Sorglospunks forever von Nifen ================================================================================ Kapitel 12: Interdimensional ---------------------------- Das Schwabenland – unendliche Weiten… zumindest für den regen Geist der Phantasie. Wir schreiben das gegenwärtige Jahr. Dies sind die Abenteuer der Sorglospunks, der imaginärsten Band diesseits wie jenseits des Rio Spätzle, die mit ihren drei Mitgliedern und ihrer treuen Crew unterwegs ist, um weltweiten und galaktischen Ruhm zu erlangen. Weit entfernt von der für den normalen Menschen begreiflichen Realität, dringen die Sorglospunks dabei in Regionen und Dimensionen vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat. Stakkato-artige, eingängige Klänge einer achtziger Jahre Vorspannmelodie drangen aus dem Wohnzimmer des Sorglospunks-Hauptquartiers, irgendwo im schönen Schwabenland. Dort hatte die Bandmanagerin Nifen an diesem Samstag den Kampf um die Fernbedienung gewonnen und saß nun selig grinsend auf dem Sofa, während sie einem blonden, jungen Mann dabei zusah, wie er sich mehr oder weniger elegant aus einem Lüftungsschacht herabließ. MacGyver, Held ihrer Kindheit und unangefochtener Bastelkünstler in brenzligen Situationen, flimmerte wieder über die Mattscheibe. Was kümmerte es sie da noch, dass Chris, seines Zeichens Bassist der Band, sich den schnellen Rechner unter den Nagel gerissen hatte, um mit seiner Freundin Umeko zu chatten, oder dass das Bandmaskottchen Kiwi mit den Sicherungskeilen des großen Fasses im Vorgarten, in dem der Bandphilosoph LennStar wohnte, spielte. Wieder einmal hatte MacGyver einen brenzligen Fall, wo er die Unschuldigen retten musste und wieder einmal stand er dabei schier unlösbaren Problemen gegenüber. Wie etwa dem Raum, der mit dichten, nebelartigen Gasschwaden gefüllt war. Und obgleich Nifen diese Folge bestimmt schon drei Mal gesehen hatte – wenn nicht gar häufiger – fand sie gerade diese Aufnahmen besonders realistisch. Beinahe als würden die Nebelschwaden aus dem Fernseher herausquellen... Als dann aber dieser Nebel im Wohnzimmer, vor ihren Augen, Konturen annahm, rang die sonst so unerschrockene Bandmanagerin doch sichtlich um Fassung. In bester Fischimitation saß sie wie angewurzelt auf ihrem Platz, starrte das gespenstische Wesen an, ehe sie mit einem erstickten Schrei den Rest der Hausbewohner herbeiholte. Nun sei an dieser Stelle erklärend hinzugefügt, dass es weniger die geisterhafte Erscheinung selbst war, die Nifen so in Aufregung versetzte, schließlich hatten die Sorglospunk schon vor einem ganzen Schloss kopfloser Menschen und auf einem Schiff voller Geisterpiraten gespielt. Und meist war es Nifen gewesen, die diese Auftritte organisiert hatte. Nein, vielmehr war es die Tatsache, dass das Nebelwesen aus dem Fernseher gekrochen kam, dem inoffiziellen Schrein der WG, der je nach Sendung dem Fußball, Regina Regenbogen-DVDS oder wie heute MacGyver gewidmet war. Konnte diese merkwürdige, durchsichtige Erscheinung nicht wie alle ungebetenen Gäste an der Haustür klopfen oder wahlweise in den Gartenteich plumpsen? Also wirklich, ein solch dramatischer Auftritt war selbst für die stärkste Sorglospunkmanagerin zu viel! „Hey, cool! Ein Gespenst!“, freute sich Easy, Frontfrau und Songschreiberin der Band. „Willst du bei uns auf dem Dachboden spuken? Willst du? Willst du??“ Und aufgeregt besah sie sich den angeblich neusten Hausbewohner von allen Seiten. abranka, die Bandmuse, tat es auf ihrer Wolke Easy gleich, nur um als nächstes ihr Handy zu zücken und aus dem Kurzwahlspeicher die Nummer des Teufels herauszusuchen und bei selbiger durchzuläuten. Denn wenn sie eines in den vergangenen Monaten gelernt hatten, dann dass derlei Überraschungsbesuche meist eine von zwei möglichen Ursachen hatte, und beide ließen sich am besten von der Hölle aus überprüfen. „Chi?“, fragte abranka, als am anderen Ende abgehoben wurde. „Bist du zufällig gerade im Büro?“ Das Grummeln, welches durch die Leitung zu hören war, war Bestätigung genug. Wenn Chibichi, der Teufel höchstpersönlich, eines hasste, dann den lästigen Papierkram, den jede erbeutete Seele nach sich zog. Aber nur so ließ sich verhindern, dass die Herrschaften von der himmlischen Fraktion später Ansprüche auf besagte Seele geltend machen konnten. „Fein. Hör mal, könntest du bitte mal das HPS (Höllische Positionssystem) aktivieren und uns sagen, wo Murphy und die drei Furien sind?“ Nun horchte Chibichi, irgendwo zwischen Erdkern und Oberfläche, jener Dimension, die auch als Unterwelt bekannt war, gespannt auf. Wenn abranka derartige Fragen stellte, war bei den Sorglospunks meist etwas im Busch. Und das versprach immer viel interessanter zu sein als langweilige Aktenberge. Für ein paar Augenblicke war nur das Klappern der Tastatur aus dem Handy zu hören, dann verkündete Chibichi: „Murphy ist hier in der Hölle, wie es sich gehört, und Alekto, Megaira und Tisiphone sind auf einem Fortbildungskurs im Hades – ‚Gewaltlose Konfliktbewältigung’ und ‚Wie ich über Provokationen erhaben bin’.