Aus Summen kürzen nur die Dummen von Yusuke ================================================================================ Kapitel 4: ----------- Die untergehende Sonne blendet mich, als sie auf die Windschutzscheibe meines Autos trifft und dort in tausende kleine Strahlen zerbricht und reizend auf meine Netzhaut fällt. Die Straße glänzt, wirft das strahlende Hell erneut in meine Augen, als es sich auf der nassen Fahrbahn spiegelt. Sommerregen. Meine feuchten Strähnen hängen mir wirr in meinem Gesicht, kleben tropfend an meiner Stirn. Deine Frühlingsjacke legt neben mir auf dem Beifahrersitz. Immer wieder schaue ich verstohlen zu ihr rüber. Immer wieder wandern meine Gedanken auf dieselbe Weise zu dir. Ich hoffe, dass du schon zu Hause bist und den Regen überstanden hast. Am liebsten hätte ich dich selbst nach Hause gefahren. Leise seufzend schüttele ich meinen Kopf. Ich kann froh sein, wenn ich dich noch sehen, dich noch unterrichten darf. … wenn ich überhaupt noch unterrichten darf. Ein Wort von dir und ich bin meinen Job los. Verdammt. Wütend rase ich los. Erkenne das aufgestellte Blitzgerät viel zu spät, um die Geschwindigkeit noch drosseln zu können. Seit wann steht hier eine Scheiß Geschwindigkeitskontrolle? Wütend strecke ich dem kleinen Kasten meinen Mittelfinger, der sachte von dem zu hellen Blitzlicht gestreift wird, entgegen. Super. Jetzt gibt es sicher noch eine Verwarnung wegen Beleidigung, Einhändigem Fahren und das Transportieren einer ungesicherten Jacke auf dem Beifahrersitz. Irgendwas finden die noch, um mir mein Leben schwer zu machen. Heute ist einfach nicht mein Tag… Und mein elender Sarkasmus macht es auch nicht besser. Wie lächerlich das doch ist. Ein Strafzettel und das nur weil meine Gedanken bei dir sind. Sie nicht bei die sein dürfen. Staatliche Sanktion. Wie ironisch… Und meine Gedanken kreisen weiter nur um dich. Ob ich zu dir fahren soll? Sofort verwerfe ich diese schwachsinnige Idee. Ich sollte dich in Ruhe lassen und deine Adresse kenne ich ohnehin nicht. Immer langsamer werdend, erkenne ich die Einfahrt zu meinem zu Hause, bis ich letztlich zum Stehen komme, für einige Augenblicke meinen Kopf resignierend auf das Lenkrad lege, bevor ich das Gaspedal durchtrete und weiter, auf der Suche nach Ablenkung, fahre. Die Sonne verschwindet allmählich hinter den schmutzigen Hochhäusern und taucht die ansonsten so lebendige Stadt in graue unbelebte Schatten. Erst langsam beginnen bunte Lichter zu leuchten und ziehen die Stadt in die Farben des Nachtlebens. Rote, blaue und grüne Neonlichter strahlen viel zu hell auf die dunklen darunter liegenden Gassen. Ich entziehe mich dem künstlichen Leben, biege in die dunkle Seitenstraße ein, die nur von gelblichen Straßenlaternen erhellt wird. Müde von diesem Tag, stelle ich mein Auto ab. Absolutes Halteverbot. Es wird sich schon keiner dran stören. Innerlich lache ich auf. Natürlich wird das keiner tun. Wir sind ja alles solche guten, selbstlosen Menschen. Und schon allein, weil ich auf dem falschen Parkplatz stehe, wird sich jemand beschweren. Und es ist mir so scheißegal… Seufzend schlendere ich durch die Pfützen, in denen sich der Mond spiegelt, kleine Wellen werfen, als ich mit meinen Schuhen vorsichtig eintauche. Ich stehe vor dem grauen Hochhaus, klingele so lange, bis das monotone Surren mir verrät, dass die Tür entriegel ist. Kraftlos werfe ich mich gegen