Ornate letters von DKelli ================================================================================ Kapitel 6: K&K - Kitsch und Krankenschwester -------------------------------------------- Ein großes DANKE an Kirby1985 - freut mich, dass dir die FF gefällt, trotz der OOCness. -------------------------- Die Uhr hatte 23:08 angezeigt, als ich das letzte Mal drauf geschaut hatte. Und das war, als mein Vater – oder besser, der Mann, der sich noch nicht einmal die Mühe gab, ein Vater zu sein – betrunken auf der durchgelegenen Couch eingeschlafen war. Ich konnte an diesem Samstagabend gar nicht schlafen, also hab ich mir ein Glas Milch geholt und ein wenig im Schrank der Erinnerungen rumgewühlt – im wahrsten Sinne des Wortes. Denn in mitten im alkoholischen Dunst gehörte zu unserer Einrichtung auch eine große Kommode mit unzähligen Schubladen. Alles von Batterien über Briefe, bis hin zu uralten Fotos und verjährten Kontoauszügen war in das Möbelstück gepackt worden. Jetzt hockte ich also in T-Shirt, Shorts und meinem Glas Milch auf dem Boden. Durchwühlte den Inhalt eines noch nicht inspizierten Fachs. Immer wenn ich nicht schlafen konnte, beschäftigte ich mich mit dem Schrank. Er kam mir vor wie eine Schatztruhe: Einen Füllfederhalter, Manschettenknöpfe und einige Fotos meiner Schwester hatte ich schon gefunden und selbst behalten. Dem Alten würde das sicherlich nicht auffallen. „…Und hiermit wünschen wir dir herzlichen Glückwunsch und ein langes Leben! Deine Freunde, Keichi, Sakaki & Ki-chan“, las ich leise vor mich hin und klappte eine geschmacklose Geburtstagskarte an meinen Vater zu. Seltsam. Der Alte hatte damals Freunde gehabt? Ich legte die Karte auf den Haufen der ‚uninteressanten Sachen’, zu gesammelten Geschenkschleifen und noch mehr Glückwunschkarten. Nur das Rascheln meiner Suche und das nasale Schnarchen der Suffkirsche nebenan durchbrachen die nächtliche Stille. Plötzlich knisterte etwas und ich hielt eine Klarsichtfolie in der Hand. Sie schützte einen Packen Briefe, deren Umschläge mit Blätterranken verziert waren. Wie kitschig. „’An meinen Liebsten’“, las ich verwirrt den Adressaten. Wie bitte? Meine Neugierde war stärker als die Abneigung vor dem Kitsch, und so öffnete ich einen der Briefe. Also, ich muss mich korrigieren: Der Briefumschlag war KITSCHIG, aber der Brief selbst war so SCHNULZIG, dass er schon regelrecht troff. Der Inhalt des Liebesbriefes – und es war ein Echter, das hätte auch ein Blinder mit nem Krückstock gesehen – war von der allerübelsten Sorte, was die unzähligen Rosenranken und Blümchen des Briefpapiers noch unterstrichen. Ich kann es gar nicht aussprechen was da für Zeug drin steht… Aber sagen wir es mal so: Es war ein typischer Liebesbrief der ‚älteren’ Menschen. Als ich bei der Abschiedsfloskel (‚In ewiger Liebe’) angekommen war, suchte mich eine Gänsehaut heim und ich faltete den Brief zusammen. Himmel, woher kam denn so ein Brief? Nachdenklich an meinem Milchglas nippend, starrte ich auf den verzierten Umschlag. Ich musste sehr wahrscheinlich ziemlich dumm ausgesehen haben, wie ich mitten im Trinken stockte und wie gebannt auf diesen geschmacklosen Brief starrte, aber mich traf es in Wirklichkeit wie ein Schlag: Die Briefe waren von meiner Mutter an meinen Vater geschrieben worden! Ungläubig fiel mein Blick auf die restlichen Umschläge. Das musste man sich mal antun! Wahrscheinlich nur um mich zu vergewissern, schnappte ich mir das zweite Schreiben und entfaltete es. Mal abgesehen von den üblichen Verziehrungen stand ein etwas anderer Text drin; es schien ein Antwortbrief zu sein, denn es waren zusammenhanglose Sätze geschrieben worden. Am zweiten Schluss angekommen (‚Ich werde dich ewig missen’) wollte ich gar nicht erst noch