“ An dieser Stelle musste der Teufel lachen, hatte sie doch selbst diese Kurse extra für die drei herausgesucht. Und da Morpheus der Dozent war, die Kurse aber erst als beendet galten, wenn aller Stoff durchgenommen war, würde es noch eine ganze Weile dauern, bis die Furien wieder zurück wären. „Aber wieso fragst du?“ „Ach nichts“, meinte abranka, betont harmlos klingend. „Nur ein Geist, Nebelwesen oder so was. Das Übliche halt.“ Sie wusste genau, dass nichts den Teufel schneller auf den Plan rufen würde, wie so eine angeblich alltägliche Situation. Schließlich war Chibichi erst durch einen akuten Langeweileanfall damals auf die Sorglospunks gestoßen, und da verstand es sich von selbst, dass sie bei allem, was garantiert nicht langweilig werden würde, sofort den höllischen Eilaufzug ins Schwabenland nehmen würde. Und tatsächlich, keine zehn Sekunden später klingelte es an der Eingangstür und Chibichi war da. Nun waren sie schon zu siebt, wenn man Kiwi mal nicht mitzählte, die um den Geist herumschlichen, der immer unruhiger und auch ungehaltener wurde. „Also, ich weiß nicht, irgendwie kommt mir dieses Nebelwesen bekannt vor. Nicht als Nebelwesen... Aber sein Gesicht...“, sagte LennStar und strich sich nachdenklich über seinen nicht vorhandenen Bart. In diesem Moment beschloss das Wesen seinerseits lauthals Betrachtungen über die versammelten Sorglospunks und ihren Anhang anzustellen. „Eine Macht, zwei Anwesende mit erweitertem Geist und fünf unterhaltsame, emotionsgesteuerte Lebensformen, die mir in ihrem Aufbau vertraut scheinen...“ Es dauerte genau 1,3682940306 Sekunden, ehe jeder der anwesenden Sorglospunks die Rechnung im Kopf angestellt hatte und zu dem Schluss gekommen war, dass sie selbst, Nifen und LennStar wohl die emotionsgesteuerten Unterhalter waren, womit es zumindest bei der Band richtig lag. Und es zweifelte niemand an dem erweiterten Geist von Kiwi und abranka, was Chi einwandsfrei als Macht identifizierte. Einzig LennStar und Nifen zweifelten noch an ihrem eigenen Unterhaltungswert, während abranka und Chibichi schon wieder zur Tagesordnung übergegangen waren, was bedeutete herauszufinden, wer das Nebelwesen wirklich war, wo es hergekommen war und wie sie es wieder zurückschicken konnten. Easy, die den letzten Punkt gehört hatte, hielt in ihrem Rundgang um das Gespenst empört inne. „Wieso, das ist Kunibert, unser neues Bandgespenst. Er hat bestimmt jede Menge Kontakte ins Leben danach, die uns helfen können, die erfolgreichste Band der Welt zu werden. Und wohnen wird er auf dem Dachboden!“ Ehe Jack, Chris oder Nifen sie von der Hirnrissigkeit dieser Idee in Kenntnis setzen konnten – obwohl ein derartiges Ansinnen durchaus auf dem Mist eben eines dieser drei hätte wachsen können – mischte sich das Nebelwesen wieder ein. „Ich mag zwar nicht wissen, wie ich heiße, oder woher ich komme, eines weiß ich ganz genau: Ich trage garantiert nicht einen so demütigenden Namen wie Kunibert.“ Es folgte eine Runde wildes ‚Wer rät den Namen’ und erst als Easy Arabica vorschlug, Jack mit Robusta auftrumpfte und Chris das Ganze noch mit Excelsa toppte, wurde klar, dass es an der Zeit für eine Kaffeepause war. Mit dem schwarzen Bandgetränk Nummer Eins versorgt, wurde die Stimmung auch gleich viel produktiver. Zumindest was den ungebetenen Überraschungsgast betraf. Auch wenn wie so häufig der Zufall eine Rolle gespielt hatte. „Du hast da einen Fussel“, sagte Nifen und pflückte hilfsbereit einen roten Faden von Chibichis schwarzem Anzug. In dem Moment erstarrte das neue Nicht-Hausgespenst in seinem Schweben. „Ein roter Faden... Ich erinnere mich an irgendwas. Und es hat mit einem roten Faden zu tun.“ „Der älteste rote Faden, den ich kenne, ist der von Ariadne, mit dem sie Theseus aus dem Labyrinth ihres Vaters herausgeholfen hat. Hat damals für reißenden Absatz auf dem Wollmarkt im gesamten antiken Griechenland gesorgt“, ließ sich abranka von ihrer Wolke vernehmen. Die griechische Mythologie war schließlich neben der Inspiration aufstrebender Persönlichkeiten ihr Fachgebiet. „Na, dann will ich mal sehen, ob das Wunderauto zu einer kleinen Zeitreise bereit ist“, meinte Chibichi und stand auf, um ihr höllisches Fahrzeug zu holen. „Denn vielleicht hilft ja eine Vorortbesichtigung unserem nebelartigen Besucher bei seiner Gedächtnisfindung weiter.“ Schließlich war allen Anwesenden klar, dass das Gespenst sein Gedächtnis brauchte, wenn sie je erfahren wollten, weshalb es nun wirklich bei den Sorglospunks gelandet war. „Nicht nötig“, sagte das Wesen mit herablassender Arroganz und ein Fingerschnippen später befanden sich die Sorglospunks und die Crew – die Kaffee- und Teetassen noch in den Händen –, Kiwi und natürlich Freund Nebelschwade im antiken Kreta wieder, wo Ariadne sich gerade mit Theseus darüber stritt, dass es ja wohl mal gar nicht weibisch sei, ein Wollknäuel mit sich herumzuschleppen. „Ich will dein dämliches Wollknäuel nicht“, sagte der Königssohn. „Wie sieht denn das aus, wenn man später meine Heldentat auf einer Vase verewigt? In der einen Hand meinen treuen Knüppel, in der anderen ein Wollknäuel? Oder willst du mir am Ende gar noch vorschlagen, dass ich statt meines Knüppels deine Stricknadeln mitnehmen soll?