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Die Jäger

für Yuri, Chitsuna und Shayo
von

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Am Anfang

Am Anfang
 

Die Frau, deren langes schwarzes Haar unter dem dunklen Schleier hervorlugte, trat näher auf den Lichtkreis zu, der mich umgab. Ich konnte ihren Atem sehen, wie er einer Nebelwolke gleich entwich und das Tuch leicht nach vorne bewegte. Sie trug ein langes, dunkles Gewand und war barfuss. Ihre Hände, die ruhig an ihrer Seite herunterhingen waren von einem unnatürlichen Weiß, welches die Haut wie tot erscheinen ließ. Das grüne Moos gab unter ihren sanften Schritten nach, wie ein weiches Federkissen, wenn man sich darauf stützte. Während ich die unheimliche Erscheinung beobachtete, spürte ich, wie meine Kräfte schwanden und meine Lider schwer wurden. Eine schwere, drückende Dunkelheit wollte sich auf mich legen, doch ich versuchte wach zu bleiben und fixierte mich auf die weißen Nebelwolken, die von der seltsamen Frau ausgingen. Wenn sie mir helfen wollte, dann musste sie sich beeilen, denn ich wusste nicht, wann die Männer wiederkommen würden, die mich mit Zaubersprüchen und magischen Kräften an diesem Ort festhielten. Immer noch schritt die Frau auf mich zu, langsam und darauf bedacht keinen Ton von sich zu geben. Vielleicht dachte sie, ich schliefe? Meine Augen waren zu Schlitzen verengt, denn es kostete mich sehr viel Kraft, sie offen zu halten. Ich wollte meinen Arm heben, ihr zu verstehen geben, dass ich wach und am Leben war, doch die magischen Banne auf meinen Händen, verboten es mir. Die Frau hatte mich nun fast erreicht und streckte ihre langen, weißen Finger nach mir aus, sodass ich mich fürchtete. Doch als sie meine rechte Hand berührte, spürte ich, wie die Kälte ein wenig zurückwich und dass ich meine Finger wieder bewegen konnte. Im nächsten Augenblick hatte sie ihre Hand schon auf meine Stirn gelegt und meinen gesamten Körper von sämtlichen Zaubern befreit. Da ich nur durch diese Zauber in meiner aufrechten Position verharrt war und im Grunde völlig entkräftet war, sackte ich vornüber und blieb mit dem Gesicht im weichen Moos liegen. Das war der Grund dafür, weshalb ich nicht sah was im nächsten Moment passierte, sondern es nur hörte. Die Männer waren zurückgekehrt und stürmten mit lauten Schreien auf die Lichtung zu, sicher da sie bemerkt hatten, dass ich nicht allein war. Ich vernahm Kampfgeräusche, Stöhnen, Keuchen. Gerade als ich den Versuch unternahm, mich zu erheben, spürte ich einen stechenden Schmerz an meinem Hinterkopf und ließ mich in die dunkle und ruhige Welt der Besinnungslosigkeit fallen, froh, den Problemen für einen kleinen Moment zu entkommen.

Bei Dalya

Bei Dalya
 

Es war ruhig und still im Wald. Kein Vogel zwitscherte, kein Reh ließ sich blicken. Ich wanderte umher, ohne mich zu sorgen.
 

Im nächsten Moment rannte ich um mein Leben. Es waren Jäger, da war ich mir sicher, doch was wollten sie von mir?
 

Auf der Nymphenlichtung stellten sie mich, umwarben mich mit ihrer schwarzen Magie und setzten mich außer Gefecht.
 

Drei Tage harrte ich aus, ohne Essen, ohne Trinken, ganz allein.
 

Dann kam sie.
 

Dunkelheit.
 

Ich erwachte mit einem seltsamen Geschmack im Mund. Vorsichtig tastete ich mit meiner Zunge über meine trockene Lippe und versuchte die Augen zu öffnen. Meine Augenlider waren noch immer schwer wie Blei und es schmerzte, wenn ich den Versuch vernahm, sie zu öffnen. Dennoch gelang es mir, sie einen Spalt breit zu öffnen und meine Umgebung zu betrachten.
 

