You And Me And My Cigarette von xAmyx ================================================================================ Kapitel 2: Cigarettes. & Mistakes. ---------------------------------- Cigarettes and Mistakes <'3 Kiss, Kiss, Bang, Bang Ein Fehler ist eine Abweichung von einem optimalen oder normierten Zustand oder Verfahren in einem bezüglich seiner Funktionen determinierten System. Es war schön mal wieder mit dem Bassisten zu reden, viel zu selten hatten wir Zeit dazu und auch wenn ich, wie ich zugeben musste, ein klein wenig mehr als Freundschaft für ihn empfand, war er immer noch einer meiner besten Freunde, mit denen ich einfach ausgelassen über das reden konnte, was mich gerade beschäftigte. Als sich eine kleine Pause in unserer Unterhaltung ergab, sprach ich endlich das aus, was mich schon die ganze Zeit wunderte. “Warum rauchst du eigentlich gerade nicht Reita und sonst machst du das immer am laufenden Band?!” Überrascht sah er mich wieder einmal mit seinen wunderschönen dunklen Augen an. “Ich,... naja ich wollte versuchen aufzuhören, nur wie weiß ich noch nicht so genau, deswegen dachte ich, ich lasse meine Zigaretten vorsichtshalber einfach mal in meinem Zimmer, wenn ich zu dir gehe.” versuchte er zu erklären. “Du willst wirklich aufhören?!” Er nickte. Höchste Zeit mal wieder meine psychologischen (nicht vorhandenen) Kenntnisse auszupacken. “Mhm, dann musst du erst einmal herausfinden, ob es einen Grund dafür gibt, dass du rauchst, oder hast du aus jugendlichen Leichtsinn oder wie du es auch immer nennen willst einfach mal angefangen?!” “Mhm... nein, da ist schon ein Grund!” “Und kannst du diesen Grund vielleicht, sagen wir beseitigen?!” “Nein!” Irritiert sah ich ihn an. “Wie nein?! Warum?!” “Weißt du, also, naja, in gewisser Maßen bist …. Ja, du mit der Grund.” nuschelte er leise vor sich hin und starrte auf seine Füße, als würden sich darauf gerade Schlümpfe ansiedeln. “Ich?” fragte ich verwirrt nach, als hätte ich ihn nicht ganz verstanden. Er kniff die Augen zusammen, das konnte ich selbst sehen, wenn er mir eher seine Frisur ins Blickfeld schob, als sein Gesicht und hob den Kopf dann wieder leicht. Es war fast so, als könnte ich ihn überlegen sehen, doch dann kam er wohl zu einem plötzlichen Entschluss. Er hob leicht die Hand, legte sie auf meine Wange und trat einen Schritt näher. W-A-S sollte das bitte werden? Hilfe, mein Körper wollte nicht mehr wie ich wollte. Atmen! Er verringerte den Abstand zwischen uns weiter und, scheiße, wenn ich nicht wüsste, dass er hetero ist, also 100%ig hetero, würde ich fast sagen, er hat vor mich zu küssen. Kurz sah er mir noch einmal verunsichert in die Augen, bevor er seine schloss und seine Lippen wirklich auf meine legte. Meine Gedanken fuhren in diesem Augenblick garantiert Achterbahn. Was passierte hier eigentlich gerade? Mein klares Denken war absolut ausgeschaltet, ich konzentrierte mich komplett auf Reita, der seine Lippen immer noch ziemlich gefühlvoll gegen meine bewegte… und ich? Ich konnte mein Glück noch kaum fassen und rührte mich kein Stück. Reita schien genau das eben auch aufzufallen und brachte ruckartig und ziemlich schnell viel Abstand zwischen uns Beide. Geschockt sah er mich mit großen Augen an und stammelte “Sorry Ruki, das… scheiße, das… ich muss ...weg!” Darauf folgten hektische Schritte durch mein Zimmer und das laute Knallen meiner Zimmertür. R-E-I-T-A hatte M-I-C-H geküsst!!! Aber leider hat er meine Reaktion, oder sagen wir meine nicht vorhandene Reaktion völlig falsch aufgefasst. “Shit” fluchte ich leise. Da war sie gewesen, meine Chance und ich lasse sie einfach so an mir vorbeiziehen! Das ist, als wenn Uruha es vermasseln würde seine Lieblingssendung im TV zu gucken. (und in diesem Fall durften wir uns immer ein Theater antun, als hätte man gerade die Todesstrafe über ihn gesprochen!) Ich seufzte noch einmal und ließ mich starr auf mein Bett fallen. Reita hatte wirklich… warum? Wenn ich nicht genau wüsste, das der Blonde gerade auf stur schalten würde, würde ich jetzt vor seiner Tür stehen, würde ich hingehen und versuchen diesen naja, einseitigen Kuss zu klären. Konnte es denn sein, das er mich vielleicht auch toller fand, als er immer zugegeben hatte? Mist, ich würde die ganze Nacht nicht schlafen können, ich wollte das jetzt einfach geklärt haben! Nach einer weiteren halben Stunde Grübeln kam ich zum 1000 Mal zu dem Entschluss, dass es nichts bringen würde Reita heute noch einen Besuch abzustatten, also besuchte ich doch lieber wen sinnvolleres. Mein Bad. Dort polierte ich dann exakt 2 Minuten meine Zähne auf Hochglanz und starrte verträumt in den Spiegel. Ich sollte langsam ins Bett gehen. Vielleicht konnte ich dann mal ein bisschen abschalten. Außerdem war morgen unser Konzert hier und das wollte ich nicht so verschlafen führen, schließlich war es das Einzige, was wir hier geben würden. Vorerst zumindest. Ich war schon sehr gespannt auf die Reaktion unserer Fans hier, ich hatte schon viel von den kreischenden, ausflippenden, in Tränen ausbrechenden