Vergangenheit, Blut & Nostalgie von ElefantenFee (Der Untergang eines Grafen) ================================================================================ Kapitel 2: ----------- Kapitel 2 Zwei Wochen später hatte man Dirk aus dem Krankenhaus entlassen. Am Vortag war er nach Hause gekommen. Er trug nur den Rucksack bei sich, den Jan ihm am Tag seiner Einlieferung in das Krankenhaus gebracht hatte. Auf seinem Wohnzimmertisch lag ein Zettel, davor die Sporttasche mit der in Urlaub gewesen war. Jan hatte sie an sich genommen als Dirk mit dem Krankenwagen vom Bahnhof weg gebracht wurde. „Die Wäsche habe ich Dir gewaschen. Dein Ersatzschlüssel liegt dort, wo er bisher immer gelegen hat. Jan“, das war das Erste was er von Jan sah, seitdem er ihn aus dem Krankenhaus schickte. Dirk war geistesabwesend durch das Haus gewandert, stand am Fenster, schaute auf die Straße. Die Gedanken rasten nur so durch seinen Kopf. Einzig und allein Jan war das Thema was ihn beschäftigte. Abends versuchte er oft Jan zu erreichen. Immer wieder zuckte er zusammen als er seine Stimme hörte, doch jedes Mal war es nur der Anrufbeantworter. Der anfängliche Schreck ging über zu Vorfreude und wurde zu Enttäuschung als er erkannte, dass es wieder der Anrufbeantworter war. Jedes mal dachte er, dass er Jan am Telefon hätte. Dirk spürte das Bedürfnis sich zu entschuldigen für seine Grobheit und sein Unverständnis gegenüber Jan, der sich nur Sorgen gemacht hatte. „Vielleicht könnte es dann auch wieder so werden wie früher“, immer wieder sagte Dirk diesen Satz zu sich selbst, stellte sich Jan dabei vor. Das wäre genau das, was Dirk wollte, tief in seinem Inneren. Doch Jan musste akzeptieren wie Dirk war. Jan musste verstehen, dass er nicht mehr ohne seine ‚Hülle’ leben konnte. Sie half ihm so sehr, doch Dirk befürchtete, dass Jan es nie verstehen würde. Auch würde er Dirk so nie akzeptieren. Er hatte Jan geschlagen und Jan hatte ihn rausgeschmissen unter Tränen, Geschrei, Wut, Enttäuschung und Verzweiflung. Dirk wählte die Nummer von Rod. Rod, der dritte Mann im Bunde. Der Ruhepol, der Mann der angerufen wurde, wenn es Ärger gab, wenn etwas besprochen werden musste. Der Mann, der sich selbst als ‚Kummerkasten’ bezeichnete und damit kein Problem zu haben schien. „ Gonzaléz“, meldete sich eine Frauenstimme. „Hallo, ist ... kann ich Rod sprechen?“ „Oh, Süßer! Natürlich, warte einen Moment. Sag’ mal, wie geht es Dir?“, ein lautes Rufen nach Rod folgte der Frage. „Gut, gut. Danke“, antwortete Dirk kühl, „Und selbst?“ „Hm, wieder ganz gut. Haben uns Sorgen um Dich gemacht, Honey“, Rods Freundin gab ihm immer Kosenamen, eigentlich machte sie das bei jedem, den sie kannte, „Pass’ auf Dich auf, mein Schatz! Ich geb’ Dich weiter.“ Ein Knistern und Knacken, ein leises Flüstern und Rod war am Telefon: „Dirk? Na, wie geht’s?“ „Ja, ... nun ja, geht schon. Ich will Dich nicht lange stören. Weißt Du, wo sich Jan rumtreibt?“ Kurze Stille, ein leises Seufzen: „Ich hab’ geahnt, dass Du deswegen anrufst. Hör’ mal Dirk, Du hast Ihm ganz schön weh getan und wenn ich das jetzt mal so sagen darf, dass ist nicht das erste Mal gewesen. Ich glaube kaum, dass Jan Dich zur Zeit sehen oder sprechen will. Die Frage ist, ob er überhaupt Kontakt mit Dir möchte.