Notebooks and Tea von Klayr_de_Gall (KuroxFye-FF-Production GmbH & Co.KG) ================================================================================ Kapitel 13: 12.Woche - Zeit anhalten und Blumen ----------------------------------------------- ~Schneeblume~ Stundenglas Alle Menschen – und ganz besonders jene, die über Leichen gehen, um an das zu gelangen, was sie begehren – machen früher oder später die Erfahrung, dass es Mächte gibt, die man besser nicht zu beeinflussen oder gar zu kontrollieren versucht. Dabei spielt es keine Rolle, ob absichtlich oder ungewollt. Denn die Folgen und ihre Reichweite sind in jeden Fall nicht vorhersehbar. Auch wir wurden um diese Erkenntnis reicher – und wir waren nicht einmal wir selbst. Erwartungsvoll schauten wir nach vorn. Inzwischen waren wir den Strom der Dimensionen um uns herum gewöhnt, sodass unsere Aufmerksamkeit auf der unbekannten Welt vor uns lag. Die Reise dauerte wie immer nur wenige Sekunden und doch war diesmal etwas anders als sonst. Genau in dem Moment, als sich das gleißende Licht vor uns auftat, wurden wir von einem heftigen Sturm erfasst. Ich hörte Sakura neben mir erschrocken aufschreien und sah, wie Kurogane reflexartig nach meinem Mantel griff, damit wir nicht auseinander gerissen wurden. Unsere Prinzessin klammerte sich an meine Hand und ebenso wie sie schnappte ich nach viel zu knapper Luft. Doch ehe wir uns über das Geschehen klar werden konnten, war der Wind so schnell verschwunden wie er gekommen war. Allerdings war es viel unheimlicher, dass plötzlich kein Lüftchen mehr wehte. Ich hatte keine Zeit, mir darüber den Kopf zu zerbrechen, denn mit Entsetzen musste ich feststellen, dass wir in die Höhe gewirbelt worden waren und nun einige Meter auf den waldig grünen Boden hinab purzelten. „Uff! – AUA! – Ächz... – Prinzessin?!“ Eine Reihe von Schmerzlauten ertönte, während sich Shaolan mit verzerrtem Gesicht über seine Freundin beugte. Ehe diese jedoch reagieren konnte, ließ ein an dieser Stelle absolut untypisches, leidvolles Wimmern uns alle aufsehen. „Au weh, entschuldige Moko-chan!“, rief Sakura, völlig zerzaust, aber unverletzt, rutschte zur Seite und hob das zerknautschte Zauberwesen behutsam hoch. „Oh das tut mir leid!“ Besorgt strich sie über das weiße Fell und Mokona regte sich schwerfällig. Ich rappelte mich hoch und schaute dem Mädchen über die Schulter. „Wie konnte das passieren, du landest doch sonst immer auf uns?“, fragte ich verblüfft. „Vielleicht lag das an diesem seltsamen Wind.“, vermutete Shaolan, während er sich unauffällig seine Kehrseite rieb. „Kuro-tan, was denkst-…“ Ich hatte mich zu Kurogane herum gedreht, der seltsam schweigsam war, doch die Frage blieb mir im Hals stecken. Unser Ninja hatte in diesem Augenblick mehr von einem Wolfshund denn je. Ein Hund mit gesträubtem Nackenpelz, gefletschten Zähnen, weil er nur wusste, dass ihn etwas bedrohte, aber nicht, was. Genau diesen Eindruck machte Kurogane auch gerade, und hätten bei mir nicht auch plötzlich sämtliche Alarmglocken geläutet, hätte ich ihn mit Sicherheit damit aufgezogen. „Hier stimmt was nicht!“, knurrte er leise, jede Faser seines Körpers angespannt. Augenblicklich drängten wir uns alle zusammen und schauten uns alarmiert um. Auf den ersten Blick bot sich uns ein vollkommen unbedrohliches, gar idyllisches Bild. Wir standen auf einer kleinen, Moos bewachsenen Lichtung inmitten eines leuchtend grünen Waldes. Schimmernde Sonnenstrahlen erhellten die Umgebung und verliehen ihr ein einladendes Glänzen. Doch Kurogane hatte Recht. Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht. „Tot. Hier ist alles tot! Es gibt nichts Lebendiges um uns herum.“ Der Brustkorb des Schwarzhaarigen hob und senkte sich schnell und unregelmäßig, als sein blutroter Blick hektisch umher glitt. Auch wir anderen waren unruhig, in Verteidigungsstellung. Eine unbekannte Bedrohung umgab uns, die wir weder sehen noch fassen konnten. Konzentriert schloss ich die Augen und suchte instinktiv nach Leben in dieser Dimension. Ich fand nichts! Wie konnte das sein? Da beschlich mich plötzlich ein seltsames Gefühl, das mich stutzen ließ. „Wartet mal…“, murmelte ich, „Tot trifft es nicht. Es ist eher so… als hätte diese Welt… den Atem angehalten.“ „Was hat das zu bedeuten??“ Ich schaute zu Shaolan und schüttelte den Kopf, als ich auf seine gekeuchte Frage antwortete: „Ich habe keine Ahnung.“ Wir verharrten noch einige Minuten, als jedoch nichts geschah, entspannten wir uns etwas. Sakura wagte sich als erste aus unserem Kreis – ihr Beschützer folgte ihr auf dem Fuße – und kniete vor einer Pflanze mit großen, dicken Blättern. Sie berührte sie vorsichtig und wandte sich wieder uns zu. „Es fühlt sich echt an.“, informierte sie uns. Wir tauschten einen ratlosen Blick. Shaolan beugte sich zu Mokona, das noch immer ziemlich geschafft auf Sakuras Arm lag. „Mokona, spürst du eine Feder?“ Der Zauberhase reagierte fast sofort: Es riss die Augen auf, straffte die langen Ohren und gab ein klägliches „Mekyo.“ von sich. „Hier gibt es mit Sicherheit eine Feder. Aber… Mokona kann nicht sagen, wo genau. Die Aura ist überall um uns herum. Mokona tut es leid!“ „Nicht doch!“, beruhigte die Prinzessin das erschöpfte Wesen, das unruhig atmend die Augen schloss. „Ruh dich aus, Moko-chan. Liebe Güte, bin ich so doll auf dich gefallen?“ Zu ihrer Überraschung trat Kurogane neben sie und schüttelte angedeutet den Kopf. „Das liegt nicht an dir. Ich spüre das auch. Die Atmosphäre ist drückend und es ist, als wäre nicht genug Luft zum Atmen vorhanden.“ Ich runzelte die Stirn. „Komisch, ich merke nichts. Aber Shaolan-kun sieht auch etwas blass aus.“ Sakura musterte ihren Begleiter besorgt und kam zum selben Schluss. Sie hingegen wirkte so munter wie ich. „Was machen wir jetzt?“, erkundigte sie sich ahnungslos. „Was schon! Wenn das Manjuu nicht weiß, wo die Feder ist, müssen wir eben einfach aufs Geratewohl losgehen.“, brummte Kurogane tonlos, dann drehte er sich um und stampfte voran. Wir folgten ihm durch diesen schönen, aber unheimlichen Wald. Ich wusste nicht, wie lange wir liefen. Der Sonnenstand änderte sich nicht, doch es mussten Stunden gewesen sein. Wir kamen immer langsamer vorwärts, denn nicht nur Shaolan ging es mit jedem Schritt schlechter, sondern auch unserem starrköpfigen Krieger. Beide versuchten, es sich nicht anmerken zu lassen, doch ging allein schon ihr Atem laut und rasselnd. Sie schwitzten, obwohl hier angenehme Temperaturen herrschten, und jede Bewegung fiel ihnen sichtlich schwer. Mokona ging es auch nicht viel besser, aber wenigstens wurde es getragen. Unsere Prinzessin und ich verspürten nur die Müdigkeit, die einen erfasste, wenn man lange Zeit wanderte. Kurogane wehrte all meine Versuche, ihn zu stützen rigoros ab. Verbissen kämpfte er sich voran und ignorierte mich. Sturkopf! Ich seufzte lautlos. Nach gefühlten weiteren Stunden – meine innere Uhr sagte mir, dass es längst Abend sein musste – entschieden wir uns, eine Weile zu rasten. Im Schatten ließen wir uns auf dem weichen Gras nieder. Kurogane lehnte an einem dicken Baumstamm und rang nach Luft, während er die Arme abweisend vor der Brust verschränkte und finster vor sich hin starrte. Shaolan versuchte derweil, mit zittrigen Händen ein Feuer zu machen, doch es gelang ihm nicht, denn es war den Flammen nicht möglich sich empor zu züngeln. Schließlich gab er es auf und sank zurück ins Gras. Sakura kraulte Mokona derweil sanft durch das Fell. „Moko-chan, kannst du Yuuko-san rufen? Vielleicht weiß sie, was für eine Welt das ist.