deutschen Cosplayern gehört, aber ich war fest davon überzeugt das es andere Fans gab, auch hier! ~*~ Es war bereits 2 Uhr morgen. Seit 3 Stunden lag ich mit offenen Augen im Bett und studierte, wie viele Fliegenkadaver an einer weißen Hoteldecke kleben konnten und das waren schon eine Menge! Leicht von Ekel befallen und nicht scharf auf Lippenherpes, ließ ich mich vom Bett rollen. In jeden anderen Moment wäre ich jetzt zu Reita gegangen, aber ich glaube kaum, das der mich heute Nacht vor der Tür stehen haben wollte. Also musste ich meinem besten Freund aus Kindertagen (auch wenn viele dachten, das wir keine Freunde von klein auf sein konnten, aber vor allem, das er gar nicht aus den “Kindertagen“ rausgewachsen war) wieder einmal besuchen. Leise tappte ich hinaus auf den Hotelflur, der mir mit seiner Beleuchtung und Länge so kalt erschien, da konnten selbst die in warmen Farben gehaltenen Bilder nichts mehr dran ändern. Einen Flur weiter unten, klopfte ich dann zaghaft an eine Tür. “Bobo?” nuschelte die verschlafene Stimme von Uruha, als er mich vor seiner Tür sah. Er hatte sein Nashorn unter den Arm geklemmt und sein himmelblauer Schlafanzug stellte einen besonders frischen Kontrast dar. “Nenn mich bitte nicht so!” quengelte ich leicht rum. “Ich hab dich schon immer so genannt, also werde ich jetzt auch nicht mehr damit aufhören, du bist eben mein Bobo!” Ich seufzte ergeben. “Kann ich vielleicht reinkommen Dada?” Dada war früher meine Rache für sein Bobo (wobei ich bis heute nicht verstand, wie er darauf gekommen war) gewesen und irgendwie hingen wir beide ziemlich dran, aber eben nur wenn wir alleine waren! Er nickte und trat einen Schritt zur Seite. Nachts war Uruha etwas weniger hyperaktiv und seine verspielte Art und Weise legte sich meist vor dem Schlafen. Ich hatte ja meine Theorien, das das Alles eh nur mit dem Kaffee zusammenhing, den er morgens und bei Gelegenheit trank, wobei die Coffein-Wirkung später am Abend dann wieder nachließ, aber irgendwie stimmte das alles doch nicht ganz so überein. Es war halt einfach Uruhas Wesen so zu sein. “Was ist denn los?” fragte er mich und zog mich zu seinem Bett. Ich zuckte die Schultern. “Ich weiß nicht, ich kann nicht schlafen.” Er nickte verständnisvoll und machte es sich wieder unter der Decke bequem, die er gleich einladend anhob und ich seine Einladung dankend annahm. “So Bobo und jetzt erzähl mir, was wirklich los ist!” meinte Uruha gähnend. Er war einfach der Beste. Ihn kannte ich von den anderen Vieren auch schon am längsten und er hatte mich früher schon immer verstanden, nur von Reita wusste selbst er noch nichts. “Aber du scheinst ziemlich müde, wann anders. Ich… lass mich einfach bei dir schlafen, okay?!” bettelte ich ihn mit meinem besten Hundeblick an. Er schaute mich durchdringend an, schätzte wahrscheinlich gerade seine Möglichkeiten ab, heute noch etwas aus mir herauszubekommen und nickte. “Okay.” Ich kuschelte mich näher an ihn, drückte mein Gesicht an seine Brust, sog den bekannten Duft meines besten Freundes ein und legte meine Arme um ihn. Auch er umarmte mich, wuschelte mir leicht durch die Haare, was wirklich nur er durfte, und wünschte mir nur noch müde eine gute Nacht. “Gute Nacht Dada.” gähnte auch ich noch zurück, konnte meine Sorgen für den Moment einfach vergessen und schlief in Uruhas Armen ein. Sein Nashorn musste die Nacht übrigens unbeachtet auf dem Fußboden vor dem Bett verbringen… ich war halt doch das bessere Kuscheltier! ~*~ Am nächsten Morgen wurde ich von Kaffeeduft geweckt. Uruha hatte wohl Frühstück auf sein Zimmer bestellt, denn er hielt mir eine dampfende Tasse des schwarzen Lebensgeistererwecker unter die Nase. “Guten Morgen Bobo! Wir müssen uns beeilen, in 3 Stunden geht es schon los und ich kenne dich und deine Badezimmerzeiten ja!” Nur noch 3 Stunden?! Mit einem Schlag war ich hellwach und riss Uruha die Tasse förmlich aus der Hand. “Danke, du bist mein Lebensretter!” rief ich und schüttete dabei ausersehen Kaffee auf meine Hose. “Mist!” fluchte ich lautstark und strampelte die Hose von meinen Beinen, da die Kaffeeüberschütteten Flecken ziemlich heiß geworden waren. “Um halb 2 ist Abfahrt!” rief Uruha mir noch hinterher, als ich mit meiner Hose unter dem Arm, nur in Boxershorts und Shirt auf seine Zimmertür zustolperte. “Hier, nimm noch was zum essen mit!” Ich stand schon mitten in der geöffneten Tür und präsentierte den anderen Hotelgästen, sofern sie gerade auf dem Flur unterwegs waren, mein Hinterteil. Uruha kam auf mich zugehetzt und drückte mir ein belegtes Brötchen in die Hand. “Danke Dada!” eine schnelle Umarmung und ein freundschaftlicher Kuss auf die Wange folgten, bevor ich mich umdrehte und aus dem Zimmer hetzt, dessen Tür Uruha gerade mit voller Wucht zuknallte, und schon traf mich der nächste Schlag. Reita stand mit ungläubigen, großen Augen und Zigarette etwa 3 Meter von mir entfernt. Scheiße! Ich, halbnackt, mit meiner Hose unter dem Arm, total übermüdet aussehend, Uruha zum Abschied auf die Wange küssend, Kosenamen…. W.I.E