Fahrradfahrer von Hatshepsut ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Fahrradfahrer Ich war neu in der Stadt. Erst am Wochenende angekommen. Von München nach Berlin. Von einem Ende der Welt zur anderen. Mein Vater hatte einen besseren Job angeboten bekommen. Er hatte angenommen, klar, sonst wäre ich nicht hier. Humorlos lachte ich auf und fing mir sofort die Blicke anderer Schüler ein. Mist! Ich wollte nicht an meinem ersten Tag sofort in die Loserkategorie geschoben werden. Auf keinen Fall. Ich beschleunigte meinen Schritt. Suchte das Sekretariat. Schneller. Wo was das Sekretariat? Ich begann zu schwitzen. Nicht schwitzen! Ich hatte mein Deo zu Hause vergessen. Was mich noch stärker schwitzen ließ. Mist! Wieder klingelte es. Und da war auch die Tür des Sekretariats! Ich klopfte hektisch an und öffnete die Tür linkisch, irgendwie tollpatschig wie ich fand. Fing ja schon mal gut an. Hinter einem Schreibtisch saß eine dicke Frau, die mich aus dicken Brillengläsern anstarrte. Ich stammelte etwas von wegen neuer Schülerin. Die Frau nickte mitleidig und deutete auf jemanden der in der Ecke saß. Ich sah hinüber und es verschlug mir den Atem. Dort saß das… vermutlich schönste Wesen, das mir je begegnet war. Versteht mich nicht falsch, ich bin nicht lesbisch oder so. Ehrlich nicht, aber das… sie…Wow! Ihr Gesicht war makellos. Ebenso die roten Haare, die wie Seide über ihre Schultern fielen. Und dieses Lachen! Ich bezweifelte in dem Moment wirklich meinen gesunden Menschenverstand. Konnte es so einen schönen Menschen wirklich geben? Sie sprach mich an. Ihr Name war Stella. Der Stern. Passte. Sie sollte mir die Schule zeigen. Also eine der Eliteschülerin. Nur die Besten, Schönsten, Beliebtesten führten die Neuen rum, das war so etwas wie eine eiserne Regel, fragt mich nicht warum. Wahrscheinlich weil sie sich mit den Neuen sehen lassen konnten ohne ihr Gesicht zu verlieren. Nach meinem ersten Eindruck gehörte Stella in alle Kategorien. Stella lächelte mich an: „Bist du aufgeregt? Es muss alles ziemlich neu für dich sein. Aber keine Angst, es ist alles nur halb so schlimm!“ Ich schluckte und nickte vorsichtig. Herzlich legte sie mir eine Hand auf den Arm: „Keine Sorge, ich werde dir helfen dich zurecht zu finden.“ Ich war nicht in sie verliebt, aber an dem Tag, war ich mir da nicht mehr ganz so sicher. Andererseits, wer könnte schon einem Engel widerstehen? Abgesehen von Gott? Stella wich nicht von meiner Seite. Bis auf zwei Stunden verbrachte sie ihre ganze Zeit mit mir. Sie stellte mich ihren Freunden vor. Es waren viele, wie nicht anders zu erwarten. Sie war wohl mit Abstand das beliebteste Mädchen an der Schule. Und niemand schien es ihr zu missgönnen. Zumindest sah ich niemanden. Das war doch nicht normal! Mir fiel der Satz ein. Ein Sprichwort, das ein berühmter Mann gesagt hatte. Wenn einer sehr beliebt war… nein, er ging anders. Genau, wird einer von allen gehasst sollte man nachforschen, wird einer von allen geliebt, sollte man aber auch nachforschen. Wie kam es, dass sie scheinbar jeder mochte? Hatte sie sich die Freunde gekauft? Vielleicht war ihr Vater ja ein reicher Geschäftsmann…. „Was machen denn deine Eltern?“, fragte ich zögernd. Stella lächelte wieder dieses perfekte Lächeln: „Meine Eltern sind geschieden und ich lebe bei meiner Mutter. Sie ist allerdings nie da, sie arbeitet in einem Büro.