Die Nummer 7 von Haran (Soccer isn't a game! It's a life!) ================================================================================ Kapitel 14: Kindskopf! ---------------------- Ein penetranter Schmerz drängte sich in die Dunkelheit. Shisei stieß einen unwilligen Laut aus, denn dieses unangenehme Ziehen im Handgelenk wollte nicht aufhören. Es zog ihn aus dem ruhigen, dunklen Zustand der Bewusstlosigkeit. Als Shisei die Augen langsam öffnete stach ihm die Helligkeit in den Augen. Das schwache Licht der Abenddämmerung brannte und beinah wäre ihm von dem Schmerz übel geworden. Der junge Stürmer stöhnte auf wollte sich von dem Licht wegdrehen, da packten ihn zwei kräftige Hände an den Schultern und zwangen ihn zurück in die Rückenlage. Langsam normalisierte sich Shiseis Lichtempfängnis und der stechende Schmerz in seinen Augen ließ nach. Die im Kopf blieben! Dazu erwachten überall neue Schmerzquellen, als Shiseis Gehirn wieder seine Arbeit aufnahm. Sein Puls schoss in die Höhe und ihm wurde spei-übel vom Ansturm der Eindrücke. „Wenn du dich übergeben musst, sag Bescheid!“ Shisei erkannte die Stimme, doch er wusste nicht wem sie gehörte. Ein Schatten legte sich über sein Gesicht und der junge Stürmer wurde in eine sitzende Position gebracht. Fast wäre er von dem plötzlichen Aufrichten wieder ohnmächtig geworden, doch sein Magen und Puls beruhigten sich. Benommen und zu erschöpft um auch nur einen Finger zu rühren sank Shisei an die Schulter der Person, die ihn festhielt. Minuten vergingen. Shiseis Körper leistete keinen Widerstand mehr und er wäre fast eingeschlafen, hätte die Person ihn nicht leicht geschüttelt. „Geht's wieder?“, fragte sie. Shisei nickte nur schwach. Er wurde wieder hingelegt. Als der Schatten über dem jungen Stürmer verschwand, griff dieser benommen nach seinem rechten Handgelenk um sich endlich von der Quelle zu befreien, die so stetig schmerzte. „Vergiss es, Junge! Die Infusion bleibt drin!“ Die so bekannte Stimme ertönte bestimmt und die Person ergriff Shiseis linke Hand. Dieser versuchte sich zu wehren, doch er erreichte nur eine neuerliche Übelkeit. „Was is' hier eigentlich los“, brachte der junge Stürmer hevor, nachdem er ein paar Minuten mit seinem Magen gerungen hatte. „Das könnte ich dich genauso fragen, junger Mann! Klappst einfach nach dem Spiel zusammen und regst dich nicht mehr! Die Mannschaft titscht im Dreieck vor Sorge und ich hab 'ne dicke Rechnung am Hals, weil ich auf der Fahrt mit dir hierhin geblitzt worden bin!“ Die Person schien sauer. „Wir haben gegen Argentinien gewonnen, dass ist doch die Hauptsache!“, murmelte Shisei angestrengt. „Nein, dass ist nicht die Hauptsache! Das Wichtigste ist, dass ihr gesund und unverletzt durch dieses Turnier geht. Der Erfolg steht hinter der Gesundheit! Natürlich wünsche ich mir, dass ihr gewinnt, aber nicht auf Kosten euer Verfassung. Schließlich sollt ihr noch halbwegs lebendig zu euren Vereinen zurück!“, sprach die Person energisch dagegen. „Wir haben gewonnen, das zählt!“, fuhr Shisei sie so bestimmt, wie ihm möglich war, an. „Außerdem hab ich eh keinen Verein.