“, bat sie und suchte absichernd meinen Blick. Ich nickte ihr zustimmend zu. Das war eine gute Idee. Denn so konnte das nicht weitergehen. Mokona blinzelte müde und sein roter Stein leuchtete auf. Doch nur kurz, dann wurde das Leuchten zu einem matten Glimmen. „Es geht nicht.“, jammerte der Zauberhase. „Mokona kann sie nicht erreichen. Da ist so etwas wie eine Mauer, Mokona kommt nicht durch.“ Bestürzt hob die Prinzessin den Kopf. Doch bevor sie etwas sagen konnte, presste Kurogane zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor: „Dann müssen wir es auf eigene Faust herausfinden.“ „Aber vorher ruhen wir uns aus.“, nahm ich ihm bestimmt den Wind aus den Segeln. Es kam überhaupt nicht in Frage, dass er in seinem Zustand weiter marschierte. Niemand widersprach mir und eine drückende Ruhe legte sich über uns. „Ich habe eine Theorie.“, unterbrach ich sie schließlich leise und die anderen horchten fragend auf. „Die Äste der Bäume, die Blätter sind in ihrer Bewegung erstarrt. Als wäre eben noch ein Windstoß an ihnen vorbei gerauscht und dann plötzlich verschwunden. Und als hätten die Pflanzen vergessen, wieder zurück zu schnellen… Ich glaube, dass die Zeit stehen geblieben ist.“ Sakura schüttelte den Kopf, als sie versuchte, sich das vorzustellen. „Wie ist so was möglich?“ Ich fuhr mir seufzend durch die Haare und lehnte mich neben Kurogane an den Baum. „Ich weiß es nicht. Wenn wir davon ausgehen, dass die Zeit angehalten wurde… Ich denke, es ist eine mächtige Magie notwendig, um das zu schaffen. Vielleicht hängt das mit einer deiner Federn zusammen, Sakura-chan.“ Statt einer Antwort keuchte das Mädchen auf einmal erschrocken auf und rief voller Entsetzen Shaolans Namen. Mit einem „Was ist passiert?“ fuhr ich hoch und im gleichen Moment erkannte ich, was sie so erschreckt hatte. Über ihren Beschützer hatte sich ein grauer Schatten gelegt. Bevor einer von uns reagieren konnte, krümmte sich Kurogane neben mir plötzlich zusammen und sank an dem Baum hinab auf den Waldboden. Auch seine Hautfarbe hatte sich verdunkelt und irgendetwas sagte mir, dass diese Schatten noch schwärzer werden würden… „Ist das heiß hier.“, grummelte der Ninja und erntete ein „Uuh, Kuro-rin hat Hitzewallungen!“. Er warf mir einen bösen Blick zu und drehte den Kopf weg, als ich meine Hand an seine Stirn legte. Ich konnte es trotzdem fühlen. „Kuro-sama, deine Haut ist eiskalt.“, stellte ich beunruhigt fest. Merkwürdig. Shaolan, der gerade döste, hatte Fieber, weswegen Sakura gerade Wasser von einem kleinen Bach holte, an dem wir vorhin vorbeigekommen waren. Kurogane hob die Brauen und widersprach: „Kann gar nicht sein, mir ist warm!“ Ich seufzte und schüttelte den Kopf. „Glaub mir doch einfach.“ Behutsam berührte ich seinen Arm. „Du bist völlig unterkühlt.“ Er wollte sich hochrappeln, doch seine Glieder gaben einfach nach und er rutschte unbeabsichtigt mit dem Kopf in meinen Schoß. Ich nutzte die Gelegenheit und verschränkte meine Arme vor seiner Brust, um ihn am Aufstehen zu hindern. „Was soll das? Lass mich los!“, zischte er protestierend. „Nein.“ Ich meinte es wirklich ernst. „Bitte bleib liegen und ruh dich etwas aus.“ Wütend versuchte Kurogane, mir zu entkommen: „Das wird auch dadurch nicht besser. Sollen wir vielleicht warten, bis die Feder zu uns kommt??“ Ich biss mir auf die Lippen. Ich ahnte sehr wohl, wie er sich fühlte. Er hatte keine Möglichkeit, zu kämpfen, sich zu wehren, weil er das, was ihn schwächte, nicht sehen, nicht greifen konnte. Eigentlich war er ein Beschützertyp. Auch wenn es nicht immer den Anschein machte, so behielt er uns doch wachsam im Auge. Und auf einmal war er der Schutzlose, völlig wehrlos gegenüber einer unsichtbaren Macht. Ich wusste, wie es an seinem Stolz nagte. Ich wusste, dass es ihm zu schaffen machte. Vor allem weil er nichts tun konnte, sollten wir angegriffen werden oder Ähnliches. Ich wusste es doch… Dennoch wollte ich, dass er sich nur einmal, ein einziges Mal, von mir beschützen ließ. Auch wenn er mich immer durchschaute und mir ständig den Spiegel vorhielt, er war mir sehr wichtig geworden und ich wollte nicht, dass ihm etwas zustieß. Dazu hatte ich meinen großen, bösen, schimpfenden Kurogane einfach viel zu gern. „Bitte…!“, flehte ich leise und eindringlich. Er hielt inne, schien mit sich zu hadern. Und schließlich seufzte er resignierend und sank mit dem Kopf auf meine Oberschenkel zurück. Ich lächelte sanft und lockerte meine Umklammerung. Eine Weile schwiegen wir. Ich war mir nicht sicher, ob ich es mir einbildete, aber es schien mir, als ob er sich etwas entspannte und ein wenig leichter atmen konnte. Sakura kehrte zurück, schenkte uns ein aufmunterndes Lächeln und setzte sich neben Shaolan, legte ihm ein nasses Tuch auf die glänzende Stirn. „Fye-san, ich glaube, es stimmt, was du gesagt hast.“, flüsterte das Mädchen, um ihren Beschützer und Mokona, das ebenfalls in den Schlaf geflüchtet war, nicht zu wecken. „Als ich eben Wasser aus dem Bach geschöpft habe, blieb darin eine Kuhle zurück. Und das Wasser trocknet nicht auf der Haut. Die Zeit scheint hier wirklich still zu stehen, und mit ihr alles Leben.“ „Ja.“, murmelte ich und strich Kurogane gedankenverloren durchs Haar. Seine Haut war noch immer ungewöhnlich kühl, aber im Vergleich zu eben hatte ich den Eindruck, dass sie schon etwas wärmer war. Und da schien tatsächlich etwas dran zu sein, denn nach ein paar Minuten brummte Kurogane kaum hörbar: „Merkwürdig… Irgendwie schirmt mich deine Nähe von der Umgebung ab. Wenn du mich berührst, fühle ich mich besser.“ Ich glaubte zu erröten. Gleichzeitig war ich wirklich froh, das zu hören – ihm helfen zu können. „Stört es dich?“, fragte ich leise und als er mir antwortete, schien er sich selbst darüber zu wundern. „Nein.