“ Stinknormaler Beruf. Nicht gekaufte Freunde. Es schien unmöglich aber dieses Mädchen, Stella, war perfekt. Das beste Aussehen, die besten Noten, das beliebteste Mädchen. Sie war vollkommen. Und trotzdem nicht arrogant. Man musste sie einfach mögen. Perfekt, ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie überhaupt eine Schwäche hatte. Perfektes Äußeres, perfektes Inneres. Einfach Perfekt. Das Mädchen öffnete die Wohnungstür und trat in den dunklen Raum. Es roch erbärmlich und von irgendwoher konnte man die Geräusche einer flimmernden Mattscheibe hören. Sie lächelte leicht und ging zu einem Fenster um die Vorhänge aufzuziehen. Doch davor wurde sie an den Haaren zurückgerissen. „Was denkst du, tust du da, blöde Kuh?“ „Ich… Es war so dunkel, da dachte ich, ich-„, begann sie,,bevor sie unterbrochen wurde. „Wenn ich es hell haben will, öffne ich die Vorhänge selber, kapiert?“ Das Mädchen nickte. „Und wo warst du so lange? Du bist eine halbe Stunde zu spät!“ „Ich war in der Schule, wir haben eine neue Schülerin und-„ Er ohrfeigte das Mädchen. „Lüg mich nicht an, du hast dich doch mit einem anderen getroffen.“ „Nein, ich-„ Wieder schlug er ihr ins Gesicht. Wieder und wieder. Mit den Fäusten. Als das Mädchen sich schützend die Arme über das Gesicht hob, machte ihn das noch wütender. Sie tat gut daran, ins nächste Zimmer zu flüchten und abzuschließen, als seine Schläge noch heftiger auf sie niederprasselten. Zitternd nahm sie die Dose aus ihrer Tasche und schluckte hektisch einige Tablette hinunter. Nach einiger Zeit klopfte es an die Tür: „Stella, komm raus. Wir müssen reden.“ Es dauerte einige Momente bis sie realisierte, was die Worte bedeuteten, dann nickte Stella, wie um sich zu überzeugen. Sie stand auf und trat aus dem Bad heraus. Er griff nach ihr und nahm sie in den Arm: „Tut mir Leid, Kleines. Es war ein Versehen. Du weißt doch das ich dich liebe. Es wird echt nicht wieder vorkommen, ehrlich. Was würde ich denn ohne dich machen? Du bist die Einzige die mich versteht. Ich liebe dich.“ Einen Moment des Haderns. Ein Schrei des gesunden Menschenverstandes. Dann Stille. Stella nickte und lächelte selig. Simon liebte sie. Es war ein Versehen. Er wollte sie nicht schlagen. Er liebte sie doch. Ja, das war alles was zählte! Ich war schon länger zu Hause und saß in der Küche, Hausaufgaben machen. Stella kam in die Küche. Über ihrem Auge begann bereits eine Beule anzuschwellen. Ich hatte echt kein Mitleid mit ihr, neugierig war ich aber doch und bevor ich mich bremsen konnte, war die Frage schon gestellt: „Mit wem hast du dich denn geprügelt?“ Sie sah mich an. Mit diesen Augen. Ich hatte Angst vor ihren Augen. Sie waren zum Fürchten. Immer wenn sie so guckte, nahm ich mir vor schnell wegzulaufen. Heute ging das nicht. Sie stand genau in der Küchentür. Ich war gefangen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Sie schloss die Tür und kam auf mich zu. Den ersten Schlag sah ich nicht kommen, da lag ich schon auf dem Boden. Sie schlug und trat immer wieder auf mich ein. Sie sollte aufhören, aber sie tat es nicht. Schon komisch, dass sie trotz ihrer zierlichen Figur so viel Kraft hatte. Man sah es ihr einfach nicht an. Geschweige denn, dass man es ihr zutraute. Dem kleinen Engel. Für mich war sie wie die böse Hexe aus einem Märchen, in der Gestalt der guten Fee. Ich träumte oft von ihr. Meine große Schwester, die Hexe auf