Ruck zug - tot. von Aya_Q (AT: Tausend taten tot - für frisch_ausgekotzt) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- FF für frisch_ausgekotzt, um ihr neuen Lebensmut zu schenken. Tu mir den Gefallen, und fahr in der nächsten zeit nicht mehr mit der u-Bahn. Ruck zuck - tot Wir setzten zum Landeanflug an. Bringen Sie Ihre Sitze in eine aufrechte Position, klappen Sie die Tische hoch und stellen Sie sicher, dass der Sicherheitsgurt geschlossen ist. Ich werde sterben. Okay, irgendeiner verqueerten Philosophie nach sterben wir alle, aber ich meine, ich werde bald sterben. Und mit bald mein ich – Moment, lasst mich nachschauen - in genau fünf Minuten. Warum ich das so genau weiß? Tja, es ist nämlich so, dass.... „Hey, du Idiot, kannst du nicht aufpassen? Ich hab ein Kind hier!“ Die wütende Stimme eines Geisteskranken reißt mich aus meinen Gedanken. Ein junger Mann, wohl Anfang, Mitte 20, was weiß ich, fixiert mich unfreundlich. Zwei Sekunden später bricht ein unglaubliches Geschrei auf Höhe meines Unterschenkels los, und ich brauche weitere zwei Sekunden, um nach unten zu blicken und zu realisieren, dass da ein Balg stand, dass eine Hand in der Hose des Mannes festkrallt und die Andere ans Gesicht hob. Seltsamerweise dampft ihr Kopf. Ja, wirklich, wie in solchen dämlichen Comics. Richtig mit Dampf und allem. Okay, gut, ich merke jetzt, dass es eigentlich brühend heißer Kaffe war, der sich über ihren Kopf ergoss, aber der Anblick war echt sehenswert. Ich scheine ihn, also den Kerl, nicht den Rauch bei meinem Getrippel zufällig angerempelt und den Kaffee über das Kind geleert zu haben. „Pass doch selber auf.“ Keife ich zurück, doch mein offensiver Angriff verlief sich etwas, da ich schreien muss, um das Kind zu übertönen. Der Mann ignoriert mich allerdings sowieso vollständig und kümmert sich um das Kind, ich gehe aber doch lieber ein paar Schritte von dem Choleriker weg, er sieht irgendwie aus, als wäre er stärker als ich. Okay, falls ihr glaubt, das ist so eine Geschichte, wo ich am Anfang mit diesen Typen zusammenstoße, der dann plötzlich ganz wichtig für mein Leben wird, mir das aber erst auffällt, als er mir selbstlos sein Leben opfert– so eine Geschichte ist das nicht. Wenn ihr so eine Geschichte lesen wollt, dann sucht euch eine andere. Mir doch egal. Das hier ist meine Geschichte, nicht eure, klar? Ich werde den Typen wie wieder sehen. Aber.. wo war ich? Ach so, ja, genau. Tja, ...dass ich mich umbringen werde. Ihr wisst schon. Aktive Sterbehilfe an einem selber. Suizid. Selbstmord. Ich werde jetzt sterben. Hier. Ich mein, interessiert doch niemand, oder? Gut, vielleicht krieg‘ ich eine Anzeige auf den Hals gehetzt, wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses, son‘ Scheiß halt, weil meine sterblichen Überreste überall rumspritzen, aber – das kann mich dann ja kaum mehr stören, schließlich bin ich dann tot. Warum ich mich umbrigen will? Nun, also... Mein Gott, das Kind schreit immer noch. Was für ein Wahnsinn. Ich glaube, ich sollte es mitnehmen in den Tod, wie soll man sich da den konzentrieren? Ein Unding ist das. Okay. Also. Gedankenordnen. Alleswirdgut. Warum ich mich umbringen will...Meine Güte, was fragt ihr so was? Nun, das ist einfach. Einfacher als vieles andere. Mein Leben ist im Arsch. Nicht so „Ich hab das Auto meines Vaters betrunken zu Schrott gefahren“ oder „Mit meinem besten Freund geschlafen“-Kaputt, sondern so richtig echt kaputt ist mein Leben. Genauso, wie ich es gleich sein werde – ich folge meinem Leben in die Dunkelheit hinab, nur mit einer kleinen Verzögerung. Mein Ich hinkt meinem eigenen Leben hinterher. Das hier