um Himmelswillen musste das auf Reita wirken? Er schüttelte unglaubend den Kopf und sah mich weiter an. “Ich….” setzte ich an, streckte meine Hand nach ihm aus, doch er schüttelte nur noch einmal, energischer mit dem Kopf und rannte in die andere Richtung davon, aber darum musste ich mich später kümmern, schließlich hatte ich noch eine andere, für das Konzert heute Abend wichtigere Herausforderung zu meistern! Ladies and Gents, das BAD! Aber, verdammt… eigentlich war Reita viel wichtiger, nur wo zum Teufel war er hin? Bad oder Reita? Bad oder Reita? Bad oder Reita? Bad oder Reita? Bad oder Reita? Bad oder Reita? Bad oder Reita? Bad oder Reita? Bad oder Reita? Bad oder Reita? Ich wurde langsam echt blöd! Mein Verstand sagte eindeutig -wenn du heute Abend nicht aussehen willst, wie ein Komposthaufen- BAD! Aber irgendetwas anderes sagte mir, das ich Reita suchen sollte, die ganze Sache mit ihm klären sollte. (Wie oft hatte ich das in den letzten 12 Stunden eigentlich gedacht?) Dann könnte ich ihm vielleicht schon heute Abend meinen Stempel aufdrücken, ihn in meinen Armen halten, ihn küssen, ihm sagen, wie viel er mir bedeutet…. halt all das, von dem ich schon so lange träumte. Eigentlich war meine Entscheidung klar. Ich nahm das Bad! Schließlich würde ich als wandelnder Komposthaufen meine eh schon schwindend geringen Chancen bei Reita nicht gerade verbessern, in jedem anderen Fall, selbst wenn gerade Ausverkauf in meinem absoluten Lieblingsladen wäre, würde ich natürlich meinen Bassisten suchen. ~ Schnapsleiche. Das war das erste Wort, das durch mein übermüdetes und dadurch nur vermindert funktionsfähiges Gehirn zischte, als ich in den Spiegel sah. An Reitas Stelle wäre ich auch weggelaufen, bedachte ich mein Aussehen mit ein wenig trockenem Humor und stellte die Dusche an. 2 ½ Stunden später verließ ich das kleine ungemütliche Hotelbad, nach ein paar Meinungsverschiedenheiten mit der Wassertemperatur, so ziemlich unbeschadet, dafür aber gestylt wieder. In einer halben Stunde schon würde es zu der Halle gehen, in dem dieses komische J-blaa-Festival heute Abend stattfand. Ich hatte ja noch nicht einmal Zeit gehabt mich zu erkundigen, wer noch so da sein würde, also hieß es, sich überraschen lassen! Wahllos stopfte ich noch ein paar Sachen in eine Tasche, um mich nachher vielleicht noch einmal umzuziehen und stand dann zum ersten Mal in meinem Leben überpünktlich im Eingangsbereich des Hotels. Mir kam es vor wie eine Ewigkeit, die ich alleine auf einem der gemütlichen Sofas in der Lobby saß und auf die Anderen wartete, die nur spärlich eintrudelten. Nie wieder pünktlich, das schwor ich mir gerade. “Okay, dann sind wir ja jetzt komplett!” meinte Kai. Ich sah mich um… ähm… “Fehlt Reita nicht noch?!” sprach Aoi das aus, was ich dachte. “Der ist schon in der Halle, er meinte er wollte sich noch ein wenig umsehen vorher…. Versteh ich auch nicht so ganz, schließlich fängt das ganze doch erst heute Abend um 9 an, aber er wollte unbedingt.” Ich hatte es vermasselt, aber richtig! Reita würde kein Wort mehr mit mir wechseln, bis in die Unendlichkeit, geschweige denn Lust haben das von gestern Abend noch einmal zu wiederholen…. mit ein wenig mehr Einsatz meinerseits. Niedergeschlagen machte ich mich auf, den Anderen zu folgen, dabei bemerkte ich die Blicke nicht, die Uruha mir zu warf. Zwei Autos waren bereits vorgefahren und nach vielem Hin und Her stiegen Kai und Aoi in das Erste und Uruha und ich in das Zweite. Gerade noch hatte mein Freund seinen kindlichen Charme, dem man einfach nichts ausschlagen konnte, egal ob es um die Weltherrschaft oder Süßigkeiten ging, spielen lassen, doch jetzt wirkte er wieder ernster. Vor Konzerten konnte er sich immer einigermaßen berappeln, schließlich konnte er auf der Bühne alle überschüssige Energie rauslassen, aber Uruha war eben Uruha, ohne sein Kleinkindniveau, aber auch ohne seine ernste Seite war er einfach nicht er. “Ruki?!” ich sah auf, zum Zeichen, das ich ihn gehört hatte. “Was war jetzt, oder sagen wir, was ist eigentlich los?” Ich seufzte und wog lange ab, ob ich ihm erzählen sollte, was mir gerade so viele Gedanken, in meinem mittlerweile breiigen Gehirn, bereitete. Er blieb während dieser Zeit still und sah mich geduldig an. Genau zu diesem Zeitpunkt wusste ich, Uruha würde warten, bis ich antwortete, egal wie lange es dauern würde und egal, ob sich Hello Kitty gerade mit der Diddl-Maus vor seinem Fenster traf. “Naja, ich… okay, ich bin verliebt.” Er quietschte kurz leise, aber vernehmlich, und hatte seinen “Ich bekomme einen Lolli”-Blick auf. “Das ist doch süß Bobo, in we~n?” trällerte er förmlich durch das Auto. Ich seufzte noch einmal und schloss die Augen. Mein Kopf fing langsam an zu randalieren und bereitete mir pochende Kopfschmerzen. “Ich weiß nicht ob du das wissen willst” flüsterte ich fast frustriert. “Hey Ruki, Liebe ist doch was Tolles und nun komm schon, ich bin neugierig wie ein Igel!” “Wie eine Katze Da´, wie eine K-A-T-Z-E” “Ach ja, stimmt… aber ist ja egal. Jetzt sag schon!” “Aber… es