sie, drücke sie auf und laufe die endlosen Stufen zum sechsten Stock hinauf. Der Fahrstuhl ist mal wieder defekt. Ach, Studentenwohnheime sind etwas herrliches… Erschöpft erklimme ich die letzten Stufen und schlagartig fällt mir wieder ein, warum ich Sport so hasse. Überrascht steht mein bester Freund im Türrahmen, lächelt mich leicht irritiert an. Schüchtern schaue ich zurück und plötzlich ist er mir peinlich halb in der Nacht unangekündigt hier zu erscheinen. “Stör’ ich?” Das für ihn so typische Grinsen stielt sich auf sein Gesicht, als er nach meiner Hand greift und mich in seine Wohnung zieht. Dankbar lasse ich mich auf seine Couch fallen, streiche mir die noch immer nassen Haare aus dem Gesicht und seufze wieder einmal. Irgendwann gesellt er sich zu mir, stellt zwei Bierflaschen vor sich auf den kleinen Tisch und wirft mir das Handtuch zu, das bis eben auf seine Schulter gelegen hatte. Ich wische mir die Tropfen aus dem Gesicht und lehne mich zurück, mustere das Bier, das im Inneren der Flasche leicht schäumt. Ich schüttele den Kopf. “Muss noch fahren.” Und Bier würde den gewünschten Effekt eh nicht erzielen. Ob er Vodka im Haus hat? “Kannst hier pennen…” Ein erneutes Kopfschütteln meinerseits folgt seinem Angebot. Mit einem Schulterzucken, zieht er mein Bier auf seine Seite, grinst die beiden Flaschen, die vor ihm stehen gierig an. Typisch Daisuke. Irgendwann lässt du doch von deinen Getränken ab und siehst mich durchdringend an. “Was’n los?” Wie so oft an diesem Tag, entflieht meinen Lippen ein erneutes Seufzen. “Hab jetzt n’ Job.” Unsere Sätze werden auch immer kürzer und einsilbiger. Ich dachte, dass er mich etwas ablenken könnte, doch wieder kreisen meine Gedanken nur um dich. “Echt? Was machst du denn?” Ich sehe, wie seine Augenbraue skeptisch in die Höhe wandert. Irritiert schaue ich zurück, bevor ich ihm antworte. “Ich unterrichte als Mathe und Physiklehrer an meiner alten Schule.” Dafür habe ich immerhin studiert, füge ich in Gedanken hinzu. Ein breites Grinsen ziert sein Gesicht. “Du meinst Referendar.” “Nein!” “Doch” “Ne!” “Hä?” Völlig verwirrt schaut er mich an. “Die hatten Lehrermangel und haben mich so genommen und über mein fehlendes Referendarjahr hinweggesehen.” “Dürfen die das?” “Keine Ahnung!” Schulterzuckend beobachte ich, wie er zu lachen beginnt. “Dass du auch immer so ein Glück haben musst. Drei Wochen sehen wir uns nicht und dann kommst du mit einem Job an, ohne Referendarzeit.” “Ich erzähle jetzt nicht, dass ich vor zwei Wochen in das Haus meiner Großeltern gezogen bin.” Provokant grinse ich ihn an, während ich sehe, wie er sein Gesicht verzieht. “Naja, ich hätte keine Lust mit meinen Alten in einem Haus zu wohnen.” Ausdruckslos schaue ihn an, verdrehe dann die Augen. “Idiot! Ich habe das geerbt. Ich wohne allein. Aber wenn ich mir deine Wohnung so angucke, vielleicht solltest du doch zu deinen Großeltern ziehen.” “Ganz sicher nicht!” Und schon habe ich eines von Daisukes Couchpolstern im Gesicht und seinen mürrischen Blick, der mich fixiert. “Glückwunsch!” Mit verschränkten Armen schmollt er gespielt. “Na wenigstens kann ich mir meine Wohnung schön saufen.” Demonstrativ umschließt er das kalte Gesöff, das bis eben unbeachtet auf der Tischplatte vor ihm gestanden hat. “Ich wünschte ich könnte mir mein Leben auch einfach schön trinken.” Einer seiner Augenbrauen wandert erneut in die Höhe, als er