die restlichen 18 Teile lesen… Das war dann doch zu krass. Wow, dass der Alte solche Briefe aufgehoben hatte… Dass er überhaupt welche bekommen hatte, grenzt schon an ein Wunder. Wer würde sich denn schon in SO einen Arsch verlieben? Anscheinend ging es. Denn sonst gäbe es mich gar nicht und verknallt hätte ich mich auch nicht. Gut, Kaiba war auch ein Arschloch, aber das war was anderes. Zur Beruhigung leerte ich mein Glas, packte alles wieder zurück in den Schrank, räumte mein Glas weg und merkte, dass es schon 0:31 war. Jetzt aber schnell ins Bett, damit ich ausgeschlafen genug war, um vor dem Alten aufzuwachen. „Katsuya, Jounouchi. Wer ist da?“ „Hi Joey!“, zwitscherte mir eine bekannte Stimme ins Ohr. „Morgen Moki. Seit wann rufst du mich an? Was gibt’s?“ „Tut mir Leid, dass ich mich schon so früh melde, aber ich dachte, sonst erwisch ich dich nicht mehr. Ich wollt mich noch Mal für die Blumen bedanken“, lachte der Kleine am anderen Ende des Hörers. „Keine Ursache. Ich stehe immer früh auf. Aber weswegen rufst du wirklich an?“ „Äh, also… Gestern hab ich mit meinem Bruder was besprochen…“, druckste er rum. Ich musste lächeln. „Es ging um mich, richtig?“ „Jops. Und wir hatten da so eine Idee…“ Seine Stimme wurde leiser, als ob er vom Telefon weggehen würde. „Warte, ich stell dich durch.“ Es piepte mehrmals, bis jemand wieder abnahm. „Katsuya?“ Ich brummte nur und warf einen Blick über meine Schulter. Der Möchtegernvater war aufgewacht und tapste ins Bad. Hoffentlich beeilte sich Kaiba. „Ich hab von deiner Situation daheim gehört“, erklärte er sachlich und ich erinnerte mich an sein Gespräch mit Mokuba. „Und da ich auch so einiges über deinen Vater erfahren habe, will ich, dass du dort ausziehst.“ Was? Er WILL? Seit wann hat er denn über mich zu bestimmen? Obwohl es genau das war, was ich wollte. „Wie bitte? Ich… habe Sie nicht richtig verstanden“, antwortete ich, den Alten auf mich zukommen sehend. „Du kannst nicht frei sprechen? Anscheinend ist dein Vater in der Nähe“, schlussfolgerte Kaiba richtig und dachte kurz nach. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass du auch von zuhause weg willst. Also bring es deinem Vater irgendwie bei, dass du ausziehen wirst. Ich hol dich dann mit deinem Gepäck heute Abend um sechs ab.“ Was ging denn jetzt ab? Natürlich will ich hier weg, aber – seit wann war er so fürsorglich? „Warte kurz.“ „Was ist? Hast du ein Problem damit?“ „Nein“, gab ich offen und ehrlich zu, „aber ich bin in einer halben Stunde unten, wenn’s nicht zu früh ist.“ „Um viertel nach zehn also? Gut, bis gleich.“ Mit einer inneren Zufriedenheit wie ich sie schon lange nicht mehr hatte (das letzte mal war in Kaibas Auto bis ich dann abserviert wurde), holte ich meine Reisetasche unter meinem Bett hervor. „Was wird das? Wer war am Telefon?“ Ich hatte den Alten hinter mir her trotten sehen, also erschreckte mich sein harscher Ton nicht, als ich meine sieben Sachen zusammensuchte. „Ein Freund hat angerufen“, meinte ich mit einem Schulterzucken (ich nannte nie irgendwelche Namen meiner Freunde, es interessierte die Suffkirsche sowieso nicht, ob ich überhaupt Freunde hatte. Hauptsache ich war aus dem Haus). „Ich übernachte bei ihm.“ „Na dann.“ Er dackelte ab, was mir recht war. Der würde es eigentlich gar nicht bemerken, wenn ich ein paar Tage fehlen würde. Aber… ich wollte jetzt für immer gehen. Also brauchte es auch einen richtigen Abschluss. Hoffentlich verstand er es… Mein Vater war unberechenbar in manchen Dingen. Ich stand komplett fertig an der Wohnungstür, die kalte Klinke schon in der Hand, als ich mich ein letztes Mal umdrehte. „Ich bin dann weg, O-too-san.