“, ereiferte er sich und versuchte die Wolle wieder in Ariadnes Handarbeitskorb zu stopfen. Doch er kam nicht dazu, denn plötzlich schoss ein bepelzter Blitz durch die Luft, schnappte sich das Knäuel und verschwand, damit tollend, im Gebüsch. Kiwi hatte der Versuchung nicht widerstehen können. Ein großes, rotes Wollknäuel… Das war ja fast so schön wie in dem Wollknäuel-Pool im WWWB-Markt! „Hey, mein Knäuel!“ rief Theseus, während Ariadne zeitgleich fragte: „Hey, wer seid ihr?“ Sollten die Sorglospunks je vorgehabt haben, unentdeckt zu bleiben, war dieses Unterfangen soeben fehlgeschlagen. Es herrschte ein Augenblick köstlichster Verwirrung. Zumindest Freund Nebelschwade schien von dem Theater mehr als begeistert zu sein. Denn mit Ausnahme von Chi und abranka hatte keiner der Zeitreisenden die beiden antiken Griechen verstanden. „Menschen!“, lachte er jetzt leise. „Ich hatte ganz vergessen, wie unterhaltsam allein ihr universalsprachliches Unvermögen ist.“ Während Nifen in aller Seelenruhe die Teetasse abstellte und ihren Terminkalender herauskramte, um auf dem Vorsatzblatt zu notieren, dass es sich bei ihrem unverhofften Besucher wohl nicht um einen Menschen handelte, versuchte abranka in bestem, musischem Altgriechisch Ariadne und Theseus davon zu überzeugen, dass sie nicht von den Göttern gesandt worden seien, um Theseus’ Vorgehen gegen den Minotauros zu vereiteln, oder ihm zu helfen, oder ihn zu verdammen, oder was der Vielzahl der Götter auf dem Olymp noch so alles einfallen könnte. Easy war derweil losgezogen, Kiwi wieder einzufangen. Zwar kannte sie die Gegend so null und gar nicht, aber glücklicherweise hatte sich etwas von der Wolle beim Spielen von dem Knäuel abgewickelt, so dass die sorglose Frontfrau der Band problemlos das Maskottchen wiederfand. Die Katze allerdings war wenig erfreut darüber, dass Easy sie so schnell gefunden hatte, und noch weniger erfreut darüber, dass diese sie auch noch von ihrem Wollknäuel getrennt hatte. Deshalb zappelte Kiwi auf dem Arm ihres Frauchens wie wild, miaute irgendwelche unfreundlichen Worte, die Easy aber eh nicht verstand, während selbige zu der Gruppe zurückkam, und war allgemein unzufrieden mit der Situation. Theseus, zukünftig auf Vasen verewigter Held, war auch nicht begeistert, als er die Katze sah – ohne Wollknäuel. „Wo ist mein Wollknäuel?“, wollte er auch prompt wissen und abranka war so frei, den altgriechischen Wortschwall zu übersetzen. „Och, da hinten, im Gebüsch. Folge einfach dem roten Faden und du kannst es nicht verfehlen“, erwiderte die Frontfrau gelassen und deutete auf das Ende der Wollschnur, welches zwischen den Zweigen eines Busches hervorlugte. Nachdem abranka abermals alles übersetzt hatte, sah sich Theseus um. Überraschung zeichnete sein Gesicht, als er mit einem Mal die Möglichkeiten erkannte, die dieser ‚weibische’ Wollfaden ihm bot. „Hey, damit könnte ich mir den Weg durch das Labyrinth markieren und so auch wieder zurückfinden.“ Allen Anwesenden (nach Übersetzung) war klar, dass genau das der Gedanke von Ariadne gewesen war, als sie Theseus das Knäuel gegeben hatte, aber sie war klug genug, ihm das nicht vorzuhalten. Im Gegenteil. „Schatz! Das ist ja eine fantastische Idee! Du bist ja so schlau!“ Kollektives Augenrollen und Chibichi konnte Freund Nebelschwade gerade noch mit einem multidimensionalen Pieks ihrer höllischen Mistgabel im Taschenformat mit original Hell-o-Kitty-Anhänger daran hindern, durch einen altklugen Kommentar Theseus doch noch auf das Offensichtliche – seine Dämlichkeit – hinzuweisen. Wobei der antike Held das vermutlich eh nicht mitbekommen hätte, denn er war viel zu sehr damit beschäftigt, sich ordentlich von Ariadne zu verabschieden. Mit hübsch viel Speichelaustausch. Was Chris zu einem spontanen Ich-vermisse-Umeko-Sit-in veranlasste. Denn immerhin war seine Herzdame jetzt nicht nur mal wieder mehrere tausend Kilometer von ihm entfernt, sondern auch mehrere tausend Jahre. LennStar schloss sich ihm spontan an. Weniger weil er Alekto vermisste, tatsächlich wusste er ja nicht einmal, dass diese Furie auf ihn stand, sondern weil er endlich einmal im antiken Griechenland war, und dann sah die Reiseplanung keinen Trip zu seinen berühmten Zunftvorfahren vor. Das war in seinen Augen einfach nur ungerecht. Bevor sich Kiwi wegen des Wollknäuels, mit dem sie nun nicht mehr spielen durfte, ebenfalls diesem Sitzstreik anschließen konnte, lenkte Jack die Truppe ab, indem sie sich an Freund Nebelschwade wandte und ihn fragte, ob ihm irgendwas von alledem bekannt vorkäme oder ob er gar sein Gedächtnis zurückerlangt hätte. Als dieser den gespenstischen Kopf schüttelte, sagte Chi resolut: „Na dann, auf zur nächsten Station.