Sasuke
Als du plötzlich deine Hand hebst, um mir für immer mein Augenlicht zu nehmen, sterbe ich fast vor Angst.
Natürlich war klar, dass dies ein Kampf auf Leben und Tod werden würde - aber war ich mir dessen jemals bewusst?
Unterbewusst sah ich immer dein herzliches Lächeln, wenn du mich - der ich mich so oft selbst überschätzt habe - nach gemeinsamen Training nach Hause getragen hast.
Deine aufbauenden Worte haben mir immer Kraft gegeben.
Und doch ist es soweit gekommen - hier stehen wir nun und trachten uns gegenseitig nach unseren viel zu kurzen Leben.
Ich schlucke. Du meinst es tatsächlich ernst?
Zitternd drücke ich mich an die Wand hinter mir und würde am liebsten schreien. Schreien, dass ich dich hasse. Schreien, dass du trotz allem der wichtigste Mensch in meinem Leben bist. Als Kind habe ich dich sehr geliebt, dich... meinen großen Bruder.
Doch ich kann dir nicht verzeihen. Niemals könnte ich dir verzeihen, dass du unsere Eltern und den gesamten Clan aus reiner Willkür ausgelöscht hast.
Du hast mein Leben zerstört. Du hast das Leben unserer Eltern zerstört.
Ich spüre plötzlich deine Fingerspitzen an meiner Stirn.
Was tust du? Dieses Gefühl ist so vertraut... ich schlucke erneut.
Lass das! Das weckt so schmerzlich vermisste Erinnerungen.
Ich wollte dich doch sterben sehen!
Langsam fährst du mit deinen Fingern mein Gesicht hinab.
Du lächelst mich an.
“Es tut mir Leid... dies ist das letzte Mal, Sasuke.”, sagst du so liebevoll, dass mein Herz sich schmerzhaft zusammenkrampft.
Ehe ich mich versehe, was geschieht, kippst du vornüber, stützt dich an der Wand ab und fällst dann nach hinten.
Ich sehe, wie sich dein Brustkorb ein letztes Mal hebt und deine Augen sich schließen.
Jetzt bist du tot.
Endlich bist du tot.
Ich habe mein Ziel erreicht.
Mit einem verzweifelten Lächeln blicke ich gen Himmel und lasse mich einfach neben dich fallen.
Die Tränen auf meinen Wangen merke ich nicht.
Es ist vorbei.
Als ich die Augen öffne, sitze ich in einer... in einer Höhle?
Ich weiß es nicht genau.
Auf jeden Fall ist jemand hier... ich kann ihn spüren.
Seine Präsenz ist von beängstigender Stärke.
Ich merke, dass meine Wunden versorgt sind.
Dies sind die letzten Wunden, die du mir jemals wieder zufügen wirst, Itachi.
“Zeig’ dich.”, sage ich, nachdem ich mich aufgesetzt habe.
Mein Brustkorb schmerzt höllisch.
Doch dieser Alptraum mit dir ist jetzt zum Glück vorbei.
Warum nur kann ich mich darüber nicht freuen?
Ein Mann tritt aus der Dunkelheit hervor.
Er stellt sich mir als Uchiha Madara vor. Mein Sharingan reagiert auf ihn, das schwarze Feuer Amaterasus erscheint... obwohl ich es niemals beherrschte.
Der Mann beginnt zu erzählen... und nach nur wenigen Sätzen weiß ich, dass mein wirklicher Alptraum erst jetzt beginnt.
“Du lügst!”
Ich presse meine Finger so sehr in meine Handflächen, dass ich spüre, wie das Blut an ihnen hinunter läuft.
“Du lügst!”, rufe ich immer wieder.
Das, was Madara mir gerade erzählt hat, kann nur eine Lüge sein.
Doch er schüttelt den Kopf.
“Es ist mir egal, ob du mir glaubst oder nicht, aber alles ist wahr.”, sagt er und steht auf.
Er läuft ein Stück von mir weg.
“Du warst immer das Wichtigste in Itachis Leben.”, sagt er, ohne sich umzudrehen und geht.
Ich sitze immer noch auf meinem Lager, starre auf meine blutigen Hände und versuche verzweifelt, nicht den Verstand zu verlieren.
Du hast das alles nur getan... um mich zu beschützen?
Das kann doch gar nicht wahr sein...
Ich erinnere mich an den schlimmsten Tag meines Lebens. An den Tag, an dem der Mensch, den ich immer am meisten bewundert hatte, der Mensch, den ich am meisten geliebt hatte, mein gesamtes Leben in eine Hölle auf Erden verwandelt hat.