seine Bierflasche wieder absetzt und mich ungläubig anstarrt. “Ein Haus, ein gut bezahlter Job, du kriegst auch nie den Hals voll.” Seufzend lehnt er sich in seinen weichen Sessel “Ich sag ja nichts. Das Haus ist großartig, aber mein Job…” Ich halte kurz inne. “Wenn ich Pech habe, bin ich den los.” Als ob das etwas mit Glück oder Pech zu tun hätte. Du allein entscheidest. Ich nehme Daisukes fragenden Blick wahr. Wollte ich mich nicht ablenken? Und jetzt rede ich schon wieder von dir. “Ich hab Mist gebaut.” Er verdreht die Augen, grummelt etwas, das man mit viel Fantasie als “geht’s genauer” identifizieren könnte. Will ich das überhaupt erzählen? Und noch bevor mein Kopf entscheiden kann, beginnen meine Lippen Worte zu formen. “Ich hab ‘nen Schüler geküsst.” Ich nuschele nur leise, in der Hoffnung, dass er es doch nicht verstanden hat und das Thema wechselt. Doch meine utopische Hoffnung löst sich auf, als ich in seine immer größer werdenden Augen schaue. Ich greife nach dem Bier, das noch immer vor ihm steht, schlürfe den Schaum weg. Damit werde ich auch noch fahren dürfen. Mein kläglicher Versuch ihn abzulenken. Vergebens. Sein Blick ruht auf mir. “Du hast was?” Oh nein. Nicht diese Klischeefrage. Ich beschließe nicht zu antworten, genieße das kalte Getränk, das meine Kehle entlang rinnt. Hmm… ob das eine neue Sorte ist? Schmeckt irgendwie süßlich. So wie du… “Wieso machst du so was?” Kopfschüttelnd, höre ich, wie er seufzt. Gute Frage. Wieso habe ich dich geküsst? Wieso spüre ich das Verlangen, dies erneut zu tun? Dich zu berühren. Deine weiche Haut unter meinen Fingern spüren. Meine Gedanken, die du schon jetzt völlig einnimmst. Mein Herz… das schon dir gehört? Ein Schnipsen holt mich zurück, reißt mich fast brutal zurück in die Realität. Besorgt schaut er mich an. “Dai? Ich glaube, ich habe mich verliebt.” Energisch schüttelt er seinen Kopf, legt seine Hände auf meine Schultern und starrt mich eindringlich an. “Kao… Du kennst sie erst seit drei Wochen. Du bist der Lehrer. Und wie alt ist sie? 17? 18? Du bist 25!” Beschämt schaue ich zur Seite, weiche seinem Blick aus, bis ich spüre, wie er seine Hände zurück zieht und der Druck von meinen Schultern abfällt. Ohne ihn anzusehen, murmele ich ihm die Antworten auf seine indirekten Fragen entgegen. “16! Ich hatte vor drei Tagen meinen ersten Arbeitstag und dort hab ich ihn zum ersten Mal gesehen.” “Ihn?” Als ob das neu für ihn wäre… Ich schaue hoch, schaue entschlossen in seine dunklen Augen, die zunächst überrascht scheinen. “das sind neun Jahre.” Nur ein Flüstern verlässt seine Lippen, als er an meinen Verstand und meine Vernunft appelliert. Doch seit ich dich kenn, scheint dies nicht mehr vorhanden zu sein. “Rede mit ihm.” Mit verschränkten Armen steht er am Fenster, schaut in die Ferne und ich schweige, bis er sich umdreht. “Sag ihm, dass das ein Fehler war und du verwirrt warst, mit deinen Gedanken ganz woanders warst.” Vorsichtig nähert er sich mir, lässt sich neben mich auf die Couch fallen und schließt seine Arme locker um mich. “Das hat keine Zukunft.” “Ich weiß.” Resignierend lasse lehne ich meinen Kopf gegen seine Brust, spüre wie er mich sanft über den Kopf streicht. Daisuke hatte Recht, das hab ich nun eingesehen. Mir ist bewusst, dass meine Gefühle weder Sinn noch Zukunft haben. Sinn? Seit wann machen Gefühle denn Sinn? Vielleicht vergehen sie eines Tages, werden