“ Der letzte Laut verzerrte sich zu einem schmerzerfüllten Schrei, als sich in Shiseis linker Wade ein Krampf ausbreitete. Die Person reagierte schnell. Shisei spürte einen Stich im Arm, worauf er in die tiefe Dunkelheit, aus der er gerade erwacht war, zurückfiel. Die Person strich dem jungen Stürmer die verschwitzten Haare aus dem Gesicht. „Ach Junge, du hast überhaupt nichts verstanden.“ Besorgt und traurig betrachtete Dr. Lionel Cerge den ausgelaugten Körper des jungen Stürmers. Cerge war nicht sparsam mit dem Beruhigungsmittel gewesen. Shisei würde bis zum Morgen durchschlafen, doch der Arzt richtete sich trotzdem auf eine wache Nacht ein. Er hatte vorsorglich die Infusionsnadel mit einem zustätzlichen Klebestreifen versehen, aber die Erfahrung hatte gezeigt, dass der junge Stürmer bestimmt wieder versuchte sie herauszuziehen. Nachdem Shisei in tiefen Schlaf gesunken und der Krampf abgeklungen war, erhob sich Cerge und schickte sich an Herrn Mikami Bericht zu erstatten. Er klopfte an die Tür des Zimmers. „Herein“, drang die Stimme des Trainers durch das Holz. Der Mannschaftsarzt trat ein und ließ sich auf einen Stuhl vor dem Schreibtisch nieder. Mikami setzte sich ihm gegenüber. Es war dunkel geworden und das Licht einer kleinen Lampe, die auf dem Tisch stand, ließ jede Kontur der Gesichter der beiden Männer hervorstechen. „Wie sieht's aus, Herr Cerge?“, fragte Mikami in die Stille hinein. „Das wird schon wieder. Shisei ist aufgewacht, doch ich musste ihn in Beruhigungsmittel legen. Er braucht jetzt Ruhe.“ Beide Männer spürten die unausgesprochene Frage, die wie eine drohende Wolke über ihnen hing. Würde Shisei zur nächsten Begegnung spielfähig sein? „Er hat noch Zeit. Die Nacht und der morgige Tag werden zur Rehabilitation bestimmt reichen“, sagte Cerge um sich und seinen Vorgesetzten zu beruhigen. Herr Mikami nickte nur, dann schüttelte er sorgenvoll den Kopf. „Dieser Hitzkopf! Ich mache mir Vorwürfe. In der Kabine habe ich gesehen, wie sehr er schon erschöpft war. Natürlich hatte er ja gesagt, als ich ihn fragte ob er weiterspielen wolle. Ich hätte ihn rausnehmen sollen, ich hätte es besser wissen müssen!“ Cerge schüttelte lächelnd den Kopf. „Sie wissen doch wie die Jungs sind! Nichts darf ihnen entgehen. Vielleicht war es ganz gut, dass Shisei seine Grenzen gespürt hat. Das nächste Mal hört er dann besser auf sich. Außerdem ist ja nichts Schlimmeres passiert. Ein Kreislaufkollaps verläuft nicht tödlich!“ Von Herrn Mikamis Gesicht verschwand die Betroffenheit. Er nickte. „Sie haben recht, Cerge! Ich möchte ungern auf ihn verzichten, er ist sehr wichtig für die Mannschaft geworden. Aber wenn Black sich nochmal sowas erlaubt, wird er die Konsequenzen zu spüren bekommen. Mit solchen Dingen schwächt er die Mannschaft physisch, wie moralisch.“ „Das verstehe ich. Morgen können sie mit ihm persönlich reden. Heute ist er noch zu schwach dafür. Wenn Sie mich bitte entschuldigen würden, ich habe der Mannschaft versprochen sie so schnell es geht zu unterrichten.