ist ..falsch, verstehst du? Das… geht einfach nicht.” Mein Tonfall nahm schon fast die Jammer-Schiene an. Uruha rutschte näher an mich ran und legte einen Arm um meine Schultern. “Jetzt hör mir mal gut zu mein Kleiner… Liebe ist niemals falsch! Hörst du, NIEMALS! Du solltest das nicht einmal denken!” Und in diesem Moment wirkte Uruha so erwachsen, wie schon lange nicht mehr erlebt hatte. Ich nickte leicht und wischte mir energisch eine kleine Träne aus dem Auge. Mein Gott, wie armselig, jetzt verarschten mich meine eigenen Augen schon. Verräterische Mistdinger Mein bester Freund zog mich noch fester in seine Arme. Und dann erzählte ich ihm einfach alles, von vorne bis hinten, von oben nach unten und rückwärts und irgendwie tat es einfach gut mit jemanden über das Ganze zu reden. Die weitere Fahrt zur Halle verlief eher schweigend. Uruha hatte die Sache ziemlich gut aufgenommen, irgendwie hatte er einen ziemlich wissenden Ausdruck in den Augen, der mir schon fast Angst machte. War das alles denn so auffällig? Ich starrte einfach weiter vorbei an Uruha aus dem Fenster. Schon nach kurzer Zeit erstreckte sich vor uns ein riesiger Gebäudekomplex, der nicht gerade einladend aussah. Hätte ich nicht gewusst, dass hier Konzerte stattfanden, hätte ich es glatt als Gefängnis eingestuft. Dieser Eindruck verstärkte sich nur, als wir durch ein hohes Eisentor fuhren, das den Eingang nur für die Bands und Crew freigab. Aoi und Kai wurden bereits in das Gebäude begleitet, als wir gerade ausstiegen. Von weiter her hörte man schon, wie eine große Menschenmasse sich auf der anderen Seite des Gebäudes befinden musste. Ich wollte gar nicht wissen, wie lange die Fans teilweise schon dort standen, schließlich fing das eigentlich Konzert erst in 9 Stunden an, und irgendwie war es heute auch noch besonders kalt. Sie taten mir schon irgendwie Leid, aber jetzt zu ihnen hinzugehen und einige von ihnen mit Fotos oder Autogrammen glücklichen machen, wäre reiner Selbstmord! Nun wurden auch Uruha und ich durch die langen, verwinkelten, gleichaussehenden und vor allem verwirrenden Gänge geleitet, damit wir unseren Backstageraum fanden. Der entpuppte sich dann als kleine weiße, fensterlose Kammer mit einem Sofa und 2 Klappstühlen. In einer Ecke konnte ich noch einen klapprigen Campingtisch mit Wasserflaschen und etwas undefinierbaren zum Essen ausmachen. Jetzt wusste ich wieder, warum auf Katzenfutter auch “Schlemmer-Menü” stand, damit man es uns auch noch hinstellen konnte. Na wunderbar. Willkommen in den Fängen der puren Langeweile. Wenigstens Uruha hatte daran gedacht und packte, jetzt seinen Nintendo DS aus. Mit dem kleinen weißen Gerät in der Hand ließ er sich auf das Sofa fallen und kümmerte sich um sein virtuelles Haustier. “Ich geh mich mal ein wenig umgucken, mal sehen wer sonst noch so da ist!” meinte ich und die anderen Drei nickten nur. Also trat ich sozusagen die Flucht rückwärts an, da ich Angst hatte, bei einer Drehung in dem kleinen Raum einen der Anderen zu schlagen, und fand mich schon bald auf dem Flur wieder. Rechts. Weiß. Links. Weiß. Was eine Auswahl. Ich spielte schnell mit mir selbst Schere, Stein, Papier und links gewann. Okay, links gewann, weil ich das Schild, das direkt vor meiner Nase hing gerade gesehen hatte. In großen Buchstaben verkündete es “BÜHNE” und ein Pfeil zeigte nach links. Also, wenn sich hier keiner einen Scherz erlaubte, und das kannte man von solchen Veranstaltungen nur zu gut (“Wo ist denn hier die Toilette?” “Immer gerade aus” und am Schluss hatte man sich selbst beim “immer gerade aus” verlaufen!), dann müsste ich links von mir irgendwann über die Bühne stolpern. Oder sagen wir von ihr runterstürzen Das hatte man davon. Wieder einmal eines dieser unsinnigen Schilder, die ins Nichts führten. Zwar hatte ich schon ein paar mir mehr oder weniger bekannte Personen getroffen, die heute Abend auch auftreten würden und eine Weile mit ihnen belanglose Gespräche geführt, aber sonst lief ich immer noch linksgehalten die monotonen Gänge entlang. Von Reita auch noch keine Spur. Irgendwo musste der Kerl doch sein, schließlich konnte er nicht den ganzen Tag schon auf der Bühne sitzen, oder sich im Klo verbarrikadieren oder sich mit irgendwelchen Leuten hier unterhalten, oder den Tontechnikern auf die Nerven gehen, oder sich von der Make-up-Frau verunstalten lassen . (Reita war von Natur aus schön, der brauchte kein Make-up.) ♠ ♣ ♠ ♣ Wir schreiben das Jahr 2008, der Wald wird nicht ungefährlicher, Stöcke™ auf dem Boden bereiten dir hinterhältige Stolperfallen, Killertannenzapfen, die nach deinem Leben trachten, fallen von den Ästen, unberücksichtigt, ob du darunter stehst und… Ich sollte aufhören mir so einen Schwachsinn auszudenken, nur weil ich jetzt schon eine gefühlte Ewigkeit niemandem mehr über den Weg gelaufen bin. Vielleicht sollte ich es mal mit Hilfe-Schreien versuchen? Aber bei meinem Glück in letzter Zeit würde auch das nicht mehr viel bringen. Ich könnte jetzt eine Demonstration starten, mit Schildern und “Affen