zur fortgeschrittener Zeit nicht mehr existent sein. Ohne Zukunft… Dann werde ich über mein peinliches Teenagergehabe lachen… hoffe ich. Ich hatte mir alles so schön zurechtgelegt. Was ich sage, wie ich schaue, meine Mimik und Gestik perfekt einstudiert. Und jetzt tauchst du nicht auf. Bist seit drei Tagen verschwunden. Ich ertrage das nicht. Ich will mit dir reden. Muss dich sehen. Entgegen aller Vernunft schleiche ich mich in das Büro des Direktors, der wohl, wie üblich, seine Pause mit den anderen Kollegen verbringt und fahre den Hauptrechner der Schule hoch, während ich immer wieder zur Tür schaue. Gebannt schaue ich auf den Bildschirm vor mir, der langsam Farben annimmt und mir ein kleines Fenster, das sich eben geöffnet hat, anzeigt. “Passwort” Mist. Seufzend knalle ich meine Handflächen auf den Computertisch, der für einen Moment bedrohlich wackelt und ein leises Knirschen von sich gibt. Der Alte hat wohl wieder sparen wollen. Okay ganz ruhig. Ich versuche mich auf meine Aufgabe, das Passwort herauszufinden zu konzentrieren. Ich habe drei Versuche. Also. Der Rektor der Schule, schien mir von Anfang an nicht der komplexe Denker zu sein. Sieht man schon alleine daran, dass er mich einfach so eingestellt hat. Langsam tippe ich die Zahlen eins bis neun in das Feld ein und drücke nun endlich die erlösende Eingabetaste. “False password.” Toll. Vielleicht sein Geburtsdatum? Wie 75% aller Menschen. Super und wann ist sein Geburtstag? Na dann eben die Telefonnummer. Ich greife nach der kleinen Visitenkarte, die neben seinem Computer steht. Idiot. Wozu braucht der Visitenkarten? Oder hat er nebenbei noch krumme Geschäfte am laufen? Es ist mir egal. Schnell tippe ich die Nummer ein, lasse die Karte in meiner Jackentasche verschwinden und die Ernüchterung folgt sofort, blinkt unaufhörlich auf dem alten Bildschirmmodell. Einen letzten Versuch habe ich noch und nur noch drei Minuten bis die schrille Schulklingel das Ende der Pause einläuten wird. Eher scherzhaft tippe ich das Wort “Schwertfisch” ein. Als hätte ich Zeit für Scherze… “Zugriff verweigert.” Verdammt. Schnell drücke ich auf den Knopf, der den PC herunterfahren lässt, bevor das leise Tuten mich noch verrät. Dann eben doch. Ich mache mich an den analogen Ordnern, die in Regalen geordnet an der gegenüberliegenden Wand stehen, zu schaffen. Sie sind sogar nach dem Alphabet geordnet. Zielsicher greife ich nach den Akten F-K. Kyo. Schnell blättere ich die Informationen auf der Suche nach deinen Schulunterlagen durch. Resignierend lasse ich den Ordner irgendwann fallen. Alle Schüler, Namen, Nummern, Noten, Adressen - nur deine nicht. Nichts. Wütend stopfe ich die zusammengehefteten Zettel zurück an ihren Platz. Das war so klar. Und plötzlich wird mir schlagartig bewusst, dass ich nach dem falschen Namen gesucht hatte. Wie kann man nur so blöd sein? So verwirrt. Ich klatsche mir meine Handfläche vor die Stirn, rappele mich sofort wieder auf und nehme mir den Ordner L-O vor. Nishimura. Überglücklich halte ich deine Schulakte in den Händen. Starre sie gebannt an, bis mich die Schulglocke zurück bringt. Mein Herz fängt an zu rasen. Ich schmeiße die Informationen über deine Schullaufbahn in meine Tasche, stelle den fetten Ordner zurück an seinen Platz und will das Büro verlassen. Entsetzt sehe ich, wie einige Kollegen schon an der Tür vorbeigehen. Wenn ich jetzt rausgehe, sehen die