You are my Enemy - for eternity von JunAkera ================================================================================ Kapitel 2: Das Training beginnt ------------------------------- „Also, ich werd dann mal gehen…“ Schnell entfernte Misty die rote Kellnerschürze von ihrer Taille und schmiss sie etwas grob über den Hacken zu den anderen Schürzen ihrer Kollegen. „Ich wünsch dir einen schönen Abend, Misty!“ klang es aus der Küche neben einigen anderen küchenüblichen Geräuschen. „Ja, dir auch einen schönen Abend, Jake!“ rief Misty zurück und lief schnell wieder aus dem Kämmerchen hinter das Tressen. Schnell zog sie die große Geldbörse des Diners hervor und sortierte schnell das Geld in die Kasse. „Heute war wirklich nicht viel los…,“ seufzte Misty und steckte sich ihre 2 Dollar Trinkgeld in die Hosentasche. „Morgen wird es besser…“ Cathy rührte gerade einen Cappuccino an, lächelte kurz aber Misty an. „Ja, hoffentlich…“ Misty legte die Börse neben die Kasse und schnappte sich ihr leichtes Jäckchen: „Also, bis morgen Cathy! Wünsch dir auch einen schönen Abend!“ Schneller als Cathy antworten konnte, war Misty auch schon aus dem Diner gesprungen. Sie war ziemlich nervös… Sie wusste überhaupt nicht was sie gleich erwarten würde… Würde sie mit Professor Eich trainieren? Waren noch andere „Neue“ dabei? Sie wusste nur, dass der Professor sie bald zuhause abholen wird. Mehr hatte er ihr nicht verraten. Nein… Sie war sich lange nicht sicher ob sie dieser Aufgabe wirklich gewachsen war. Sie hatte sich spontan dazu entschlossen, diese Herausforderung anzunehmen. Aber was war wenn Gary recht hatte? Und sie es besser gelassen hätten? Hatte sie eine Chance, jetzt noch einen Rückzieher zu machen? Aber wollte sie das überhaupt? Wollte sie diese Aufgabe doch nicht übernehmen? Irgendwie stellte sie es sich toll vor, ein wichtiger Teil dieser Stadt zu sein und diese auch zu beschützen. Sie fühlte sich geehrt, dass ausgerechnet sie dazu ausgewählt wurde – das stand außer Frage. Aber sie fragte sich ernsthaft, ob sie den Mut aufbringen könnte einem echten Vampir gegenüber zu stehen. Sie lebte in einer Welt, in der Vampire dazu gehörten. Sie waren ihre natürlichen Feinde… Aber Misty war niemals auf die Idee gekommen, selbst gegen diese Vampire zu kämpfen… Das junge Mädchen hatte immer gewusst dass es Menschen gab, die die Stadt beschützten vor den Wesen der Nacht. Aber sie hatte es so selbstverständlich genommen – hatte niemals gedacht, dass es so einfache Menschen sind – wie sie selbst… „Ich bin wieder da!“ rief sie bereits als sie die Tür aufschloss und schnell in die warme Wohnstube huschte. Ihr Blick fiel sogleich auf die Uhr. Es war bereits halb zehn Uhr am Abend. In einer halben Stunde musste sie fertig sein. „Hey Misty…“ – „Hallo Gary! Na, wie war dein Tag? Gott – ich muss mich beeilen!“ Das Mädchen lief schnell an Gary vorbei, an den Kühlschrank und kramte sich einen Joghurt hervor. Sie lehnte sich gegen die Küchenzeile, während sie hastig anfing zu löffeln und blickte ihren besten Freund an. Er hatte heute Nachmittag nicht mehr viel dazu gesagt, als Misty ihre Entscheidung getroffen hatte. War er böse auf sie? Oder hatte er nur Angst? „Mies…!“ Seine Augen funkelten schon richtig und er verschränkte die Arme vor seinem Körper. „Oh…“ Misty legte den Kopf etwas schief, „wieso das denn?“ – „Wegen dir vielleicht?“ – „Wieso? Ich hab dir überhaupt nichts gemacht!“ Gary war also wirklich sauer… „Mir vielleicht nicht – aber dir vielleicht schon bald!“ Er kam auf sie zu und schaute sie mit scharfem Blick an: „Wie konntest du ‚ja’ sagen, Misty? Weißt du wie gefährlich das ist? Das ist kein Spiel!