“ Ich konnte nichts dagegen tun. Das liebevolle Lächeln schlich sich einfach so auf meine Lippen und blieb dort. Ich legte eine Hand auf Kuroganes, während die andere auf seiner Brust ruhte, und bettete mein Kinn auf den schwarzen Schopf. Es war angenehm… Er, seine Nähe, war angenehm. Und wenn mich nicht alles täuschte, empfand er ähnlich. Nachdem wir uns einige Zeit ausgeruht hatten, beschlossen wir, unsere Suche fortzusetzen. Ich hielt Kuroganes Hand fest in meiner, als wir weitergingen. Er sagte nicht dazu und entzog sich mir auch nicht. Der Körperkontakt schien zu helfen. Auch bei Shaolan, der Sakuras Hand genommen hatte, und Mokona, das auf meiner Schulter saß. Die Schatten verdichteten sich nicht länger und das Luftholen fiel den dreien leichter. Während unserer Wanderung veränderte sich der Wald ein wenig und war ganz plötzlich zu Ende. „Seht doch!“, rief die Prinzessin erstaunt. Vor uns erstreckten sich weite Felder, von einem kleinen Weg getrennt, der sich zwischen ihnen entlang schlängelte. Doch das war es nicht, was Sakura in Aufregung versetzt hatte. Tausende und abertausende weiße Blumen erstreckten sich über die Felder. Als die Zeit noch vorangeschritten war, musste ein Windstoß durch sie gefahren sein, und er hatte die vielen Blütenblätter in die Luft gewirbelt. Dort schwebten sie nun im gleißenden Sonnenlicht und malten ein traumhaftes Bild. Es war skurril, aber von solcher Schönheit, dass ich ehrfürchtig den Atem anhielt. Aufgeregt und lachend und mit hübsch glänzenden Augen tanzte Sakura durch den Blumenregen und zog ihren Freund einfach mit sich. Ich musste schmunzeln, doch ich war selbst ganz hin und weg von diesem Anblick. „Wunderschön, nicht wahr?“, seufzte ich lächelnd. Mokona gab einen zustimmenden Laut von sich und kuschelte sich an mein Ohr. „Kindisch.“, grummelte mein schwarzes Hündchen. Mit erhobener Augenbraue schaute ich zu ihm auf, nur um festzustellen, dass auch er den Blick nicht abwenden konnte. Ich knuffte ihm lachend in die Seite. „Spinn nicht, Kuro-sama! Sonst mache ich es Sakura-chan nach!“ „Das wagst du nicht!“, drohend schaute er mich an. Doch er hätte wissen müssen, dass mich seine Drohung nicht abhielt, sondern anstachelte. „Und wie!“ Damit zog ich ihn mit mir, den Feldweg entlang und den anderen beiden nach. Lachend bewarf ich ihn mit schwebenden Blütenblättern – obwohl diese sich nicht wirklich werfen ließen – und ignorierte seine Flüche und Verwünschungen. Allerdings verstummten diese ziemlich schnell und er folgte mir beinahe ohne Widerwillen. Ich bemerkte nicht sofort, dass er mich nicht mehr aus den Augen ließ, dass er mich genaustens beobachtete. Viel mehr genoss ich diesen unbeschwerten Augenblick. Ich hatte das Rätsel um diese Welt und die Sorge um meine Freunde nicht vergessen, geschweige denn all die anderen Probleme. Doch nur einen Atemzug lang wollte ich mich sorglos fallen lassen in diesen seltsamen, aber schönen Frieden. In die vertraute, angenehme Gegenwart der Menschen, die für mich schon fast zu einer kleinen Familie zusammengewachsen waren. Mit einem unbeschwerten Lächeln auf den Lippen wirbelte ich zu ihm herum und bedachte ihn mit einem lieben Blick. Erst da wurde mir bewusst, dass er mich schon die ganze Zeit durchdringend angesehen hatte. Nicht bohrend wie sonst, wenn er Dinge von mir wissen wollte, die ich nicht preis zu geben gedachte. Nein, viel sanfter. Ich blieb stehen und legte den Kopf schief. „Was ist?“, wollte ich neugierig wissen, „Habe ich was im Gesicht?“ Er antwortete nicht sofort. Stattdessen erwiderte er leicht den Druck meiner Hand, ehe er losließ, nur um unsere Finger ineinander zu verschränken. Mit einem sanften Ruck zog er mich ein Stück zu sich. Langsam hob er die andere Hand, streckte sie nach meinem Schopf aus und sammelte ein paar Blütenblätter von meinen Haaren. Es war nur eine unscheinbare Geste, und doch klopfte mir mein Herz plötzlich bis zum Hals und ich spürte, wie meine Wangen – nicht unangenehm – brannten. Sein feuerroter Blick hielt meinen gefangen, ohne dass ich mich dagegen wehren konnte. Ich wollte es ja nicht einmal. „Du hast Blumen im Haar. Und das sieht albern aus.“, brummte er leise und in einem Tonfall, der die Überzeugung seiner Wertung zunichte machte. Als wäre ihm das selbst bewusst geworden, wanderten seine Mundwinkel ein Stückchen nach oben, und unwillkürlich erwiderte ich das seichte Lächeln. Federleicht glitten seine Fingerspitzen über meine Wangen, als er sich zu mir beugte. Unbewusst näherte ich mich seinem Gesicht, fühlte seinen warmen Atem auf meinen Lippen und… „MEKYO!“ Aufgeregt sprang Mokona, das ich zugegebenermaßen völlig vergessen hatte, auf meinen Kopf und Kurogane und ich zuckten zusammen. Unweit von uns blieben die Kinder stehen und wandten sich uns neugierig zu. „Mokona spürt die Energie der Feder stärker, sie konzentriert sich besonders auf einen Punkt! Mokona weiß, in welche Richtung wir müssen!“ Hibbelig deutete es nach vorn. „Dann lasst uns gehen.“ Hoch motiviert schritt Shaolan mit seiner Prinzessin voran und folgte dem Feldweg. Mokona juchzte auf meinem Kopf, Kurogane verdrehte die Augen. Ich lachte, wenn auch ein bisschen bedauernd. Wir tauschten einen Blick, er und ich. Und ich sah, wie seine Mundwinkel verdächtig zuckten. Ich grinste verschmitzt und drückte seine Hand. Er erwiderte die Geste, dann schlossen wir uns den Kindern an. Wir hatten Glück. Jetzt, wo Mokona die konzentrierte Spur der Feder einmal geortet hatte, brauchten wir nicht lange suchen. Nach etwa einer knappen Stunde konnten wir plötzlich etwas Lebendiges in unserer Nähe spüren. Es war mir ein Rätsel, wie mir das zuvor entgehen konnte, doch darüber zerbrach ich mir nicht den Kopf. Denn mit dem, was wir vorfanden, hatte keiner von uns gerechnet. Auf dem Gipfel eines Hügels schwebte Sakuras Feder, gefangen von der starren Luft um sie herum. Und darunter saßen zwei Kinder in bunten Gewändern im Gras, nicht älter als fünf Jahre, und zankten sich verzweifelt. Doch das Unglaubliche daran war ihre verblüffende Ähnlichkeit zu Kurogane und mir. Der eine Junge hatte strubbeliges, blondes Haar, das des anderen war kurz und schwarz. Widerstrebend hielt sich der Schwarzhaarige mit trotzigen, roten Augen an der Hand des Blondschopfes fest. Es war eindeutig, dass er es aus demselben Grund tat, warum auch unsere Freunde Sakura und mich berührten. Um nicht in der angehaltenen Zeit zu erstarren. „Oh mein Gott, das sind ja…!“ Sakura schlug eine Hand vor den Mund. Wir wussten, was sie sagen wollte und sie hatte Recht. Das waren unverkennbar unsere Ebenbilder dieser Dimension. Die kleinen Kinder zuckten ertappt zusammen und fuhren herum. Mit großen Augen starrten sie uns an. Sie konnten es sich nicht erklären, dass sich jemand außer ihnen noch bewegen konnte. Verschreckt, aber nicht ängstlich, rappelten sie sich hoch. „Wer seid ihr?!