mich. Das gibt Ärger. Ich entscheide mich, noch zu warten, bis die Schatten, die durch das weiße Milchglas schimmern verschwunden sind. Vorsichtig gehe ich auf die Tür zu, als sie sich mir scheinbar von alleine öffnet. Im Türrahmen steht der Direktor dieser Schule, mein Arbeitgeber, dessen eine Augenbraue in die Höher wandert und mich skeptisch anschaut. “Ich… wollte mit ihnen sprechen.” Meine Lippen formen erste Ausreden, als er sein Büro betritt, die Tür schließt und sich hinter seinen Schreibtisch setzt. Eine kleine arrogante Handbewegung macht mir deutlich, dass ich fortfahren soll. “Also.. Ich…. Ich habe heute einen wichtigen Termin. Den ich nicht verschieben konnte. Ich wollte fragen, ob es möglich wäre, dass ich heute eher gehe. Ich konnte ja letzte Woche noch nicht wissen, dass ich hier gleich eingestellt werde.” Ein aufgesetztes, viel zu freundliches Lächeln schiebt sich auf mein Gesicht. “In Ordnung… So lange das nicht zur Gewohnheit wird.” Ich verbeuge mich kurz. Lächele noch einmal und will das Zimmer verlassen. “Das nächste Mal warten sie aber vor meinem Büro.” Ich entschuldige mich schnell. Zeige ihm die Visitenkarte, die ich in meiner Tasche hatte. “Habe mir nur eine geholt. Wegen der Telefonnummer.” Ich lächele noch einmal und verlasse dann den Raum, renne die Korridore entlang zu meinem Auto, das auf dem Lehrerparkplatz steht. [Komischer Kerl denke ich. Aber wir haben nun mal Lehrermangel und für die Schüler scheint er sich auch einzusetzen. Ich fahre den Computer hoch, warte bis das Passwort verlangt wird und tippe fröhlich mein Geburtsdatum ein. ] Ich lasse mich auf den Sitz fallen, schmeiße meine Umhängetasche neben mich auf den Beifahrersitz und wühle deine Akte hervor. Ich staune, als ich deine Noten sehe. Mathe scheint wirklich ein Ausnahmefach zu sein. Nur Einsen zieren deine Zeugnisse, bis auf die fünf in Mathematik. Kopfschüttelnd wende ich mich ab, suche weiter nach deiner Adresse, die ich schnell bei deinen persönlichen Daten finde. Sofort räume ich die Akte wieder sorgfältig weg und fahre los. Im Kopf gehe ich noch mal durch, was ich ohnehin schon geplant hatte zu sagen. Und mit jedem Kilometer, den ich dir näher komme, hämmert mein Herz schneller gegen meine Brust. Bis mein Wagen irgendwann vor einem durchschnittlich japanischen Haus zum Stehen kommt. Ich vergleiche noch einmal die Hausnummern, bevor ich mich aufgeregt auf den Weg zur Eingangstür mache. Mein Herz pocht immer schneller. Fühle wie es hart gegen meine Brust schlägt. Die ersten Zweifel lassen mich zögern. Sollte ich wirklich hier sein? Schnell schüttele ich den Kopf, drücke auf die Klingel, die neben der Tür angebracht ist und deinen Familiennamen trägt, bevor ich auf die Idee komme, feige das Weite zu suchen. Wir müssen reden. Ich mit dir. Jetzt gibt es kein zurück. Ich warte. Irgendwann öffnet sich die Tür und mein Herz bleibt für einen Moment stehen, als ich dich mit zerzausten Haaren und einem lässigen Trainingsanzug in der Tür stehen sehe. Deine Augen weiten sich, als sie mich erkennen. Für einen Augenblick starrst du mich ungläubig an, bevor du die Tür schwungvoll wieder zu knallen willst. “Kyo” Ohne zu überlegen, schiebe ich meinen Fuß reflexartig zwischen Tür und Türrahmen, lehne mich gegen die Tür. “Kyo… bitte.” Ich spüre, den Widerstand, der stärker wird. Du lehnst dich von der anderen Seite gegen die Haustür. Ich weiß, dass