Im Wald befand ich mich nicht mehr, sondern in einem warmen und weichen Bett, welches in einem Zimmer mit dunklen Holzwänden in einer Ecke stand. Weißes Licht fiel durch ein Fenster, mir schräg gegenüber und ich konnte die Baumwipfel sehen, die sich dunkel vor dem Himmel abzeichneten. Langsam drehte ich den Kopf und sah, dass neben mir eine Frau mit schwarzem Haar saß, welches sie elegant hochgesteckt hatte. Ihre braunen Augen sahen freundlich auf mich herab und ich fühlte mich sofort sicher. In der Hand hielt sie eine Tasse, aus der Dampf hochstieg und die sie mir im nächsten Augenblick an den Mund gesetzt hatte. Ich schluckte und trank. Die Flüssigkeit hinterließ ein stärkendes Wärmegefühl und einen Geschmack, den ich nicht kannte. Die Frau erhob sich und ging in einen anderen Teil des Zimmers, welcher außerhalb meines Blickfeldes lag. Ich döste also noch eine Weile vor mich hin, bis die Frau wieder erschien und mir weiteren Tee einflößte. Sie lächelte mich freundlich an und nahm wieder neben mir Platz.
 

„Wie heißt du?“, fragte sie mit leiser, beruhigender Stimme. Ich versuchte zu antworten, doch meine Stimme war wie eingerostet – ich brachte kaum einen Ton heraus. Die Frau gab mir wieder zu trinken und wartete einen weiteren Moment. Ich testete meine Stimme indem ich seufzte. Es schien wieder zu funktionieren.
 

„Nao.“, sagte ich langsam und versuchte zu lächeln, doch meine Mundwinkel wollten nicht recht gehorchen.
 

„Ich bin Dalya und ich werde dich vor den Jägern beschützen.“, erwiderte die Frau. „Du weißt doch, dass es Jäger waren, die dich gefangen haben, oder?“ Plötzlich kamen alle Erinnerungen wieder. Der helle Herbstmorgen, an dem ich mich in den Wald begeben hatte, die Ruhe. Dann das Knacken im Unterholz, die Pfeile. Wie ein Tier hatten sie mich gejagt, bis zu der Lichtung mitten im Wald, dort wo es selbst am Tage dunkel und feucht war, weil die Blätter der Bäume nie herunterfielen und so eng beieinander wuchsen. Ich erinnerte mich, wie sie mich mit magischen Bannen belegt und mir meine Sachen weggenommen hatten. Dann die drei schrecklichen Tage, ohne Licht, ohne etwas zu essen und zu trinken. Zuletzt, als ich die Hoffnung schon fast aufgegeben hatte, die Frau. War es diese Frau, die mich gerettet hatte? Hatte sie die Männer besiegt und mich hierher gebracht? Ich sah Dalya fragend an.
 

„Habt Ihr…?“, begann ich, wurde jedoch sofort unterbrochen.
 

„Ja. Ich habe dich gerettet und die Jäger vorerst besiegt.“
 

„Wie…?“
 

„Oh, du fragst dich, wie ich, eine schmächtige Frau, diese Männer besiegen konnte? Nun ja, nicht jede Frau ist, so wie ihr Männer denkt, schwach.“, begann Dalya und sah ein wenig schmunzelnd auf mich herab. Das Bild eines hilflosen jungen Mannes, um den sich eine Frau kümmerte, schien sie zu amüsieren. „Ich bin eine Magierin. Ich habe mir die Magie zum Untertan gemacht und verwende sie für meine Zwecke – im Gegenzug zerrt sie an meinen Kräften. Aber dafür, kann ich kämpfen, mich zur Wehr setzen und siegen. Wenn man als Frau allein lebt, muss man sich verteidigen können.“ Ich beobachtete sie, während sie sprach und plötzlich erschien sie mir wieder so unheimlich, wie auf der Lichtung. Doch als sie lächelte, verblasste dieses Bild wieder und ich beruhigte mich.
 

„Dann könnt Ihr mir sicher auch sagen, was die Jäger von mir wollten?“, fragte ich zögernd.
 

