Kirika von -Leon- (Ein Schicksal zweier Lebewesen) ================================================================================ Kapitel 6: Ein Drache namens Kirika ----------------------------------- Zweite Chronik: Menschsein Es war ruhig, zu ruhig. Nur die sanften Bewegungen des Meeres waren zu vernehmen. Langsam öffnete Densharr seine Augen, sah an sich herab. In seinen Händen erblickte er, immer noch ohne Bewusstsein, aber zumindest mit einem schwachen doch vorhandenen Puls, die Prinzessin. Sie war immer noch bei ihm, sie hatten überlebt. Der Junge wusste nicht wie, aber es war ihm im Moment egal. Er dachte, dass alles ab jetzt nur mehr gut werden konnte. Zumindest bis zu dem Moment, da er von Thessana aufsah und den Drachen bemerkte, welcher neben ihnen lag und sie beständig beobachtete. Erschrocken sties er einen Schrei aus, welcher sogleich die Prinzessin aufweckte – die ebenfalls zuerst einen glücklichen Gesichtsausdruck hatte, als sie Densharr sah, welcher sich jedoch ebenfalls schnell zu einen Erschrockenen wandelte. Sie erschrack jedoch nicht da sie den Drachen gesehen hatte, diesen hatte sie noch nicht einmal bemerkt, sondern eher da sie ihre Position, in den Armen von Densharr, bemerkte. Reflexartig entfernte sie sich aus seinem Griff, nur um im nächsten Moment, da sie den Drachen bemerkte, wieder in diesen zurückzukehren. Aber der Drache wollte ihnen, glücklicherweise, nichts böses. Im Gegenteil, wie sich nach kurzer Zeit herausstellte, war er der Grund dafür, dass die beiden noch am Leben waren. Der Bronzedrache, welcher den Namen Kirika trug, erzählte, dass er sie bei der Jagd nach Haifischen, einer seiner Lieblingsspeisen, zufällig bemerkt hatte wie die stürmischen Wogen mit ihren regungslosen Körpern spielten. Kurzentschlossen war er zu ihnen geschwommen und hatte die beiden aus dem Sturm befreit, hierher auf seine Heimatinsel, Lemuria, gebracht. Nicht vollends selbstlos, wie sich jedoch herausstellte, denn kaum hatten die beiden den ersten Schock überwunden, wollte er von ihnen Geschichten aus der Welt außerhalb des Sturmes hören, und von ihnen selbst auch, denn er hatte noch niemals jemanden mit solch seltsamer Kleidung gesehen – schließlich handelte es sich, wenn es einmal seltsamerweise gestrandete Überlebende gab, immer um Matrosen, doch niemals um Leute die noch ihre Hochzeitskleidung trugen. Sie erzählten dem Drachen ihre Geschichte, schien dieser doch wirklich nichts böses zu wollen. Im Gegenzug erfuhren sie von diesem viel über den Ort, an welchem sie sich nun befanden – und wussten, dass sie hier sicher vor ihren Verfolgern waren. Die Erzählungen dauerten bis tief in die Nacht und den nächsten Morgen hinein. Als Densharr und Thessana endlich fertig mit ihrer Geschichte waren, welche sie abwechselnd erzählt hatten,hatten die beiden einen hochroten Gesichtsfarbton und wagten es nicht einmal mehr in das Gesicht des anderen zu blicken, damit dieser es nicht bemerkte. Eine Reaktion, welche Kirika nicht nachvollziehen konnte, jedoch mit seiner Frage, weswegen sich ihre Gesichtsfarbe so sehr verändert hatte, den Rotton der beiden nur noch schlimmer machte. Schließlich trennten sich wieder die Wege des Drachen und der beiden, Densharr und Thessana diesem auf ewig dankbar. Es verstrich einige Zeit, welche die beiden damit zubrachten sich so gut es ging mit der Insel vertraut zu machen – etwas, dass weit schwieriger war als anfangs von den beiden Adeligen