deine Reaktion mehr als gerechtfertigt ist und dennoch verletzt es mich. Ich bin stärker als du. Müsste mich nur mit meinem ganzen Gewicht gegen das zwischen uns stehende Holz drücken. Aber du willst mich nicht sehen… Noch einmal richte ich meine Worte an dich. Hoffe, dass du mich verstehst, mich doch eintreten, mit dir reden lässt. “Ich muss mir dir reden.” “Nein!” Deine Stimme dringt zu mir. Um deine Worte zu unterstreichen, scheinst du dich mit deinem ganzen Körper gegen die Tür zu werfen. Und dennoch schwängt die Tür leicht auf und ein dumpfer Aufprall ist zu hören. Vorsichtig drücke ich das Holz noch einen kleinen wenig mehr auf, schaue auf dich herab, wie du am Boden sitzt. Sofort stürze ich zu dir. “Alles okay?” “Ja.” Du klingst verärgert. Bist du sauer auf mich? Oder weil du ausgerutscht bist… und ich reinkommen konnte…? Du rappelst dich langsam wieder auf, schaust mich an. Ein Blick, den ich nicht deuten kann. “Kyo… bitte…” Ich merke, wie mir die Worte ausgehen. Ich mich wiederhole. “Willst du was trinken?” “Hmm…?” Irritiert schaue ich dich an. Damit hatte ich nicht gerechnet. “Ob du etwas trinken willst?” Dein Ton kling rau. Du wirkst genervt und dennoch. Deine Augen, die plötzlich wieder diese Traurigkeit tragen. Was hast du nur? Wie gern würde ich dich in diesem Moment einfach in den Arm nehmen. Doch das werde ich nicht. Ich reiße mich zusammen. “Wasser wäre nett…” Du nickst nur, wendest dich ab und verschwindest im hinteren Teil des Hauses, vermutlich die Küche. Ich stehe noch immer im Eingangsbereich, warte auf dich. Immerhin hast du mich noch immer nicht aufgefordert einzutreten. Ich will nicht unhöflich sein, mich noch mehr aufdrängen, als ich es ohnehin schon tue. Dennoch schließe ich die Tür. Ich werde nicht gehen, bevor ich mit dir reden konnte. Ein lautes Scheppern, das aus dem Zimmer gekommen zu sein scheint in dem du dich aufhältst, reißt mich aus meinen Überlegungen. Vorsichtig gehe ich den langen Flur entlang, laufe noch mal schnell zurück und ziehe meine Schuhe aus. Nicht, dass du noch Ärger wegen mir bekommst. Meine Schritte werden schneller, als ich einen leisen Schrei höre. Endlich erreiche ich die Küche und sehe, wie du seufzend über den Glasscherben hockst und auf deine blutende Hand schaust. Ich trete näher auf dich zu, hocke mich zu dir. Vorsichtig nehme ich deine Hand und ziehe sie zu mir, um mir die Wunde ansehen zu können. Überrascht schaust du hoch. Hast du gar nicht gemerkt, dass ich den Raum betreten habe? “Was machst du nur immer.” Ich lächele dich sanft an. Mein kleiner Tollpatsch. “Habt ihr Verbandszeug?” Du schaust mich noch immer misstrauisch an, deutest dann mit deiner anderen Hand auf eine kleine Schublade. Ich richte mich auf, gehe einige Schritte auf die Küchenschränke zu und öffne die Schublade, die du mir gezeigt hast. Schnell lege die Mullbinden und Tupfer auf dem Küchentisch ab und eile zu dir zurück. Zaghaft ziehe ich dich hoch und weiter zum Waschbecken, lasse kaltes Wasser über deine Hand laufen. Halte dich dabei noch immer leicht an deinen Fingern fest. Genieße es deine weiche Haut zu spüren. Nach einiger Zeit tupfe ich dir das Blut, das noch immer aus dem Schnitt quillt, weg. Verbinde deine Hand mit einem der Verbände und binde sie auf deinem Handrücken mit einer Schleife zu. Sieht zwar nicht sehr professionell aus, aber erfüllt seinen Zweck. “Fertig!” Zufrieden bewundere