“ Aus der Küche kam nur eine gegrunzte Antwort, die ich nicht verstand. Wunderte es ihn nicht, dass ich mich verabschiedete? Okay, wenn das nicht als Zeichen reicht, muss man eben noch was drauflegen. „Ich geh zu meinem Freund.“ Das letzte Wort betonte ich sehr, damit auch jemand wie der Alte es verstand. „Ja ja.“ Man konnte nur zu deutlich seine Gedanken erraten: ‚Geh endlich du Spacken und komm mit Geld wieder.’ Einmal tief durchatmen. „Ein angenehmes Leben noch. Ich gehe für immer. Ciao!“ Den Wink mit dem Zaunpfahl konnte er jetzt nicht überhört haben. Glas zersplitterte auf dem Boden, ein Stampfen näherte sich – Keine Ahnung, wo ich war. „Roland, fahren Sie los.“ Keine Ahnung, wie ich hierher kam. „Jounouchi, nicht bewegen.“ Keine Ahnung, was eigentlich los war. Ein weit entferntes Brummen und mein Gefühl, als wäre alles um mich herum aus Watte, ließen mich wegdösen. Ein jäh brennender Schmerz durchzuckte meine Stirn. „Argh!“ Verdammt, tat das weh! „Huch!“ Verwirrt schaute ich in rehbraune Augen, die mich sorgenvoll musterten. Was war denn jetzt los? Hatte ich geschlafen? Wenn ja, wieso beugte dann dieses Mädchen über mir? „Äh…“ Tut mir Leid, dass ich nichts Sinnvolleres sagen konnte, aber jeder andere wäre genau so perplex gewesen wie ich. Das Mädchen fing sich als Erste. „Hab ich dir wehgetan? Tut mir Leid, dass ich dich geweckt habe.“ Als sie mich freundlich anlächelte, fand ich meine Fassung wieder und setzte mich aufrecht hin. „Kein Problem… Was ist eigentlich los?“ Während die junge Frau mir erklärte, dass sie mich behandelte, bemerkte ich, wie ich auf einer Couch in einem noblen Schlafzimmer lag. Kaibas Schlafzimmer. (Diese Feststellung beruht nicht allein auf der Tatsache, dass alles reich und vornehm aussah. --- Okay. Doch.) Unbewusst fuhr meine Linke an meine Wange. Wow, hatte ich da eine große Beule. „Nicht anfassen“, rügte mich die junge Frau sanft, „ich hab noch nicht alles desinfiziert.“ Seufzend fiel ich in mein Kissen zurück und ließ sie ihre Arbeit machen. Ich sah, dass die Braunhaarige eine Krankenschwester war und jedem normalen Menschen wären die Augen rausgefallen, so knapp bekleidet sie rumlief. Tja, ich war halt nicht normal; ich wurde vom Vater aus dem Haus geprügelt, wurde des Öfteren als ‚Hund’ betitelt und war in das arrogante Arschloch Kaiba verliebt und demnach schwul. Wieso bin ich eigentlich noch nie als verrückt bezeichnet worden? Nach einigen fiesen Desinfektionen später, verließ die Kleine den Raum und ich drehte mich auf die Seite, um den Raum zu überblicken. Also das alles wesentlich größer als in meiner alten Wohnung war, muss ich glaub ich, nicht erwähnen. Ein breites Bett, davor ein weißer, riesiger, flauschiger Teppich (also direkt vor mir) und etwas abseits, vor den mannshohen Fenstern, ein kleiner Schreibtisch samt Schrank. Dieses Spartanische wunderte mich – schließlich war ein Schlafzimmer doch zum Wohlfühlen da – aber bei einem Typ wie Kaiba nicht ungewöhnlich. Trotzdem gefiel es mir irgendwie… Ob es an der Stille oder der entspannten Atmosphäre lag? Schritte näherten sich und jemand trat ein. „Oh, du bist ja wach.“ Ich brummte und setzte mich hin. „Meinst du etwa, ich wäre tot oder was?“ Der kleine Junge vor mir zog eine Schnute. „Nein, ich hatte nur vom Hörensagen mitbekommen das es dir echt dreckig gehen soll“, plauderte Mokuba, musterte mich dann aber mit ernster Miene. „Hatte mich auf ne Beule und ein paar Schrammen eingestellt, aber das… ist doch wirklich übel. Siehst kacke aus.“ „Na danke“, gab ich bissig zurück. Also, ich weiß ja Ehrlichkeit zu schätzen, aber… Wieder betastete ich mein Gesicht. Abgesehen von der Beule an meiner Wange fühlte ich eine aufgeplatzte Lippe. „Wetten ich sehe aus wie ein Penner?“ Mokuba legte den Kopf schief und ich bemerkte zum wiederholten Male, dass seine Haare unnatürlich lang waren. „Eher wie ein überfahrener Penner.