“ „Rod, wo ist er?“ „Wo wird er wohl sein? Zu Hause, aber um Himmels Willen, halte mich da raus! Diesmal stell’ ich mich nicht als Dr. Sommer für Große zur Verfügung. So langsam aber sicher solltet Ihr das mal geklärt kriegen, insbesondere Du solltest mal was machen.“ „Rod...“, begann Dirk, wurde aber unterbrochen. „Nein, jetzt hörst Du mich gefälligst mal an und zwar bis zum Ende! Immer rufst Du mich an, kommst vorbei oder sonst was und willst mit mir reden. Willst ein bisschen jammern oder Hilfe, aber es ist immer wieder das Selbe. Sobald man ehrlich wird und Dir sagt, dass Du ein Problem hast, dass Du krank bist, legst Du auf oder verschwindest. Wirst sauer oder richtig aggressiv. Ich kann Jan gut verstehen, mittlerweile habe ich auch keine Lust mehr auf Deine Launen und ich bin noch um einiges geduldiger als Jan! Reiß’ Dich endlich zusammen und sieh’ zu, dass Du Dein Leben wieder in Griff kriegst. Du machst nicht nur Dich kaputt, sondern auch Jan und die Band. Verstehst Du das denn nicht? Ändere Dich und wird’ wieder zu dem Mensch, der Du mal warst. Meinst Du ernsthaft, nur weil die Droge Dir das Gefühl gibt, dass Du ein flauschiges Wattebällchen bist und alles an Dir abprallt, dass es auch wirklich so ist?“, Dirk antwortete nicht, „Verdammt, Dirk. Ach Mensch, werd’ Dir endlich mal darüber klar, was Dir wirklich wichtig ist. Ich weiß auch ganz genau, dass Du Dir schon wieder was geholt hast. Du bist doch schon wieder drauf, sonst würde es Dir nicht so gut gehen. Hab’ ich Recht oder was?“ Auch diesmal antwortete Dirk nicht. Er saß einfach da, hielt den Hörer ans Ohr und lauschte Rod. Doch ein ‚Klick’ und der durchgehende Piepton zeigten Dirk, dass Rod aufgelegt hatte. Ihm war der Geduldsfaden gerissen. Dirk legte das Telefon auf die Couch. Angst stieg in ihm auf. Angst alles zu verlieren. Das flaue Gefühl in der Magengegend wurde schlimmer. Er hatte das Gefühl, dass es ihn innerlich zerriss. Seine Beine fingen an zu kribbeln. Er wollte nicht. Die Sucht kehrte zurück und sagte ihm, dass er was gegen das erdrückende Gefühl tun sollte. Das er seinem Körper das geben sollte, was er brauchte. Das er die auseinanderbrechende Schutzhülle aufbauen sollte. Das er den Schmerzen, die anfingen sich rasch auszubreiten, zuvor kommen sollte. Das Zittern beenden, die Schmerzen beenden, die Gedanken beenden, die Wut und Enttäuschung auf sich selbst zu beenden. Dirk stand auf und lief ins Bad. Seine Knie zitterten und er hatte das Gefühl jeden Moment kein Halt mehr zu haben. In dem weißen Badezimmerregal stand ein kleiner Tresor. Jan hatte ihm das kleine Ding vor Jahren geschenkt. Langsam drehte er das Zahlrad und hörte jedes einzelne Klicken, wenn er die richtige Nummer traf. Als er das Türchen öffnete fiel ihm das kleine Plastiktütchen regelrecht entgegen. Die weiteren Gegenstände schienen ihm zu zuwinken. Sie riefen nach ihm. Dirk bildete sich ein seinen Namen zu hören. Fest umklammerte er die kleine Spritze aus der Apotheke. Er wollte die Stimme, die seinen Namen rief, zum Schweigen bringen. Mit seinen Utensilien ließ Dirk sich auf den Boden sinken. Leise klapperte es als er den Kampf ein weiteres Mal als Verlier verließ. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)