“ Misty schlug seufzend die Augen nieder und kratzte den letzten Rest des Joghurts auf den Löffel: „Das weiß ich. Ich bin mir dessen voll bewusst!“ – „Und wieso tust du es dann, verdammt noch mal?“ Sie schrak zurück. Gary war vollends auf sie zugekommen. Seine Hände lagen nun links und rechts von ihrem Körper auf der Küchenzeile. Misty war es eigentlich gewohnt seine Nähe zu spüren, oft lagen sie zusammen gekuschelt auf dem Sofa… Aber dieses Mal war anders. Gary war anders. Er war so bestimmend. Er wollte sie wirklich daran hindern, diese Verantwortung zu übernehmen. „Lass mich Gary!“ Ihre Hand schloss sich etwas grob um seinen Oberarm und versuchte ihn wegzudrücken. Doch er ließ es nicht so einfach zu: „Bitte Misty, überleg es dir noch mal!“ „Hey Leute!“ lachend stürmte Maike in die Stube, blieb aber sogleich wie angewurzelt stehen, als sie die Beiden erblickte. Misty schaute kurz zu ihr und lächelte sie nur beruhigend an, Gary nahm keine Notiz von dem braunhaarigen Mädchen. Dieser blickte weiterhin Misty mit funkelnden Augen an. „I-ich will nur was zu knabbern holen…“ Schnell huschte Maike zum Vorratsschrank und kramte darin herum. Misty blickte Gary wieder direkt in die braunen Augen und hielt seinem Blick stand: „Ich habe mich entschieden, Gary, und ich werde meine Entscheidung nicht rückgängig machen!“ Abermals versuchte sie ihn wegzudrücken. „Und jetzt lass mich! In zwanzig Minuten kommt dein Großvater um mich abzuholen!“ – „Ich lass nicht zu, dass du diesen Wesen gegenüber stehst!“ – „DAS hast DU nicht zu bestimmen, Gary!“ Mistys Stimme war lauter geworden, als sie es eigentlich wollte und im nächsten Moment tat es ihr schon wieder leid. „Aber… was ist wenn du verletzt wirst? Hast du schon mal daran gedacht? Du willst Verantwortung übernehmen – schön und gut – dann mach ein Praktikum bei der örtlichen Polizei!“ Misty zog eine Augenbraue hoch und starrte Gary ungläubig an: „Das meinst du jetzt aber nicht ernst, oder?“ Ihre herablassende Haltung ließ ihren besten Freund nur noch angespannter werden. Maike hielt die Kartoffelchipspackung fest in den Händen und wollte versuchen die Beiden so gut es ging zu ignorieren. Doch als sie an den Beiden vorbei lief, erschrak sie beinah durch Garys angespannten Blick, schmiss die Packung etwas unsanft auf den Tisch und legte bestimmt ihre Hand auf seine Schulter: „Gary, hör auf!“ Dieser zuckte zurück, als Maike sich auch noch auf Mistys Seite schlug und er schaute sie streng an. Doch in diesem Moment stieß Misty seinen Arm beiseite und verschwand schnell in ihrem Zimmer: „Diesmal nicht, Gary!“ Dieser schaute ihr nur nach und seufzte. „Du kannst sie nicht immer beschützen, Gary,“ Abermals zuckte er zurück, als er Maikes Stimme direkt hinter sich hörte, „Sie ist nicht mehr das kleine Mädchen, das beschützt werden muss. Lass sie ihren eigenen Weg gehen!“ Gary drehte sich von Maike weg und griff sich seinen Notizblock, der ebenfalls auf dem Tisch gelegen hatte: „Das sagt sich so einfach!“ Mit schnellen Schritten lief er in sein Zimmer und schmiss die Tür mit einem lauten Knall hinter sich zu. „Ich schwöre dir, morgen wirst du alle deine Muskeln und Gelenke spüren!“ – „Mach ihr nicht gleich Angst, Bianca!“ David schüttelte den Kopf und im nächsten Moment kassierte er von Bianca einen leichten Hieb in die Rippen. „Lass mich doch…“ Misty lachte auf. So lustig hatte sie sich das Training nicht vorgestellt. Sie hatte sich alles mögliche vorgestellt, aber dass sie gleich mit drei erfahrenen Vampirjägern trainieren durfte, übertraf ihre Erwartungen! „Keine Angst, David, das Training allein macht mir noch überhaupt keine Angst…“ Stefanie legte freundschaftlich den Arm um Mistys Schultern. Misty musste zu ihr aufsehen. Sie war eine wirklich große Frau, hatte kurzes braunes Haar und grüne Augen, aber ein sehr nettes Lächeln. „Wenn du weiter so gut trainierst wie du es heute gemacht hast, dann bräuchtest du überhaupt keine Angst zu haben… Du bist wirklich sehr sportlich und talentiert! Ich bin beeindruckt!