Crying in the rain von Yurippe ================================================================================ Kapitel 1: ----------- I'll never let you see The way this broken heart is hurting me I've got my pride And I know how to hide All the sorrow and pain I'll do my crying in the rain “Meine Damen und Herren, Im Finale des Wettbewerbs begrüßen Sie nun...“ Die Stimme der Moderatorin hallte durch das Stadion bis zu den hintersten Rängen, wo ein junges Mädchen saß und geistesabwesend auf die Bühne blickte. Nachdem Haruka im Viertelfinale ausgeschieden war, blieb sie bloß hier, um Wakana anzufeuern, die jetzt in der Endrunde antrat. Natürlich freute sie sich für ihre Freundin. Sie hatte alle ihre bisherigen Kämpfe verdient gewonnen, und schien heute fast mit besonderem Eifer bei der Sache zu sein. Haruka selbst dagegen war mit den Gedanken ganz woanders gewesen, und so wunderte es sie kein bisschen, dass sie letztendlich nicht weit gekommen war. Innerlich hätte sie sich ohrfeigen können, aber das half ihr nun auch nicht mehr. Sie hatte verloren, weil sie sich von ihrem Herzen hatte ablenken lassen. Ihrem gebrochenen Herzen... Wie sollte man auch im Wettbewerb gegen irgendwelche Trainer kämpfen, wenn in der eigenen Brust schon ein Kampf tobte? „Du hast immer noch nicht deine fünf Bänder zusammen?“, fragte Shuu spöttisch. „Wie willst du es denn so rechtzeitig zum Großen Festival schaffen?“ Dann zuckte er mit den Schultern. „Ist vielleicht eh besser, wenn du nicht teilnimmst.“ So dachte er also über sie. Sicher, seine Siegchancen waren höher, wenn sie nicht teilnahm, aber konnte er sich deshalb trotzdem wünschen, sie wäre nicht dabei? Oder war sie für ihn nur ein Klotz am Bein? Als plötzlich überall in der Halle laute Jubelschreie zu hören waren, schreckte Haruka aus ihren Gedanken hoch und sah wieder zur Bühne. Wakana wurde dort gerade als Siegerin gefeiert und nahm ihr Band entgegen, Haruka beschloss, schon einmal zum Ausgang zu gehen, um ihre Freundin dort in Empfang zu nehmen. „Hast du gesehen? Ich hab gewonnen!“, rief diese ihr auch schon von Weitem entgegen und rannte auf Haruka zu, um sie erst einmal zu umarmen. Diese erwiderte die Umarmung. „Glückwunsch. Du hast wirklich verdient gewonnen. So gut wie heute habe ich dich noch nie kämpfen sehen.“ „Ja, weißt du...“, druckste Wakana herum. Dann sah sie Haruka fest in die Augen und sagte: „Ich habe mir vorgenommen, dass ich, wenn ich gewinne, Shuu sage, was ich für ihn empfinde. Und diesmal meine ich es ernst. Deshalb habe ich mich besonders angestrengt, denn irgendwie wollte ich es endlich loswerden. Auch wenn er meine Gefühle nicht erwidert, bin ich mir sicher, dass es mir danach besser gehen wird. Manche Dinge muss man einfach aussprechen.“ Das war es also gewesen. Haruka fühlte einen Kloß im Hals. Natürlich, sie wusste schließlich, dass Wakana schon eine halbe Ewigkeit in ihren Koordinatorkollegen verliebt war. Auch wenn sie gehofft hatte, dass sich diese Gefühle gelegt hatten, seitdem sie beide sich das letzte Mal getroffen hatten. Genau wie sie immer wieder hoffte, ihre eigenen Gefühle für Drew würden verschwinden, sich einfach in Luft auflösen, so wie er, nachdem er ihr mal wieder eine Gemeinheit an den Kopf geworden hatte. Aber diesen Gefallen taten sie ihr natürlich nicht. Es war fast so, als hätten die Rosen, die er ihr immer schenkte, kleine Dornen mit Widerhaken, die sich in ihr Herz bohrten und dort einen kontinuierlichen Schmerz verursachten. „Haruka? Du sagst ja gar nichts, ist alles in Ordnung?“ Sie zwang sich ein, wie sie hoffte, überzeigendes Lächeln auf die Lippen. „Klar, alles okay. Dann kann ich dir ja nur die Daumen drücken, nicht wahr?