Aus Summen kürzen nur die Dummen von Yusuke ================================================================================ Kapitel 13: ------------ [Absatz = Wechsel des Erzählers] Kyo “Was hat er mit dir gemacht?”´ Erschrocken starre ich meinen besten Freund an. Er weiß nichts! Woher soll er das denn auch wissen? Nein, er meint ganz sicher etwas anderes. Er kann nur was anderes meinen. Da bin ich mir sicher… Dennoch schaue ich ihn weiter unsicher an, versuche irgendwie ein Lächeln zu Stande zu bringen, frage unschuldig nach, was er denn meint, wovon er denn spricht. “Was hat dieser Niikura mit dir gemacht?” Erneut stellt er mir dieser Frage. Er weiß es, schießt es mir durch den Kopf. Aber woher? Was soll ich sagen? Wie viel weiß er? Weiß er das überhaupt oder ist das seine bloße Vermutung? Irgendwie muss ich das herausfinden, nicht, dass ich noch etwas verrate, was er am Ende vielleicht doch nicht gewusst hat. Durch meinen Kopf schießen einfach zu viele Gedanken, als dass ich mir jetzt eine Strategie hätte ausdenken können, wie ich heraus bekomme, was Shinya nun weiß und was nicht. Verdammt. Vorsichtig löse ich mich einfach von ihm, ziehe meine Arme wieder zurück, starre auf den Boden vor mir. Ich darf nicht unsicher wirken, dann weiß er, dass ich etwas verberge! Mutig sehe ich einfach zu ihm auf, versuche weiterhin meine Unsicherheit zu überspielen, indem ich einfach meinen Kopf leicht schief lege, Shinya leicht irritiert anschaue. “Was meinst du denn?” Ich versuche so zu tun, als hätte ich wirklich keine Ahnung, doch er schaut mich weiter wissend an, geht einen Schritt auf mich zu und schon liegen seine Arme wieder um meinen Körper. Hinter uns ertönt die Schulglocke. Lass uns gehen, nicht mehr darüber reden. “Du brauchst das nicht mehr zu verheimlichen. Ich weiß es doch.” Nein! Du kannst das nicht wissen. Du darfst das einfach nicht wissen… Ich will nicht, dass das mit uns vorbei geht. Ich hab Angst. “Was weißt du? Ich verstehe nicht, was du meinst…” Noch immer verfolge ich meinen Plan, spiele den Dummen, vielleicht gibt er ja auf, wenn er denkt, dass er sich doch irrt. Diese Hoffnung scheint so utopisch, so naiv. Er weiß es. “Ich hab euch gesehen.” Seine Stimme vernehme ich nur als ein leises Flüstern an meinem Ohr, als würde er hoffen, dass das alles nicht real wäre, wenn er die Worte nur leise genug ausspricht. Es ist real, es ist wahr. Das mit uns und das Shinya das herausgefunden hat. “Was hast du gesehen?” Meine Stimme scheint eben so leise, wie seine. Ich will es gar nicht hören. Bitte schweig einfach, sag mir, dass es okay ist, dass du dich für mich freust. Sag mir, dass du mich nur ärgern willst, dass du nichts weißt, dass du das nur vermutest. Sag mir… “Ich hab euch gesehen. Gestern. Ich wollte dir dein Buch bringen. Hast du vergessen. In seinem Auto. Er hat dich geküsst. Du wolltest das nicht.” Seine Sätze wirken so abgehakt, fast emotionslos, als würde er das noch immer nicht glauben können. Ich erinnere mich… Als ich vor dem Spielplatz gewartet habe, das Buch, das ich vergessen hatte. Als ich zu dir ins Auto gestiegen bin und du mich geküsst hast. Als ich mich weggedreht hatte, weil ich sauer war, wegen meiner gefälschten Klausur. Verdammt… Wieso waren wir so unvorsichtig? Wieso haben wir uns nicht umgesehen? Wieso hast du Shinya nicht gesehen, als du an ihm vorbei gefahren bist? “Es tut mit Leid, dass ich dir nicht helfen konnte.” Ich höre seine Worte, aber ich nehme sie nicht wirklich wahr. Hänge meinen Gedanken in seinen Armen liegend nach, versuche irgendwie zu fassen, was er mir gerade