ist mein gutes Recht als Mensch, ich darf mit meinem Leben tun uns lassen was ich will – und ich will es nun mal beenden. Nee, und kommt mir jetzt bloß nicht mit moralischer Entrüstung oder dem Papst – ich scheiß auf beide. Dann komm ich halt in die Hölle, und? Die Hölle ist doch schon auf Erden. Ich bin am absoluten Nullpunkt. (Also, kein Nullpunkt wie bei ner Zahlengerade Null, denn es gibt ja auch noch die Minuszahlen, und die gibt es auf meiner „Wofür es sich zu Leben lohnt“-Skala nicht) Danke, Tyler Durdon. Machen wir Seife to the end of the world. Das Kind schreit immer noch. Aber irgendwas ist anders als gerade eben. Ich glaube, ich weiß auch was. Ich riskiere ein Blick über die Schulter und starre das Kind kurz an. Es verstummt. Ein grimmiges Grinsen schleicht sich auf meine Lippen. Ha, ich habe Recht. Etwas ist anders. Es ist, als ob eine weitere Präsens in mir wäre. Also ob der Tod selbst von meinem Wunsch gehört hatte und nun bei mir ist, um meine Hand zu halten, wenn ich springe. Das, dieser Blick, das war der überlegene Blick eines Toten Mannes. Ein Zittern durchfährt mich, als ich über die Köpfe der Menge hinwegluke. (Das muss man metaphorisch verstehen, denn mit meinen 1,70 kann ich kaum über irgendwelche Köpfe hinwegsehen.) Hier ist alles wie gewohnt. Schade eigentlich. Die Welt geht einfach weiter und interessiert sich nicht für das, was passiert. Menschen eilen zur Arbeit, zu ihrer Familie, zu ihren Liebhabern, zu ihrem Drogendealern zu ihrem Zug. („Gerade fährt ein auf Gleis 2 der Zug nach Hamburg-Altona über Hamburg Hauptbahnhof“) Die Bahnstation Klingelstrasse ist voll von Menschen und doch sind sie alle allein, keiner schaut auf und beachtet den Anderen . Gut für mich, muss ich sagen, deshalb bin ich hergekommen. In diesen Teil der Stadt wird sich kaum jemand verirren, den ich kenne, und in... 3 Minuten kommt mein Zug.(Ich habe einen ICE gewählt, den, der von Hamurg-Altona über Hannover bis nach Stuttgart fährt) Jaah, ich hab mich mal wieder verplappert. Das kommt vor, war wohl eine meiner größten Schwächen. Wird wohl in meiner Grabesrede aufgezählt werden – wenn die Leute Zeit genug mitbringen, um die lange Liste meiner Fehler mit anzuhören. Vielleicht sind sie da auch schon eingeschlafen. Falls überhaupt Gäste auf meiner Beerdigungsparty sein werden. Ich hätte veranlassen sollen, dass es dort wenigstens Alkohol gibt, dann würden bestimmt einige auftauchen. Unbewusst glätte ich mein Faltenlook-Hemd und fahre mit über die verwaschene Jeans. Bin ich bereit? Ja, ich bin bereit. Meine Hände sind wohl nur so feucht und schwitzig, weil eine Jacke für die Jahreszeit echt nicht angebracht ist. Aber sie war neu und ich wollte sie nicht unbenutzt zurücklassen.... in dieser Welt (verdammt, glaubt ihr wirklich, dass ich das schreiben würde: „In dieser Welt“? Haha, kennts ihr mich schlecht. Ich meine... In Obhut von Jannik, meinem Mitbewohner, denn wenn ich sie im Schrank hängengelassen hätte, hätte er sie sicherlich geklaut. Und das war alles, was ihr über Jannik erfahren werdet, denn das hier ist meine Geschichte und wenn auch das nicht passt, ist das euer Problem, nicht meins.) Ein Blick auf die Uhr, oder, um es pathetischer zu sagen, mein letzter Blick auf die Uhr. Eine Minute. Als hätte sie es geahnt, rief die Ansagerin (die, mit der rauchig-dunklen Stimme, Mensch, die hätte ich noch gern durchgenommen, bevor ich dieser Welt den Rücken zuwand) meinen Zug aus. („Dies ist ein durchfahrender Zug und er hält nicht an dieser Station.