Fensterschreiben von Technomage (Every day is writing day) ================================================================================ Der alte Kreis (23.06.09) ------------------------- Ich trete ein und wie immer ist mein Platz am alten Rundtisch in der Nische frei. Der Tisch ist ein gewaltiges Etwas von einer Holzscheibe, vor langen Jahren geschnitten und mit meinem - unserem - Blut gebeizt und versiegelt. Ich trete an den Kreis und lege ab. Die altgedienten Trümmerpistolen aus den Innentaschen der Jacke, die glattgeschliffenen Messer von der Brust und die neusten Spielzeuge aus dem Gürtel - zu gut um schon gut in der Hand zu liegen - landen wie ein rasselnder Zaun auf dem Tisch, noch bevor ich mich setze. Doch keinem fällt es mehr auf. Da sitzt ein Mann zu meiner Linken, weiß und aufrecht, der seine verspiegelten Gläser niemals abnimmt. Er lehnt in seinem Stuhl, halb im Schatten, und poliert ein Messer, so groß wie seine Hände zusammen. Ich werde nicht erfahren, ob er mich unter den Spiegeln vor Augen ansieht, aber er wollte mir mal ein Ohr abbeißen, weil ich den Zweitagebart trage, den er nicht schafft sich wachsen zu lassen. Das musste was heißen. Der Mann zu meiner Rechten mutet nach einem kauzigen britischen Lord an, überlegt rasiert und am Steuer eines Fünfmasters würdevoll über jedes Heldentum erhaben. Er spricht nicht viel, doch irgendwo in der Admiralsjacke stecken sein heroischer Furor und ein langes Eisen, mit dem er dir in den Rücken schießen kann, wenn er will. Ich lag schon sturzbetrunken achtern auf Deck, während er auf der Brücke stand und in meinen Whiskytraum murmelte: "Wir sind zu nahe am Meer auf Sand gebaut, Piraten sind alles, was wir sein können." Weiter links sitzt ein Mann in der Runde, der schweigend eiserne Zahnstocher verbiegt und sie von sich wirft. Er grinst, als ob es etwas Urkomisches gäbe, wo immer sein Blick hinfällt. Das Lächeln der Loa. Ich höre er stammt aus einem alten Schamanengeschlecht und könnte hier die Puppen und ihre Ahnen tanzen lassen, aber er benimmt sich. Vielleicht uns zuliebe, vielleicht einfach nur, weil er es kann. Wenn er sich zum Licht dreht, kann ich das Schwert blitzen sehen, das über seinem Rücken hängt. Der lange Zahn einer garstigen Bestie, höre ich reden, scharf wie ein Skalpell und nicht halb so zerbrechlich. Tiefer im Kreis rechts sitzt die Frau. Es gibt immer eine Frau. Ihre schwarze Haut und die roten Lockengeflechte tanzen mir vor Augen, wenn sie anmutig den Kopf schüttelt und lacht. Irgendwo unter dem Farbentanz ist ein weißer Kern, doch ich kann nicht das Spiel ihrer Bewegungen nie durchschauen. Sie ist ein Alchemistin aus fernen Landen, weit übers Meer, und palmiert Feuer und Eis, wenn man kurz wegsieht. Eine kurzer Händedruck oder eine freundliche Umarmung sind mir nicht nur ins Gedächtnis eingebrannt. Am anderen Ende des Kreises, sitzt der letzte Mann, ein junger Zigeunerkönig und ich kann ihn ununterbrochen reden hören, doch seine Stimme liegt irgendwo unter seiner Jugend begraben. Sein Flickenmantel ist voller geladener Waffen und noch einem Dutzend klirrender Degen, die er herausschleudern und aufs Spiel setzen könnte, wenn ihm danach wäre. Eine Ungewissheit irgendwo zwischen seinen Talismanen ewig jung gehalten und dem Weg hinauf zu den großen alten Romagöttern, kostet ihn alles, was er verlieren kann, weil es ihm nichts wert ist. Ich könnte erzählen, was wir dort redeten, doch es ist bereits alles gesagt worden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)