Cold Case von june-flower (Anthologie) ================================================================================ Cold Case - Winter. Endstation ------------------------------ „Sir? Sir! Wachen Sie doch auf!“ Jemand rüttelte ihn an der Schulter. „Hören Sie mich? Wachen Sie auf, Sir!“ Mühsam öffnete Detective Scott Valens die Augen und blickte in das rotwangige Gesicht eines korpulenten Schaffners mit hellen Haaren. An ihm wirkte die dunkle Uniform der Beamten wie eine Verkleidung und im Licht der gedämpften Neonleuchten sah seine Haut unappetitlich grün aus. Verärgert starrten zwei wasserblaue Augen – verwässertes Blau – ihn an. „Sir, ich muss Sie bitten, nun auszusteigen. Meine Schicht ist zu Ende und auf dieser Strecke fährt heute Abend kein Zug mehr. Ich muss die Bahn ins Depot bringen.“ Nur langsam drang der Sinn der Worte überhaupt zu ihm hindurch. Während sein Verstand mit den Worten kämpfte, deren Bedeutung ihm nur langsam aufging, hob er eine Hand und sah auf die Uhr an seinem Handgelenk. Die normalerweise dagewesen wäre, es heute jedoch nicht war. Lautstark protestierten zu lange unbenutzte Muskeln gegen ihre Vergewaltigung. Warum fühlte er sich so zerschlagen? Ach ja. 3 Uhr Nachts. „Welche... Wo sind wir hier?“, fragte er und musste sich räuspern, um seiner vernachlässigten Stimme wieder einen halbwegs normalen Klang zu verleihen. „St. Andrey`s Cross, Ecke Wagner Ave. Ist alles in Ordnung? Kommen Sie klar?“ Nur schwer. Nur langsam. Scotty stand auf. Sein gesamter Körper fühlte sich an, als sei er zerschlagen worden – ja, der Vergleich passte. Aber er wollte nicht daran denken – wollte gar nichts mehr denken. Sich einfach nur noch hinlegen und liegenbleiben. St. Andrey`s Cross? Er war vermutlich sehr, sehr weit weg von seiner Wohnung. Tatsächlich wusste er nicht einmal, wo in Philadelphia genau er sich befand. Der Grad der Verärgerung auf dem Gesicht des Schaffners stieg, wenn überhaupt möglich, noch weiter. Der Mann wollte nur nach Hause, rief er sich ins Gedächtnis. Er machte nur seinen Job. So wie er selbst auch. „Das geht schon“, sagte er daher und räusperte sich noch einmal. Überraschend schoss der Schmerz durch seine Brust. Nein, nicht Schmerz. Etwas anderes. „Vielen Dank, Sir. Entschuldigen Sie bitte die Unannehmlichkeiten.“ Im Gesicht des Mannes vor ihm, der ihn absurderweise an seinen Onkel Joffre erinnerte, der ihn als Junge immer ausgeschimpft hatte und der als erbitterter, einsamer Mann gestorben war, spiegelten sich Misstrauen und Erleichterung in Einem. Erleichterung, weil dieser merkwürdige Fahrgast vor ihm weder besoffen noch bekifft war und anscheinend keinen Ärger suchte. Misstrauen – denn was tat ein Mann im dunklen Anzug, der geradezu nach Büro roch, zu dieser Nachtzeit in einer Bahn? Und warum stand er auf, als sei sein gesamter Körper ein einziger blauer Fleck? „Ich öffne Ihnen die Tür“, sagte er deshalb nur und verschwand grußlos im nächsten Wagen. Die Tür zischte. Der Bahnhof stank nach Zigarettenrauch und Urin. Scottys Schritte hallten laut zwischen den leeren Wänden wider, bemalt und gekritzelt mit jeder Menge unlesbarer Textnachrichten. Immerhin erreichten diese Nachrichten jemanden. Einmal, als er zwölf Jahre alt gewesen war, hatte er einen langen Brief geschrieben und ihn an eine willkürliche Person aus dem Telefonbuch geschickt. Er hatte sogar eine Antwort erhalten. Noch zwei Briefe hatte er mit der alten Frau ausgetauscht, dann hatte er nie wieder etwas von ihr gehört. Vermutlich war sie gestorben. Eine einzige Straßenlaterne beleuchtete die Straße, als er aus dem dunklen Schacht trat. Sogar das rote U auf dem Schild blitzte nur noch schwach, der Querstrich baumelte leblos und dunkel herunter. Ziellos setzten sich seine Füße in Bewegung und begannen zu laufen. Er war immer gerne gelaufen, selbst, wenn es dunkel war. Abrupt blieb er stehen, als er die Straße erkannte. Er hätte sie überall erkannt. Die hellblaue Haustür mit dem weißen Kranz daran lag im Schatten. Scotty Valens wusste genau, wie sie aussah. Ein Schimmer drang aus dem Inneren des Hauses durch die milchigen Glassteine neben der Wand. Oder bildete er sich diesen Schimmer nur ein? Die Lampe auf der anderen Seite der Straße flackerte. Der Schimmer flackerte ebenfalls. Ohne wirklich zu wissen, was er tat und was er vorhatte, trugen seine Füße ihn weiter. Anmerkung Depri. Depri. Ich weiß! Allerdings muss ich sagen, dass ich diesen text eine Weile her geschrieben habe und ich mich momentan absolut nicht niedergeschlagen fühle. Mir gehts gut! Leider gilt das nicht für Scotty, wie mir scheint... Ich hoffe, es geht ihm bald besser... Ich hoffe, euch gehts gut! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)