“ „Natürlich, tun Sie das, Dr. Cerge“, Herr Mikami stand auf und auch der Arzt erhob sich. Der Arzt stieg die Treppen hinunter. Es war ungewöhnlich still und alle Lichter waren aus. Ein Außenstehender würde niemals vermuten, dass in diesem Gebäude mehr als 20 pubertierende Jungen hausten. Auf der Etage der Mannschaft schaute der Arzt schnell nach den Taschibana Zwilllingen. Sie waren in ihr Zimmer gebracht worden und schliefen. Die Beiden würden schnell wieder auf dem Damm sein. Cerge fand die Mannschaft in der Sofa-Ecke der Speiseetage. Der Raum war, bis auf das Licht einer Stehlampe, völlig dunkel. Dort saß sie, bedrückt und still. Schlimmste Vorahnungen hingen über der Gruppe. Besonders Jun Misugi betete zu allem was ihm heilig war, dass Shisei nicht dem gleichen Schicksal verfallen war, wie er selbst. Wenn er es selbst schon manchmal kaum ertragen konnte, wie konnte es dann der junge Stürmer, der in Kojiros Armen so verletzlich ausgesehen hatte? Tsubasa, der auf dem Sofa saß, von dem aus man um die Ecke gucken konnte, sah Dr. Cerge als Erstes und stand auf. Die Mannschaft tat es ihm gleich. Der Arzt nahm sich Zeit. Er trat an Tsubasa vorbei und lehnte sich an die kurze Wand der Abstellkammer. Dann sah er jedem ins Gesicht. Jedes hatte den gleichen sorgenvollen und fragenden Ausdruck. „Zuerst einmal kann ich euch sagen, dass Shisei weder gestorben ist, noch sterben wird! Zumindest nicht in den nächsten 40 Jahren, wenn's gut läuft! Da hat der Kindskopf uns ganz schön erschreckt was?!“ Cerge musste doch immer wieder grinsen, wenn er die totale Erleichterung sah: Die Mannschaft schien sich aufzurichten, Gewichte fielen von den Gemütern der Jungen. Sie atmeten alle hörbar auf und das Team ließ sich erleichtert in die Sofas sinken. „Was hat Shisei denn nun?“, wollte Taro wissen, nachdem sich alle etwas beruhigt hatten. „Shisei Black hatte einen Kreislaufzuammenbruch. Er ist versorgt und auf dem Weg der Besserung. Woher der Kollaps allerdings kam, kann ich nicht sagen. Ich werde ihn morgen fragen. Allerdings“, Cerge's Stimme wurde ernster, „kann ich euch nicht versprechen, dass er übermorgen gegen Frankreich wieder dabei ist!“ Das saß! Die leichte Stimmung bekam einen harten Dämpfer. „Aber es sieht gut aus! Wenn er sich morgen ausreichend erholt, steht er bei der Begegnung wieder auf dem Platz“, milderte der Arzt seine Worte, als er in die bestürzten Gesichter der Mannschaft sah. Die Jungen nickten und sie grinsten hoffnungsvoll. Da gähnte Takeshi plötzlich laut. Er schlug sich schnell die Hand vor den Mund und nuschelte: „Tut mir leid, Leute! Ich bin nur müde.“ „Gutes Stichwort, Sawada! Für euch war es ein langer Tag, geht jetzt schlafen. Ihr müsst euch nach dem Stress erst mal erholen.“ Dr. Cerge scheuchte die Mannschaft die Treppe hoch. „Gute Nacht, Jungs!“, rief er und stieg die Stufen in die nächste Etage hinauf. „Gute Nacht, Dr. Cerge!“, kam es vielstimmig zurück. „Und sagen Sie Shisei, dass er ja wieder fit wird. Sonst kommen wir dem da hoch, ok?“ „Jaja mach ich, Ryo. Bis Morgen!