“ „Danke! Wie gut, dass du nichts von Shuu willst. Für dich ist er ja bloß ein Rivale, mit dem du dich streitest, nicht wahr? Stimmt doch, oder?“ Sie wollte auf Nummer sicher gehen, das war klar. Es war nett gedacht von Wakana, aber natürlich würde sie ihr niemals ihre wahren Gefühle mitteilen. Was für einen Sinn hätte das schon gehabt? Shuu sah in ihr nur eine Rivalen, und nicht einmal eine besonders ernstzunehmende. Dabei hatte sie gedacht, im Laufe der Jahre wären sie so etwas wie Freunde geworden. Freunde... wie vielen Beziehungen hatte dieser Stempel wohl schon im Weg gestanden? Jedenfalls würde sie, Haruka, auf keinen Fall versuchen, sich Wakanas Glück in den Weg zu stellen. Das war Freundschaft. Ob sie es ertragen würde, wenn die beiden tatsächlich ein Paar wurden, konnte sie noch früh genug sehen. Aber sie hatte schließlich auch ihren Stolz, sie würde schon nicht als nervliches Wrack bei den beiden auftauchen und Terror machen. Schließlich hatte sie durchaus ihren Stolz, und niemand musste sehen, wie niedergeschlagen sie eigentlich war. Es war schließlich so einfach, ein falsches Lächeln aufzusetzen und auf den nächsten Regen zu warten, der ihre Tränen verstecken würde... If I wait for cloudy skies You won't know the rain from the tears in my eyes You'll never know That I still love you so Though the heartaches remain I'll do my crying in the rain Inzwischen war der Tag des Großen Festivals gekommen. Haruka hatte noch rechtzeitig ihr fünftes Band gewonnen und sich so, genau wie Wakana und natürlich auch Shuu, qualifiziert. Wider Erwarten war es ihr sogar relativ leicht gefallen, sich auf den Kampf zu konzentrieren. Es war, so dachte sie, sicher wirklich das Beste, sich abzulenken, und nicht an den Schmerz zu denken. Das war ein guter Plan, doch leider musste sie feststellen, dass er nicht mehr funktionierte, sobald sie Shuu in Person gegenüberstand. Es ließ sich dummerweise nicht vermeiden, dass die beiden sich während des Festivals begegneten, das war ihr klar, und doch versuchte sie ihr Möglichstes. Es war schon schlimm genug, seine Auftritte sehen zu müssen. Nie hätte sie gedacht, dass er ihr Herz einmal so in Aufruhr bringen könnte. Aber was hatte sie auch erwartet? Natürlich konnte sie nicht so tun, als wäre nichts. Das hieß, so tun konnte sie schon, indem sie sich ihm gegenüber nichts anmerken ließ, aber sich selbst zu belügen, das war wesentlicher schwieriger. Wakana anzulügen war hingegen erstaunlich leicht gewesen. Fast zu leicht, hatte sie den Eindruck. Ihre Freundin verfolgte jeden von Shuus Auftritten mit allergrößter Faszination, und oft gab sie Kommentare ab wie „Ist er nicht ein großartiger Koordinator?“ Haruka murmelte dann meistens etwas zustimmendes und hoffte, dass sie den fehlenden Enthusiasmus einfach durch Rivalität begründen könnte. Wer himmelte schon seinen größten Konkurrenten an? Das war er schließlich für sie, war es von Anfang an gewesen. Wakana hatte es da leichter, sie nahm eigentlich nur an Wettkämpfen teil, um Shuu nahe zu sein. Natürlich wollte auch sie ihre Kämpfe gewinnen, allein schon um seine Aufmerksamkeit zu erlangen, aber besser als Shuu sein? Niemals. Haruka hingegen musste ihn unbedingt schlagen. Wenn er sie schon nicht als Mädchen mochte, so sollte er sie wenigstens als Konkurrentin akzeptieren. Das war zwar bei Weitem nicht das, was sie eigentlich wollte, aber es half ja doch nichts. Auch wenn sie ihn liebte, sich an ihren Gefühlen festzuklammern, würde ihr nur Schmerz bringen. Und daher, seit sie ihn das letzte Mal getroffen hatte, seit er ihr mal wieder einige wenig nette Bemerkungen an den Kopf geworfen hatte, seit sie wusste, dass aus ihnen niemals mehr werden könnte, wartete Haruka darauf, dass es regnete. Ein ordentlicher Regenguss konnte zwar so manches aufgestaute Gefühl wegwaschen, aber dieses wohl nicht. Aber um ihre Tränen zu tarnen, dafür reichte er immer. Raindrops falling from Heaven Could never wash away my misery Since we're not together I pray for stormy weather to hide these tears I hope you never see “Wir sind beide im Halbfinale! Und Shuu auch!