“, verlangte der kleine Kurogane – ich fand ihn unglaublich niedlich – unwirsch zu wissen. „Äh… wir sind Reisende und…“, begann Shaolan etwas unsicher, wurde jedoch von unserem Ninja unterbrochen, der auf die Kleinen zuging und seinem frechen Ich eine Kopfnuss verpasste. „Andere Frage: Seid ihr dafür verantwortlich, dass die Zeit hier still steht?“ „Aua!“, protestierte der Krümel und funkelte zu ihm hinauf. Ich schaute zu meinem Ebenbild, dem plötzlich Tränen in die Augen gestiegen waren und der schnell einen Schritt zurückwich. Die beiden Schwarzhaarigen unterbrachen ihren Ich-guck-dich-in-Grund-und-Boden-Kampf sofort und der Mini-Kurogane stellte sich schützend vor seinen Freund. „Es war nicht seine Schuld! Wir wollten das nicht! Wir wussten doch nicht, dass das passiert, ganz ehrlich!“, verteidigte der Schwarzhaarige ihn nun selbst panisch. Kurogane wollte nachhaken, doch ich hielt ihn zurück. Stattdessen ging die Prinzessin vor den Kindern in die Knie und lächelte beruhigend. „Ganz ruhig, wir wollen euch nicht bestrafen. Wir versuchen, euch zu helfen. Könnt ihr uns erzählen, was genau geschehen ist?“, bat sie lieb und unbedrohlich. Unsere verunsicherten Ebenbilder tauschten einen hilflosen Blick und beruhigten sich ein wenig. Der kleine Kurogane fasste Mut und näherte sich Sakura vertrauensvoll, mein anderes Ich mit sich ziehend. „Wir haben hier gespielt.“, berichtete er und sein Fye nickte zustimmend, „Und da fiel auf einmal die Feder da vom Himmel. Wir wussten nicht, was das ist, aber Fye fühlte Magie, also konnte sie nicht gefährlich sein. Er kann nämlich zaubern, versteht ihr?“ Er reckte aus Stolz auf seinen blonden Freund die Brust, und ich musste mir ein verzücktes Schmunzeln verkneifen. Sakura hakte lächelnd nach: „Und dann?“ Das Gesicht des Schwarzhaarigen verdüsterte sich, als er fortfuhr: „Plötzlich war da ein durchsichtiger Mann am Himmel-“ „Ein hässlicher, alter Opa!“, ergänzte mein Ebenbild schüchtern hinter seinem Rücken hervor. „Genau. Und der hat gesagt, dass wir so schön spielen und ob wir uns nicht wünschen würden, die Zeit anhalten zu können, um nicht aufhören zu müssen. Er meinte, das wäre ganz einfach. Fye müsste nur seine Magie mit der Kraft der Feder verbinden. Und dann war der plötzlich wieder verschwunden. Wir haben es ausprobiert, weil wir dachten, länger spielen zu können und dass unsere Mütter uns dann nicht schimpfen. Es hat auch funktioniert, aber dann…“ Nun traute sich der kleine Blondschopf hervor, um selbst weiter zu erzählen. „Dann war Kuro-chan auf einmal auch erstarrt und das war ganz schrecklich! Ich hab versucht, die Zeit weiter fließen zu lassen, aber es ging nicht. Immer habe ich einen Schlag gekriegt, wenn ich die Feder anfassen wollte. Ich wusste nicht, was ich machen sollte, und Kuro-chan hat sich nur bewegt, wenn ich ihn berührt habe. Also haben wir darauf gewartet, dass der Mann noch einmal am Himmel erscheint und uns hilft, aber er kam nicht. Na und dann wart ihr plötzlich da.“ Bittend schaute er mich an. „Könnt ihr uns nicht helfen, bitte? Meine Mama und Kuro-chans Mama und all die anderen und die Pflanzen sollen alle wieder leben! Bitte!“ Ich beugte mich zu ihm hinab und strich meiner kleineren Ausgabe über den Schopf. „Natürlich helfen wir euch.“, versicherte ich ihm, was meinen Kurogane grummeln ließ: „Und wie?“ „Ich habe eine Idee“, teilte ich ihm mit, „aber ich weiß nicht, ob es funktioniert. Sakura-chan, ich brauche deine Hilfe. Und deine auch, kleiner Fye. Meinst du, du schaffst das?“ Er nickte eifrig und wies seinen Freund an, sich an seinem Arm festzuhalten, damit er die Hände frei hatte. Er, Sakura und ich positionierten uns mit unseren Freunden im Schlepptau um die Feder herum und streckten die Hände nach ihr aus. Ich vermutete, dass die Feder sich vor meinem Ebenbild hatte schützen wollen und ihn deshalb bei seinem Versuch, alles rückgängig zu machen, abgestoßen hatte. Und ich hoffte, dass sie Sakura als ihre rechtmäßige Besitzerin anerkannte. Dass Fyes Magie und meine zusammen stark genug waren, um die Zeit in ihre Schranken zu verweisen und ihr einen Schubs zu geben. Ich betete lautlos, dass alles gut ging, denn ich wollte mir nicht ausmalen, was passieren konnte, wenn nicht. Doch meine Sorgen waren unbegründet. Erst geschah nichts, dann ging ein heftiger Ruck durch die ganze Dimension, der uns beinahe von den Füßen gerissen hätte. Und da… wehte plötzlich der Wind über unsere Köpfe hinweg. Es war, als atmete die Welt tief ein. Und die Zeit nahm wieder ihren Lauf. Die beiden Krümel schrieen begeistert auf und fielen sich vor Erleichterung weinend in die Arme. Die Feder segelte selenruhig zu Sakura und verschwand, während Shaolan und Kurogane endlich wieder normal aussahen. Auch wir waren erleichtert und grinsten einander zu. Da sprang Mokona in unsere Mitte und Yuukos Projektion erschien vor uns. Finster musterte sie uns, doch ihr gemurmeltes „Gott sei Dank!“ war nicht zu überhören. „Was habt ihr schon wieder angestellt? Das ging ja durch alle Dimensionen. Wisst ihr, was hier für ein Chaos geherrscht hat?! Also raus damit!“ Wir berichteten ihr, was geschehen war und was uns die Kinder erzählt hatten. Yuuko lauschte aufmerksam und als wir geendet hatten, sah sie uns nacheinander an. „Die Zeit ist eines der mächtigsten Elemente, die es gibt.“, belehrte sie uns streng. „Es ist unmöglich sie zu kontrollieren. Schon es zu versuchen kann in einer tödlichen Katastrophe enden und ist deshalb strengstens verboten! Lasst euch das eine Lehre sein.“, mahnte sie die Kinder, die reuevoll und kleinlaut die Köpfe einzogen. „Und vor allem, lasst euch niemals wieder etwas von irgendwelchen suspekten Fremden aufschwatzen. Ist das klar?!“ Die zwei nickten schnell und wurden mit einem lobenden Lächeln bedacht. Yuuko wandte sich wieder an uns. „Man hat die Auswirkungen in allen Dimensionen gespürt. Überall war die Zeit mehr oder weniger verzerrt. Deshalb konntet ihr auch keinen Kontakt zu mir herstellen. Da ihr nicht aus dieser Welt stammt, wart ihr nur indirekt betroffen. Trotzdem habt ihr es deutlich zu spüren bekommen. Und weil die Zeit in jeder Dimension, aus der ihr ursprünglich stammt, unterschiedlich schnell fließt, habt ihr die Folgen auch unterschiedlich empfunden. Fye und die Prinzessin hatten Glück, weil ihre Kräfte in den Zauber verwickelt waren. Somit waren sie geschützt. Und als sie euch berührt haben, befandet auch ihr euch innerhalb dieses Schutzes. Ihr habt klug gehandelt, aber vergesst niemals, dass ihr vor allem unverschämtes Glück hattet. Die Zeit befindet sich in einem äußerst empfindlichen Gleichgewicht und lässt sich nicht gern beeinflussen. …Und das musste nun auch der gute Fei Wan Reed lernen.“ Sie lachte schadenfroh, beachtete unsere fragenden Gesichter nicht weiter und verschwand, nachdem sie uns ein letztes Mal ermahnt hatte. Immerhin hätte sie unseretwegen nun viel zutun, weil großen Schaden zu begrenzen. „Alte Hexe.