„Natürlich. Es kann nur bedeuten, dass du ein Leyu bist, ein Gejagter.“, meinte Dalya und ich zuckte zusammen. Was sollte das bedeuten, ich war ein ganz normaler Mensch, sowie jeder andere auch. „Du scheinst ja sehr überrascht zu sein. Hast du dich noch nie im Spiegel betrachtet? Du hast goldene Augen und schlohweißes Haar. Deine Haut ist ungewöhnlich bräunlich… sie wirkt fast, als läge ein Goldener Glanz auf ihr. Deine Ohren… sie laufen spitz zu. Denkst du, so sehen gewöhnliche Menschen aus?“ Ich war erschüttert. Wie konnte es sein, dass ich von so etwas nie erfahren hatte? Denk nach Nao, die Frage kannst du dir selbst beantworten. Meine Eltern hatte ich nie gekannt, aus dem Waisenhaus war ich vor drei Jahren geflüchtet und hatte mich in einer alten Hütte mitten im Wald niedergelassen. Seit dieser Zeit war ich einmal in der Woche in das nahe gelegene Dorf Luona gegangen um mich mit lebensnotwendigen Dingen zu versorgen, doch nie hatte mich jemand schief angesehen, weil ich anders aussah. Ich hatte nicht immer weiße Haare gehabt – ja, sie waren schon immer ziemlich hell gewesen… aber weiß? Nein. Ich schüttelte den Kopf und fuhr mir durch die Haare, während Dalya mir wieder etwas von der dampfenden Flüssigkeit einzuflößen versuchte. Sie hielt inne, als sie meinen verwirrten Blick bemerkte.
 

„Hast du tatsächlich noch nie in einen Spiegel geschaut?“, fragte sie ungläubig und sank auf ihren Schemel zurück, ohne mich dabei aus den Augen zu lassen. Ich überhörte ihre Frage und versuchte mich halb aufzurichten, sank jedoch wieder in die weichen Kissen zurück.
 

„Könnt Ihr mir sagen, was die Jäger von mir wollten?“, fragte ich, „Warum jagen sie die Leyu?“ Dalya schien dieses Thema nicht zu gefallen. Sie sah verunsichert aus und ihre Augen wanderten unruhig über mich hinweg.
 

„Ich denke, das ist kein Gesprächstoff für einen Kranken.“, meinte sie und drückte mich mit sanfter Gewalt noch tiefer in die Kissen. „Du solltest jetzt noch ein wenig schlafen. Wenn du wieder bei Kräften bist, werde ich dir alles erzählen. Ruh dich aus. Morgen kommt meine Tochter wieder, sie wird mir helfen und dann werde ich auch Zeit finden, dir deine Fragen zu beantworten. Schlafe jetzt und ruhe, lasse dich nicht stören von den Geräuschen der Nacht.“
 

Ich schloss die Augen und spürte, wie ich müde wurde, als würden Dalyas Worte mich in den Schlaf singen. Bald befand ich mich im hellen und strahlenden Reich der Träume.
 

Liviel
 

Sie war groß gewachsen und hatte kurze, dunkelblonde Haare die ihr in Strähnen über das hübsche Gesicht fielen. Einen Augenblick bewunderte ich ihre Schönheit, dann schreckte ich hoch, als mir klar wurde, dass es nicht Dalya war, die an meinem Bett saß, sondern eine junge Frau in meinen Alter. Sie lächelte verschmitzt und reichte mir eine Tasse, während ich die Decke bis zum Kinn zog.
 

„Habe ich dich erschrocken?“, fragte sie, ihre Stimme klang kräftig und klar.
 

„Tut mir Leid, das wollte ich nicht. Hast du gut geschlafen?“ Ich nickte nur und nahm die Tasse, die sie mir immer noch entgegenhielt. „Ich bin Liviel, Dalyas Tochter und ich komme aus Fulya, wo ich als Kriegerin in der Akademie der Kampfkünste ausgebildet werde. Und wer bist du?“
 

„Nao.“, sagte ich und bewunderte sie, dass sie als Frau eine Kriegerin werden wollte. Ich selbst hatte noch nie eine Waffe in der Hand gehalten, allein daran gedacht es zu tun, hatte ich noch nie. „Ich komme aus Luona und… nun ja… ich habe vor kurzem eine Ausbildung zum Goldschmied angefangen.“ Ich wollte ihr auch sagen, dass ich etwas tat und nicht, dass ich ein einfacher Bauerntölpel war, der den ganzen Tag Beeren und Pilze sammelte. Liviel nickte, erhob sich und schritt zu einer Kommode, die schräg gegenüber an der Wand stand. Ein wenig verträumt musterte ich sie von hinten. Sie trug ein langärmliges rotes Oberteil und eine kurze Hose, sie ihr nicht einmal über die Knie ging. An ihren Armen waren metallische Schützer befestigt und ihre Füße steckten in abgetragenen schwarzen Stulpenstiefeln. Was mich jedoch am meisten beeindruckte war der lange Bogen aus dunklem Holz, der über ihrer Schulter hing.