“) Ich trat auf der weißen Linie, die die schmale Grenze zwischen Leben und tot symbolisiert, hin und her. Sicherheit – Weiße Linie – Tot. Tot – weiße Linie – Sicherheit – Weiße Linie. Am Ende des Tunnels Flammen Lichter auf. Weiße Lichter am Ende des Tunnels. Weiße Linie. Ich schließe die Augen und hohle ein letztes Mal Luft (Ob ich noch einmal ausatmen soll, bevor ich sterbe? Oder soll ich mit vollen Lungen sterben?) und dann mache ich einen Schritt über die Linie. Und noch einen. Das Kreischen des Zuges kommt näher. Und noch einen. Plötzlich ist unter meinen Füßen kein Boden mehr. Ich falle. Und das Einige, das meine Gedanken noch beherrscht, ist unmenschliche Angst vor dem Aufprall. Das Quietschen des Zuges kommt näher. Und näher. Und näh.... Hier ruhe Ich. Wehe, irgendein Idiot stört meine Ruhe.Und jetzt geht weiter, hier gibt es nichts zu sehen. Los doch! Verzieht euch! So was in der Art steht wohl auf meinem Grabstein. Zumindest hätte ich das auf ihn drauf geschrieben. Aber ich weiß so was ja nicht, kann ihn ja nicht sehen. Also fragt jemand Anderen, nicht mich. Aber – halt, das könnt ihr ja gar nicht. Weil ich der Erzähler bin. Ihr wisst nur das, was ich weiß. Dummes Gefühl, ne? Ich muss zugeben, dass ich es mir nicht ganz so schlimm vorgestellt habe. Okay, das ist untertreiben. Diese Hölle ist echt nichts für Zartbesaitete. Nicht, dass ich das wäre, keineswegs. Wie es hier so ist, wollt ihr wahrscheinlich wissen? Nun, Dunkel. Im Augen-blick. Aber nicht mehr lange. Sekunden später spüre ich etwas brühend Heißes an meiner Hand. Und schreie auf. Fuck, wegen so was bin ich auf die Gleise gesprungen und genau so geht es jetzt weiter. Soviel zu Thema nette Endlösung. „Oh, Entschuldigung, ich bin wohl etwas zu ungeschickt....“ erklärte eine Stimme – ganz im Gegensatz zum Kaffe war sie kalt. Ich hätte sie in Tüten verpacken und auf meine verbrühte Hand legen sollen, dann wäre sie in Sekundenschnelle geheilt. Oder zumindest abgefroren oder so. „Solche verrückte Sachen passieren.“ Brummte ich mit trockenem Mund (denn für diesen Teil das Körpers war der Kaffee ursprünglich gedacht gewesen) und schlug die Augen auf, und starrte in das gutmütig-spöttisch verzogene Gesicht eins jungen Mannes, Anfang, Mitte 20, was weiß ich. Oh, Nein, Moment, ich hab noch was vergessen. Wäre so ein schönes Ende geworden. Naja. Stimmt ja. Der Zug, vor den ich mich werfen wollte, war anscheinend kaputter als ich und musste wegen eines Schadens halten. An genau dieser beschissenen Bahnstation. Haha. Und das nennt man dann Ironie das Schicksals. Mensch, wenn es so einen unlustigen Humor hat, muss Schicksal Deutscher sein. Ich hatte mir nur ein paar Rippen gebrochen und einen Arm verstaucht. Dieser Kerl, mit dem verbrannten Kind, nun, der wollte wohl unser aller Steuern sparen und auch was für die Umwelt tun oder so und den CO2 Ausstoß in Maßen halten, also hat er den Krankenwagen gleich für und beide gerufen. Was sagt ihr? Warum ich euch vorher erzählt habe, dass ich den Kerl nicht wiedersehen werde? Na, ist auch aufgefallen, dass ich in Präsens erzählt hab? Ja? Also. Ich war da life dabei, ganz in Geschehen, und ich bin kein so lausiger Erzähler, der die Spannung schon am Anfang verdirbt. Konnte ich ja damals alles noch nicht ahnen, oder? Bin ich Allah, Buddah oder Sonstwer? Nee, eben nicht. Also. Dann fragt nicht so doof. Das hier ist nicht das Wunschkonzert. Sondern meine Geschichte. Also haltet die Klappen, wenn euch was nicht passt. Und nun – Applaus. Auf dem Flugplatz stehen Busse für Sie bereit, die Sie zu Ihrem Gate bringen. Wir danken Ihnen vielmals, dass Sie mit uns geflogen sind, und hoffen, Sie bald wieder an Bord begrüßen zu dürfen. Auf Wiedersehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)