“ Sie wandte sich an Professor Eich, der neben den vier Jägern herlief: „Wenn alle ‚Neuen’ so sind wie unsere Misty müssen sich die Vampire wirklich in Acht nehmen!“ Der Professor lachte auf, wandte sich dann aber an das neueste Mitglied: „Aber Stefanie hat recht. Du hast wirklich tolle Arbeit geleistet! Du hast die grundlegenden Angriffstechniken wirklich sehr schnell begriffen. Mit ein bisschen Praxis wirst du schon bald David in die Flucht schlagen können!“ Der angesprochene Vampirjäger schaute grinsend zu dem orangehaarigen Mädchen: „Von wegen! Glaub nicht mal daran mir den Rang zu klauen!“ Er war circa zehn Zentimeter kleiner als Stefanie, also nicht so arg viel größer als sie selbst, aber sie hatte bereits an diesem ersten Trainingsabend erkannt, dass er ein sehr guter Kämpfer und vor allem sehr schnell war. Wenn er anfing zu rennen, dann blieben Stefanie und Bianca weit zurück… Aber auch er war ein sehr netter Typ, der vor allem in der Theorie auch punkten konnte. Er konnte in wenigen Sekunden alle Methoden nennen, die es gab um Vampire den schnellen Tod zu bereiten. „Keine Angst – ich bin nicht interessiert irgendjemandem den Rang zu klauen! Ich will einfach meiner Stadt helfen, mehr nicht…“ – „Ein sehr feiner Zug, Misty!“ Der Professor beobachtete die vier Vampirjäger mit Freude. Er war sehr froh, dass Misty so gut in die Gemeinschaft aufgenommen wurde. Und noch mehr Freude bereitete es ihm, ihr endlich eine richtige Aufgabe vermittelt zu haben. Er wusste, dass der Kellnerjob Misty nicht auslastete und war sich sicher, dass sie dieser Verantwortung total gerecht werden würde. „Wie lange wird mein Training eigentlich gehen, bevor ich das erste Mal richtig auf Jagd gehen werde?“ Misty brannte diese Frage schon die ganze Zeit auf der Seele, endlich konnte sie sie stellen. „Wenn du so weiter machst wie heute dürfte es nicht lange dauern…“ Stefanie schaute gen Himmel, dann zu Professor Eich, „Was meinen Sie?“ Dieser nickte Misty zustimmend zu: „Es kommt auf jeden Fall auf dein Training an. Bevor du richtig auf Jagd gehen wirst, wirst du ein paar mal mit unseren drei erfahrenen Jägern auf Jagd gehen um sie zu studieren, wie sie bei Anwesendheit von richtigen Vampiren agieren.“ Misty nickte zaghaft und ihr Herzschlag verdoppelte sich. Auf die Jagd… wie sich das anhörte… „Dir wird außerdem ein Partner zur Seite gestellt, mit dem du ab und zu jagen gehen wirst. Damit nicht alles allein auf deinen Schultern lastet!“ Ein Partner? Misty war gespannt. Würde sie vielleicht David, Bianca oder Stefanie als Partner bekommen? Sie schaute die drei erfahrenen Jäger an und der Professor lächelte sanft: „Dein Partner wird wahrscheinlich Bianca werden!“ Ein kleiner Jubelschrei ertönte und im nächsten Moment hatte sich Mistys zukünftige Partnerin an David vorbeigedrückt und umarmte diese sanft: „Wir werden sicher toll miteinander auskommen, Misty! Ich freu mich, dass wir ein Team bilden!“ Misty wusste nicht genau was sie sagen sollte. So viel Herzlichkeit hatte sie wirklich überhaupt nicht erwartet, aber sie legte ebenfalls ihren Arm um die schlanke, dunkelblonde Frau und fühlte sich wirklich glücklich zu so einer wichtigen Gemeinschaft zu gehören. „Ich bin wieder zuhause!