“ Kurogane verdrehte demonstrativ die Augen und brachte uns damit zum Lachen. Insgeheim fragte ich mich, ob er mich darauf ansprechen würde, dass ich meine Magie angewandt hatte. Ich hoffte, er würde es nicht tun. Auch wenn ich einige Ausreden parat hatte. Seine jüngere Ausgabe zupfte an meiner Hose. „Danke, dass ihr uns geholfen habt.“ „Ja, vielen Dank.“ Auch der kleine Magier strahlte zu uns hinauf. Ich beneidete ihn um sein unschuldiges Lachen. „Gern geschehen. Jetzt solltet ihr aber schnell heimgehen, bevor sich eure Eltern noch Sorgen machen.“, erwiderte ich. Die zwei nickten energisch und verabschiedeten sich von uns. Ihr helles Kinderlachen hallte noch lange über die Felder als sie Hand in Hand nach hause liefen. „Ich schlage vor, dass wir auch weiter reisen.“ Shaolan trat erwartungsvoll neben Sakura, welche im zulächelte. Sein Vorschlag wurde einstimmig angenommen und Mokona sprang quietschfidel wie immer in die Luft. Ich warf noch einen letzten Blick über diese friedliche Welt. Blütenblätter tanzten umher als hätten sie nie etwas anderes getan. Beinahe – aber nur beinahe – hätte ich mir gewünscht, die Zeit anhalten zu können, um diesen Frieden noch etwas länger zu genießen. Doch es gab wichtigeres, und außerdem hatte ich aus dem Fehler meines kleinen Ebenbildes gelernt. Nicht nur, dass ich die Zeit nicht kontrollieren konnte. Sondern auch… Ich schaute hinab auf meine Finger, die noch immer mit Kuroganes verflochten waren. Mein Blick glitt hinauf und begegnete seinem. Sondern auch, dass ich alles bei mir hatte, um meinen Frieden zu finden. Owari <====~====> <=======================================~=======================================> <====~====> ~Klayr_de_Gall~ Was es bedeutet Eine rote Kamelie für ’Es tut mir leid’. Weiße Hortensien für den Tod. Lavendel als Zeichen des Misstrauens. Lilien... weiße Lilien... Und diese. Für was stand diese Blume? Nachdenklich betrachtete Fay das kleine Gewächs, beinah mickrig zwischen all den prächtigen, großen Büschen, die ihre voller Pracht zeigten. Es versteckte sich zwischen den grünen Blättern eines Hortensienbusches, und reckte scheu seine Blüten zur Sonne hin. Interessiert ging der blonde Vampir in die Hocke. Dieses hübsche kleine Pflänzlein hatte er zuvor noch nicht in dem großen Garten, der zum japanischen Schloss Hirasagi gehörte, entdeckt. Wuchs es nur hier? Vielleicht war es einfach nur... Unkraut? Ein Parasit, nutzlos, einfach nur da, allem ihn Umgebenden eine Last... „Das ist ’Vergiss-mein-nicht, Fay!“ Überrascht wand sich der Angesprochene zu dem Neuankömmling um und fing Mokona geschickt mit den Händen auf. „Du kennst diese Blume, Mokona-chan?“ „M-hm!“ Bekräftigend nickte das kleine Zauberwesen, und seine Ohren schlackerten lustig hin und her. „Es wächst bei Yuuko im Garten! Sie hat es extra im Blumenladen gekauft und eingepflanzt, weil es so hübsch ist.“ Fay schmunzelte. Yuuko-san hatte doch nicht wirklich Gartenarbeit gemacht oder? Irgendwie schwer vorstellbar. Die Dimensionshexe, mächtig und auch ein bisschen bequem, mit Schürze und dreckigen Gummihandschuhen beim Einpflanzen im Beet hinter dem Haus: eine köstliche Vorstellung! „Und Mokona hat natürlich geholfen!“, brüstete sich Mokona stolz und brachte den schlanken Mann ein weiteres Mal zum Lächeln. „’Vergiss-mein-Nicht’ ist ein schöner Name...“ Er hatte so viel Bedeutung. Das hatte Fay bei einer so kleinen Blume, mit ihrem unscheinbaren Hellblau und Gelb, gar nicht erwartet. Aber der äußere Anschein täuschte ja sehr oft über den inneren Wert hinweg. „Es gibt übrigens Abendessen! Deswegen hat Tomoyo gesagt, Mokona soll dich holen.“ „Oh, okay.“ Ein wenig aus seinen schwermütigen Gedanken gerissen, erhob sich der Magier, und setzte sich seinen kleinen Reisebegleiter auf die Schulter. Seit sie in Nihon angekommen waren, hatte er an Kuroganes Bett gewacht, aber heute Morgen hatte ihn die sanftmütige, japanische Prinzessin davon überzeugt, dass auch er sich etwas ausruhen sollte. Weil Kurogane sicher nicht wollte, dass der Blondschopf sich wegen ihm überanstrengte. Das war ihr stärkstes Argument gewesen. Zwar fiel es Fay schwer, diesem nachzukommen, aber er wusste sehr genau, dass das Mädchen Recht hatte. Kurogane, der sich für ihn aufgeopfert hatte, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, wie es dem Blondschopf danach ging, würde es nicht gutheißen, wenn Fay aus Müdigkeit zusammenbrach, nur weil er nicht von seiner Seite hatte weichen wollen. Dieser egoistische Idiot! Hatte er überhaupt einen Gedanken daran verschwendet, wie es Fay ging, wenn er so etwas für ihn tat, sich in Lebensgefahr brachte, nur um seinen Reisegefährten zu retten? Entweder hasste Kurogane ihn so sehr, das er ihn einfach nur immer weiter leiden sehen wollte, mit jedem neuen Tag, den der Magier auf Kosten anderer leben musste und sich mit diesem Wissen quälte, oder... nein, rief Fay sich gedanklich zur Ordnung. Es gab kein ’oder’. Nur weil Kurogane es verabscheute, dass er sterben wollte, obwohl seine Zeit noch nicht gekommen war, erhielt er ihn weiterhin am Leben. Erst mit dem Opfer in Acyd Tokyo – sein Blut – und in Celes mit seinem Arm. Kurogane hatte in Kauf genommen, zu sterben, nur um ihn zu retten... was kam als nächstes? Opferte er in der nächsten gefährlichen Situation sein Leben für den Blondschopf? Allein der Gedanke beunruhigte Fay. Besser, er ließ es gar nicht erst so weit kommen. Auch wenn es hieß, dass er in Zukunft seine Magie einsetzen musste, er wollte nicht mehr schwach und auf Andere angewiesen sein. Außerdem... sein König konnte ihn nun nicht mehr verflogen. „Wie geht es Kurogane?“, erkundigte er sich leise bei dem Manjuu, während sie den Palast betraten und von den Wächtern kaum beachtet wurden. „Er schläft noch immer.“ Mokona seufzte niedergeschlagen. „Aber sein Fieber ist etwas zurückgegangen und die Ärzte sagen, es geht ihm schon etwas besser.“ „Das ist gut.“ Kurogane sollte endlich wieder zu sich kommen. Der Magier brannte darauf, ihm zeigen, wie wütend er auf ihn war. Sich seinetwegen fast umzubringen... Für IHN! Dabei war er so wertlos! Ein Mörder. Ein Monster... und trotzdem... warum? Fay verstand es nicht. Er verstand nicht, warum der Krieger so weit gegangen war und er wollte endlich eine Antwort. Weil die Antworten, die sein Kopf sich selbst zusammenspann, ihm keine Genugtuung verschafften. Vielleicht waren sie wahr, aber nur Kurogane selbst konnte ihm Gewissheit geben. Auch wenn sich Fay vor der Antwort fürchtete. Er war sich sicher, dass Kurogane ihn hasste, aber das aus dessen Mund zu hören würde sehr wehtun, egal wie gut er sich darauf vorbereitete. Und wenn der Krieger doch einen anderen Grund gehabt haben sollte... Unbehaglich strich sich der blonde Vampir über sein schmales, blasses Gesicht. Man konnte ihn doch nur hassen. Jetzt, wo Kurogane seine Vergangenheit kannte, war es absurd auch nur ein kleines bisschen darauf zu hoffen – halt, Hoffnung? Fay schüttelte heftige den Kopf und Mokona blickte ihn erschrocken an. „Alles okay, Fay?