“ Eine gute Nacht hatte der Arzt nicht. Er blieb Stunde um Stunde auf und überwachte Shiseis Schlaf. Die meiste Zeit saß er auf seinem Drehstuhl und las in einem Buch, doch zweimal musste Cerge es aus der Hand legen. Shisei wurde gegen Mitternacht und 3 Uhr in der Früh unruhig. Trotz Beruhigungsmittel rang der junge Stürmer mit dem Schlaf. Cerge nahm an, dass es die Überanstrengung war. Er wechselte die Infusion und spritzte dem Jungen eine kleine Dosis, damit er sich wieder beruhigte. Shiseis Träume waren wirr. Wie unter Fieber irrten sie vor seinem inneren Auge her. Die beiden vergangen Spiele, grotesk und verzerrt wiederholten sich immer wieder. Besonders eindringlich verfolgten Shisei die Torschüsse. Im Traum beschossen Freunde wie Gegner den jungen Stürmer aus allen Rohren. Shisei konnte sich nicht rühren, oder gar ausweichen. Die Szenen wo Tsubasa ound Dias ihren Top Spin oder Kojiro seinen Tigerschuss gegen ihn feuerten waren besonders schlimm. Shisei erwachte mit der Sonne. Er fühlte sich zerschlagen und wusste im ersten Moment nicht wo er war. „Du bist früh wach. Bis 10 Uhr kannst du dich noch ausruhen, dann kommt Herr Mikami her. Lust auf Frühstück?“, fragte Dr. Cerge ihn munter. Er hielt eine Kaffeetasse in der Hand und lehnte an einem Regal. Shisei zuckte zusammen. Er hatte gedacht allein zu sein, so leise war Cerge gewesen. „Wieviel Uhr ham' wirs denn?“, nuschelte der junge Stürmer und setzte sich auf. „So halb 7? Also was willst du? Brötchen, Schinken, Orangesaft?“, antwortete ihm der Arzt und war schon auf dem Weg zur Tür. „Lassen Sies gut sein! Ich hab keinen Hunger“, brummte Shisei und strich sich durchs Gesicht. Ihm war schwindelig, aber nach Essen war ihm gar nicht zmute. „Hast du das gestern Morgen auch gesagt?“ Cerges' Stimme war ptlötzlich schneidend. Er sah Shisei von der Tür aus blitzend an. Der junge Stürmer fühlte sich angegriffen. „Hab ich, na und? Ist das jetzt schon ein Verbrechen morgens nichts zu Essen?“ Cerge trat mit einem Schritt an Shiseis Bett. „In deinem Zustand grenzt es an Hochverrat! Als du zu uns kamst warst du schwach und zu keinem Ausdauersport fähig. Ich habe dir Auflagen gegeben und du schmeißt sie über den Haufen! Deine Gesundheit ist wichtig, verstehst du“, klagte ihn der Arzt an. „Ich bin doch nicht schwach!“, fauchte Shisei wütend. „Oh doch, oder wie erklärst du dir, dass du jetzt hier liegst? Infusionen und Beruhigungsmittel bekommt man nicht, wenn man gesund ist. Also foltern will ich dich nicht!“, antwortete Cerge scharf. Shisei war beleidigt. Er wusste, dass der Arzt Recht hatte. „Also, was willst du jetzt essen?“, fragte dieser Shisei nochmal. „Nichts!“, kam prompt die Antwort. „Ok“, grinste Dr. Cerge sarkastisch „dann hohl ich eben noch ein paar Infusionen und Tabletten, dann brauchst du nichts essen.“ Shiseis Augen flackerten vor Nervosität auf. Dann zog er schnell die Stirn kraus, sagte aber Nichts. Cerge erhob sich und ging zur Tür. „Ok, Brötchen, Salami, Apfelsaft“, brach es hastig aus Shisei heraus. Der Arzt nickte nur und verschwand. Der junge Stürmer ließ sich wütend in sein Bett zurückfallen. „Blödmann! Bevormundet mich wie ein kleines Kind!“, zischte Shisei, doch er wusste, dass er dem Mann zu Dank verpflichtet war, was seinen Stolz einen empfindlichen Hieb versetzte. Als kleine Rache zog er sich die Infusionsnadel selbst aus seiner Haut. Bei seiner Wiederkehr sah es Dr. Cerge sofort, doch ignorierte es. Das Gespräch mit Herrn Mikami verlief ernüchternd. „Warum hast du dich nicht auswechseln lassen, als noch die Gelegenheit war?