erzählt, was das für uns bedeutet. Ob es jetzt vorbei ist? Für immer zu Ende? “Das ist vorbei. Jetzt wird alles gut!” Shinya redet weiter und seine Worte sind wie ein Schlag in mein Gesicht. Ich will nicht, dass es so endet. Ich will überhaupt nicht, dass es irgendwann vorbei geht. Nicht jetzt und niemals. Ich liebe dich doch… Erst jetzt nehme ich wahr, wie Tränen über meine Wangen kullern, kleine rote Bahnen über mein Gesicht ziehen. Ich will das nicht glauben. Lass mich aufwachen. Auch mit dem grausigen Ton des Weckers. Lass mich wach werden… Verdammt, warum fange ich an zu heulen? Das ändert doch nichts. Nein, das ändert nichts… Vorsichtig schiebe ich Shin von mir weg, wische mir meine Tränen aus meinem Gesicht. Das ist doch Shinya. Mein bester Freund seit Jahren. Ich werde ihm einfach alles erklären. Er muss mich einfach verstehen, das hat er doch immer. Ja, nur Shin weiß davon und das muss so bleiben und dann können wir zusammen bleiben. Aber wie soll ich anfangen? Er sieht mich noch immer so mitleidig an. Aber das muss er nicht. Mir geht es doch gut. Ich hab dich und du wirst bei mir bleiben, wenn ich nur meinen Mund aufbekomme, Shinya klar machen werde, dass ich dich brauche, dass ich ohne dich nicht sein will. Dass ich dich liebe… “Kyo, ich glaube, dass unser Direktor mit dir sprechen will” Nein… Lächelnd sehe ich dir kurz nach, ehe ich meinen Wagen wieder in Bewegung setze. Zwar hab ich noch ein bisschen Zeit, aber besser man ist eher da, als zu spät. Ich kann es mir wirklich nicht erlauben, schon wieder nicht pünktlich zu sein. Ich glaube, mein Chef ist noch immer sauer, dass ich am ersten Tag zu spät an meinem Arbeitsplatz erschienen bin. Mit einem leichten Schmunzeln auf den Lippen, erinnere ich mich an meinen ersten Tag. Dem Tag, an dem ich dir zum ersten Mal begegnet bin, mein kleiner Engel. Ich glaube, dass dies wirklich der schönste Tag in meinem Leben war. Nein, eigentlich ist jeder Tag, den wir zusammen verbringen können, einfach nur wunderschön. Mal sehen, ob wir es hinbekommen, dass wir das Wochenende wieder teilen können. Aber erstmal muss ich den Schultag über mich bringen, auch nicht wirklich schlimm, da ich den Job ziemlich gern mache und dich kann ich auch gleich wieder sehen, immerhin unterrichte ich dich, zwar nur eine Stunde heute, aber das reicht mir schon. Jede Minute, in der wir irgendwie zusammen sein können ist kostbar. Ich werfe einen letzten Blick auf die Uhr, dir mir verrät, dass ich noch ziemlich gut in der Zeit liege, ehe ich aus meinem Wagen steige, diesen abschließe und mit meiner Tasche auf das Schulgebäude zuschlendere. Lächelnd setze ich mich einfach in das Gemeinschaftslehrerzimmer, zwar haben wir alle unser eigenes Büro, aber man muss ja nicht in jeder freien Minute arbeiten, oder? Und es sind ja auch nur noch ein paar Minuten, bis der Unterricht beginnt, es würde sich also gar nicht lohnen, jetzt noch etwas anzufangen. Zwar hatte ich gestern nicht wirklich Zeit mich auf den heutigen Tag vorzubereiten, aber ein wenig Improvisation wird schon nicht schaden. Mit einem “Morgen” schnappe ich mir eine Tasse Kaffe und lasse mich einfach auf einen der freien Stühle fallen. Mittlerweile verstehe ich mich ganz gut mit meinen Kollegen. Ich hab wirklich Spaß an dieser Schule, besser hätte es eigentlich gar nicht laufen können. “Kaoru? Der Chef will dich sprechen…” Mich? Was will der denn von mir? Und warum sieht mich mein Kollege so skeptisch an. Irgendwas ist merkwürdig. Naja, vielleicht erfahre ich ja gleich, was los ist. Ich nickte leicht und erhebe mich, nehme meine