“ „Ja, entschuldige. Es ist nur... nicht. Schon okay.“ „Okay.“ Nicht gänzlich überzeugt verzichtete das Manyuu darauf, ein weiteres mal nachzufragen sondern sprang von Fays Schultern hinunter und zu Tomoyo, die neben ihrer Schwester und Souma am Esstisch saß, um sich sein Lob abzuholen, dass es den Magier so schnell und zuverlässig gefunden und hergebracht hatte. Dieser setzte sich nach einer kurzen Begrüßung zu Syaoran und kurz darauf begannen alle zu essen. Aus dem Augenwinkel musterte Fay seinen jüngeren Begleiter. Er wirkte genauso abgespannt wie er selbst sich fühlte. Sicherlich war der Junge nur wenn es wirklich nötig war, von Sakuras Seite gewichen, die vom Zauber des Schlosses und der japanischen Prinzessin beschützt, sicher und friedlich in einem Kirschbaum schlief. Der Zustand ihrer braunhaarigen Prinzessin bereitete Fay ebenfalls Sorgen, aber Tomoyo hatte ihm versichert, dass es ihr gut ging und keinerlei Gefahr für ihr Leben bestand. Ihre Seele träumte nur. Eine Sache weniger, die ihm schlaflose Nächte bescherte. Die Sorgen, die er sich um Kurogane machte, reichten schon aus. „Heut Nacht wird Souma bei Kurogane wachen.“, erklärte Tomoyo gerade, und riss den Magier, der nur mit einem Ohr zugehört hatte, somit aus seinen Gedanken. „Nein!“, protestierte er ohne nachzudenken. Alle am Tisch wanden sich ihm zu, aber Fay verdrängte die plötzlich aufkommende Nervosität und fuhr fort. „Ich möchte heut Nacht bei ihm bleiben.“ Fest blickte er Tomoyo in die dunklen Augen. „Bitte, Prinzessin. Ich habe mich den ganzen Tag lang ausgeruht und geschont, so wie Ihr es wollten, deshalb möchte ich wenigstens heut Nacht für ihn da sein. Das bin ich Kurogane schuldig.“ Während die junge Prinzessin besorgt die Stirn runzelte, schmunzelte Amaterasu-ou nur wohlwollend. „Ich bin mir sicher, Kurogane freut sich selbst im Schlaf über deine Anwesenheit.“ Verlegen senkte Fay den Kopf, als die Herrscherin Japans ihr Wort an ihn richtete. Auch um den leichten Rotschimmer zu vertreiben, der sich bei ihren Worten auf seine Wangen legte. Er hatte sich schon in den langen Nächten davor vorgestellt, dass der Krieger seine Nähe spüren konnte und es gut hieß, das Fay an seiner Seite wachte. Aber es aus ihrem Mund zu hören, ließ ihn sich für diesen Gedanken ein wenig schämen. „Vielleicht tut er das wirklich.“, bekräftigte nun auch Tomoyo die Worte ihrer Schwester. „Vielleicht...“, murmelte Fay nur undeutlich, und leerte seine Schüssel Reis, ohne die beiden Frauen anzusehen. Dank der Zeit in Yama, in dem Kriegslager, hatte er gelernt, mit Stäbchen zu essen und beherrschte es mittlerweile ausgezeichnet. Er hatte ja auch einen guten Lehrer gehabt. „Entschuldigt mich nun. Tomoyo-hime, Amatarasu-ou.“ Um nicht noch mehr an schöne, vergangene Zeiten denken zu müssen, entschloss sich der Blondschopf schließlich, ihre kleine Runde jetzt schon zu verlassen, und erhob sich. „Gute Nacht Souma-san, Syaoran-kun, Mokona.“ „Mokona kommt mit!“ Ohne dass Fay etwas dagegen tun konnte, sprang das weiße Hasenwesen in seine Arme und machte es sich dort bequem, und der Magier gab sich geschlagen. Mit hängendem Kopf machte er sich auf den Weg in das Gemach des Kranken, was er kurz darauf auch betrat. Kurogane lag unbewegt auf seinem Futon. Wäre der große Verband nicht gewesen, der weiß zwischen seinem Yukata hervorschimmerte, so wie seine unnormale Blässe, hätte man denken können, dass er nur friedlich schlief. Leise nahm Fay neben seinem Kopfkissen platz, und betrachtet die entspannten, markant geschnittenen Gesichtszüge. Wie so oft, seit sie in Nihon angekommen waren, hoffte er, darin endlich eine Regung zu entdecken. Wenn Kurogane nur endlich aufwachen würde... Der Magier seufzte lautlos und fühlte behutsam nach, ob er schwarzhaarige Mann noch Fieber hatte. Wenigstens das schien nicht mehr der Fall zu sein. Die nächtlichen Stunden, die er an Kuroganes Lager verbrachte, waren gefüllt mit Schweigen und schwermütigen Gedanken, die Mokonas Ablenkungsversuche meistens nicht lang vertreiben konnte. Fay machte sich Vorwürfe. Nur wegen ihm lag der Schwertkämpfer jetzt hier, schutzlos und schwach, und rang noch immer um sein Leben. Er hatte Kurogane gebeten, dass sie Ceres ohne ihn verlassen sollten, damit er ein mal, ein einziges Mal etwas Gutes für seine Begleiter tun konnte. Um sie heil und sicher in der nächsten Dimension zu wissen. Stattdessen... „Du dummer, dummer Sturkopf...“ Sanft strich Fay dem bewusstlosen Mann über die Wange. „Hast du auch nur eine Sekunde an mich gedacht? Wie weh es mir tun wird, dich meinetwegen hier liegen zu sehen? Sag es mir, Kurogane...“ Aber wie immer bekam er auf seine nächtlichen Fragen, mit gebrochener Stimme gestellt, keine Antwort. Mokona blickte traurig zu dem Magier auf, und kuschelte sich trostspendend in seinen Schoß. „Kuro-sama wird bestimmt aufwachen...“, piepste es unsicher, und der blonde Magier nickte langsam. „Wir sollten nicht an ihm Zweifeln, Mokona. Er ist doch stark...“ „Ja. Für uns.“ Fay verzog die Lippen zu einem Hauch von einem Lächeln. Ja, vielleicht stimmte es, was das Manjuu da sagte. Kurogane war ein starker Mensch. Aber nur, weil er jemanden hatte, den er beschützen wollte. Früher war das Tomoyo gewesen. Und heute...? Die Kinder. Syaoran und Sakura, über die er zu jeder Zeit gewacht hatte. Auch wenn der grummelige Ninja seine Besorgnis gut zu verbergen wusste, so hatte er die beiden doch vor allem Unheil zu beschützen versucht. Mokona. Nicht nur, weil es für ihre Weiterreise wichtig war, sondern weil das weiße Knäuel ein unersetzbarer Freund und fester Bestandteil ihrer Gruppe geworden war, welches sich genauso bemühte, sein Bestes zu geben, wie die anderen auch. Und ihn? Fay selbst? Weil er im Weg herumstand und log? Weil er sich beständig hinter einer Maske versteckte, die er in den letzen Welten seit Acid Tokyo nur abgesetzt hatte, um den Krieger zu schneiden und ihm zu zeigen, wie sehr er ihm sein eigenmächtiges Handeln, gegen seinen ausdrücklichen Wunsch, vorwarf? Nein, dafür lohnte es sich ganz sicher nicht, einen Menschen zu beschützen. Ob er jemals eine Antwort darauf bekommen würde? „Mokona? Erinnerst du dich an das ’Vergiss-mein-nicht’ im Garten?“ Das Manyuu nickte schnell. „Würdest du es für mich pflücken? Wir können es Kurogane ans Bett stellen. Vielleicht... es ist sicherlich keine schlechte Idee.“ „Nein, es ist eine gute Idee!