Liviel

Liviel
 

Sie war groß gewachsen und hatte kurze, dunkelblonde Haare die ihr in Strähnen über das hübsche Gesicht fielen. Einen Augenblick bewunderte ich ihre Schönheit, dann schreckte ich hoch, als mir klar wurde, dass es nicht Dalya war, die an meinem Bett saß, sondern eine junge Frau in meinen Alter. Sie lächelte verschmitzt und reichte mir eine Tasse, während ich die Decke bis zum Kinn zog.

„Habe ich dich erschrocken?“, fragte sie, ihre Stimme klang kräftig und klar.
 

„Tut mir Leid, das wollte ich nicht. Hast du gut geschlafen?“ Ich nickte nur und nahm die Tasse, die sie mir immer noch entgegenhielt. „Ich bin Liviel, Dalyas Tochter und ich komme aus Fulya, wo ich als Kriegerin in der Akademie der Kampfkünste ausgebildet werde. Und wer bist du?“
 

„Nao.“, sagte ich und bewunderte sie, dass sie als Frau eine Kriegerin werden wollte. Ich selbst hatte noch nie eine Waffe in der Hand gehalten, allein daran gedacht es zu tun, hatte ich noch nie. „Ich komme aus Luona und… nun ja… ich habe vor kurzem eine Ausbildung zum Goldschmied angefangen.“ Ich wollte ihr auch sagen, dass ich etwas tat und nicht, dass ich ein einfacher Bauerntölpel war, der den ganzen Tag Beeren und Pilze sammelte. Liviel nickte, erhob sich und schritt zu einer Kommode, die schräg gegenüber an der Wand stand. Ein wenig verträumt musterte ich sie von hinten. Sie trug ein langärmliges rotes Oberteil und eine kurze Hose, sie ihr nicht einmal über die Knie ging. An ihren Armen waren metallische Schützer befestigt und ihre Füße steckten in abgetragenen schwarzen Stulpenstiefeln. Was mich jedoch am meisten beeindruckte war der lange Bogen aus dunklem Holz, der über ihrer Schulter hing. Sie wirkte auf mich wie eine unbesiegbare Kriegerin. Schön und stolz – und stark.
 

„Ich werde heute noch hier bleiben, dann muss ich für eine Woche noch einmal nach Fulya.“, hörte ich sie sagen, während ich sie weiter betrachtete. „Solange wirst du dich wohl noch ausruhen müssen. Wenn ich wieder da bin, wird es dir sicher besser gehen.“ Sie drehte sich um und kam wieder auf mich zu. Ich nickte versonnen und nun fiel mir auf, dass sie Schmuck trug. Seltsam. Dabei war sie doch ohne Schmuck schon so schön. Kleine Grüne Ohrringe steckten in ihren Ohrläppchen. Sie blinkten und blitzten, wenn sie ihren Kopf ins Licht der Sonne drehte. Ich konnte sie sehen, weil sie eine ihrer blonden Strähnen mit einer leichten, fast unauffälligen Bewegung hinter ihr Ohr geschoben hatte. Die Strähne blieb hängen, obwohl ihr Haar doch so seidig wirkte.
 

Ich bemerkte erst, dass sie mir etwas in den Mund geschoben hatte, als ich einen widerlichen Geschmack auf meiner Zunge spürte. Hustend versuchte ich es auszuspucken, doch sie hielt mir lachend den Mund zu.
 

