Du und der Schnee von Yuku (Weihnachtsfanfiction Wettbewerb) ================================================================================ Kapitel 1: FIRST ---------------- Laut krachend fiel die dunkle Haustür zu. Ich zog scharf die Luft ein, richtete mich langsam wieder von der Erde auf, auf die mich mein Vater unsanft gestoßen hatte. Er hatte mich wirklich am Kragen gepackt, die Haustür aufgerissen und mich die Treppe hinunter auf den gepflasterten Gehweg vor dem Haus zum Gartentor geworfen. Meine Mutter hatte geweint – jedoch nicht meinetwegen. Kurz darauf ging die Tür wieder auf und mir flogen eine Jacke, mein Rucksack – den ich schon im Voraus gepackt hatte – gefolgt von meinen Schuhen entgegen. Die gepackte Tasche war mir schmerzhaft in die Bauchgegend geschmissen worden, die Schuhe hätten mich beinahe am Kopf getroffen. Nun waren sie mir ‚nur’ an den Arm geschmettert. „Verschwinde du widerlicher Bastard!“, war nun die aufgebrachte Stimme meines Vaters zu hören. Er hatte einen knallroten Kopf bekommen und die Wut flackerte deutlich in seinen Augen, den Hass und die plötzliche Verachtung konnte man fast noch deutlicher sehen. Es hört sich sicher komisch an, aber ich hatte meine Tasche bereits mit einer Vorahnung gepackt. Jedoch ist es immer noch etwas erschreckend, dass sich diese Ahnung wirklich bewahrheitet hat. Krachend schloss die Tür wieder, nachdem mein Vater mir noch einige unsittliche Beschimpfungen an den Kopf geworfen hatte. Eine Weile saß ich noch auf dem kalten Pflaster, außer Trotz und etwas Enttäuschung empfand ich nicht… Tatsache ist wohl, dass ich damit nur mich selbst anlog. Wer behauptet es wäre nicht schlimm von seiner Familie verstoßen zu werden; der hat so etwas noch nicht erlebt. Der Grund ist wohl noch einmal extra etwas ‚Besonderes’. Einige werden sich wohl fragen, was für ein Idiot ich sein muss, um meinen Eltern – vor allem meinem Vater – zu erzählen, dass ich… wie wollen wir es ausdrücken? – Sagen wir: vom anderen Ufer bin…? Es muss wohl unheimlich schmerzhaft für ihn sein, dass sein eigener Sohn auf Männer steht. Eigentlich hätte ich ahnen können, dass meine gesamte Verwandtschaft etwas gegen Homosexualität hat… Aber man kann’s ja mal versuchen… ganz, ganz schlechter Versuch, Axel! Das sagt man nämlich dann gleich am Thanks Giving, wo sowieso jedes Familienmitglied da ist… Wenn Blödheit schreien würde… dann wären meine Nachbarn damals wach gewesen und ich hätte zu meinem Elend dazu noch Halsschmerzen bekommen… Nach einer gefühlten Ewigkeit, die ich in Gedanken verbrachte, richtete ich mich doch endgültig auf, zog mir Schuhe und dann auch meine Jacke an. Ich schulterte meinen Rucksack, schritt dann durch das Gartentor auf die leere, verschneite Straße. Ich meine… sich wegen seiner sexuellen Orientierung rauswerfen lassen ist das eine, dann aber keinerlei Ideen für eine Bleibe haben, ein anderes- in diesem Fall viel größeres Problem. Gut, ich will nicht lange drum herum reden; ich fand eine halbwegs gemütliche Nische in einer Gasse. Dazu muss ich sagen, dass es nicht meine erste Nacht unter derart freiem Himmel war. Das letzte Mal hätte ich aber – im Gegensatz zu diesem Abend – getrost nach Hause gehen können, wenn ich nicht so stur und vollkommen in den altbekannten Liebeswahn eingepackt gewesen wäre. Damals – noch vor dem Geständnis gegenüber meiner Eltern – hatte ich vor der Tür meines damaligen Freundes übernachtet, da dieser mich – durch einen unbegründeten Streit – hinausgeworfen, also vor die Tür gesetzt hatte. Als er mich morgens fand, hatte er sich weinend entschuldigt. Wenn man sich jetzt wieder vor Augen führt, dass mein Ex wohl gerade mit seiner neuen Flamme beschäftigt war, brachte mir das in dieser dunklen Gasse reichlich wenig Trost und sich stattdessen irgendwie doch klar machen zu müssen, dass nun sicherlich überhaupt niemand um Meinetwillen trauerte oder sich Sorgen machte, sorgte auch nicht wirklich für bessere Laune. Ich seufzte leise, musste feststellen, dass mir mein ach so geliebter Schnee