“ Schnell schloss Misty hinter sich die Tür. „Ah…“ Kurz kniff sie die Augen zusammen und drückte einige Male ihren linken Unterarm. Ja, Bianca hatte recht. Sie spürte sogar jetzt schon langsam den Muskelkater in ihren Gliedern. Das würde spaßig werden… Aber sie bereute es nicht! Ganz im Gegenteil - die Übungen waren ihr relativ leicht gefallen und sie hatte sie schnell begriffen. Irgendwie, ja, irgendwie freute sie sich schon darauf, das erste Mal auf die „Jagd“ zu gehen. Auch wenn ihr dieser Gedanke leichte Gänsehaut bescherte. „Und wie war dein Training?“ Maike schaute kurz interessiert zu ihr herüber, bevor sie sich dann wieder über ihre Notizen beugte. Die Angesprochene zog gerade ihre Schuhe aus und ließ schnell ihren Blick durch die Küche schweifen. Drew und Maike saßen alleine in der Küche am Tisch und lernten. „Wo ist Gary?“ Im nächsten Augenblick schauten Beide das orangehaarige Mädchen an. „Kannst du dir das nicht denken?“ fragte Drew vorwurfsvoll. Unsanft bekam er einen Seitenhieb von seiner Freundin verpasst: „Hör auf, Drew!“ Misty stand am Küchenfenster und schaute schuldbewusst hinaus, während sie sich aus der Obstschale bediente. „Er ist in seinem Zimmer…“ meinte Maike sanft und beobachtete ihre Freundin besorgt, „Mach dir keine Sorgen. Gary beruhigt sich schon wieder…“ – „Ja, vielleicht hast du recht…“ Misty seufzte aus und schloss kurz die Augen, ging dann mit einem Ruck zum Tisch und setzte sich ebenfalls hin und biss in ihren Apfel. Nach einer kurzen Stille, in der man nur das Kratzen von Drews Kugelschreiber hörte, atmete Misty nochmals tief aus: „Wieso kann er nicht verstehen, dass ich das machen will?“ Maike ließ ihren Stift auf den Tisch sinken: „Er hat einfach nur Angst, dass dir was zustoßen könnte! Und ehrlich gesagt… ich kann ihn schon verstehen!“ – „Aber der Professor hätte mich nicht ausgewählt, wenn er sich nicht sicher gewesen wäre, dass ich das schaffe!“ Starr blickte Misty in die Augen ihrer braunhaarigen Freundin: „Mir geschieht nichts!“ – „Dein Wort in Gottes Ohr…“ flüsterte Maike leise und beobachtete, wie Misty ihren Apfel in den Händen drehte, „Vampire sind gefährlich!“ Misty versuchte es sich nicht anmerken zu lassen, dass die Worte ihrer Freundin sie schon trafen. Glaubte sie etwa, dass Misty sich darüber nicht auch schon Gedanken gemacht hatte? Sie stand auf und kehrte ihren Freunden am Tisch den Rücken zu: „Ich werd schlafen gehen… Es war ein anstrengender Tag…“ „Gute Nacht – Misty!“ Schnell lief das Mädchen in ihr Zimmer und warf die Tür zu. In ihr staute sich plötzlich unglaubliche Wut. Irgendwie waren alle ihre Freunde dagegen… Nur weil es eben Vampire waren? Sie wird doch ausgebildet werden! Sie wird wissen wie sie richtig diesen Wesen gegenüber treten muss – und sie wird es schaffen. Sie wird es noch allen beweisen! Immer noch wütend zog sie sich ihr Shirt über den Kopf und schlüpfte schnell in ein Big-Shirt, das sie aus dem Schrank zog. „Wieso können die sich nicht freuen, dass ich die Ehre habe dazuzugehören?“ Mit einem Schwung warf sie den restlichen Apfel in ihren Müllkorb. Ein unangenehmes Kribbeln, eine Ungeduld breitete sich in ihrem Körper aus. Wie lange würde es dauern, bis ihre Freunde ihre Entscheidung akzeptierten und sich wirklich mit ihr freuen könnten? Rücklings ließ sie sich auf ihr Bett fallen und starrte an die weiße Decke, die nur durch die schwachen Straßenlaternen von draußen beleuchtet wurde. Sie war immer noch viel zu aufgewühlt als dass sie jetzt schlafen könnte. Ihre Finger juckten wie verrückt vor Aufregung und in ihrem Kopf drehte sich alles. Zu viele Ereignisse, die heute geschehen waren, spukten ihr im Kopf herum, bis sie einige Geräusche aus der Küche vernahm. Ihr Blick löste sich nicht von der Decke, aber sie hörte, dass eine Tür geöffnet und geschlossen wurde. Es musste die zu Garys Zimmer sein, sein Zimmer lag direkt neben ihrem. „Ist sie schon zurück?