden haben.“ Er überreichte Lea einen Brief, dessen Datum verriet, dass er vor einem Jahr geschrieben wurde. An Lea Matsuki 02.03.1998 Liebe Lea, Ich weiß, dass ich dir diesen Brief schon vor langer Zeit hätte geben müssen, denn es ist mein Abschied. Wir werden uns nie wieder sehen, dass weiß ich, denn der Tumor hat sich in mir jetzt vollständig ausgebreitet. Das klingt wahrscheinlich erschreckend doch es stimmt, ich leide unter Gehirntumor, deswegen werde ich nicht mehr viel Zeit haben in dieser Welt. Ich hoffe du lebst noch ein langes und gesundes Leben. Leider werde ich dies nicht mehr erleben und wünsche mir nur, dass du mir nicht folgen wirst wenn ich nicht mehr da bin. Ich verspreche dir, dass ich immer auf dich aufpassen werde. Außerdem denke ich mal, dass unsere alten Streitigkeiten endlich ein Ende haben und darüber kannst du dich freuen. Bitte habe Verständnis für mein kindliches und aufgedrehtes Verhalten, denn ich musste in meiner kurzen Zeit alles schaffen, was es auf der Welt zu erreichen gilt. Das Einzige was ich nicht sagen konnte, ist, dass ich dich liebe. Deswegen übermittle ich es dir halt jetzt: „Ich liebe dich!“ Und ich hoffe, du bist nicht zu enttäuscht, denn ich glaube das könnte ich nicht verkraften, egal wo ich bin. Mein einziger Wunsch ist es, das du glücklich bist und nicht dieselben Fehler machst wie ich. Sei froh, dass du leben kannst, denn ein Leben ist unbezahlbar … Dein Dave Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)