angenommen wurde. Das Land hier war nicht kultiviert wie in ihrem Reich, wilde Tiere durchstriffen die ganze Insel, und keiner der beiden hatte eine Waffe bei sich. Densharr suchte zwar einen geeigneten Holzstab, welchen man zumindest als behelfsmäßige Waffe verwenden konnte, doch war dieser Stab weit entfernt von einer Lebensversicherung in einem Kampf – und es war ein Kampf, welcher kommen sollte. Es war erst der Beginn ihres dritten Tages auf der wundersamen Insel, bisher hatten sie Glück gehabt und waren keiner aggressiven wilden Kreatur begegnet, ebensowenig wie einer höheren Lebensform. So gut es ihnen möglich gewesen war, hatten sie sich durch den dichten Wald geschlagen, sich von Früchten und Beeren ernährt und unter freiem Himmel geschlafen – es war zwar glücklicherweise warm auf der Insel, doch trotzdem war dieser Lebensstil für die beiden verwöhnten Kinder vollends anders als sie es sich jemals hätten vorstellen können. Es war der dritte Morgen, als sie von leisem Rascheln im Unterholz geweckt wurden. Ihnen blieb nicht viel Zeit nachzusehen was dieses Geräusch verursacht hatte, denn bereits im nächsten Moment sprangen einige raubtierhafte Kreaturen aus dem Unterholz hervor und griffen die beiden an. Der Junge verteidigte Thessana und sich selbst so gut es ihm möglich war mit seinem improvisierten Stab, doch war er schlicht und ergreifend zahlenmäßig zu sehr unterlegen. Rasch gewannen die Kreaturen die Oberhand, schlugen dem erbittert kämpfenden jungen Mann einige tiefe Wunden. Es war in diesem Moment, in welchem alles schon verloren schien, welcher geprägt war von Densharr´s Schmerzensschreien und Thessanas verzweifelten Rufen, da eine weitere Kreatur aus den Büschen hervorsprang. Auch wenn sie einen humanoiden Gang hatte, so schien doch alles andere an ihr, ihr ganzes Aussehen, keineswegs dem eines Menschen gleich. Der Kampf kippte mit einem Mal zu Gunsten der Verteidiger, als sich die humanoide Gestalt auf ihrer Seite einmischte, und binnen weniger Sekunden waren die wilden Kreaturen in die Flucht geschlagen. Noch im selben Moment da die Kreaturen flohen, stürzte Thessana zu ihrem verletzten Begleiter, welcher kraftlos zusammenbrach. Sie flehte ihn an durchzuhalten, nicht zu sterben, flehte ihren unerwarteten Retter an Densharr zu helfen – doch dieser sah die beiden im ersten Moment nur verständnislos an. Erst nach einer kurzen Zeit des Schweigens sprach der Retter einige Worte, Worte in einer Sprache, welche die beiden noch nie zuvor gehört hatten. Schnell erwies sich, dass das Unverständnis der Sprache offensichtlich auf Gegenseitigkeit beruhte. Aber das Densharr dringend medizinische Versorgung brauchte war offensichtlich, dafür wurden keinerlei Worte benötigt, und so deutete ihnen ihr Retter ihm zu folgen. Er führte sie in ein nicht weit entferntes Dorf, gut versteckt im tiefen Wald. Dort waren noch viele andere Wesen die aussahen wie er selbst, kein einziges, welches einer den beiden bekannten Rasse angehörte. Sie hatten eine gewisse Ähnlichkeit mit Drachen, doch ihr Körperbau glich dem eines Menschen. Erst viel später sollten Densharr und Thessana erfahren, dass es sich bei diesen Wesen größtenteils um Halbdrachen handelte. Der verletzte Junge wurde von den im Dorf lebenden Wesen versorgt und ihnen ein Platz angeboten an dem sie sich ausruhen und, im Falle von Densharr, genesen konnten. Trotz der Sprachbarriere wurden sie sehr Gastfreundlich behandelt, und vor