„Das ist eine Medizin aus Fulya, Nao!“, erklärte sie immer noch lachend, „Du musst sie runterschlucken, damit du gesund wirst! Na los, hab dich nicht so.“ Ich schluckte sofort, denn ich wollte mich vor ihr nicht zum Narren machen. Das kleine runde Ding wanderte meinen Hals hinunter und verschwand Augenblicke später aus meinem Bewusstsein. Irgendwie verschwand Augenblicke später alles aus meinem Bewusstsein. Liviel die vor mir saß. Die Decke, die auf meinem Bauch lag. Die Wand. Das Fenster. Leise und von weit her vernahm ich eine Stimme, die beruhigende Worte sprach.
 

„Schlaf weiter, Nao. Schlaf weiter.“
 

Ein paar Tage später konnte ich wieder aufstehen. Neugierig erkundigte ich Dalyas kleines Haus. Ich hatte im Wohnzimmer geschlafen, war also die ganze Zeit bei allem dabei gewesen. Beim Kochen hatte Dalya mir ein wenig von sich erzählt. Wie sie das Haus gebaut hatte, wie lange sie hier schon lebte und wie lange Liviel schon in Fulya ihre Ausbildung machte. Gespannt hatte ich ihr von meinem Bett aus gelauscht. Nicht selten war ich dabei auch einfach einmal eingeschlafen, was ich ziemlich unhöflich von mir fand. Doch was sollte ich tun? Nachdem Liviel mir diese seltsame Medizin gegeben hatte, war ich noch müder gewesen und hatte meine Augen kaum offen halten können, nachdem ich einen Tag später wieder aufgewacht war. Dalya hatte immer an meinem Bett gesessen und eine Schüssel Suppe für mich bereit gemacht. Ich war ihr wirklich sehr dankbar. Das einzige was mich störte war, dass Dalya mir verbot, nach draußen zu gehen. Sie meinte, es sei einfach zu gefährlich. Die Jäger könnten noch nach mir suchen. Doch wann immer ich sie dann fragte, was diese Jäger nun eigentlich von mir wollten, stellte sie sich taub.
 

Eines Abends, als ich wieder im Bett lag, an das ich mich schon gewöhnt hatte war ich allein. Dalya war fort gegangen, ich wusste nicht wohin. Zu Mittag hatte ich mich hingelegt und war eingeschlafen. Vier Tage nachdem Liviel mir die Medizin gegeben hatte, wirkte sie immer noch. Als ich wieder aufgewacht war, fand ich Dalya im Haus nicht. Ich wagte nicht, gegen ihr Verbot zu verstoßen und nach draußen zu gehen, also legte ich mich wieder hin. Die ganze Zeit trug ich dieses weiße lange Leinenhemd mit einer dreiviertel langen, weißen Hose darunter. Dalya hatte meine anderen Sachen waschen wollen, also musste ich etwas von ihr anziehen. Es war mir natürlich etwas zu groß. Gelangweilt nestelte ich an dem Hemd herum, als ich plötzlich ein Geräusch vernahm. Ich erstarrte. Es klang als würde jemand an der Haustür kratzen. Es konnten nicht Dalya und Liviel sein, die hatten beiden einen Schlüssel. Langsam ließ ich mich vom Bett hinunter auf den Fußboden gleiten. Dann rutschte ich unter das Bett. Ich passte gerade so hindurch und das weiße Laken versperrte die Sicht zur Tür. Vorsichtig hob ich es ein kleines Stück an und spähte auf den Flur, den ich von meinem Bett sehen konnte.
 