“, fragte der Trainer direkt. Mit seinem Vorgesetzen war nicht zu Spaßen und so antwortete Shisei kleinlaut. „Wissen Sie, meine Lieblingsposition stand in Aussicht und...“ er druckste herum „wollte ich den Sieg vom Feld, nicht von der Bank aus erleben.“ Herr Mikami sah den Jungen unbewegt an. „Zum Glück ist ja nichts Schlimmeres passiert. Aber denk auch an die Mannschaft. Mit deinem Zustand hättest du sie vielleicht in einem wichtigen Moment schwächen können, vergiss das nicht“, der Trainer räusperte sich. „Wenn du das nächste Mal deine Anprüche über die der Mannschaft stellst, werde ich die Konsequenzen daraus ziehen müssen!“ Die Unterredung war eindeutig! Shisei konnte nur nicken. Der Rest des Tages gestaltete sich angenehmer. Als Shisei frisch geduscht die Treppen zum Mittagessen hinunterstieg wurde er schon im Zimmerflur lautstark begrüßt. Die Mannschaft war überglücklich ihren Mann wiederzuhaben. Mit Gefolge begab sich Shisei fröhlich zum Essen. Die Ansprache vom Morgen schob er weit von sich. Tsubasa, der den Aufruhr schon gehört hatte stand am Treppenabsatz der Speiseetage. Als Shisei grinsend vor ihm stand, legte Tsubasa ihm eine Hand auf die Schulter und drückte sie. „Schön, dass du wieder da bist“, grinste er breit. „Mann, hat dir unser Doc 'ne ganze Apotheke verschrieben?“, staunte Takeshi. „Sieht so aus“, lachte Shisei, der ihm schräg gegenüber saß. Der junge Stürmer ließ sich von der beträchtlichen Anzahl Tabletten, die neben seinem Teller lag, nicht die Laune verderben. „Nimm die auch ja alle, kapiert! Und mach das, was Dr. Cerge dir sagt!“, fuhr Kojiro Shisei plötzlich ungewohnt heftig an. Der junge Stürmer zuckte erstaunt zusammen und sah zu seiner Linken. Kojiros Gesicht war todernst. Der Stürmer sah Shisei kurz in die Augen und wendete sich ohne ein weiteres Wort seinem Essen zu. „Was ist denn mit dem los“, raunte Shisei verwirrt Ken zu, der ihm gegenüber saß. Ken lehnte sich etwas vor und antwortete leise: „Der hat seid deinem Zusammenbruch bis gerade kein Wort gesprochen! Die Sache hat ihn wohl ziemlich mitgenommen.“ Shisei betrachtete Kojiro, der angestrengt in seinem Salat stocherte. Allmählich wurde ihm das ganze Ausmaß seiner dummen Aktion bewusst. Am Nachmittag wurde Shisei vom Training freigestellt. Er war noch nicht wieder komplett auf der Höhe und sollte sich für das morgige Spiel unbedingt schonen. Shisei selbst empfand diese Anordnung als ärgerlich. Er fühlte sich schon wieder fit, aber angesichts des Nieselregens draußen und seinem weichen Bett drinnen befand er die Situation als doch nicht ganz so tragisch. Gesättigt und müde tappte er in sein Zimmer und warf sich aufs Bett. Die Träume, die Shisei später den Tabletten und der Ungewohnheit tagsüber zu Schlafen zuschrieb, ließen seinen Schlaf nicht wirklich erholsam werden. Shisei träumte wieder vom Beschuss mit Fußbällen. Die Luft flirrte gerade zu vor scharfen Schüssen. Immer wieder tauchten Szenen vor seinen Augen auf, wie Juan Dias, Tsubasa, Kojiro und selbst Hernandez ihre Tricks vorführten und ihm spielend den Ball abnahmen. Shisei konnte keinen einzigen Treffer landen, oder gar den Ball halten im Angesicht dieses gewaltigen Repertoires an gezeigtem Können. Immer wieder wachte Shisei aus diesen unverarbeiteten Erinnerungen auf und schlief gleich darauf wieder ein. Am Abend weckte ihn Tsubasa. „Hey, aufstehen! Es gibt Abendessen.