allem Thessana erwies sich als äußerst geschickt darin mit Gesten und Mimiken mit den in diesem Dorf lebenden Wesen zu kommunizieren. Tage und Wochen vergingen, die Wunden des Jungen waren mittlerweile wieder vollständig genesen, in welchen die beiden viel über das praktische Leben hier in diesem Dorf erfuhren – das Leben ohne Diener, ohne Silberbesteck und ohne ein gewaltiges Haus aus massiven Stein. Sicherlich, es war ungewohnt, und sollte es auch noch lange Zeit so bleiben, doch beide waren fest entschlossen dazu es zu lernen, ihre Flucht von zu Hause bis zum Ende durchzuziehen. Sie hatten es soweit geschafft, nun konnten sie nicht mehr aufgeben, nicht mehr einfach umkehren. Selbst nachdem es Densharr wieder gut ging blieben sie in dem Dorf, hatten sie doch endlich jemanden gefunden, welcher zumindest in der Mentalität ihrer Rasse nicht so ungleich war, auch wenn sie einander nicht verstehen konnten. Sie arbeiteten hart sich ihr eigenes Heim zu errichten, bekamen Hilfe von den anderen Bewohnern des kleinen Dorfes, halfen den anderen so weit es ihnen möglich war bei deren Problemen – alles schien langsam aber sicher in geordnete Bahnen zu gelangen, sie schienen einen Platz gefunden zu haben, an welchem sie endlich bleiben konnten, einen Ort wo ihre Abstammung keinerlei Rolle spielte, wo man sie wie ganz normale Personen behandelte. Die Zeit verging wie im Flug, und bald waren knapp zwei Jahre vergangen seit die beiden auf die Insel der Drachen gekommen waren. In dieser Zeit hatten sie viel erfahren, sich ihr eigenes Heim aufgebaut, gelernt wie man auch unter den hier herrschenden Umständen relativ gut leben konnte. Auch die Sprache der Drachen hatten sie zu lernen begonnen, wenngleich sie sie immer noch fern von perfekt sprachen. Es war ein wunderschöner sternenklarer Abend, welchen Densharr und Thessana gemeinsam am nahegelegenen Strand verbrachten. Oft waren sie bereits hier gewesen, hatten diesen Ort von ihrem ehemaligen Retter gezeigt bekommen, doch trotzdem war es immer noch ein ungewohntes Gefühl für die beiden auf eine solche Weise einfach nur besammen zu sitzten und dem sanften Rauschen des Meeres zu lauschen – ein ungewohntes und doch sehr angenehmes und beruhigendes Gefühl. Es war eine Ruhe, wie sie sie niemals in ihren Elternhäusern gefunden hätten – eine Ruhe, welche an diesem Abend jedoch aprupt durchbrochen wurde. Unvermittelt waren gewaltige Flügelschläge zu vernehmen, und gerade noch rechtzeitig bemerkten die beiden den auf sie zustürztenden wahren Drachen. Schnell sprangen sie zur Seite, wurden nur um Haaresbreite von dem majestätischen Tier verfehlt. Der Drache war noch jung, dies war an seiner Größe offensichtlich, ein grüner Drache, wie ein zweiter Blick verriet. Schnell griff Densharr zu seinem Speer, stellte sich vor seine Begleiterin um diese zu beschützen, starrte den fliegenden Drachen intensiv an, lies ihn nicht aus den Augen. Der grüne Drache wendete und setzte abermals zu einem Angriff an, diesmal mit seinem Dachenatem. Der Angriff war schnell, schnell und vor allem unerwartet. Densharr schaffte es nur noch Thessana rechtzeitig aus dem Angriffsradius des Atems zu stossen, wurde selbst jedoch noch von diesem erwischt. Blut tropfte von seinem rechten Arm und Bein herab, ebenso wie aus einigen kleineren Wunden, welche von dem Odemangriff des Drachen erwischt worden waren, ein unbeschreiblicher Schmerz durchfuhr den Körper des Jungen. Doch trotzdem richtete