Tasche vorsichtshalber mit, falls das länger dauern sollte. Mit einem komischen Gefühl im Bauch, verlasse ich das Lehrerzimmer, mache mich auf dem Weg zum Büro des Direktor dieser Schule. Was kann er nur wollen? Vorsichtig klopfe ich an die Tür, ehe ich diese öffne und nach kurzem Zögern das Zimmer betrete. Er sitz an seinem Schreibtisch. Der Computer, der vom steht, ist eingeschaltet, flimmert vor sich hin. Sogleich sieht er zu mir, bittet mich, die Tür zu schließen. Ich nicke, komme seiner Aufforderung nach. Ein weiters Mal bitte er mich, mich zu setzen. Auch dieses Mal tue ich, was er von mir verlangt. Ich spüre, wie ich selbst immer nervöser werde. Irgendwas stimmt doch nicht. Er soll endlich sagen, was er von mir will. Ich halte das nicht aus. Ungewissheit. Fragend sehe ich ihn an, deute sogar ein Lächeln an. Ich hab nichts zu befürchten, oder? Er sieht mich durchdringen an, als würde er versuchen durch meine Augen direkt in meinen Kopf zu schauen, als würde er versuchen meine Gedanken zu lesen. Verdammt, was ist hier los? Kein Lächeln liegt auf seinen Lippen. Er ist vollkommen ernst, als er sich einfach zurücklehnt uns so langsam erstirbt auch das Lächeln, das bis eben noch auf meinen Lippen gelegen hatte. “Uns liegen Informationen vor, demnach sie ein Verhältnis mit ihrem Schüler Nishimura Tooru haben.” Noch immer dieser durchdringende Blick. Meine Augen weiten sich, starren den Mann, der vor mir sitz fassungslos an. Nein! Er kann das nicht wissen. Wie sollte er das erfahren haben? Und nun? Was soll ich sagen? Wie soll ich mich verhalten? Tausende Fragen auf einmal schießen mir durch den Kopf. Was wird aus uns? Ich will dich nicht verlieren. Niemals. Ich liebe dich. Ich spüre, wie mein Herz schnell gegen meine Brust schlägt, beinahe schmerzhaft. Jetzt ist alles aus! Ich kann keinen klaren Gedanken fassen. Immer wieder hallen seine Worte durch meinen Kopf. Bilder von dir, Bilder von unserem Kuss schießen mir durch meinen Kopf. Bilder von letzter Nacht… Ruhig bleiben. Er hat keine Beweise. Er hat nichts gegen mich in der Hand. Gegen uns. Nein, er wird uns nicht auseinander bringen. Das wird keiner tun. Keiner wird das schaffen, mein kleiner Engel. “Wer verbreitet so etwas? Das ist Rufmord.” Ich versuche sicher zu wirken, sehe den Mann vor mir an, wende meinen Blick nicht ab, auch wenn ich es kaum ertrage, dass er mich so anschaut, als würde er genau wissen, was gerade in mir vorgeht. Er weiß es nicht. Er kann es nicht wissen. Ich bin sicher. “Ich werde keine Namen nennen. Und wenn das so ist, dann haben sie mir einiges zu erklären.” Keine Namen. Ich will wissen, wer ihm das erzählt hat. Ihm den Hals umdrehen. Ich werde ihn umbringen, wenn das schief geht und er uns auseinander bringt. Ihn zum Schweigen bringen. Verdammt… “Was genau muss ich erklären?” Warum ich dich berührt habe? Warum ich dich geküsst habe? Warum wir miteinander geschlafen haben? Weil ich dich liebe. Mehr als alles andere auf der Welt. Das kann er nicht wissen und das wird er niemals erfahren. Nie! “Sie haben ihm Nachhilfe gegeben, nicht?” Was fragt er so komisch nach? Ist es verkehrt sich um seinen Schüler zu kümmern, wenn er Probleme hat? Was kann ich denn dafür, wenn alle anderen zu unfähig sind, dir Mathe beizubringen? Ich habe es selbst nicht geschafft, aber darum geht es doch gerade nicht. Verdammt, was schaut der so? Ich will doch einfach nur glücklich mit dir sein. Was habe ich getan, dass man uns nicht einfach in Ruhe lässt? Weil es verdammt noch mal verboten ist? Seit wann kann man Gefühle unter Strafe stellen, sie verbieten? Als