“ „Ja, auffii!!“, rief Easy begeistert, ohne wirklich eine Idee zu haben, wohin sie als nächstes gehen würden. Eine Frage, die Nifen neugierig nachholte. „Och, ist nicht weit. Zu Juda und Tamar nach Israel“, erklärte Chibichi. „Juda? Tamar?“ Zwar war die Truppe einigermaßen bibelfest, kannte die wichtigsten Stellen wie Moses und das goldene Kalb oder den verlorenen Sohn, aber von Tamar hatten sie noch nicht gehört. „Juda ist der vierte Sohn Jakobs und somit einer der Stammväter der zwölf Stämme Israels“, erklärte Chibichi bereitwillig. „Und Tamar ist seine Schwiegertochter, die von ihm Zwillinge bekommt.“ „Betrügt Juda seinen eigenen Sohn mit der Schwiegertochter?“, fragte Easy mit großen Augen. Sicherlich, die Familienstrukturen in der Bibel waren manchmal reichlich verwirrend, aber das war nun doch arg merkwürdig. „Sein Sohn war schon tot…“, setzte Chibichi an, doch Freund Nebelschwade wählte genau diesen Augenblick, die Truppe ins biblische Israel zu schnipsen. „Wieso ist es hier so dunkel? Und so eng?“, fragte Easy, als sie sich mit einem Mal nicht mehr im sonnigen Kreta sondern in einer engen, dunklen Höhle befanden. „Www...was ist das?“, fragte Jack da und deutete auf zwei riesige Fleischberge. Chibichi sah anklagend zu ihrem gespenstischen Besucher hinüber, während abranka kurzerhand das Wetterleuchten in ihrer Musenwolke einschaltete. „Ähm, sieht so aus, als ob er hier“, Chi nickte in Richtung der Nebelgestalt, „der Ansicht war, dass mittendrin besser sei als nur dabei...“ „Soll das heißen...?“, fragte Nifen vorsichtig. Der Teufel nickte. „Genau das. Wir sind in Tamars Körper, genauer in der Gebärmutter. Und diese beiden Fleischberge sind Rotglanz und Durchbruch.“ „Ihre Kinder?“, hakte die Managerin nach. Chibichi nickte. „Merkwürdige Namen. Wer nennt denn sein Kind Durchbruch?“, wollte Easy wissen. „Auf Hebräisch klingt das längst nicht so merkwürdig. Oder zumindest nicht so offensichtlich. Lea heißt ja schließlich auch nichts anderes als Hirschkuh“, gab der Teufel zu bedenken. In diesem Moment regten sich die Fleischberge und begannen, sich mit einer Mischung aus Walsingen und Vogelgezwitscher zu unterhalten. Dankenswerter Weise waren Chibichi und abranka abermals in der Lage, die Worte zu übersetzen. „Wird reichlich eng hier. Lang können wir nicht mehr bleiben, wenn wir so weiterwachsen“, sagte das erste Baby. „Ich glaub, ich sehe da unten einen Ausgang“, erwiderter sein Zwilling. „Meinst du, dort ist mehr Platz?“, fragte der Bruder. „Möglich wäre es. Selbst wenn dort nur eine größere Höhle ist, könnten wir dort auf alle Fälle weiterwachsen. Vielleicht sollten wir dorthin schwimmen.“ „Hm, hier ist es aber so kuschelig warm und geborgen. Was wenn es dort kalt ist?“ „Wie wäre es, wenn einer von euch beiden einfach mal einen Arm rausstreckt, um zu überprüfen, wie warm oder kalt es dort ist?“, mischte sich nun Freund Nebelschwade mit einem süffisanten Grinsen in die Unterhaltung ein. Chibichi verpasste ihm dafür abermals einen Pieks mit der höllischen Mistgabel. „Keine Einmischung in die Geschichte der Menschheit!“, wies sie ihn zurecht, während abranka kurz die übrigen Anwesenden in die Geschichte um Durchbruch und Rotglanz einweihte. „Wieso? Wir wissen doch, dass es so laufen wird“, verteidigte sich der gespenstische Gast. Chi seufzte. „Als ob das Alte Testament nicht schon unlogisch genug ist... Aber nein, der Herr muss ja unbedingt noch ein Paradoxon heraufbeschwören.“ Nifen sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Du meinst, wenn er hier“, sie deutete kurz in Richtung von Freund Nebelschwade, „jetzt nichts gesagt hätte, gäbe es vielleicht die Aktion mit dem Arm und dem Faden daran gar nicht? Aber wir sind nur hier, weil es diese Aktion gab? Und wenn er nichts gesagt hätte, wäre alles ganz anders verlaufen, und es stünde nicht in der Bibel, aber weil es da drin steht, musste er oder jemand anderes was sagen?“ Zeitreisen und die paradoxen Situationen hatten die Managerin schon immer fasziniert. „Genauer gesagt ist das kein Paradoxon, sondern eine Unabdingbarkeit der Ereignisse“, belehrte Freund Nebelschwade Chibichi. „Im Kosmos wird es immer einen Impuls geben, der das Unabdingbare bedingt. Hätte ich nichts gesagt, hätte jemand anderes etwas gesagt oder die Katze hätte sich eingemischt und den Arm nach draußen gedrängt oder ein Wolkenwattebausch“, bei diesen Worten blies abranka empört die Wangen auf – ihre Wolke bestand nicht aus Wattebäuschchen! –, „wäre entfleucht und eines der Riesenbabys hätte danach gehascht.“ Nifen fügte ihrer Liste an Informationen über ihren Gast einfach ein ‚außerirdisch’ hinzu, während der Rest der Truppe ergeben nickte und zusah, wie die beiden Babys mittels ‚Schnick, Schnack, Schnuck’ (auch bekannt als ‚Stein, Schere, Papier’) ausknobelten, wer denn nun die Außentemperatur testen würde. Und so kam es, dass Rotglanz, als er die Hand wieder zurückzog, einen hübschen, roten Faden um das Handgelenk gebunden bekommen hatte. „Herzlichen Glückwunsch!