Du hast damals zu mir gesagt, ich solle dich hassen.
Ich solle stark werden. Um jeden Preis überleben.
Nun sitze ich hier. Ich bin stark. Und du bist tot.
Ich erinnere mich wieder, Itachi.
Ich bin dir noch einmal nachgelaufen und du... du hast geweint.
So wie ich es jetzt tue.
Ich weiß jetzt, warum ich mich nicht über deinen Tod freuen kann, obwohl ich ihn so lange herbeigesehnt hatte.
Nichts von meinen Vorwürfen an dich ist wahr gewesen.
Und doch hast du mich in dem Glauben gelassen.
Du wolltest von mir erlöst werden, habe ich Recht?
Ich wünschte, du wärst hier. Ich wünschte, du hättest mir die Wahrheit gesagt.
Mein gesamtes Leben hatte sich immer nur um dich gedreht.
Jetzt dreht es sich... um nichts mehr... glaube ich.
Auch die Tränen, die unablässig auf meine Hände tropfen, können nichts mehr daran ändern, dass es zu spät ist.
Du warst der Sinn meines Lebens.
Doch ich habe diesen Sinn falsch interpretiert.
Es tut mir Leid.
Ich werde dich rächen. Das verspreche ich dir.
Konoha wird büßen dafür, dass es unser Leben zerstört hat.
Itachi
Jetzt stehst du vor mir - zitternd vor Angst.
So weit ist es also schon gekommen.
Hier stehst du nun, Sasuke, und blickst dem Tod entgegen.
Was du wohl jetzt denkst? Ich würde alles dafür geben, es zu wissen.
Ich bin froh, dass es bald zuende sein wird.
Und dass du es bist, der mich erlösen wird. Du, mein kleiner Bruder...
Wenn diese Situation nicht so unsagbar traurig wäre, dann könntest du ein letztes Mal ein Lächeln sehen - mein Lächeln. Das Lächeln eines fürsorglichen großen Bruders.
Eines Bruders, den du früher einmal kanntest. Der mit dir trainierte und dich immer spielerisch neckte.
Es kommt mir vor, als wären diese wenigen glücklichen Momente meines Lebens schon Jahrhunderte her.
Als hätte ich sie niemals erlebt, sondern hätte nur als stummer Beobachter daneben gestanden und all diese Zuneigung in mir aufgenommen, die du mir entgegen gebracht hast.
Es tut mir Leid, dass du immer so unter mir gelitten hast.
Aber ich bin stolz auf dich, Sasuke. Du verdienst es wahrlich, den Namen des Uchiha-Clans zu tragen und weiter zu führen.
Ich wusste, dass eine solch große Kraft in dir schlummerte - du brauchtest nur einen Ansporn und einen Hinweis auf das Feuer, das tief in dir brennt.
Nichts wünsche ich mir sehnlicher, als zu sehen, dass du stark geworden bist.
Stärker als ich es war. Du hättest vielleicht damals anders gehandelt als ich. Wärest geistig stärker geworden.
Aber die Vergangenheit kann nicht mehr geändert werden.
Nur eines weiß ich - du wirst nicht so große Fehler begehen wie dein großer Bruder.
Endlich kann ich sterben. Endlich kannst du diesem einzigen großen Fehler, der sich mein Leben nennt, ein Ende setzen.
Und in diesem Moment, wo du so verängstigt vor mir stehst, bereue ich sehr, dir niemals gesagt zu haben, wie viel zu mir bedeutest.
Ein letztes Mal hebe ich meine Hand - dein ängstliches Zucken versetzt meinem Herz einen Stich, eigentlich möchte ich nicht, dass du Angst vor mir hast - und berühre damit sacht deine Stirn.
Ich sehe an deinen Augen, dass diese kleine Berührung viele schmerzhafte, aber doch schöne Erinnerungen in dir wachrufen.
"Es tut mir leid... dies ist das letzte Mal, Sasuke."
Und nun schaffe ich es doch - ein letztes Mal zeige ich dir den Itachi, den du dir hoffentlich immer wieder zu dir zurück gewünscht hast.
Ich lächele und all meine Kraft schwindet aus meinem Körper. Nur seicht spüre ich meinen dumpfen Aufschlag auf den kalten Steinboden.
Es ist getan.
Sei stark, Sasuke. Und vergiss mich nicht, mein geliebter, kleiner Bruder.