hätte ich das unter Kontrolle. Vielleicht hätte ich sie haben müssen. Sanktionen für den fatalen Kontrollverlust? Aber es spielt keine Rolle, jetzt. Konzentration. Ich muss darauf achten, was er fragt, wie er fragt. Was er hören will, was er erwartet. Ich muss aufpassen, was ich sage, wie ich es sage… “Habe ich.” Was ist daran verwerflich? Zweifeln sieht er mich an, wartet auf ein Geständnis. Ich werde nichts sagen. Niemals werde ich zugeben, dass sein Verdacht stimmt. Ich werde darum kämpfen, dich weiter lieben zu dürfen. Ich werde gewinnen. Er hat nichts in der Hand. Nichts. Er darf nichts in der Hand haben. “Warum haben sie ihm das angeboten? So etwas ist nicht üblich.” Warum? Weil ich auch sein richtiger Lehrer bin? Darf ich mich nicht für deine Leistungen interessieren, wenn sie den Unterricht nicht mehr betreffen? Darf ich nicht wollen, dass du gute Noten hast? Darf ich dir nicht helfen, wenn du den Stoff nicht sofort verstehst? Warum? Warum sind die Leute nicht einfach froh, dass ich so engagiert gehandelt habe? Dir helfen wollte? Warum versuchen sie hinter jeder Tat irgendeine Absicht zu sehen? In dem Moment, in dem ich dir meine Hilfe angeboten habe, wusste ich doch selbst noch nicht, wie das mit uns enden wird. Hatte nie damit gerechnet, dass wir ein Paar werden und sicher nicht geplant! “Ich habe zu Beginn einen kleinen Test schreiben lassen, indem er nicht wirklich erfolgreich war. Scheinbar hatten keine bisherigen Nachhilfestunden Erfolg, also habe ich ihm das angeboten.” Ich habe nichts getan… nichts, was du nicht wolltest. Schon wieder dieser skeptische Blick. Der wird ihm nicht helfen. Gefällt ihm nicht, was ich ihm zur Antwort gebe? Findet er keine Anzeichen? Keine Widersprüche? Keine Beweise! Innerlich triumphiere ich, grinse ihn an. Nach außen wirke ich immer noch geschockt… gleichzeitig gefasst. Geschockt, darüber, dass so ein Verdacht aufkommt… gefasst… ich weiß, dass er nichts gegen mich in der Hand hat. Immer noch nicht. Und das wird er auch nie haben! “Hat es denn was gebracht, dass sie ihm geholfen haben?” Wie er mir die Wörter entgegen spuckt. Ja, er ist sauer. Wütend, dass er nichts finden kann, was er mir vorhalten kann. Er sucht krampfhaft nach Beweisen. Ich bin mir sicher, werde immer sicherer. “Sie haben doch die Noten der Klausuren gesehen. Er hat sich verbessert.” Ich weiß, dass die ganzen Noten und auch alles andere im Schulrechner gespeichert werden, dass er Zugriff darauf hat. Er wird sich deine Noten angesehen haben. Wahrscheinlich wird er daraus neue Vorwürfe ziehen… “Das habe ich durchaus gesehen. Von einer sechs auf eine glatte drei. Das ist wirklich beachtlich.” Ja, das ist es. Wie konnte ich nur so dumm sein? Das ist mehr als auffällig, aber es wird nicht ausreichen, um mir irgendwas anzukreiden. Du bist intelligent, immerhin stehst du in fast allen anderen Fächern eins. Es ist zwar erstaunlich, aber nicht unmöglich, sich so zu verbessern. “Mag sein. Aber ihm ist das doch zuzutrauen. Er gehört zu den besten in seinem Jahrgang. Mathematik einmal ausgeschlossen. Er steht in jedem anderen Fach eins.” Wenn du wüsstest, dass deine guten Leistungen mich hier gerade retten. Dafür sollte ich mich noch mal bei dir bedanken. “So? Darf ich fragen, woher sie die übrigen Noten des Schülers kennen?” Überfordert sehe ich den Mann, der noch immer hinter seinem Schreibtisch sitz, an, sehe, wie er auf eine Antwort wartet, die meine Lippen einfach nicht verlassen will. Habe ich mich gerade verraten? Nein… Woher soll ich das auch wissen? Was interessieren mich die anderen Fächer. Das