“, verkündete Freund Nebelschwade auch prompt. „Damit bist du der Sieger im ‚Wer erbt Papas ganzen Besitz’-Spiel.“ Zum Glück für die Truppe wussten die Babys noch nicht, was erben bedeutete. Auch würden sie sich an die merkwürdige Begegnung kurz vor ihrer Geburt schon in wenigen Tagen nicht mehr erinnern. Sonst hätte es vielleicht zu einem ernsthaften Bruderkrieg führen können, oder Durchbruch hätte versucht Freund Nebelschwade mit der Nabelschnur zu erwürgen. Wie gut, dass Murphy bei diesem Ausflug nicht mit von der Partie war. Doch das änderte nichts daran, dass der gespenstische Gast sein Gedächtnis immer noch nicht zurückerlangt hatte. Also wurde es Zeit für den Sprung zum nächsten roten Faden in der Geschichte. Aber wohin? „Ich bin für das alte Rom“, ließ sich LennStar vernehmen. Wenn schon nicht Sokrates, dann wenigstens die ewige Stadt. „Eine Toga besteht aus mehr als genug roten Fäden.“ Da kein Einspruch kam, dauerte es lediglich ein Fingerschnipsen und das Dunkel wich der gleißenden Sonne Italiens. Genauer: der Sonne des alten Roms zu Zeiten eines gewissen Imperators namens Gaius Julius Cäsar. Aber letztlich brachte es für ihre Suche nach dem Gedächtnis des gespenstischen Besuchers nicht viel. Außer einem netten Plauderstündchen bei Cäsar und einem überlegenen „Der Cäsar ist tot, es lebe der Cäsar“ von Freund Nebelschwade, als Gaius Julius die gut gemeinte Warnung, dass Brutus ihn letztlich auch verraten würde, nicht ernst nahm. Was bekanntlich dazu führte, dass der Herrscher Roms sich mit unschönen und vor allem unpraktischen Löchern im Oberkörper nach der berühmten Messerstecherei im Senat wiederfand. Und Nifen fügte ein ‚steht auf dumme Sprüche’ ihrer Liste an Fakten über ihren Besucher hinzu und die Zeitreise ging weiter. Ähnlich fruchtlos blieb der Abstecher zu den Kreuzrittern des Mittelalters. Auch wenn die Truppe dort die Erfahrung machen durfte, dass das Nebelwesen von Kriegshandlungen wenig hielt. Selbst wenn sie in so brutaler Zeitlupe abliefen, wie das bei den Rüstungen und beidhändig zu führenden Schwertern der europäischen Kreuzfahrer der Fall war. Und da angesichts des Gestanks und des Bluts auch die Sorglospunks, oder vielmehr ihre Mägen, nicht sonderlich viel von diesem geschichtlichen Schauplatz hielten, waren sie froh, schnellstmöglich weiterzuziehen. Es war Nifen, die mit dem nächsten wirklichen roten Faden mit Bedeutung aufwarten konnte. Denn irgendwo in einer Ecke ihres Gehirns, wo sie allerlei Wissen, das die Welt nicht wirklich brauchte, aufbewahrte, war auch die Information untergebracht, dass die Britische Marine seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert in ihre Taue einen roten Faden einspinnen ließ, um im Falle eines Diebstahls jederzeit das entsprechende Seil als Eigentum der königlich-britischen Marine identifizieren zu können. „Au ja! Auf in die Karibik. Port Royal, wir kommen! Hach ja... Captain Jack Sparrow, Barbossa, Will Turner und all die anderen Piratenhelden... “ Bei der Vorstellung ihre Helden aus dem goldenen Zeitalter der Seeschlachten und Kaperfahrten einmal in ihrer natürlichen Umgebung sehen zu dürfen und nicht als Geister auf einem Clubschiff, ließ Jacks Augen vor Freude glänzen. Sofort wurden lauthals Proteste angemeldet. „Was? Erst ‚Königreich der Himmel’ und jetzt ‚Fluch der Karibik’?“, beschwerte sich Chris. „Als nächstes wollt ihr wohl auch noch nach ‚Elizabethtown’ mit der Begründung, dass die dämliche rote Mütze von Kirsten Dunst ja auch einen roten Faden symbolisieren könnte. Ich dachte, wir sind hier auf einer Zeitreise mit ernstzunehmender Mission und nicht auf einer Orlando Bloom Sightseeing-Tour.“ Seit die weiblichen Hausbewohner nach dem letzten Jenga-Duell um das Recht, das Wochenendfernsehprogramm bestimmen zu dürfen, auf einem DVD-Marathon mit Orlando Bloom-Filmen bestanden hatte, konnte Chris noch nicht einmal mehr ‚Herr der Ringe’ sehen, ohne beim Anblick eines gewissen Elben auf die Vorspultaste zu drücken, was den Filmgenuss dann doch arg beeinträchtigte. Aber Jack war für Chris’ Argumente eh nicht zugänglich. Ebensowenig interessierte sie LennStars Einwand, dass es um die hygienischen Bedingungen an Bord eines Piratenschiffes nicht viel besser bestellt war als in der syrischen Wüste, aus der sie gerade kamen. Von dem Blut und dem Gemetzel bei den Überfällen ganz zu schweigen. Erst als abranka das musikalische Multitalent der Sorglospunks vorsichtig darauf hinwies, dass Port Royal seinen Status als wichtige Hafenstadt in der Karibik bereits Ende des 17. Jahrhunderts durch eine Naturkatastrophe eingebüßt hatte, die königlich-britische Marine aber erst gut achtzig Jahre später angefangen hatte, die Seile mit dem roten Faden zu versehen, nahm sie schweren Herzens von der Vorstellung eines Piraten-Karibik-Abenteuers Abschied. Stattdessen