sind auch nur Menschen”-Rufe, aber ich glaube kaum, dass das hier wen interessieren würde. Ich sollte die Idee mit der “Ein-Herz-für-Ruki”-Gruppe noch einmal aufgreifen, ich denke irgendwer ließe sich schon finden, der mir den ganzen Tag aus der Patsche half. Ich würde denjenigen sogar dafür bezahlen! Ich war halt verzweifelt! Und dann, völlig unerwartet, stand ich mitten auf einer Lichtung nein, nicht mitten im Wald, sondern mitten in einem großen Raum mit vielen Menschen. Was war denn hier los? Das war garantiert nicht die Bühne. Ich wusste doch dass diese Schilder mich bescheißen, beim nächsten Mal sollte ich sie ignorieren. Hier waren noch mehr Mitglieder verschiedener Bands, die sich gerade untereinander oder mit irgendwelchen Backstagearbeitern unterhielten. AnCafe waren ja auch hier… die und Uruha, das würde ja der reinste Kindergeburtstag werden. An der Wand mir gegenüber musste etwas besonders Aufmerksamkeitserregendes sein, denn dort versammelte sich eine ganze Menschentraube. Ich, Mr. Neugier himself, reihte mich natürlich auch gleich in die tuschelnde Schlange ein und wartete, bis ich vorne stand. Als das “etwas” dann endlich in meine Sichtweite kam, stellte ich enttäuscht fest, dass es eigentlich nur der Zeitplan war, und laut diesem wären wir heute Abend als dritte von fünf Bands dran und unser Soundcheck wäre genau in… 3 Minuten!!! Shit, ich musste zur Bühne und konnte erstens nur hoffen, dass ich den Weg fand und zweitens, das die Anderen von irgendjemanden Bescheid bekommen würden. Ohne Plan und ohne auf Schilder zu achten stolpere ich also los, schnell noch eine sehr beschäftigt aussehende Frau angequatscht in welche Richtung es zur Bühne geht, nicht das ich mich nachher bei den Fans, die dagegen sicher nichts einzuwenden hätten, wiederfinde. Und, oh Wunder, ich werde den Gang, den ich hergekommen bin wieder zurückgeschickt. Nein, diese Logik wollte ich nicht verstehen, konnte ich nur hoffen nicht in diesem Labyrinth zu verhungern, wenn ich den Weg nicht fand. Als ich das nächste Schild an einer Wand, vor die ich fast gelaufen wäre, hängen sah, suchten meine Augen hektisch das Wort Bühne in der Liste. Da, eindeutig B-ü-h-n-e und der Pfeil zeigte nach rechts. Also entweder ich würde mich für den Pfeil entscheiden und somit nach der Meinung der Veranstalter zur Bühne kommen, oder ich würde mich für mein Gefühl entscheiden und somit nach meiner Meinung zur Bühne kommen. Ich vertraute mir ja eigentlich nicht, aber da ich genau wusste, das ich, wenn ich nach rechts gehen würde auf jeden Fall wieder an unserer “Kabine” ankam, da ließ ich doch lieber meinem Bauchgefühl Oberhand. Und siehe da, die Bühne kam in Sichtweite, oder sagen wir zumindest einige Techniker, die mir an den Arm grapschten und mich direkt auf die Bühne schubsten. Dort lief ich dann, geblendet von einem großen Scheinwerfer direkt mal in Aoi hinein. Seine Gitarre gab einen gequälten Laut von sich und Aoi dirigierte mich bis zum Mikofonständer. Na, wenigstens das hatte ich mit seiner Hilfe schon mal geschafft. Ich sah mich um. Hinter mir hinter seinem Drumset saß Kai, links neben mir stand wie immer Uruha und rechts Aoi und, wenn ich mich nicht täuschte, war das dahinten in der dunklen Ecke wirklich Reita, der heute durch Sonnenbrille und anstatt nur seinem Nasenband einem Tuch, sein Gesicht fast vollständig bedeckte. Und wieder hatte ich dieses schlechte Gefühl, das heute einfach nicht mein Tag war. Normalerweise würde Reita jetzt hier bei uns, bei mir stehen, aber heute hielt er so viel Abstand wie es ging zu mir. Irgendwie konnte ich ihn verstehen, aber hätte er mich nur einmal zu Wort kommen lassen, auch wenn ich bezweifle, dass ich die richtigen Worte gefunden hätte, dann sähe es zwischen uns jetzt vielleicht anders aus. Aber sich darüber den Kopf zu zerbrechen brachte einfach nichts, vor allem jetzt nicht, wo ich mich doch auf die Musik konzentrieren sollte um meinen Einsatz nicht zu verpassen. _____________________________________________________________________ Der Soundcheck war eine Katastrophe. Ein anderes Wort gab es für diese “Leistung” einfach nicht. Aoi, Kai und Uruha waren dieses Mal zwar gut dabei, aber Reita und ich umso mehr abwesend. Wenn er sich verspielte kam der Rest auch raus und wenn ich meinen Einsatz verpasste, musste Uruha mich wieder einmal anschubsen. Die Tontechniker schauten schon ziemlich genervt als wir nach einer Stunde, obwohl die ganze Aktion nur eine halbe dauern sollte, endlich von der Bühne verschwanden, aber mein Gott, dafür wurden die bezahlt! Also, nicht fürs genervt aussehen, sondern eher für das, was auch immer die da taten. Kai sah ziemlich sauer aus, als er hinter der Bühne auf mich wartete. “Ruki verdammt, dir ist schon klar, dass du dir das heute Abend nicht leisten darfst! Und du auch nicht Reita!” meckerte er zwischendrin in eine andere Richtung, bevor er sich sauer wieder zu unserer Umkleide führen ließ. Keiner der anderen war wirklich scharf darauf unserem Drummer zu folgen, also verschwanden sie alle in