Im Rahmen der Tür stand ein großer Schatten. Langsam kam er ins Zimmer und bewegte sich erst in die Küche, dann kam er, zu meinem Entsetzten gemächlich auf mein Bett zu. Voller Angst hielt ich den Atem an. Direkt vor meiner Nasenspitze konnte ich die Spitzen abgetragener Lederschuhe erkennen. Die Person wühlte im Bett herum und stieß laut klimpernd die Tonschale mit der Suppe vom Nachtschrank. Klirrend prallte sie irgendwo über meinem Kopf auf den Boden. Ich schloss die Augen. Was ein Fehler war, denn sofort spürte ich, wie mich die Müdigkeit übermannte. Entschlossen riss ich die Augen wieder auf und kniff mich in den Arm, um nicht einzuschlafen. Die Person über mir trat ein paar Schritte vom Bett weg und schien sich umzusehen. Erleichtert glaubte ich schon, sie habe aufgegeben, als sich die Schuhe wieder näherten und eine behandschuhte Hand unter das Bett griff und mein Fußgelenk zu fassen bekam. Erschrocken wehrte ich mich und wollte nach der Hand treten, was unter dem Bett sehr schwierig war. Mit einem dumpfen Geräusch knallte mein Kopf gegen das Holz über mir. Ich zischte und versuchte wild meinen Fuß zurück zu ziehen. Doch die Person bekam nach einigen Tritten auch mein anderes Gelenk zu fassen und zog mich unter dem Bett hervor. Im Licht der Dämmerung konnte ich erkennen, dass es einer von ihnen war. Der Bärtige mit den Handschuhen und dem langen Dolch. Ja, ich hatte ihn noch gut in Erinnerung. Verzweifelt trat und strampelte ich und zerrte an seinen Händen, um freizukommen. Ich kratzte, biss und spuckte ihm ins Gesicht, doch sein eiserner Griff hielt mich fest. Er versuchte irgendwie meine beiden Füße in eine Hand zu bekommen um an eine dünne Kordel zu kommen, die an seinem Gürtel befestigt war. Das war meine Chance. Ich zog den Fuß, den er nicht so sicher hielt nach hinten, während ich mit dem anderen nach vorne trat, genau in seinen Bauch. Der Bärtige stöhnte und ging kurz in die Knie, worauf ich mich aufrichtete und versuchte zu fliehen. Doch so schnell, wie er zusammen gesunken war, so schnell erhob sich mein Gegner auch wieder und sprang mir hinterher. Ich war in die Küche geflüchtet und hatte nach dem langen Messer gegriffen, welches Dalya benutzt hatte um die Möhren zu schneiden. Drohend hielt ich es vor mich und fixierte den Mann im immer schwächer werdenden Licht. Dieser zog ebenfalls seinen Dolch und kam zwei weitere Schritte auf mich zu. Ich hatte keine Ahnung vom Kämpfen und wartete keuchend auf seinen Angriff. Und er kam. Blitzschnell hatte er an meinem Messer vorbei in meine Schulter gestochen. Ich reagierte zu spät und warf das Messer voller Wucht auf meinen Angreifer. Es ritzte ihm nur ein wenig seine Lederweste auf, dann viel es nutzlos zu Boden.
 

Ich wich keuchend an die Küchenwand zurück und glaubte schon, nun sei alles vorbei, als ein greller Lichtblitz durch die Küche stob und der Mann getroffen zu Boden ging. Im nächsten Moment erschien Dalya mit ernster Miene hinter dem Zusammengesunkenen. Sie murmelte rasch und schnell Wörter die ich nicht verstand, dann sah ich, wie der Mann sich um sich selbst drehte und plötzlich verschwand. Was blieb war das Messer, welches ich nach ihm geworfen hatte.
 

Dalya und ich sahen uns lange an. Irgendwann wandte sie sich ab und ließ mich in der Küche stehen. Das Blut befleckte mein weißes Hemd und ließ mich wahrscheinlich wie ein Gespenst aussehen. Kurze Zeit später war Dalya wieder da. Sie nahm meine Hand und führte mich zum Bett. Dann half sie mir, das Hemd auszuziehen und verband meine Wunde. Erleichtert und völlig erschöpft ließ ich mich aufs Bett sinken. Dalya verschwand wieder kurz und kam dann mit einem neuen Hemd zurück. Während ich es anzog, hob sie die Tonschüssel vom Boden auf und brachte sie in die Küche. Als sie wiederkam, saß ich aufrecht im Bett und sah sie wieder lange an. Langsam ließ sie sich auf den Stuhl neben mir nieder und holte tief und lange Luft.
 

„Ich denke, du hast ein Recht zu erfahren, was dieser Mann von dir wollte.“, seufzte sie und ich wartete geduldig.



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Kommentare zu dieser Fanfic (2)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Yuri-Li-Tsai
2008-12-20T12:09:10+00:00 20.12.2008 13:09
:D
gefällt mir ^^
freu mich auf die nächsten Kapitel ^^
Von:  Yuri-Li-Tsai
2008-12-20T12:00:00+00:00 20.12.2008 13:00
wah! Du hast uns eine Geschichte geschrieben und ich hab das noch nicht mitbekommen >.<
Muss ich ja gleich sofort durch lesen :D

lg
Yuri


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