verbrachte die Band einen vergnüglichen Nachmittag an Bord eines Schiffes, das Truppen nach Indien brachte. Freund Nebelschwade erschreckte die alten Seebären, indem er ihnen einzureden versuchte, er sei der Klabautermann, Kiwi hatte reichlich Ratten zu jagen und die weiblichen Mitglieder hatten jeden Menge zuvorkommender Offiziere, mit denen sie flirten konnten. Auch wenn der erste Handkuss bei Easy ein leichtes Kichern hervorrief und Nifen an sich halten musste, nicht unauffällig ihren Handrücken an ihrer Kleidung abzuwischen. Chris diskutierte angeregt mit dem Kapitän über fernöstliche Kulturen und LennStar philosophierte mit dem Koch – ein Mann mit Ambitionen, der sich weigerte den Titel Smutje zu tragen – über die Zusammenhänge von Essen, Zufriedenheit und einem langen Leben. Irgendwann aber, so auf Höhe des Äquators, wurde es den Sorglospunks, die ja überwiegend die weniger heißen Gefilde des Schwabenlandes gewöhnt waren, doch zu heiß – und das lag nicht an dem heftigen Flirt, der sich zwischen Jack und einem der Offiziere entsponnen hatte – und so beschloss man weiterzuziehen. „Ab in die Gegenwart“, meinte Nifen kurzentschlossen. Chris sah sie entsetzt an. Wartete jetzt am Ende doch noch eine Begegnung mit der roten Mütze aus ‚Elizabethtown’ auf ihn? Freund Nebelschwade aber, über den die Managerin auf ihrer Liste mit Fakten vermerkt hatte, dass er offenbar von allem fasziniert war, was Schiff hieß, fragte nur süffisant, welche Gegenwart Nifen meinte. Denn schließlich seien Begriffe wie ‚das Hier und Jetzt’ ja immer relativ. Aber die Bandmanagerin wenig Sinn für derlei philosophische Betrachtungen – diese hob sie lieber für ein Plauderstündchen mit LennStar im Fass im heimischen Vorgarten bei einer guten Tasse Tee auf – und so sagte sie nur knapp: „Unsere Gegenwart, die da heißt der Zeitpunkt kurz nachdem du bei uns aus dem Fernseher gestiegen bist und uns einfach mal eben so ins antike Griechenland geschnipst hast.“ (Apropos antikes Griechenland und eine Tasse Tee... Im Jahr 2267n.Chr. sollte übrigens eine Archäologengruppe die Geschichte des Porzellans auf den Kopf stellen, als sie bei Ausgrabungen auf Kreta Scherben einer Teetasse fanden, die aufgrund der wissenschaftlichen Datierung eindeutig aus der minoischen Zeit stammte und somit rund 5000 Jahre älter war als das älteste in China gefundene Porzellan. Aber das hatte Nifen ja schließlich nicht wissen können, als sie ihre Tasse bei Theseus und Ariadne vergaß...) „Also schön, einmal Mitteleuropa, ausgehendes Benzinzeitalter“, sagte die Nebelerscheinung und hob schon die weißlich durchsichtige Hand, zum zu schnipsen, als Nifen noch hinzufügte: „Hannover bitte.“ „Hannover?“, klang es vielstimmig fragend von den anderen und Freund Nebelschwade wandte leicht beleidigt ein: „Da hab ich euch aber nicht eingesammelt.“ „Ich weiß“, erwiderte die Managerin begütigend. „Aber im Gegensatz zu unserem Heimatort gibt es in Hannover einen roten Faden.“ Bei diesem roten Faden handelte es sich eine dicke, rote Linie, die sich kreuz und quer durch die Innenstadt der niedersächsischen Landeshauptstadt schlängelte und so willige Touristen zu allen Sehenswürdigkeiten führte: von der Aegidienkirche über das Wappenportal an der städtischen Bauverwaltung bis hin zum Kröpcke. An sich eine interessante Art, Hannover kennenzulernen, aber auch sehr laufintensiv und so wanderten von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit mehr neidvolle Blicke zu abranka auf ihrer fliegenden Wolke und mehr als ein Sorglospunk wünschte sich, ähnlich wie Kiwi, auf dem Schoß der Muse einfach so weich gepolstert ein bis zwei Meter über dem Boden umherschwirren zu können. Und so verwunderte es niemanden, dass Nifens Vorschlag, nach dem Leibnizhaus einen Abstecher zum Pfannkuchenhaus zu machen, auf breite Begeisterung stieß. Auf die Frage der Band hin, woher sie soviel über Hannover wisse, zuckte die Managerin nur mit den Schultern. „Managerseminar zum Thema ‚Spam richtig nutzen’.“ Ein vielsagendes, schiefes Grinsen machte die Runde. Auf so eine Antwort hätten sie schließlich nach all den Abenteuern mit Werwölfen und kopflosen Schlossgesellschaften rechnen müssen. Als sie schließlich alle gestärkt waren, um nicht zu sagen, pappsatt und somit mehr als träge und unwillig weiterzulaufen, sahen sich Chibichi und abranka an und beschlossen, dass, so unterhaltsam diese Reise durch die Geschichte auch gewesen sein mochte, es nun an der Zeit war, das Ganze zu einem Abschluss zu bringen. „So, lasst uns zum letzten roten Faden kommen!“ „Hö? Noch ein roter Faden?“, fragte Jack überrascht. „Aber wir sind doch schon wieder in unserer Zeit angekommen.“ „Ja, schon“, meinte abranka, „aber das heißt noch lange nicht, dass wir in seiner Zeit angekommen sind.“ Sie nickte in Richtung von Freund Nebelschwade. Sie grinste verschwörerisch. „Der nächste rote Faden, den ich kenne, ist in der Uniformjacke von Captain Jean-Luc Picard auf der USS Enterprise.