“ – „Ja, sie ist gleich schlafen gegangen…“ – „Achso…“ Misty schloss ihre Augen. Wie lange musste sie warten, bis ihr bester Freund akzeptierte, dass sie es wirklich wollte? Plötzlich spürte sie wie erschöpft sie wirklich vom Training war. Es hatte sie wirklich viel Power und Kraft gekostet und der Tag an sich war schon aufreibend genug gewesen. Sie hatte nur noch die Kraft, die Bettdecke über sich zu ziehen und schon spürte sie, wie sie langsam einschlief. Als sie ihre Augen wieder aufschlug, hatte sie das Gefühl sie würde ein Deja-Vu erleben… Der dichte, schwarze Nebel beeinträchtige ihre Sehkraft. Der Waldboden war kalt. Nanu? Sie lag auf dem Boden, zusammengekrümmt, wie als würde sie noch schlafen… Schnell sprang sie auf und wünschte sich im nächsten Moment, sie wäre langsamer aufgestanden. Dieser Muskelkater! Doch sie hatte keine Zeit sich darüber Gedanken zu machen – ihr gegenüber stand wieder der mysteriöse Fremde – der Mann aus ihrem Traum letzte Nacht. Sofort schämte sie sich dafür, was in der letzten Nacht geschehen war. Wie angezogen sie von diesen Augen war, wie sie nicht widerstehen konnte, als dieser geheimnisvolle Mann sie geküsst hat. Bei dem Gedanken an dieses Erlebnis spürte sie einen anhaltenden Schauer, der ihr über den Rücken glitt – wie als würde jemand ganz sanft über diesen streichen. Ein kleiner Windhauch kam auf und wehte den schwarzen Umhang, der über dessen Schultern lag, sanft zu ihr herüber und sie musste kurz die Augen schließen, als dieser süße, unglaublich betörende Duft von ihrem Gegenüber zu ihr herüber wehte. Misty konnte die einzelnen Duftnoten nicht zuordnen – vor allem nicht in diesem Moment, aber dass dieser Duft ihre Sinne berührte, das verstand sie im gleichen Moment. Wer war das nur? Als sie ihre Augen öffnete hatte sie immer noch diesen Duft in der Nase, aber sie erschrak als sie sah, dass der Unbekannte näher gekommen war und nur noch einen Meter ungefähr von ihr entfernt stand. Eine ganze zeitlang standen sie sich einfach nur gegenüber und starrten sich in die Augen, bis es Misty klar wurde. „Du… du…“ Ihre Stimme klang wieder ganz hell und unsicher. Aber sie war sich nun im Klaren, wen sie vor sich hatte. Sie hatte Recht behalten – solche Augen hatte kein normaler Mensch… Ihr Körper begann zu zittern – hatte sie wirklich recht? Aber es musste so sein… Diese unglaublichen Augen – die kalkweiße und eiskalte Haut – diese elegante Haltung – der betörende Duft. Ihr Gegenüber war kein normaler Mensch. Alles deutete darauf hin – alles bewahrheitete sich, was der Professor ihr noch vorhin erzählt hatte. Ein Vampir! Ihr Gegenüber war ein Vampir! Plötzlich widerte sie alles nur noch an! Sie verzog das Gesicht und trat einige Schritte zurück. Dass dieser junge Mann ein Vampir war, daran hatte sie noch überhaupt nicht gedacht. ‚Das ist doch so offensichtlich! Wieso hab ich das nicht gleich erkannt?’ fragte sich das Mädchen in Gedanken, ließ den schwarzhaarigen Blutsauger nicht aus den Augen. ‚Lass mich aufwachen! Ich will diesen Traum nicht!!’ Ihr Herz pochte wie verrückt und sie wünschte sich nichts sehnlicher als dass dieser Traum verschwinden würde! „Was willst du von mir? Geh weg!