“ „Noch so’n Spruch, Kleiner, und ich gehe.“ Momentchen, seit wann konnte Mokuba so gehässig grinsen? Hoffentlich hatte er das aus dem Fernsehen und nicht von seinem Bruder gelernt! „Ich schätze, du wirst keine 20 Meter weit kommen. Das Personal hier hat die Order dich nicht gehen zu lassen.“ Wie bitte? Ich fühlte mich wie in einem Gefängnis. Einem vornehmen Gefängnis. „Dein Bruder braucht keine Angst zu haben, dass ich ihm weglaufe, ich fühl mich immer noch, als wäre ich vor eine Lokomotive gerannt.“ Mokuba verschränkte die Arme. „Du willst nicht abhauen? Und mit was hast du mir dann gerade eben gedroht?“ Grundgütiger, er schlug ganz nach Seto, nicht nur seine Haltung und der Tonfall… Der zukünftige Lebenspartner konnte sich bei dem Winzling schon Mal ne warme Socke anziehen. „Hm, hast ja recht“, räumte ich ein. Ich hatte echt keinen Bock auf Diskussionen. „Bin müde, kannst du mich was allein lassen?“ „Geht klar. Ruf einfach, wenn du was brauchst. Gute Besserung!“ Der Kleine hatte es jetzt schon faustdick hinter den Ohren. Ob Seto früher auch so war…? Mit diesem und jenen Gedanken verfiel ich in einen erholsamen Schlaf. Kennt ihr das? Man träumt irgendetwas total geiles, kann sich aber beim aufwachen nicht mehr daran erinnern? Aber wenn man dann irgendwann etwas Bestimmtes sieht, kommt die Erinnerung wieder. Genau das ist mir auch wieder passiert. Ein leises Tippgeräusch hatte mich wach gemacht. Mein Unterbewusstsein wusste, was das war, aber dennoch blinzelte ich und sah mich um. Kaiba saß im Schneidersitz auf seinem Bett und tippte auf seinem Laptop herum. Okay, das war gar nicht so außergewöhnlich, stimmt schon, aber… es war doch ziemlich merkwürdig. Ich rutschte ein bisschen weiter, um ihn besser ins Auge fassen zu können, konnte aber den Unterschied nicht wirklich ausmachen. Irgendwie schien ich noch nicht ganz wach zu sein… Da die Lehne mir im Weg war, rutschte ich noch ein kleines Stückchen und beobachtete ihn genauestens. Gut, ich gebe zu, meine Aktion mit dem rumrutschen auf dem schmalen Sofa war ziemlich dämlich. Ich hätte mir eigentlich auch denken können, dann hätte ich mir die blauen Flecken vom Fall der Couch ersparen können, aber wie gesagt: Ich war noch nicht ganz wach. „Verdammt…“, brummte ich und rieb mir den schmerzenden Ellenbogen, da hörte ich ein leises Auflachen aus Richtung Bett. Lachte er etwa? Das war verrückt. Vielleicht träumte ich ja noch. Da ich ja eh schon auf dem Boden lag, blieb ich auch direkt sitzen und drehte mich um. „Du hast mich die ganze Zeit beobachtet… Wie kann man da vom Sofa fallen?“, fragte Seto belustigt über den Rand seines Bildschirms hinweg. „Weil ich einfach nicht genug von dir bekommen konnte“, grinste ich und bemerkte – jetzt da ich wach war – was so anders war: Der Brünette trug ne stinknormale Jeans und ein lockeres weißes Hemd, was nun aber wirklich verrückt war, denn exakt diese Situation hatte ich auch geträumt! Nur weiß ich nicht mehr, wie es weiter ging, denn da wurde ich ja durch sein Tippen geweckt. „Scheinst ja wieder fit zu sein“, bemerkte er knapp und klappte nach ein paar Klicks den Laptop zu. „Und das, obwohl du echt was abbekommen hast.“ „Na ja, mein Abgang war zwar kurz, aber nicht wirklich schmerzlos“, murrte ich. Seto setzte sich an die Bettkante. „Hast du ihm denn begreiflich gemacht, dass es endgültig ist?“ „Ich denke, verstanden hat er es… Aber er wird es nicht wahrhaben wollen.“ Ein genervter Seufzer entfuhr mir. „Da musst du dir was einfallen lassen.“ „Ich hab schon eine Idee“, grinste ich siegessicher. Oh ja… Mein so genannter Vater würde sich für immer daran erinnern! „Du hast doch Papier und Stift zur Hand?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)