verschiedene Richtungen, bis auf Uruha. Dieser kam auf mich zu und zog mich am Arm in eine etwas abgelegene Ecke. Ich weiß ja, dass mein Arm toll ist, aber warum sie heute alle daran herumzerren mussten, verstand ich nicht so ganz,. Naja wenn wenigsten sie Spaß dran hatten! “Ruki, du musst mit ihm sprechen!” redete Uruha auf mich ein und sah mich eindringlich an. “Ja, ich weiß ja, ich versuch es auch, aber er geht mir aus dem Weg!” “Ouh Bo´, manchmal bist du echt komplizierter als ich! Natürlich geht er dir aus dem Weg, meinst du nicht, ihm ist das ganze vielleicht ein bisschen peinlich? Er hat Angst vor deiner Reaktion.” “Aber das muss er doch gar nicht!” Darauf hin musste Uruha anfangen zu Lachen. “Nein Ruki, eigentlich nicht, aber woher soll Reita das denn wissen?” und damit ließ er mich stehen. Ja, woher sollte Reita das eigentlich wissen? Und… wo zum Teufel steckte der jetzt schon wieder? Das konnte doch nicht wahr sein, er hatte doch keinen Harry Potter-Tarnumhang oder so was und ich war mir nicht mal sicher, ob er die Harry Potter Bücher überhaupt gelesen hatte. Entweder suchte ich ihn jetzt, oder ich suchte mir eine Beschäftigung, wie ich die Zeit bis um halb 11 totgeschlagen bekam und das waren immerhin noch ein paar Stunden. Das mit dem “andere Beschäftigung suchen” hatte natürlich besser geklappt als Reita zu finden und jetzt zählten wir, wie viele Gummibärchen wir in den offenen Mund unseres schlafenden Drummers werfen konnten, bis er aufwachte. Sehr interessant, vor allem weil Kai schon seit dem 23. Gummibärchen verdächtigt zuckte, aber jetzt, beim 34. immer noch nicht aufgewacht war und uns aus Gummibärchen drei gleichlange Stricke knotete, die wir zum Galgen tragen durften. Wie konnte er nur so viele Süßigkeiten auf einmal in seinen Mund schaufeln? Musste ich bei Gelegenheit auch einmal ausprobieren! “45!” quietschte Aoi begeistert und warf das nächste unschuldige Bärchen. Okay, kein unschuldiges Bärchen, eher ein schuldiges Bärchen, das nicht ganz traf, und Kai somit aufweckte. Buäh, ausgespuckte Gummibärchen waren nur halb so lustig, wie fliegende Gummibärchen. “Okay, ich geh mich umziehen.” verkündete ich, nachdem wir 1 ½ Stunden auf Anordnung von Kai mit den Händen im Schoß still sitzen mussten. Er meinte, das würde unsere Durchblutung fördern, doch irgendwie glaube ich ihm das nicht wirklich. Kai schickte mir noch einen tödlichen Blick, bevor er langsam nickte. “Aber beeil dich!” Ich wollte gerade vor ihm salutieren, als mit bewusst wurde, dass dies nicht gerade zu meiner Gesundheit beitragen würde, aber der hatte heute auch wieder einen Befehlston an sich. Seufzend schnappte ich meine Tasche und verzog mich in die miefigen noch kleineren, Umkleidekabinen. Schwarzes Shirt. Okay, und dazu? Klar, meine goldene Hose. Diese hatte ich heute Morgen natürlich geistesgegenwärtig in meine Tasche gepackt und zog sie jetzt hervor, wobei ich mir den Ellbogen schmerzhaft an der Wand, die im Weg war, stoß. Ich ließ meine gefaltete Hose auseinander fallen und sah… Löcher! Überall Löcher! Mist, Uruha hatte meine Hose doch zerschnitten! Was sollte ich denn bitte jetzt anziehen? Deutschland war nicht gut für meine Klamotten. Erst mussten meine Schuhe dran glauben und jetzt auch noch meine Hose. Naja, zog ich sie halt einfach mit den Löchern an… den Fans würde es auf jeden Fall gefallen. Als ich wieder zurück kam, schaute Kai mich entgeistert an. “Ruki, du hast da ein Loch direkt am A….” “Ich weiß Kai.” “Ruki, man sieht deine Boxe….” “Ich weiß Kai.” “Ruki, wir haben gleich einen Auftritt, in einer Halle, die mit guten 4000 Fans gefüllt ist!” “Ich weiß Kai!” knurrte ich angesäuert und ließ mich auf einen der Klappstuhle fallen. Fehler! Klappstühle mochten mich also auch nicht! Dachte ich, als ich meine Gliedmaßen wieder vom Boden aufsammelte. Was hatte ich Gott eigentlich getan, das es mich so hasste? Okay, ich glaubte nicht wirklich an es. Aber das war immerhin kein Grund mich mit so einem Leben zu strafen. Fand ich zumindest. “Willst du wirklich so da raus gehen? Die werden auf die Bühne klettern und dir die Fetzen vom Leib reißen!” gab auch Aoi zu bedenken und Kai nickte zustimmend. “Werden sie nicht, es sei denn selbst die Bodyguards in diesem Land versagen.” konterte ich, obwohl ich mir nicht ganz so sicher war, ob ich viel Hoffnung in diese riesigen Schränke setzten sollte. “Und wenn sie es nicht schaffen sollte einen Fan abzuhalten, kann ich immer noch weglaufen oder Uruha zieht der Göre mit seiner Gitarre eins über!” “Ruki!..” wollte Kai gerade ansetzten. “Ich weiß Kai!” Er sah zwar noch ziemlich sauer aus, sah aber dann ein, das es sowieso nichts bringen würde mit mir zu diskutieren und ließ mir meine goldene Fetzenhose. Zufrieden, zumindest für den Moment, ließ ich mich diesmal neben Uruha auf dem Sofa, was einen stabileren Eindruck als die Klappstühle machte, nieder. “Ich hab’ Hunger” quengelte mein Sitznachbar, nachdem ich gerade einmal 10 Minuten friedlich da saß. “Okay, dann lass uns was zu essen suchen, dass nicht aussieht