ihrem Besen. In meinen Albträumen verfolgte sie mich. Pausenlos. Um mich zu Tode zu prügeln. Ich konnte ihr nie entkommen. Nie verstecken. Niemand half mir. Nicht mal meine Mama. Sie arbeitete oft sehr lange, und bekam nie etwas mit. Die blauen Flecken hielt sie für mangelnde Aufmerksamkeit. Der tollpatschige Bruder neben der megatollen großen Schwester. Ich war nirgendwo sicher und dafür hasste ich meine Schwester. Ja, ich hasste Stella. Abgrundtief. Es gab nichts was ich noch mehr verabscheute. Irgendwann später hörte sie auf, auf mich einzutreten. Vielleicht hatte sie den Spaß verloren. Ich war nur noch ein winselndes Stückchen Elend. Ziemlich erbärmlich. Ich schluchzte und wimmerte und wünschte sie wurde sich zum Teufel scheren. Einige Momente später hörte ich wie die Badezimmertür zuschlug. Ich blieb liegen. Und hoffte auf ein Wunder, das eh nicht kommen würde. Das Mädchen schließt sich in dem Badezimmer ein. Die Finger krallen sich in ihre Arme. Die Symptome sind offensichtlich. Ich kann ihnen nur diese Tabletten verschreiben, damit sich ihr Zustand nicht noch verschlechtert. Aus ihrer Kehle dringen animalische Laute. Ihre Augen sind weit aufgerissen. Heilen kann man es nicht. Deshalb ist es wichtig, dass sie sie regelmäßig einnehmen, sonst kann ich für nichts garantieren. Langsam erhebt sie sich, sieht in den Spiegel. Beobachtend. Lauernd. Die Hände heben sich zu dem geschwollenen Auge, zu den Wangen hinunter. Etwas fließt hinunter. Tränen. Und Blut. Die Pillendose in der Hand. Ein Kreischen. Spiegelsplittern. Eine Scherbe spiegelt eine Hälfte des Gesichts. Hässlich… stirb…Hässlich...STIRB DOCH ENDLICH!!! Den ersten Schnitt setzen. Noch einen. Noch einen. Und noch einen. Damit ist die Geschichte zu Ende. Ich hab diesmal etwas anderes probiert. Eine Person fast ausschließlich aus der Sicht anderer Personen und von außen zu beschreiben. Ich hoffe das ist mir halbwegs gelungen. ^^ Aber ich hätte es auch nicht anders schreiben können, fragt mich nicht wieso. Da fällt mir ein, diese Begebenheit muss ich euch noch erzählen :), meine Mutter berichtete mir vor kurzem von einem Mädchen, mit dem ich lange Zeit zur Schule gegangen bin. Sie hatte sie bei der Post gesehen, zusammen mit ihrem Freund und meinte ihr Freund sehe ja ach so herrisch aus. Ja und warum erzähle ich euch das? Diese Mädchen ist eines der beliebtesten Mädchen an meiner Schule gewesen. Alle liebten sie, sie war die Vorzeigeschülerin schlecht hin. Dabei war sie ein ziemliches Biest, ohne übertreiben zu wollen. Ja und da fiel mir ein, dass ich ja diese Geschichte geschrieben hatte. Ich will nicht sagen, dass ihr Freund sie misshandelt oder so, aber es ist schon irgendwie komisch, wenn ich daran zurück denke was ich geschrieben habe und welche Passagen ihr wie auf den Leib geschrieben sind (Die Story ist natürlich dramaturgisch bearbeitet, davon abgesehen dass ich nicht über dieses Mädchen geschrieben habe. XD). Und auch traurig, wenn man bedenkt dass sie ein gewisses Image aufrecht halten musste. Immer die Beste sein. *seufz* Aber ich schweife mal wieder ab ^^’. Gruß Kuss Hatschepsa P.S.: Das Sprichwort kommt übrigens von Konfuzius. Alle Copyrights liegen bei ihm XD „Wird einer von allen gehasst, sollte man nachforschen. Wird einer von allen geliebt, sollte man nachforschen.“ – Kofuzius (551-479 v. Chr.) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)