ergibt keinen wirklichen Sinn, egal, was ich sage… Oder doch? Nur komm ich nicht, auf eine passende Antwort. Wenn ich einfach zugebe, dass ich die Akte genommen habe? Die Akte, die noch immer in meiner Tasche ist. Mein Blick wandert zu dem Regal, das links von mir steht. Deine fehlt noch immer. “Wie ich sehe, wissen sie von der fehlenden Akte.” Ja, natürlich weiß ich davon… “Ja. Ich habe sie mir angesehen. Ich wollte wissen, wie seine übrigen Noten aussehen, um zu wissen, ob nur Mathe ein Problemfach ist oder ob er generell Probleme in der Schule hat.” Ich weiß, eine schwache Ausrede. Als hätte ich dich das nicht einfach fragen können. Aber irgendwie muss ich das doch erklären. Was soll ich denn sonst sagen? Dass ich deine Adresse brauchte, um dich zu finden und dir unseren Kuss zu erklären? Wohl kaum… Mein Herz pocht wieder schneller in meiner Brust. Der erste Fehler. Ich muss aufpassen, was ich von mir gebe. Das war dumm! Verdammt dumm. Es geht um uns und ich erlaube mir so etwas. Aber meine Gedanken lassen sich einfach nicht mehr ordnen. Ich hab mich viel zu sicher gefühlt. Kann er nicht endlich aufhören, mir solche Fragen zu stellen? Warum lass ich das überhaupt mit mir machen? “Gibt es irgendwelche Beweise, für ihre Annahmen? Ansonsten würde ich gern in meinen Unterricht.” Ja, es hat soeben geklingelt und ich will einfach nur weg hier. Er soll mich gehen lassen, uns beide. Lass uns gehen und einfach glücklich zusammen sein… “Wie gesagt haben wir Informationen, die diesen Verdacht rechtfertigen und deswegen kann ich sie nicht gehen lassen, so lange diese nicht widerlegt sind.” Natürlich nicht. Und jetzt verdächtig er mich noch mehr. Und daran bin ich selbst Schuld. Wie kann ich nur so dumm sein? Wie, so unvorsichtig? Und dennoch reicht das nicht aus, um mir irgendwas nachzuweisen… “Also kann es sein, dass sie ihm gute Noten versprochen haben, nachdem sie wussten, dass ihm diese wichtig sind, wenn er etwas dafür tut?” “Nein!” Ich habe nie etwas getan, was du nicht wolltest. Vielleicht der erste Kuss. Aber ansonsten niemals. So etwas würde ich nicht tun. Ich glaube es einfach nicht, dass er mich das gerade gefragt hat. Ich bin doch kein Perverser, der darauf steht, seine Schüler zu erpressen. Das habe ich doch nur getan, weil ich dich liebe. Weil ich dich über alles liebe… “Nun sie waren mit Toorus Stufe auf Klassenfahrt, nicht wahr?” Ja, war ich. Worauf will er nun hinaus? Oder ist es wieder nicht üblich, dass man einspringt, wenn einer der Lehrer, die mitfahren wollten, krank wird? “Ja.” Was hat das damit zu tun? Was soll das beweisen? Worauf hinweisen? Das ist alles so absurd. Alles ist okay, bis sich jemand etwas ausdenkt. Und nun ist es nicht mehr okay, alles wird hinterfragt. Für alles muss ich mich nun rechtfertigen. Warum ich dir Nachhilfe gegeben habe, warum ausgerechnet ich eingesprungen bin… Ich habe doch nichts gegen deinen Willen getan. “Als er sich verletzt hat, haben sie ihn nach Hause gefahren.” “Ja.” Woher auch immer er das weiß. Hätte ich dich in deinem Zelt liegen lassen sollen? Was wollt ihr von mir? Ich habe nichts unrechtes getan. Ich war nett zu dir, hilfsbereit. War das jetzt ein Fehler, weil das zu viele Leute mitbekommen haben? “Das war Mittwoch. Tooru ist aber erst am Donnerstag zu Hause angekommen. Mal abgesehen davon, dass er am Morgen in ihrem Zelt geschlafen hat.” Deine Lehrerin, die uns gesehen hat. Ich erinnere mich… Beschämt wende ich meinen Blick ab, was soll ich dazu noch sagen? Woher weiß er, wann du zu Hause angekommen bist? Wieso weiß er das alles überhaupt? Ich