“ Ihre Stimme klang laut und barsch – ganz im Gegensatz zu der letzten Nacht, als sie so gefangen von seinen Augen war. Sie konnte widerstehen! Sie war eine Vampirjägerin! Und wenn es in ihrem Traum ein Vampir gab, dann würde sie halt in ihrem Traum das erste Mal einen Vampir töten! Ihr Gegenüber blieb ruhig, seine Miene veränderte sich nicht: „Du hast mich doch gerufen…“ Was für eine Frechheit zu behaupten sie hätte ihn gerufen! Niemals würde sie – eine Vampirjägerin – so ein Wesen der Nacht zu sich rufen. Oder würde sie? Vielleicht war gerade diese Begebenheit gut… War er ihr genauso verfallen wie sie ihm? NEIN! Schnell schüttelte sie diesen Gedanken von ihren Schultern – SIE WAR IHM NIEMALS VERFALLEN! Aber – sie könnte es ausnutzen, dass er hierhergekommen war – sie könnte ihn töten! Dann wäre es ihm nicht mehr möglich sie in ihren Träumen heimzusuchen! Nur wieso zitterte dann Mistys Hand wie Espenlaub bei diesem Gedanken? Wieso wollte ihr Körper diesen Gedanken verdrängen? Sie schrak auf als sie plötzlich kalte Arme um sich fühlte und die Hände des Vampirs sich auf ihren Rücken legten. Angewidert drehte sie ihren Kopf zur Seite und hoffte inständig, dass er gehen würde. Aber wieso fühlte sie sich so geborgen? Wieso wollte dieses Gefühl nicht verschwinden, dass sie zurückhielt ihn wegzustoßen? Sie hasste diese zwei Stimmen in sich, die so völlig verschiedenes sagten… Misty riss die Augen auf und erkannte nur noch wie das Gesicht des Vampirs immer näher kam. Oh nein! Das durfte nicht noch mal geschehen! Aber weder ihre Beine noch ihre Hände ließen sich bewegen, ihr Körper ließ es einfach geschehen, dass diese kalten Lippen sich abermals auf ihre legten. Sie durfte es nicht zulassen! Nein! Doch diese Stimme wurde immer leiser, bis sie schließlich ganz versiegte und sie mit allen Sinnen dem geheimnisvollen Vampir erlag. Seine Hände lagen auf ihrem Rücken, seine Lippen lagen auf ihren und alles was sie sonst noch wahrnahm, war wieder dieser süßliche Duft, der ihren letzten Widerstand ausschaltete. Mistys Hände lagen auf dem kalten, schwarzen Leder seines Oberteils, ihren Kopf legte sie etwas auf die Seite um ihre Lippen noch stärker auf die des Anderen pressen zu können. In ihrem Körper entfachte ein kleines Feuer und gleichzeitig bedeckte Gänsehaut ihren Körper. Wieder hatte sie das Gefühl, dass dieser Kuss mehr war als nur ein Traum… Dieser Kuss war viel mehr… Gleichzeitig – wie als hätten Beide es geahnt – öffneten sie langsam ihre Münder und Misty erkannte, dass dies nun selbst für einen Traum zu weit ging! „Lass mich los!“ Schweiß stand ihr auf der Stirn und hektisch und angsterfüllt waren ihre Augen geweitet. Sie saß in ihrem Bett. Es war alles beim alten – es war nur ein Traum gewesen… Nein – ein Alptraum…! Dieser geheimnisvolle Unbekannte in ihrem Traum war also wirklich ein Vampir. Ein Vampir in ihrem Traum… Das war unheimlich… Sehr unheimlich… Das junge Mädchen schnappte nach Luft und sprang aus dem Bett. Sie brauchte sofort etwas zu trinken! Leise schlich sie sich auf Zehenspitzen in die Küche – es war noch früh am Morgen und sie wollte ihre Freunde nicht wecken. Immer noch mit Herzklopfen nahm sie sich eine kleine Flasche Wasser auf dem Kühlschrank und setzte sich an den Küchentisch. Ihre Augen waren immer noch geweitet und sie strich durch ihre leicht verknoteten Haare. „Es war nur ein Traum, Misty…“ versuchte sie sich selbst einzureden und nahm einen Schluck. Doch was sollte sein, wenn dieser Traum real wurde? Gab es wirklich solche Vampire, die einem so den Verstand rauben konnten? Was war, wenn dieser Traumvampir real war? Würde Misty ihm irgendwann gegenüber stehen? Und die weitaus wichtigere Frage: Würde sie in der Lage sein diesen Vampir überhaupt zu töten? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)