sich dieser erneut auf, die Schmerzen so gut es ging ignorierend, den Drachen fest entschlossen anblickend – er würde nicht weichen, würde nicht zulassen, dass dieser Thessana Leid zufügte. Doch der Drache hielt inne, setzte wider Erwarten nicht gleich mit einem weiteren Angriff nach. Statt dessen erhob er seine Stimme und sprach zu dem Jungen, sprach in der Sprache der Drachen, derer die beiden Angegriffenen nur begrenzt mächtig waren – die wenigen Worte die sie verstehen konnten, waren Kirika und verwandeln, etwas vonwegen einer wahren Form. Viel Zeit über diese konfusen Worte nachzudenken blieb den beiden jedoch nicht, denn bereits im nächsten Moment folgte ein weiterer Angriff, diesmal jedoch nicht von dem, sondern auf den grünen Drachen. Ein bronzefarbener Drache war wie aus dem Nichts aufgetaucht und verwickelte den grünen Drachen in einen erbitterten Kampf. Wortlos, unfähig etwas zu sagen, betrachteten die beiden den spektakulären Kampf der beiden jungen Drachen, aus welchem kein eindeutiger Sieger hervorging – am Schluss liesen die beiden Drachen voneinander ab, der Grüne sich zurückziehend und der Bronzene sich zu den beiden herab sinken lassend. Es handelte sich bei diesem Drachen um den selben Drachen, welcher ihnen damals, als sie auf der Flucht vor ihren Eltern in den die Insel umgebenden Sturm gefahren waren, das Leben gerettet hatte. Er war durchaus angenehm überrascht die beiden mehr oder minder wohlbehalten wieder zu sehen. Ein Gespräch bildete sich zwischen ihnen, geführt in der Muttersprache des Prinzen und der Prinzessin, derer der Drache, wie sich bereits bei ihrem ersten Treffen herausgestellt hatte, mächtig war. Es stellte sich heraus, dass der angreifende Drache, ein Rivale von Kirika, lebend im Nachbargebiet, Densharr offensichtlich für den Bronzedrachen gehalten hatte, dessen übliche menschliche Gestalt dem Aussehen von dem Prinzen zum verwechseln ähnlich, genauer ident, war – sehr zum Erstaunen von Densharr und Thessana, doch auf die Frage weswegen dem so war, gab der Bronzedrache ihnen nur ein schelmisches Grinsen als Antwort. Da, wie sich herausstellte, das Gebiet, in welchem Densharr und Thessana nun lebten, Teil des neuen Territoriums von Kirika war, blieb dieses Treffen bei weitem nicht das letzte zwischen den beiden und dem eigenartigen Drachen. Oft kam er einfach nur vorbei um weitere Geschichten über ferne Länder zu erfahren, ebenso wie um einfach nachzusehen ob mit den beiden alles in Ordnung war – denn schließlich waren sie wohl durch ihr, oder genauer genommen sein menschliches, Aussehen einer Gefahr durch den benachbarten grünen Drachen ausgesetzt. Manchmal erschien es den beiden jedoch auch so, wie wenn der Jungdrache schlicht und ergreifend aus purer Langeweile zu ihnen kam, einfach nur weil er einen Zeitvertreib suchte. Die Jahre vergingen, und mit der Zeit wurden die drei zu festen Freunden, wenngleich diese Freundschaft wohl für Außenstehende sehr seltsam wirkte. Hie und da kam es noch über die Jahre verteilt vor, dass sie abermals dem grünen Drachen begegneten, doch immer wenn dieser nahe war, war auch Kirika nicht weit entfernt um sich mit diesem zu messen. Und so verstrichen Jahre und Jahrzehnte, welche die beiden einst Adeligen zu festen Einwohnern der mystischen Insel machten, ihnen die Bräuche und Sprache, das Leben darauf beibrachten – Jahre, welche die beiden niemals vergaßen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)