wie Whiskas Schlemmer Menü!” meinte ich voller Tatendrang und sprang auf. Über einen langen Zeitraum eine weiße Wand anstarren und dabei still sein war noch nie meine Stärke gewesen, und niemand der hier Anwesenden sah aus, als wollte er einen gelangweilten Ruki beschäftigen. Als wir uns von Kai lösen konnten, standen wir wieder einmal in weißen Gängen. Aber dieses Mal war ich ja wenigstens nicht alleine. “Und, wo gehen wir lang Master Uruha?!” fragte ich und überlegte ob ich ihm aus Taschentüchern ein Zepter basteln sollte. “Immer der Nase nach!” meinte mein “Master” und lief fröhlich nach rechts. Wie konnte man nur so viel Glück haben? Schon nach 10 Minuten in dem Teufelslabyrinth fanden wir doch tatsächlich eine Tür mit der Aufschrift “Kantine”. Ich wunderte mich immer noch, wie Uruha das gemacht hatte und sah mir die großen Schüsseln, in denen - na was wohl- das gleiche Katzenfutter wie bei uns im Zimmer schwamm, an. Ich beschränkte mein Essen dann auf einen Apfel und wartete auf Uruha, der es sich traute etwas, das aussah wie grüner Schleim auf den Teller zu packen. Angeekelt drehte ich mich weg, als ich sah, das Uruha auch noch irgendetwas Gelbes auf seinen Teller platschen ließ und sah… Reita! Hier saß der also die ganze Zeit, in der Kantine, wahrscheinlich, weil er wusste, dass ich normalerweise den Weg hier hin gar nicht erst finde. Tja, so kann man sich täuschen. “Jetzt geh schon zu ihm!” forderte Uruha, der auf einmal hinter mir stand mich auf. Seinen Teller hatte er mit Hilfe von Petersilie und Zitronenstück, in ein grün-gelbes Ying-Yang-Zeichen verwandelt. Ich schauderte kurz, nachdem das grüne Zeug verdächtig nach Rosenkohl roch und sah noch einmal unsicher zu unserem Bassisten, der uns noch gar nicht bemerkt hatte, ging dann aber nachdem mir Uruha seinen Finger halb in den Rücken gepiekst hatte, doch ein paar vorsichtige Schritte auf ihn zu. Ich stand jetzt direkt gegenüber von ihm, doch bemerkt hatte er mich immer noch nicht. Was machte er da eigentlich? Irgendwie sah es aus, als würde er…. Zeichnen?! Seit wann zeichnete Reita bitte und das auch noch in einem Buch, das keineswegs neu aussah. Vielleicht sollte ich ihn danach bei Gelegenheit mal fragen, aber jetzt war es erst einmal wichtiger, dass ich andere Sachen über die Lippen brachte. “Hey” nuschelte ich leise, doch er schien es gehört zu haben, denn er sah mich überrascht, aber auch leicht geschockt und ängstlich an. “Ruki.” brachte er verwirrt über die Lippen, als müsste er sich klar machen, dass ich vor ihm stand. “Hast du vielleicht Eyeliner dabei? Meiner ist leer.” Ich feige Sau. Anstatt ihn zu fragen, ob wir kurz an einem anderen Ort reden konnten, fragte ich ihn nach S-c-h-m-i-n-k-e!! Als käme ich nicht auch so schon eitel genug rüber. Mental verpasste ich mir eine Ohrfeige, kämpfte den Drang mir vor die Stirn zu schlagen erfolgreich nieder und sah zu Reita, der mich kurz noch verwirrter wie vorher anstarrte und dann anfing in seinen Taschen zu wühlen. Wenig später hielt er mir den gewünschten Stift unter die Nase und sah mich erwartungsvoll an. Ich nahm den Eyeliner zögernd an mich, bedankte mich kurz und hetzte danach auf die Tür zu. “Du hast es vermasselt Ruki!” stellte Uruha nüchtern fest, als ich ihm draußen in die Arme lief. Er war kein bisschen Grün im Gesicht, also musste er das Essen ziemlich gut vertragen haben. “Danke Uruha, das hab ich selbst gemerkt.” zickte ich ihn leicht an, was mir sofort wieder Leid tat, immerhin konnte er nichts für meine Dummheit. Völlig in Gedanken merkte ich gar nicht, wie wir wieder bei den Anderen ankamen, wobei Kai gerade richtig entspannt wirkte, aber so sah er vor Konzerten immer aus, heimlich meditierte er bestimmt oder so einen Quatsch, Yoga vielleicht. Sollte ich bei Gelegenheit auch einmal ausprobieren, vielleicht half das ja was, dann brauchte ich diese Mitleidsorganisation gar nicht. Die Zeit bis zu unserem Auftritt verbrachte ich damit irgendwo in einer dunklen Ecke am äußersten Rand der Bühne zu stehen und den andere Bands zuzuschauen. Sie machten ihre Sache wirklich gut und teilweise mochte ich ihre Musik sogar, doch heute Abend hatte ich ein komisches Gefühl dabei auf die Bühne zu gehen. Irgendwie war die Stimmung in der Band gerade doch ein wenig gedrückt, vor allem, da niemand, bis auf mir und Uruha, Reitas Verhalten verstand. Aber das mussten wir jetzt durchziehen, schließlich konnten wir unseren Auftritt jetzt nicht mehr absagen und das auch noch ohne guten Grund. Seufzend stellte ich mich zu Kai, Uruha und Aoi, der einen letzten Schluck aus seiner Colaflasche nahm, bevor er gleich beim Auftritt nur noch dieses widerliche Wasser ohne Kohlensäure bekam und ich fand das schon eklig, ich wollte gar nicht wirklich wissen, was er darüber dachte, schließlich erinnerte ich mich noch zu genüge an den letzten Vortrag über abgestandene oder geschüttelte Cola. Kai bekam Sticks und die anderen beiden ihre Gitarren in die Hand gedrückt. Die hatten es aber auch immer leicht, ich musste das Mikro gleich erst einmal