ich mein Werk, schaue dich dann glücklich an. Du schaust mich nicht an. Dein Blick fällt zur Seite, als würdest du die Wand neben die fixieren. Erst jetzt fällt mir auf, dass ich deine Hand noch immer zaghaft in meiner halte. Vorsichtig lasse ich sie los, schaue zu Boden und schweige. Für einige Momente schweigen wir uns an, bis ich deine leise, schüchtern wirkende Stimme vernehme. “Danke.” Deine Stimme ist nur ein leises Nuscheln, das mich dennoch veranlasst wieder hochzusehen und dir ein leichtes Lächelnd zu schenken. “Gern geschehen.” Und auch du schaust mich wieder an, lächelst einen kleinen wenig. Und für einen kurzen Moment treffen sich unsere Blicke. Bis du deinen wieder abwendest. Dich schnell zu den Scherben bückst, wieder beginnst sie aufzulesen. “Kyo!” Behutsam nehme ich dir das zerbrochene Glas aus den Fingern, will nicht, dass du dich wieder verletzt. “Ich mach das schon.” Und noch bevor du Widerworte geben kannst, schmeiße ich die Scherben in den kleinen Mülleimer, der in der Ecke steht. “Vielleicht solltest du nachher noch mal mit dem Staubsauger drüber gehen.” Du nickst nur. Drehst dich dann weg und streckst dich, um ein weiteres Glas aus dem Regal zu holen. Süß, wie du auf Zehenspitzen dar stehst und zu klein bist, die Gläser zu erreichen… Schmunzelnd trete ich hinter dich, greife über dich und nehme das Glas an mich. Unsere Körper berühren sich und ich spüre, wie du kurz zusammenzuckst. Erschrocken stelle ich fest, wie nahe ich dir wieder gekommen bin. Sofort trete ich einige Schritte zurück. Will mich nicht aufdrängen. Dir nicht nahe sein, wenn du das nicht willst. Schnell drücke ich dir das Glas in die Hand, nur um abzulenken. “Danke.” Oh bitte, hör auf so zu nuscheln und so zu schauen, als wäre dir alles unangenehm. Und diese Traurigkeit, die in deinen Augen liegt. Was beschäftigt dich nur? Und dann trittst du selbst einen Schritt auf mich zu. Drückst das Glas nah an dich und schaust dann zu mir hoch. Ich erkenne einen leichten Rotschimmer auf deinen Wangen. “Kao? Magst du mich?” Überrascht schaue ich dich an. Mache ich den Eindruck, als würde ich dich nicht mögen? Viel mehr als das, aber das kann ich dir nicht sagen. Ich weiß nicht, wie ich antworten soll, überlege. Zu lange. Du seufzt und drehst deinen Kopf wieder zur Seite, während deine Finger weiter das Trinkglas umklammern. Versteh das jetzt nicht falsch, dass ich so lange gebraucht habe. “Klar mag ich dich.” Strahlend schaue ich dich an. Doch du schüttelst nur deinen Kopf. “Schon okay…” Du stellst das Gefäß auf den Tisch ab und willst an mir vorbei gehen. Ich bin so ein Idiot. Was sollst du auch denken, wenn ich nicht antworte. Ohne zu überlegen greife ich nach deinem Arm, ziehe dich zu mir zurück, schaue in deine braunen Augen, die leer wirken. “Ich hab dich wirklich gern. Ich unterrichte dich gern und deswegen will ich auch, dass du wieder zum Unterricht kommst.” Mir ist selbst klar, dass das weit über eine Lehrer-Schüler Beziehung hinaus geht, auch wen ich meine Gefühle außen vor lasse. “Deswegen bin ich hier.” Und um dich endlich wieder zu sehen. “Ich wollte dir erklären, was in mich gefahren ist, in der letzten Nachhilfestunde. Ich war verwirrt und hab an jemand anderen gedacht, okay? Ich werde dir nicht mehr zu Nahe kommen. Aber deswegen darfst du dich nicht zu Hause einsperren.” Ich lasse deinen Arm los. Beschließe dich wirklich in Ruhe