“ Shisei sah Tsubasa nach, als er aus dem Zimmer ging. Seine Träume noch genau vor Augen fasste der junge Stürmer einen Plan. Beim Abendbrot war Shisei schweigsam. Taro fasste dies als schlechtes Zeichen auf. „Was ist los? Geht es dir wieder schlecht?“, fragte er besorgt. Shisei sah auf. „Nein es ist alles in Ordnung. Ich denke nur nach.“ Er grinste um Taro zu beruhigen. Shisei schlich leise aus seinem Zimmer. Die Zeit nach dem Abendessen, wo die Mannschaft auf ihren Zimmern war, kam ihm sehr gelegen. Die Rückkehr, wenn sie sich auf die Sofa-Ecke verlagert hatte, würde da schwieriger zu meistern sein. Doch zurück zur Gegenwart! Shisei musste trotz Vorteil aufpassen. Auf Socken, die neuen Fußballschuhe in der Hand, flitzte der junge Stürmer die Treppen hinunter. In der Kabine angekommen zog er die Schuhe an und schnappte sich einen Ball aus der Kammer. Die Flutlichter bestrahlten die Plätze mit hellem Licht. Shisei betete, dass ihn keiner, der seine Fenster zum Wald hin hatte, erkennen würde. Das Beste war, wenn sie ihn als Jungen aus dem Ort abstempeln würden, der nur ein bisschen auf dem Platz herumbolzte. Es tat gut, wieder einen Ball am Fuß zu spüren. Auch wenn die letzte Berührung nur einen Tag zurücklag, die Stunden die Shisei untätig im Bett gelegen hatte, waren doch lang gewesen. Der junge Stürmer ließ den Ball ein wenig auf dem Fuß tanzen und spielte ihn ein paar Mal gegen den Zaun. Ein paar Sperenzchen später nahm Shisei sein eigentliches Vorhaben in Angriff. Es wollte einfach nicht gelingen! Shisei schrie wütend auf, als der Ball zum gefühlten tausendsten Mal gegen den linken Pfosten knallte und überall, nur nicht im Tor landete. Kochend trabte Shisei los um den Ball wiederzuholen. Er war in einem steilen Winkel zum Tor, nahe der Eckfahne liegen geblieben. Entnervt lief Shisei an und trat den Ball wütend Richtung Tor. Dieser übertrat die Torlinie nicht. „Du weißt aber schon, dass der Ball INS Tor muss?! Du ballerst ja die ganze Zeit nur gegen den Pfosten!“, Genzo packte den Ball fester, den er gerade aus der Luft gefischt hatte. Shisei starrte Genzo erschrocken an. Beim Schuss hatte er nur auf den Ball gesehen und nicht bemerkt, dass der Torwart aufgetaucht war. „Was willst du?“, fragte Shisei misstrauisch. Genzo ging aus dem Tor auf Shisei zu. Er ignorierte die Frage des jungen Stürmers. „Dr. Cerge titscht im Dreieck vor Wut! Er ist stinksauer, dass du dich wieder über seine Anordnungen hinweggesetzt hast.“ Shisei nahm den Ball, den Genzo ihm hinhielt, gleichgültig entgegen. „Ich fühl mich gut. Wer aufgibt stirbt, ganz einfach“, entgegnete er kühl. „Sich ausruhen damit man später stärker weitermachen kann, heißt nicht aufgeben. Außerdem darf man sich von Leuten, die Ahnung haben, auch mal helfen lassen“, bemerkte Genzo. Shisei sagte darauf nichts. Er ging zum Elfmeterpunkt zurück und legte den Ball auf den Rasen. Genzo schlug einen versöhnlicheren Ton an. „Er mag dich und wir auch! Wir wollen dir helfen, das weißt du!