“ „Was??? Aber...“ Viel mehr konnte der Rest der Gruppe nicht sagen, denn da waren sie schon von Freund Nebelschwade wieder einmal in der Zeit weitergeschnipst worden. Mitten auf die Krankenstation, wie es aussah, wo auf einer Liege eine für Star Trek Fans nicht unbekannte Gestalt leblos dalag. Q! Und er sah aus, wie das fleischgewordene Abbild ihres geisterhaften Zeitreisebegleiters. Die gespenstische Nebelerscheinung lächelte, stolz wie ein Vater auf sein Kind, das nun endlich Fahrrad fahren kann, und sagte dann: „Sieht so aus, als hättet ihr am Ende doch herausbekommen, wer ich bin...“ „Ach ja... Bist du dir da ganz sicher?“ Zum Entsetzen aller Anwesenden, was einen halbwüchsigen Klingonen, der soeben zur Tür hereingekommen war, mit einschloss, setzte sich plötzlich der bis dahin leblose Körper auf der Liege auf. Q war lebendig geworden. Aber wenn Q lebendig auf der Krankenliege saß, wer war dann... Freund Nebelschwade fuhr herum. „P....Papa?“ Papa? Beinahe alle Anwesenden zogen die Augenbrauen hoch. Jemand war so wahnwitzig gewesen mit Q ein q zu zeugen? „Ganz recht! Was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen?“ Drohend sah Q seinen Sprössling an. „Zeitreisen sind nicht verboten?“ Was eigentlich als unumstößliches Argument hatte hervorgebracht werden sollen, klang nun mehr wie ein vorsichtiges Nachfragen. „Und wie steht es mit dem Gebot, sich nicht in die Existenz unterentwickelter Lebensformen einzumischen?“, entgegnete Q kalt. Schließlich hatte er sich deswegen oft genug vor dem Rat verantworten müssen. „Mir war langweilig. Und du sagst doch selbst immer, dass die Menschen die unterhaltsamste Spezies seien, die du kennst. Die hier sind wirklich lustig. Sogar lustiger als Onkel Jean-Luc, mit dem du immer abhängst. Mit dem, was ich heute über sie gelernt habe, krieg ich in Speziologie bestimmt eine 1 für meinen Aufsatz. Und ich kann diesen Ausflug auch gleich noch in der nächsten Geschichtsstunde nutzen. Du siehst also, dass ich nicht bloß eine Dimensionsspritztour zum reinen Vergnügen gemacht habe. Sieh es doch einfach als Bildungsreise an“, verteidigte sich q. „Und deshalb hast du die Vermessenheit besessen, dich als mich auszugeben? Was für eine Geschichte hast du ihnen denn aufgetischt?“ Q sah noch immer nicht so aus, als würde er seinem Sohn innerhalb der nächsten Viertelstunde vergeben. Nicht so sehr, weil er eine Gruppe ahnungsloser Menschen hinters Licht geführt hatte, schließlich waren es ja nur Menschen, sondern weil q es gewagt hatte als er aufzutreten. Das schmeckte förmlich nach einem Äon Dimensionsarrest. „Dass ich, äh du, äh, also eigentlich doch ich, oder eher doch du... wir...?“, setzte q an, wurde aber von seinem Vater zur Ordnung gerufen. „Auf jeden Fall, dass wir Onkel Jean-Luc besucht hätten, als der zu einem Kuraufenthalt in den Thallassianischen Salzbädern weilte und uns dort mit den arcuturusischen roten Fadenwürmern infiziert hätten, was zu einer Spaltung von Körper und Geist geführt hätte. Und mein Geist wäre wahllos durch die Zeiten und das Universum gereist, auf der Suche nach den Wesen, die ihn wieder mit seinem Körper vereinen könnten. Alexander hat versprochen, hier auf die fleischliche Hülle aufzupassen, die ich generiert habe. Das war zumindest der Plan. Aber soweit sind wir ja gar nicht gekommen.“ Der leicht anklagende Unterton in qs Stimme, weil sein Vater ihn um das Finale seines kleinen Streiches gebracht hatte, war nicht zu überhören und trug nicht unbedingt dazu bei, Q gnädiger zu stimmen. Alexander sah bei der Erwähnung seines Namens aus, als würde er sich am liebsten klammheimlich aus dem Raum schleichen, besann sich dann aber eines Besseren. Denn erstens war es unmöglich, sich vor Q zu verstecken, zweitens würde dieser bestimmt mit seinem Vater, Worf, über die Angelegenheit sprechen und drittens war es eines klingonischen Kriegers unwürdig, sich feige davon zu stehlen. Und wenn er schon dem Zorn seines eigenen Vaters nicht entkommen konnte – Q würde nämlich so oder so mit dem Sicherheitsoffizier des Schiffes reden – konnte er vielleicht ein wenig Milde erhoffen, wenn er sich so verhielt, wie es ein Klingone tat. Egal, wie viel Alexander tatsächlich von all den klingonischen Traditionen hielt. Aber wenn sein Vater nun einmal darauf stand, wäre es unklug den Firlefanz von Ehre und Mut und so weiter nicht zu seinen Gunsten zu nutzen. Sicher hätte Q seiner Empörung über den haarsträubenden Unsinn, den q da zusammengesponnen hatte, lautstark Luft gemacht, wäre er nicht in diesem Moment von der Frontfrau der Sorglospunks in seiner beginnenden Schimpftirade unterbrochen worden. „Soll das heißen, dass unser Hausgespenst hier gar kein Hausgespenst ist und auch nicht an Gedächtnisverlust leidet?