suchen, hoffen, dass ich nicht stolperte oder es verpasste und musste dann noch vorsichtig sein dem Teil nicht zu nah zu kommen, wer weiß, wer bei einem solchen Spektakel hier schon darein gesabbert hat! Angewidert schüttelte ich mich kurz und versuchte diese Tatsache aus meinen Gedanken zu verdrängen. Neben meinen wunderschön eingepackten Englischkenntnissen war sicher noch ein nettes Plätzchen. Gedanklich entrümpelnd, wurde ich von Uruha mit auf die Bühne gezogen. Und immer schön lächeln, auch wenn es noch Dunkel ist und der schwere dunkelblaue Vorhang noch direkt vor mir herweht, aber die erwischen einen immer auf dem falschen Fuß! Das Mikro fand ich wieder Erwarten sogar ziemlich schnell und auch Reita findet seinen Platz auf der Bühne, sogar ohne das Kai ihn herschleifen musste oder so. Vielleicht wird’s ja gar nicht so schlimm heute Abend. ~*~ Der Vorhang ging auf, nachdem der Moderator des Abends unnötig langgezogen unseren Bandnamen wie beim Boxen in die Menge rief. Das erste Lied verlief eigentlich ziemlich gut, auch, wenn ich mehr in Reitas Richtung als in die Richtung der Fans sah. Der Bassist wirkte irgendwie abwesend, aber unserem Publikum schien das nicht aufzufallen, denn sie riefen ihm andauernd etwas zu, was ich leider, oder vielleicht auch zum Glück nicht verstand. Das zweite Lied verlief dann schon nicht mehr so, wie gewollt. Reita war total in Gedanken und vermasselte den Anfang. Mit ein paar schnell zusammengereimten Wörtern auf Japanisch von mir (etwa: Gurke, Hut, Engel, Ei, Idiot, Gedanken, Salat, Wecken, Danke, Einkaufen, Chamäleon, Poster, Kuscheltier, Decke, Rosa, Dreißig, Tüte, Penner, Wiese), sahen die Fans aber davon ab und bejubelten meine Weisheit. Die Anderen unterdrückten ein Lachen mehr oder weniger erfolgreich (und wenn sie es doch taten, dann konnten die Fans immer noch darauf schließen, das sie mir in allem Gesagten zustimmten), bis auf Kai, der nicht wusste, ob er mir oder Reita einen Stick an den Kopf schmeißen sollte. Als Aoi das dritte Lied anstimmte, sah ich, wie Etwas direkt auf mich zuflog. Instinktiv duckte ich mich aus der Flugbahn, doch Kai hatte leider nicht so viele Fluchtmöglichkeiten, sodass er das kleine Kuscheltier (Mist, vielleicht hatte da doch wer mein Gelaber ernst genommen) direkt auf die Nase bekam. Ich konnte mich gerade beherrschen nicht laut loszulachen (wie er aussah, wenn ihm gerade etwas ins Gesicht geflogen war) , bevor er das kleine Etwas wieder nach vorne warf. Jetzt bemerkten auch die Anderen das plüschige Teil, bis auf Reita, der war leicht out of order, und Uruha bückte sich mit glitzernden Augen nach dem Monster. Aoi, der das abtauchen Uruhas natürlich nicht bemerkte, stolperte Rückwärts über eben diesen, und als wäre dies nicht genug auch noch mitten in die Fanmengen hinein, während seine Gitarre ein wirklich unschönes Geräusch von sich gab. Unser Gitarrist tauchte also unter und ich konnte nur noch hoffen, dass sie ihn in einem Stück und vor allem vollständig angezogen wieder daraus zerrten. Ich wusste doch, dass dieses Konzert nichts werden würde. Unser Drummer hing fast 5 Minuten später immer noch ziemlich belämmert über seinem Schlagzeug (das Plüschtier kam wohl doch nicht so gut, oder sie hatten Steine darin versteckt! Oder Drogen.), einer unserer Gitarristen war damit beschäftigt seinem neuen Freund einen Namen zu geben und der andere war kopfüber von der Bühne gestürzt, während Reita verträumt vor sich hinstarrte und irgendwie an seinem Bass rumzupfte, was die ganze Geräuschkulisse zum Überschäumen brachte. So hilflos wie jetzt hatte ich mich noch nie wirklich gefühlt und die Bodyguards taten gerade ihr übriges Aoi wieder aus dem Meer von Fans zu fischen, allerdings bis jetzt noch nicht sonderlich erfolgreich. Da ich wie ein Deko-Artikel einfach in der Gegend rumstand kam auch bald ein Backstagearbeiter oder so was und zerrte mich von der Bühne runter und Reita an der anderen Seite gleich hinterher. Langsam mussten die auch denken, ich konnte nicht laufen! Und als ich nach einer halben Stunde wieder im Hotelzimmer war, dachte ich, ich konnte wirklich nicht mehr laufen. Seitdem Reita und ich von der Bühne gezogen wurden, wurden wir nur noch irgendwo hingeschubst oder geschoben, bis wir wieder hier im Hotel waren. Das Alles war irgendwie ziemlich aus den Fugen geraten und mir war klar, das das ein Nachspiel haben würde, denn nicht nur das Kuscheltier hatte das Konzert versaut, ich war dem Werfer sogar dankbar, da wir uns sonst nur weiter blamiert und unsere Fans noch mehr enttäuscht hätten. Wir mussten private Angelegenheiten von unserer “Arbeit” trennen und das war uns oder viel mehr Reita und mir, heute Abend nicht gelungen. Jetzt mussten wir auch mit den Konsequenzen leben. Seufzend sah ich auf die Uhr, die mir bereits halb 2 anzeigte. Vielleicht sollte ich einfach schlafen gehen und hoffen, dass das Management nicht ganz so ausgeflippt war. __________________________________________________________ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)