“, stelle Wakana aufgeregt fest, als sie auf die Anzeigetafel im Pokemoncenter sah. „Oh weh, sag ich es ihm jetzt, oder lieber erst danach? Ich wollte es ja hinter mich bringen, aber wenn er mich abweist, bin ich bestimmt zu niedergeschlagen, um richtig zu kämpfen.“ Haruka konnte das Dilemma gut nachvollziehen. Nach kurzem Überlegen riet sie ihrer Freundin: „Warte, bis die Gegner bekannt gegeben werden. Wer weiß, vielleicht musst du gegen ihn antreten, dann könnte es unter Umständen unangenehm werden. Oder du bist ganz mutig und sagst ihm vorher, er muss mit dir ausgehen, wenn du gewinnst.“ „Wenn wer gewinnt? Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass dieser Typ da mich schlagen kann?“, meinte Shuu mit einer Handbewegung zu dem vierten Jugendlichen auf der Anzeigetafel. „Shuu! Wo kommst du denn her?“, rief Wakana leicht panisch und lief rot an. „Ich dachte, ich sag mal hallo und wünsche euch viel Glück im Halbfinale. Falls eine von euch gegen mich antritt, wird sie es brauchen“, erwiderte er und schnippte sich mit seiner typischen Geste die Haare aus der Stirn. Haruka verdrehte die Augen. Manchmal fragte sie sich wirklich, warum sie ihn eigentlich mochte. Aber dann fielen ihr jedes Mal seine guten Seiten wieder ein. Wie er immer zu ihrer Rettung geeilt kam, wenn sie ihn brauchte. Die Rosen, die er ihr regelmäßig schenkte. Wieso tat er das überhaupt? Vermutlich spielte er nur mit ihrem Herzen. Oder er konnte es nicht dulden, dass sie ihm als einziges Mädchen nicht verfallen war- zumindest dem Anschein nach. „Wieso willst du den da um ein Date bitten?”, fragte Shuu gerade. „Der hat es doch nur durch pures Glück so weit geschafft.“ „Will ich auch nicht.” Wakana lief noch röter an und fing an, herumzudrucksen. „Ich hatte eigentlich gehofft, also, wenn es keine zu große Ablenkung vor dem Wettkampf ist, dass du vielleicht darüber nachdenken könntest, mal mit mir...“ „Ich soll mit dir ausgehen, wenn du gewinnst?“ Das schien ihn nun doch ziemlich zu erstaunen. „Und was, wenn wir gar nicht gegeneinander antreten? Der Typ da ist keine Konkurrenz, aber Haruka könnte dich oder, unwahrscheinlicher, mich, ausschalten, bevor wir uns gegenüberstehen.“ Er schien kurz zu überlegen. „Nun ja, wenn du gegen Haruka gewinnst, nachdem sie mich besiegt hat, kann ich das wohl auch gelten lassen. Also, abgemacht: Als Siegerin bekommst du ein Date.“ War das wirklich sein Ernst? Es würde einfach so mit Wakana auf ein Date gehen? Entweder war er sehr siegesgewiss, oder aber er mochte sie wirklich. Vielleicht war ihm ein Fangirl mehr oder weniger aber auch einfach egal. Sie wollte gerade Wakana folgen, die, offenbar immer noch fassungslos, in Richtung ihres Zimmers aufgebrochen war, wohl um sich dort ungestört zu freuen. In diesem Moment hielt Shuu sie am Handgelenk fest. „Ich hoffe, du enttäuschst mich nicht“, raunte er ihr zu, bevor er sich umwandte und in die entgegengesetzte Richtung ging. Zurück blieb eine völlig verwirrte Haruka. Was sollte sie davon halten? Sie sollte ihn nicht enttäuschen? War das jetzt eine Ermahnung zum Sieg oder zur Niederlage, damit er nicht mit Wakana ausgehen musste? Hatte er deshalb seine Bedingungen so gestellt? Es hatte keinen Sinn, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, Alles, was sie tun konnte, war, im