“, Mokona sprang sofort los, ohne sich darüber den Kopf zu zerbrechen, dass es mitten in der Nacht war, und schweigend blickte der Magier ihm nach. Er war wirklich der Meinung, dass ein wenig Blumen hier im Zimmer nicht schaden konnten. Sie würden die bedrückende Atmosphäre etwas auflockern, und vielleicht half der Geruch dem Bewusstlosen, ins Leben zurück zu finden. Aber es hatte auch einen anderen Grund, dass Fay das Zauberwesen weggeschickt hatte. Er wollte ein paar Minuten mit dem schwarzhaarigen Mann allein. Behutsam strich er über Kuroganes gesunde Schulter, bevor er ein wenig neben dem Futon nach unten rutschte, um sich hinlegen und seinen Kopf auf ihr betten zu können. Nur für ein paar Minuten seinen Herzschlag hören, damit der Magier die Gewissheit hatte, dass der andere Mann wirklich noch lebte. Der ruhige und doch kräftige Rhythmus war angenehm und half Fay sich zu entspannen. Kurogane war am Leben. Und es ging ihm nicht schlecht. „Du bist gemein... Wach endlich auf...“ Eine Träne perlte aus Fays Augenwinkel, als er seine Lider schloss, und versickerte in dem weichen Stoff des Yukatas, den der Krieger trug. „Kuro-sama...“ __ Als Mokona schließlich wiederkam, war der Blondschopf an der Seite seines Reisegefährten eingeschlafen. Leise stellte es die wenigen Stängel in eine kleine Vase, bevor es das Zimmer wieder verließ, um bei Sakura zu schlafen. __ Traurig betrachtet Fay die grazile Pflanze, die ihre kleinen Köpfchen hängen ließ. Es war nun schon drei Tage her, das Mokona sie hier bei Kurogane ins Zimmer gestellt hatte. Drei Tage, in denen Kurogane sich nicht gerührt und kein Lebenszeichen von sich gegeben hatte. Zwar war er nicht tot, aber nach wie vor auch nicht richtig am Leben. Hätte er sie doch nur nicht gepflückt und in eine Vase gestellt, das war ihr Todesurteil gewesen. Hätte er sie im Garten stehen lassen, hätte er sie Kurogane zeigen können, sobald dieser Aufgewacht war. Wenn er denn aufwachte... Irgendwann. Ein Schniefen entrang sich dem blonden Mann. Tapfer zwang er sich, die Tränen zurückzuhalten. Er hatte in letzter Zeit so viel geweint, war so sentimental gewesen, dass ihn selbst das Verwelken des ’Vergiss-mein-nicht’ traurig machte. „Fay-san, ist alles in Ordnung?“ Tomoyo-hime, die mit ihm am Bett des verletzten Schwertkämpfers gewacht hatte, blickte ihn besorgt an, aber Fay schüttelte mit einem entschuldigenden Lächeln den Kopf. „Es ist nichts, verzeiht...“ Doch dem klugen Mädchen war nicht entgangen, worauf sein kummervoller Blick in den letzten Minuten geruht hatte und griff nach der kleinen, gläsernen Vase, in der die Blumen die letzten Tage verbracht hatten und langsam gewelkt waren. Der Magier lächelte dünn. „Ich wollte sie Kurogane zeigen, Weil... ich weiß nicht… es erschein mir wichtig. Richtig.“ Niedergeschlagen strich er sich das Haar aus der Stirn. „Aber nun sind sie fast verblühte, ohne dass er... dass ich... entschuldigt.“ Seine sonst so gefasste Stimme brach zum ersten Mal seit Tagen in Tomoyos Gegenwart, und Fay starrte hilflos auf seine Knie, während die ersten Tränen seine Wangen hinabrannen und auf den Stoff seines Yukatas tropften. Er weinte nicht nur um die Pflanze, die ein frühzeitiges Ende fand, sondern auch und vor allem um Kurogane, dessen Zustand schon seit einigen Tagen konstant blieb. Nicht mehr in Lebensgefahr, aber auch nicht am leben... Und das nur wegen ihm! Was hatte er dem Ninja nur angetan? „Fay-san...“ Beruhigend legte ihm die junge Prinzessin eine Hand auf die Schulter, und der Blondschopf zwang sich, sich zusammenzureißen, und strich sich mit dem Ärmel über die vom weinen geröteten Augen. „Es tut mir leid. Ich wollte nicht so tief sinken...“ „Nein, es ist in Ordnung. Es braucht Stärke, um seine Trauer zu zeigen.“ Dankbar nickte er dem dunkelhaarigen Mädchen zu. Ihre Worte gaben ihm etwas Sicherheit, genug, um den Tränen endlich Einhalt zu gebieten. Tomoyo nickte ihm zu und lächelte. „Schau.“ Während sie die Glasvase mit der einen Hand festhielt, strichen die Fingerspitzen ihrer anderen über die hängenden Blüten, wobei sie einige Worte murmelte. Eine nach der anderen leuchteten die blassblauen Blumen auf, bis die ganze Pflanze in einen sanften Schein getaucht war und sich langsam wieder zu ihrer gesunden Größe aufrichtete. Fay musste mehrmals blinzeln, bis er seiner trügerischen Wahrnehmung wirklich glaubte. „Was...? Aber warum?“ „Ich habe ihre Zeit eingefroren. Einen Tag nach Kuroganes erwachen wird sie verblühen. Sorgt bis dahin gut für sie.“ Mit diesen Worten und indem sie dem Magier die Blume in die Hand gab, erhob sich die japanische Prinzessin und verließ nach einem letzten, sanften Blick das kleine Zimmer, ließ Fay allein mit dem geschwächten Krieger und dem Glanz der verzauberten Pflanze. Allein mit seinen Gedanken. In dieser Nacht fand Fay keinen Schlaf, dennoch spendete ihm das ’Vergiss-mein-nicht’ Trost und Kraft. __ „Damit hab ich es dir zurückgezahlt, Kuro-sama.“ __ Am Nachmittag des Tages, an dem Kurogane zu sich gekommen war, hatte Fay endlich etwas Zeit, die er mit dem Ninja allein verbringen konnte. Der Schwarzhaarige war entgegen der Empfehlung der Ärzte, im Schloss herumspaziert und musste sich nun ausruhen. Denn auch wenn Kurogane das nie zugeben würde, dieser kleine Ausflug hatte ihn sehr viel Kraft gekostet. „Nach so einer langen Bewusstlosigkeit und einem hohen Blutverlust, sollte man es halt doch nicht übertrieben.“, wies der Magier den anderen Mann zum wiederholten Male zurecht, während er neben dem Futon des Ninjas kniete und ihm einen Apfel schälte. „Auch nicht, wenn man Kuro-sama heißt.“ „Tz. So heiße ich aber nicht.“ Kuroganes Stimme klang nach der langen Zeit des Schlafens ein wenig kratzig, aber der genervte Unterton war unverkennbar der selbe, und Fay lächelte leicht. „Wie du meinst. Hier. Sei brav und iss, das ist gesund.“ Mit einem Grummeln nahm der Krieger das Apfelstück entgegen, war aber vernünftig und aß es schweigend. Der Blondschopf begnügte sich damit, ihm gelegentlich ein neues Stück zu reichen, derweil selbst an einem knabbernd, während er die prüfenden Blicke seines Gegenübers gekonnt ignorierte. Bald würde die Sprache auf das Thema Blut und Hunger kommen, aber noch schwieg Kurogane. Fay hätte von ihm auch kein Blut akzeptiert bevor es ihm nicht besser ging. „Wieso steht das Ding eigentlich hier?“ Als der Schwertkämpfer mit einer wegwerfenden Geste auf das sanft glimmende ’Vergiss-mein-nicht’ wies, wurde Fay aus seinen Überlegungen gerissen, und blinzelte überrascht. „Hä?“, erwiderte er nicht besonders stilvoll. Kurogane rollte mit den Augen. „Tomoyo meinte, ich soll dich danach fragen, du könntest es mir besser erklären als sie. Also?