“, fragte Easy und bekam ganz große, traurige Kulleraugen. Denn sie hatte schon seit langem ein eigenes Hausgespenst haben wollen. Und ein Hausgespenst, dass einem zudem Zeitreisen ermöglichte, war unschlagbar. Nie wieder irgendwo zu spät hinkommen, nie wieder einen Auftritt verpassen, nie wieder nicht ausschlafen können, weil der Wecker klingelte, nie wieder… LennStar und Nifen, die etwa zur Pfannkuchenpause endlich erkannt hatten, weshalb ihnen Freund Nebelschwade so bekannt vorgekommen war (abranka und Chibichi hatten bereits im alten Rom alles durchschaut gehabt), sahen einander an. Dann begannen sie die gesammelten Fakten herunterzurattern, die alle gegen ein Gespenst und für einen Besucher aus dem Kontinuum sprachen, wobei Arroganz und Überheblichkeit an erster Stelle genannt wurden. Dann noch die Liebe für dramatische oder ungewöhnliche Auftritte und nicht zuletzt eine gewisse Ähnlichkeit mit einem allseits bekannten Science-Fiction-Quälgeist, der erst die Menschheit vor Gericht stellte und dann doch vor den Borg warnte. Die Beweislast war wirklich erdrückend. „Und wieso habt ihr mitgemacht, wenn ihr wusstet, dass mein werter Sprössling euch nur benutzt?“ Qs Gesichtsausdruck drückte deutlich aus, was er – noch immer – von der Intelligenz der Menschheit und den Sorglospunks im Allgemeinen hielt. Etwas, das Nifen so nicht auf sich sitzen lassen konnte. „Abgesehen von der Tatsache, dass solche Besuche und merkwürdigen Trips für uns schon bald zur Normalität gehört, wieso sollten wir nicht bei etwas mitmachen, wo am Ende vielleicht ein Auftritt für die Band rausspringen könnte? Ich dachte da an ein Konzert in Zehn Vorne, vor der gesamten Mannschaft der USS Enterprise unter dem Kommando von ‚Onkel Jean-Luc’.“ Nur eine waschechte Managerin vom Format Nifens brachte es in einer solchen Situation fertig unschuldig und doch zugleich knallhart als Geschäftspartner zu wirken. Wobei es vermutlich nicht schadete eine Entität wie abranka mit frisch gespitzten Inspirationsblitzen, die auch bei Wesen den Kontinuums zu funktionieren versprachen, und Chibichi, Teufel und Träger der höllischen Mistgabel in allen Größen, zu beiden Seiten von sich zu wissen. „Und ich meine das echte Bordkasino und nicht eine holographische Projektion wie diese Krankenstation“, fügte sie hinzu, hatte doch Kiwi ihren Logenplatz auf abrankas Schoß verlassen, war durch die Wolke geplumpst und hatte einen eleganten Sprung auf ein Sideboard neben der Tür hingelegt. Dort spielte sie nun selbstvergessen mit den bunten Lichtern der Konsole herum, was dazu führte, dass die Wände statt in einem sterilen Einheitston plötzlich durch einen lichten Wald ersetzt wurden. Q seufzte, sah von der Managerin zum Teufel und der Muse und dann zu seinem Sohn hinüber. „Also schön, wenn q und Alexander es schaffen, den Captain dazu zu überreden...“ Er hatte den Satz noch nicht ganz zu Ende gesprochen, da waren die beiden Jungen schon aus dem Holodeck gestürmt, wobei q im Laufen seine menschliche Gestalt annahm, um ihre Chancen auf Erfolg nicht durch unschickliches Auftreten zur ruinieren. Und so kam es, dass an jenem Abend, zu unbekannter Sternzeit, die Sorglospunks ihre erstes wirkliches Konzert an Bord eines Raumschiffes gaben. Und was für eines... Sogar Data rockte mit, als Easy ihren neusten Song – nach altbekannter Sorglospunks-Manier frisch per Ideenblitz auf der Bühne noch zu improvisieren – ankündigte und die Band auch gleich mit Feuereifer loslegte. Und nachdem man sich nach ein paar nicht ganz so harmonischen Eingangsklängen auch noch auf eine Tonart geeinigt hatte, klang es wirklich gut: „Hier ist er, extra eingeflogen von weit, weit weg, exklusiv für euch, im Dunkel der Nacht, im Schatten des Universums, im Glanz der Sterne...“ „Easy!!!“ „Ja, ist ja schon gut. Hier ist er also, der Rote-Faden-Song! Was andre übertragen sehn Wir selbstverständlich so verstehn, Wie’s uns die Worte in den Mund Und die Geschichte tun uns kund. Ein Roter Faden am Anfang stand, An Bord der Enterprise ein Ende fand. Durch das All und durch die Zeit, Roter Faden, der Weg ist weit. Durch die Zeit und durch das All Sorglospunks phänomenal! Bin weder Captain, noch ein Held, Umsegel nicht die ganze Welt, Bin auch nicht Ritter oder Kaiser, Und doch um so viel weiser, Als bei Beginn der lust’gen Fahrt Von Theseus bis zu dir, Picard. Durch das All und durch die Zeit Roter Faden, der Weg ist weit. Durch die Zeit und durch das All Sorglospunks phänomenal! Kontinuum, ob groß, ob klein, Bewohner Selbigen zu sein Bedeutet Macht im Überfluss, Aber auch Langeweile und Verdruss. Auch gibt’s dort keinen Kaffeetrank, Drum bleib ich lieber Sorglospunk! Durch das All und durch die Zeit Roter Faden, der Weg ist weit. Durch die Zeit und durch das All Sorglospunks phänomenal!!!“ Und als Q dann auch noch so freundlich war, die Truppe nach dem Konzert und der anschließenden After-Concert-Party wieder so pünktlich im Sorglospunkshauptquartier abzusetzen, dass Nifen doch noch in den Genuss ihres Samstagsprogramms kam, konnte man ausnahmsweise wirklich einmal von ‚Ende gut – Alles gut’ sprechen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)