an diesem Abend zu weiß wurde, ich ihn mir am liebsten weggewünscht hätte. Sicher, eigentlich war es einfach unglaublich schwer zu verkraften, dass ich nun ganz auf mich allein gestellt war, aber für mich war der Schnee an allem Schuld und ich beschloss ihn zu hassen. Einige Tage – vielleicht sogar Wochen – schlief ich in kleinen Gassen oder auf Parkbänken. Wenn man ohne Job – früher hatte ich im Laden meines Vaters gearbeitet – und ohne wirklichen Tagesplan lebt, verliert man sein Zeitgefühl und irgendwann wird einem schleierhaft, warum genau man das ganze überhaupt noch macht… Man verliert einfach etwas den Mut. So ging es mir auch und ich glaube auch, dass ich dementsprechend aussah. Geld hatte ich noch welches – damit bin ich bis heute sparsam… Aber ich hatte auch immer Hunger. Zu meinem Elend kamen die sinkenden Temperaturen und der weiter fallende Schnee dazu. Tagsüber versuchte ich mich zu verstecken. Ich wollte nicht zu denen gehören, die Tag für Tag an den Fußgängerzonen lagerten und mit mitleidigem Blick und einem Plastikbecher in der Hand nach etwas Geld dursteten. Am Ende kauften sie sich davon womöglich auch noch Alkohol um ihre eigene elendige Wahrheit verdrängen zu können und um sich und die Sinne zu betäuben. Ich steh nicht so auf Alkohol – tat ich eigentlich noch nie, aber ich glaube bei der beißenden Kälte des Nachts wäre ein Gläschen zum Aufwärmen ganz gut gewesen… ich hatte nie eins. Aber das lag wohl meistens an mir selbst. Ich wollte mir einfach nicht diese Blöße geben. Außerdem fand ich es schon schlimm genug wie ich nach knapp zwei Wochen ohne Dusche aussah. Ich weiß nicht mehr genau an welchem Tag du mich gefunden hast. Aber damals kam ich mir unglaublich schmutzig und ganz und gar überhaupt nicht anziehend vor. Du dagegen sahst aus wie ein Engel – ein Engel mit kurzem blonden und total verwuschelten und irgendwie doch ordentlich aussehendem Haar. Ich erinnere mich heute noch wie gestern, wie du zu mir hinunter geschaut hast und mit leiser – eher zurückhaltender – Stimme feststelltest, dass ich anders war, als die anderen Obdachlosen. Dass du mich für keinen Penner hieltest. Dann hast du meinen Rucksack genommen und mir gesagt ich solle aufstehen. Du hast gegrinst als ich dich verwirrt ansah, doch als ich dann vor dir stand – fast einen Kopf größer – da hast du dich wieder in deinem grauen Wollschal versteckt, mir zugenuschelt, ich bräuchte unbedingt eine Dusche… und dann gingst du los – einfach so – und… wenn du nicht meinen Rucksack – das einzige, was ich in diesen eisigen und verschneiten Wochen noch hatte mein Besitz nennen können – wenn du ihn nicht wie selbstverständlich mitgetragen hättest… ich weiß nicht, ob ich dir dann wirklich gefolgt wäre. Erst ging ich dir etwas unsicher nach, nahm dann aber einen Schritt zu, griff nun nach meiner Tasche. Du bliebst stehen, sahst mich einen Moment an, dann begannst du zu lächeln und ich hatte das Gefühl als würde etwas in meinem Inneren explodieren; mein Bauch begann zu kribbeln und obwohl es mir so dreckig ging, breitete sich ein Lächeln auf meinem Gesicht aus. Du schwiegst den Rest des Weges, hieltest nur weiter meine Tasche um mich davon abzuhalten wieder meines Weges zu gehen. Knapp zehn Minuten später trat ich mit großen Augen in eine sehr schlichte, jedoch moderne Wohnung. Sie war nicht besonders groß, aber auch nicht klein. Ich mag die Wohnung immer noch sehr. Die Aufteilung ist einfach schön: von einem kleinen Flur mit dunklen Teppich, führt ein breiter Durchgang an einer schön aber schlicht dekorierten Ablage vorbei in eine Wohnküche. Die Küche mit rotbrauner Arbeitsplatte und hellen Fronten… Ich mag die Küche sehr. Auch hier hattest du nie sonderlich viel Deko, das was hier jedoch rum steht ist immer passend und farblich perfekt abgestimmt. Als ich die Küche das erste Mal betrat, habe ich mich gefragt, was du für ein Typ bist, da du definitiv Jünger als ich sein musstest… und trotzdem warst du unglaublich ordentlich. Nicht unangenehm reinlich, einfach ordentlich und