“ Verlegen blickt der junge Vampir auf seine Hände, die er in seinem Schoß gefaltet hatte. Dass Kurogane die Pflanze nicht entging, war ihm klar gewesen, aber das er so direkt danach fragte... normalerweise nahm der Ninja solche Dinge doch einfach hin, ohne den Grund erfahren zu wollen. „Naja... ich hab sie gefunden... ich wollte, dass du sie siehst...“ Verunsichert schaute er unter seinem Pony hervor zu Kurogane, dessen Blick auf die kleine Blume gerichtet war. „Weißt du, was sie bedeutet?“, wollte er schließlich wissen, indem er sich Fay wieder zuwand. „Mokona sagte, es ist ein ’Vergiss-mein-nicht’... also...“ „Ja. Und es gibt keinen Grund, sie hier herzustellen.“ Verwirrt blickte Fay seinen Gegenüber an, der sich mit etwas Mühe aufgesetzt hatte. Er wusste nichts mit den Worten anzufangen. So ruhig, wie Kurogane sie ausgesprochen hatte, klang es nicht danach, als würde er die Pflanze nicht mögen, aber aus welchem Grund würde er so etwas sonst sagen? „Wie meinst du das?“, rang sich Fay schließlich zu der Frage durch, unsicher, ob er die Antwort überhaupt hören wollte. „Ich hatte nicht vor, dich zu vergessen.“ Wieso musste Kurogane so etwas sagen? Es warf nur noch mehr Fragen auf. Konnte der Ninja nicht endlich einmal Klartext reden? Ihn nicht vergessen... weil er es nicht wollte? Oder weil er es nicht konnte, weil Fay ein so schlechter Mensch war, dass man ihn nie wieder aus seinem Gedächtnis löschen konnte, egal, wie sehr man es auch versuchte? Aber statt ein weiteres Mal nachzufragen, beließ es Fay dabei. Er würde sich niemals trauen, diese Fragen zu stellen, zu groß war die Angst, dass Kurogane ihm seine selbstverhassten Gedanken bestätigte. „Es tut mir leid.“ Mit diesen Worten erhob sich der blonde Magier und griff nach der Blumenvase. „Ich werd sie wegwerfen. Morgen früh ist sie sowieso verblüht.“ Aber noch bevor er den Satz ganz beendet hatte, schlossen sich Kuroganes Finger um sein Handgelenk, und hielten ihn zurück, machten die Flucht unmöglich. „Lass sie stehen.“ Schweigend stellte Fay das ’Vergiss-mein-nicht’ zurück, bevor er das Zimmer verließ. Am nächsten Morgen war es verblüht. __ Die darauf folgenden Tage sprachen er und Kurogane nicht viel miteinander. Der Ninja war damit beschäftigt, wieder gesund zu werden und sich mit Leuten aus seiner Heimat, die er schon vor der Reise gekannt hatte, zu unterhalten. Fay wollte da nicht stören. Er gehörte einfach nicht hier her, und würde nur im Weg herumstehen.. Während Syaoran bei seiner Prinzessin war, und Mokona durchs Schloss tollte, blieb der Magier die meiste Zeit allein in seinem Zimmer oder lief ziellos durch die Festung, ging jedem aus dem Weg. Manchmal, wenn er in Kuroganes Nähe war, hatte er das Gefühl, der Krieger wollte mit ihm sprechen und ihn am Gehen hindern, aber er floh schneller, bevor es dazu kam. Fay hatte Angst. Er wollte Kurogane vertrauen und bei ihm sein, aber er konnte sich nicht vorstellen, dass dieser das auch wollte, deswegen lief er vor dem schwarzhaarigen Mann davon. Aber schließlich bekam Kurogane ihn doch zu fassen. „Was soll das, Idiot. Warum rennst du vor mir weg?“ In die Enge getrieben in seinem eigenen Zimmer wich Fay gegen die Wand zurück, und versuchte es mit einem Lächeln, was ihm aber alles andere als gelang. „Hey, Kuro-sama...“ „Beantworte meine Frage!” „Du hast dir das bestimmt eingebildet. Wieso sollte ich vor dir weglaufen?“ Kurogane knirschte genervt mit den Zähnen, und der Magier sah ihn schon explodieren, aber stattdessen atmete er einmal tief durch, und blickte dem Blondschopf dann direkt in die Augen. „Erinnerst du dich an die Blume?“ „Das ’Vergiss-mein-nicht?“ Der Ninja nickte. „Als ich aufgewacht bin, war es das erste, was ich bemerkt habe. Und ich wusste sofort, dass es von dir war.“ Fay schluckte. „Und dann hast du es nicht sofort weggeworfen?“ „Trottel. Warum sollte ich?“ Kurogane lächelte schwach, was die Worte viel weniger wie eine Beleidigung klingen ließ und Fay verwirrte. „Aber...“ Die Worte wurden ihm abrupt unterbrochen, als Kurogane sich vorbeugte und ihre Lippen für einen kleinen, sanften Kuss aneinander schmiegte. Augenblicklich schoss dem Blondschopf das Blut ins Gesicht, aber er wich nicht zurück. Es tat viel zu gut, die rauen Lippen an seinen zu spüren. Er hatte es sich so oft gewünscht. Und sich jedes Mal für seine eigene Torheit gescholten. Aber Kurogane küsste ihn wirklich. Als sich der Krieger schließlich wieder löste, war Fay ganz wackelig auf den Beinen, und hielt sich unsicher an seinem Gegenüber fest. „Wieso sollte ich ein Geschenk von dir wegwerfen?“ Allein der sanfte Klang, der in Kuroganes Stimme mitschwang, ließ ihn ganz weiche Knie bekommen. Als der Schwertkämpfer ihn erneut küsste, legte Fay ihm die Arme um den Hals und ließ sich widerstandslos zu seinem Futon dirigieren. Es war unglaublich, wie sanft Kurogane war. Seine Küsse auf Fays heißer Haut, die er kribbelnd spüren konnte, seine sanften Finger überall auf dem schlanken Körper. Die Liebkosungen, die erst zärtlich und dann leidenschaftlich waren... Niemand störte sie Und als Fay schließlich im Schein des Mondes in Kuroganes Umarmung einschief, war er zum ersten mal seit Ewigkeiten wieder wirklich glücklich. __ ’Komm mit, ich zeig dir etwas Schönes.’ Als Kurogane das mit einem Lächeln auf den Lippen zu ihm gesagt und seine Hand genommen hatte, war Fay auf vieles gefasst gewesen. Aber das was er jetzt sah, überstieg seine kühnsten Erwartungen. Soweit das Auge reichte, erstreckte sich eine Wiese, übersäht mit kleinen blauen Blüten, die frei und unbekümmert ihre Köpfchen gen Himmel reckten und sich nicht an der Welt störten, die hektisch und laut an ihnen vorüberzog. Fay stockte der Atem. Automatisch festigte er seinen Griff um Kuroganes Finger, völlig gefesselt von diesem wunderschönen Anblick. Atemlos ließ er seinen Blick schweifen. „Das ist phantastisch, Kuro-sama!“ Der Ninja neben ihm lächelte sanft. Er wirkte ein wenig aus der Puste, immerhin waren sie ziemlich weit gelaufen, was in seiner Verfassung nicht gerade das Beste war, aber er hielt sich wacker auf den Beinen. Nur um Fay das hier zu zeigen, nahm er einen weiteren Tag Bettruhe in Kauf... als dem Magier das bewusst wurde, füllten sich seine Augen mit Tränen. „Danke, dass du mich hergebracht hast...“ „Weißt du, eine einzelne Blume vermag nicht viel zu bewegen, aber wenn es viele sind, dann hinterlassen sie einen Eindruck, und können vielleicht etwas in der Welt bewegen, wenn auch nur in einem einzigen, kurzen Augenblick.“ Kurogane ließ den Blick schweifen, sodass der Blondschopf es ihm nachtat, ergriffen von den ruhigen Worten. Es klang so schön, was der Krieger ihm da sagte „Und wir sind immerhin zu zweit...“ Zu zweit. Es fiel Fay schwer, auf die Verletzung zu achten, als er dem Mann neben sich, von seinen plötzlichen Gefühlen übermannt, um den Hals fiel. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)