“ Der Torhüter betrachtete Shisei dabei, wie er das Tor anvisierte. „Was versuchst du da eigentlich?“, fragte er dann. Shisei sah ihn nicht an. „Mir ist klar geworden, dass ich noch Nichts drauf habe! Um ein guter Fußballspieler zu werden muss ich meinen eigenen Stil finden. Und das schaffe ich nur mit kreativem Spiel!“ Genzo verstand. „Eigene Tricks also!“ Shisei nickte. Der junge Stürmer lief kurz an und schoss. Der Ball zischte wieder auf den linken Pfosten zu und verprang nach einem hohlem Ton wieder ins Feld. „Verdammt!“ Shisei wollte schon den Ball holen, da hielt ihn Genzo zurück. „Stehen bleiben, ich hohl ihn.“ Der Torhüter lief los und warf das Leder über den Platz. Genzo stellte sich in seinen Kasten, während der junge Stürmer sich den Ball zurechtlegte. „Das hat ja wohl nicht geklappt, also nochmal! Den musst du Morgen draufhaben!“, rief der Torhüter herausfordernd. Shisei musste grinsen. Genzo war ein guter Freund und entschlossen ihm zu helfen. „Den hab ich Morgen drauf, da kannst du wetten!“, antwortete der junge Stürmer und drosch den Ball unbarmherzig aufs Tor. Dr. Lionel Cerge war stocksauer. Nicht nur dass der junge Black sich neuerlich über die ärztlichen Vorgaben hinweggesetzt hatte und fröhlich draußen auf dem Platz herumsprang, nein! Jetzt verpasste der Junge auch noch die letzte Untersuchung, die er ausdrücklich nicht versäumen sollte! Der Arzt schaute auf seine Armbanduhr. Halb 10! Um neun Uhr sollte der junge Spieler vor der Tür gestanden haben. Das schrie nach einer Standpauke der üblen Sorte! Cerge riss die Tür des Krankenzimmers auf und rauschte die Treppen hinunter. Genzo und der Arzt trafen sich auf der Zimmeretage. „Ich weiß, dass ich ihn davon hätte abhalten sollen, aber hören Sie, es war ihm so ernst damit!“, fing Genzo sofort an. Dr. Cerge gebot dem Torhüter Einhalt. Dann erst sah der Arzt, dass Genzo Shisei auf dem Rücken hatte. Er regte sich nicht. „Was ist passiert?“, fragte Cerge alamiert. Genzo schulterte Shisei fester. „Wir saßen noch unten und haben mit den Anderen gequatscht. Ist einfach eingepennt und ich wollt ihn nur in sein Zimmer bringen“, antwortete der Torwart ergeben. „Hören Sie, es ist meine Schuld! Ich hab ihn noch ermutigt zu üben... kriegen wir jetzt beide Ärger?“ Cerge fiel ein Stein vom Herzen. Es war Nichts passiert. Der Junge schlief nur. Der Arzt musste grinsen, als er in Genzos reumütiges Gesicht sah. Sein Ärger verflüchtigte sich und Dr. Cerge musste an seine eigene Kindheit denken. Einen Deut hatten sie damals auf die Erwachsenen gegeben. Immer mit dem Kopf durch die Wand. Jungs sind nun mal so! „Nein, ihr kriegt keinen Ärger!“, beruhigte der Arzt Genzo. Der Torhüter grinste und beide brachten Shisei in sein Zimmer. Als Genzo verschwunden war maß Cerge nochmal Puls und Temperatur. Er lächelte zufrieden. „Glück gehabt, Kindskopf! Morgen wirst du spielen!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)