na ja… irgendwie ‚stylisch’… Ich sah mich hier nicht sonderlich lange um, da schobst du mich bereits durch das gemütliche Wohnzimmer, an der hellen Fensterfront die zu einem Balkon führt, in einen weiteren – kurzen – Flur, bis vor eine weiße Tür, neben einem fast Wand hohen Spiegel, welche offensichtlich ins Bad führt. „Ich…“, gerade als ich endlich etwas sagen wollte, unterbrachst du mich auch gleich: “Du gehst jetzt erstmal duschen… Ich leg dir Sachen raus… tu deine einfach in den Wäschekorb. Die Sachen von meinem Bruder werden dir schon passen…“, du nicktest leicht, dann nahmst du mir meinen Rucksack weg, schubstest – immer noch sanft – nun leicht grinsend, ins Bad. Ich machte den Mund auf, aber ehe ich wirklich etwas sagen konnte, hattest du mir schon versichert, dass du nicht in meine Tasche schauen würdest, dann schobst du mich endgültig ins Badezimmer, schlossest die Tür vorsichtig. Eine ganze Weile bewegte ich mich nicht, sah einfach nur etwas verwirrt auf die weiße Tür vor mir. Dann jedoch begann ich leicht zu lächeln, drehte mich um. Deine Wohnung ist wirklich schön modern, mir kam es im ersten Moment wie im Traum vor, schließlich hatte ich Zimmer so wirklich nur im Möbelhaus gesehen. Mit großen Augen machte ich einige Schritte in den hellen Raum, sah mich einen Moment im Spiegel an, dann wünschte ich mir, ich hätte es nicht getan. Ich verstand dich plötzlich sehr, sehr, sehr gut… Seufzend – immer noch etwas unsicher in dem was ich tat – zog ich mich nun tatsächlich aus, griff nach einem großen roten Handtuch, welches ich zu Recht legte, dann in die Dusche stieg. Das erste, das mich durchfuhr, war ein angenehmer Schauer und ich schloss seufzend die Augen. Ich weiß nicht mehr, wie lange ich so verharrte, mir einfach das Wasser auf den Körper fließen ließ. Dann, als es klopfte und ich aufschrak, wurde mir klar, dass ich mich wohl beeilen sollte. „Die Sachen liegen vor der Tür!“, hörte ich deine Stimme, dann gingst du wieder. Ich griff nach einer der Shampooflaschen, seifte mich auch gleich ein, ehe ich nach weiteren – wenigen – Minuten fertig war. Ich schlüpfe schnell in das weiche Handtuch, trocknete mich ab, dann öffnete ich die Tür langsam. Den roten Stoff hatte ich mir um die Hüfte gebunden. Wo du dich dort gerade befandest wusste ich nicht, griff jedoch vorsichtig nach den mir fremden Sachen und meinem Rucksack. Sie passten wirklich. Erst als ich vollkommen fertig war, kam ich wieder hinaus. Ich hatte mir die Haare zu einem kurzen Zopf zusammen gebunden, folgte nun eher meiner Nase als den Augen. Letztendlich fand ich dich in einem der wenigen Räume wieder, die ich schon kannte: die Küche. Erst konnte ich meinen Augen, meinen Ohren, sowie der Nase nicht trauen. Du hattest wirklich etwas zu Essen gemacht… Du standest noch vor dem Herd, sahst somit nicht, wie ich unsicher zu dir trat. Als ich nun kurz hinter dir stand, bekamst du einen Schreck, drehtest dich schnell um, dann jedoch breitete sich ein Lächeln auf deinem schönen Gesicht aus. „So siehst du gleich viel besser aus… Ich hoffe du magst Spagetti!“, ich musste dir definitiv Recht geben… dann begannst du zu kichern, hängtest die orange Schürze, die du getragen hattest über einen Haken und brachtest einen der Töpfe zur Spüle, mich batest du die duftende Tomatensoße zum Tisch zu bringen. Kurz darauf aßen wir. Immer noch war ich etwas nervös, wusste nicht genau ob oder was ich sagen sollte. Du saßest schweigend gegenüber von mir, aßest ruhig, jedoch begannst du immer wieder zu Lächeln, wenn du meinem Blick begegnetest. Ich selbst wurde verlegen und sogar leicht rötlich im Gesicht. „Wie heißt du eigentlich…?“, ertönte deine Stimme nun wieder, nachdem du aufgegessen hattest. Ich ließ die Gabel sinken. „Axel, und du…?“ langsam sah ich wieder auf, in dein vergnügtes Gesicht. „Mein Name ist Roxas!“ Ich begann leicht zu nicken und du spieltest mit einigen deiner beinahe goldenen Strähnchen. „Roxas, also…“, wieder kichertest du. „Danke.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)