zu lassen, wenn das dein Wunsch ist. Und da ist er wieder. Der endlos traurige Ausdruck in deinen Augen. Und mir wird klar, dass ich für ihn verantwortlich sein muss. Ohne zu wissen wie. Verzeih. “Was hast du denn?” “Nichts!” Viel zu schnell kommt deine Antwort. Du siehst mich mit deinem aufgesetzten Lächeln an, doch deine Augen verraten dich. “An wen hast du denn gedacht?” An dich? Nur an dich… So wie ich es immer tue. Was soll ich jetzt antworten? Ich bringe es nicht übers Herz dich noch mehr anzulügen. Will das nicht. Ich schüttele den Kopf. “Der Name würde die wohl nichts sagen, hmm?” Ich sehe wie du nickst. “Deine Freundin?” Was? Entsetzt schaue ich dich an. Nein. Ich will nicht, dass du denkst, dass ich vergeben bin. Warum auch immer. Ich schüttele den Kopf. “Nein. Ich hab keine.” Oh bitte, lass und das Thema wechseln. “Und du?” Grinsend schaue ich dich an. Bete innerlich, dass du keine hast. Und zu meiner Freude schüttelst du deinen Kopf. “Mich will keiner…” Ich meine mich verhört zu haben, schaue dich fragend an. Wieso sollte dich keiner wollen? Ich will dich. Mehr als alles andere. Du zuckst nur mit den Schultern. “Weiß nicht…” Für einen Augenblick sehe ich, wie einzelne Tränen in deinen Augen schimmern und du schnell wieder in eine andere Richtung schaust und die salzige Flüssigkeit heimlich versuchst fort zu wischen. Weine nicht. Ich kann mich nicht mehr Beherrschen und ziehe dich in meine Arme, drücke dich fest an mich. War es das was dich beschäftigt hat? Was dich so traurig macht? Der Grund, warum du weinst? Verdammt. Wenn ich dir nur sagen könnte, was ich für dich empfinde, wie ich fühle. Aber würde dich das glücklich machen. Fest schließe ich meine Arme um dich, streiche dir über den Rücken. Versuche dich zu trösten. “Du wirst geliebt…” Ich flüstere dir die leisen Worte in dein Ohr. Hoffe, dass du mir glaubst. Dass du aufhören wirst zu weinen. Doch du schüttelst nur heftig mit dem Kopf. Drückst dich näher an mich. Deine Tränen fallen auf mein Hemd und dein Schluchzen dringt an mein Ohr. Ich will dich nicht so leiden sehen. Vorsichtig drücke ich dich etwas von mir. Hebe dein Kinn in meine Richtung, lasse dich sofort wieder los, als du mich ansiehst. Tief schaue ich in deine Augen. Unsere Blicke treffen sich. Meine Stimme, immer noch nur ein Flüstern. “Du wirst geliebt, Kyo.” Weiter sehe ich dich an. Lächele leicht. Deine Augen weiten sich und ich bin sicher, dass du weißt, dass ich derjenige bin, der dich liebt. Ich schließe erleichtert meine Augen, bin froh, dass du es endlich weißt. Wie du damit umgehen wirst? Im Moment warte ich darauf von dir weggeschubst zu werden. Du wirst mich rausschmeißen oder selbst davon laufen. Doch nichts von dem geschieht. Irgendwann öffne ich meine Augen wieder. Du schaust mich immer noch an. Ein Ausdruck in deine Augen, den ich vorher noch nicht gesehen habe. Deuten kann ich ihn nicht. Erst als du dich auf deine Zehenspitzen stellst, dich mir langsam näherst. Deine Lippen vorsichtig auf meine legst. Ich lege meine Arme um dich, drücke dich näher an mich. Genieße das Gefühl deiner vollen Lippen, die auf meinen liegen. Und viel zu schnell löst du dich wieder von mir. Lehnst deinen Kopf an meine Brust. Meine Arme liegen immer noch um dich. Halten dich fest. Wünsche mir, dich nie wieder los zu lassen, als ich meine Augen schließe. 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