Kampf ihr Bestes zu geben. Zumindest war das ihr Stolz als Koordinatorin. Sie würde da rausgehen ins Rampenlicht, lächeln und eine gute Show abliefern, auch wenn ihr innerlich nach weinen zumute war. Irgendwann würde es hoffentlich vorbei sein, und dann konnte sie aufhören, wie eine Idiotin ein falsches Lächeln aufzusetzen. Some day when my crying's done I'm gonna wear a smile and walk in the sun I may be a fool But 'til then darling you'll Never see me complain I'll do my crying in the rain Es kam, wie es kommen musste. Aus irgendeinem Grund hatte Haruka es zwar geschafft, Shuu zu besiegen, aber nun musste sie im Finale gegen Wakana antreten. Nicht nur ihren Pokemon, auch Haruka ging langsam die Energie aus. Der Kampf gegen Shuu war hart gewesen, vor allem weil es ihr unglaublich schwer gefallen war, ihre Gefühle zu verbergen. Und nun musste sie gegen eine Freundin kämpfen, für die es um mehr ging als einen Pokal. Aber ging es das nicht auch für sie, Haruka? Würde sie es verkraften, wenn Wakana ihr nicht nur den Sieg, sondern auch Shuu nahm? Wie nicht anders zu erwarten, hatte sie keine Chance. Selbst wenn sie mit den Gedanken richtig beim Kampf gewesen wäre, gegen ein Mädchen, das mit der Entschlossenheit der Liebe kämpfte, kam man einfach nicht an. Und so gratulierte sie der Freundin zum verdienten Pokalsieg und machte sich auf den Weg nach draußen, um der jubelnden Menge und ihm zu entgehen. Denn er würde ja jetzt sein Versprechen einlösen. Als sie die Halle verließ, merkte sie, dass es regnete. Endlich die Tarnung, auf die sie so lange gewartet hatte. Ihren Tränen freien Lauf lassend, ließ sich Haruka auf einer freien Bank nieder und schluchzte hemmungslos. Raindrops falling from Heaven Could never wash away my misery Since we're not together I pray for stormy weather To hide these tears I hope you never see „Der Regen mag zwar dein verheultes Gesicht verstecken, aber die Geräuschkulisse kann er nicht übertönen“, hörte sie eine Stimme hinter sich. „Ich hätte auch gern den Pokal gewonnen, aber man kann halt nicht immer alles haben im Leben.“ Alles? Sie wollte gar nicht alles, aber woher sollte er auch wissen, dass es gar nicht der Pokal war, um den sie solche bitteren Tränen vergoss? „Was weißt du denn schon? Du hast wenigstens ein Date mit Wakana, ich dagegen habe gar nichts.“ Erst jetzt fiel ihr auf, dass auch er ohne Schirm draußen war und seine grünen Haare ihm triefend ins Gesicht hingen. „Musst du dich nicht vor irgendeinen Spiegel stellen, um gut auszusehen für eure Verabredung?“, fügte sie spöttisch hinzu, um ihre wahren Gefühle zu verbergen. „Ach, Haruka, du verstehst mal wieder gar nichts“, meinte er und ließ sich neben ihr auf der Bank nieder. „Wäre ich denn wirklich hier, wenn ich ernsthaft vorhätte, mit ihr auszugehen? Ich habe mich darauf verlassen, dass du gewinnst, aber jetzt musste ich mein Versprechen brechen und ihr sagen, dass ich nicht mit ihr ausgehen werde. Na ja, offensichtlich war dir der Gedanke an ein Date mit mir so zuwider, dass du freiwillig verloren hast.“ „Wie bitte?“ „Na ja, ich hab doch gesagt, die Siegerin bekommt ein Date mit mir. Ich hatte wirklich gehofft, du würdest gewinnen...“ Eine Rose wechselte den Besitzer, bevor er sich zum Gehen wandte. „Nächstes Mal, wenn ich dich besiege, kriege ich ein Date, damit das klar ist, ja?“ Haruka blickte ihm nach, dann auf die Rose. Dann lächelte sie. Some day when my crying's done I'm gonna wear a smile and walk in the sun I may be a fool But 'til then darling you'll Never see me complain I'll do my crying in the rain I'll do my crying in the rain I'll do my crying in the... rain Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)