hatte gedacht, dass wir aufgepasst haben, dass uns keiner was anhaben kann, wenn wir darauf achten, was wir wo tun. Habe ich mich so getäuscht? “Woher wissen sie das alles?” Angriff als beste Verteidigung, weil mir die Argumente und Ausreden ausgehen? Besser als aufzugeben, oder? “Wir haben seine Eltern benachrichtigt. Tooru war diese Nacht nicht zu Hause.” Nein, war er nicht. Er war bei mir, hat bei mir geschlafen, mit mir. Kurz vergrabe ich mein Gesicht einfach in meinen Händen, kralle meine Finger in mein Haar. Was soll ich dazu noch sagen? Es spricht doch alles gegen mich, oder? Indizien. Kein einziger Beweis. Erneut schaue ich auf, sehe den Mann, der vor mir sitzt an. “Ich habe kein Verhältnis zu meinem Schüler. Ich habe nichts getan.” Fest sehe ich ihm dabei in die Augen. Ich habe keine Angst. Er kann nichts tun. Gar nichts. Er wird uns nicht auseinander bringen. “Das kann ich leider nicht beurteilen. Das wird wohl die Staatsanwaltschaft übernehmen müssen. Dennoch steht es ihnen frei, ob sie selbst kündigen. Arbeiten können sie hier selbstverständlich nicht mehr. Holen sie ihre Sachen aus ihrem Büro und verschwinden sie.” Leicht nickte ich, als ich mich erhebe. Ich will hier nur noch weg. Ist mir scheiß egal, ob ich eine Klage am Hals hab oder nicht. Ich will hier raus. Nachdenken. Wie es weiter geht. Was ich tun soll. Erstmal raus, so schnell wie es geht. Einfach weg. “Kaoru?” Was will er denn noch? Kann er mich nicht endlich in Ruhe lassen? Seine verdammte Fresse halten? Ich will seine Worte nicht mehr hören. Die Worte, die gerade alles zum Einstürzen bringen, was da zwischen uns ist. Ich muss mich beherrschen meine Tränen zu unterdrücken, beiße fest auf meine Unterlippe, bleibe stehen. “Sie wissen, dass man Tooru genauso ausfragen und er wahrscheinlich untersucht werden wird?” Und sie werden die Spuren von letzter Nacht finden. Warum wollen sich dich weiter quälen, wenn sie davon ausgehen, dass ich es schon getan habe? Warum lassen sie dich nicht in Ruhe, wenn das alles so schrecklich und furchtbar für dich sein muss? Ich will nicht, dass sie dir das antun, das hast du nicht verdient. Sie sollen dir nicht wehtun. Ich liebe dich… “Ich werde gestehen.” Jetzt ist alles aus. Vorbei. Für immer zu Ende. Mutlos verlasse ich den Raum, will eigentlich nur noch weg. Wohin auch immer, ich soll. Dennoch schlage ich den Weg zu meinem ehemaligen Büro ein, schlage die Tür hinter mir einfach zu, lege deine Akte auf meinem ehemaligen Schreibtisch nieder. Die wirst du noch brauchen… Ich will aber nicht mit ihm sprechen. Ich will mit niemanden mehr reden. Ich will einfach nur zu dir, mich in deine Arme schmeißen und mich ganz fest an dich kuscheln. Ich will, dass du mich einfach festhältst, mich ganz nah an die drückst, mir deine Wärme und Liebe schenkst. Ich will nicht, dass das alles einfach so zu Ende geht. Das darf nicht sein. Und dennoch werde ich nichts mehr dagegen tun können… Sie wissen es alle. Shinya hat mit unserer Lehrerin gesprochen, weil er allein nicht weiter wusste. Ich weiß, dass er nichts dazu kann. Ebenso weiß ich nicht, wie ich selbst reagiert hätte, wenn ihm so was passiert wäre. Und dennoch hasse ich ihn diesem Moment, hasse den Augenblick, die Situation, diese verdammte Schule und ihre endlosen Korridore, die ich entlang laufe. Immer wieder muss ich die Tränen, die sich in meinen Augenwinkel ansammeln wegwischen, um überhaupt noch was sehen zu können. Immer wieder verwischt der Raum um mich. Nur entfernt höre, ich wie eine Tür hinter mir zugeknallt wird. Es ist mir egal. Ich muss zu ihm, ich muss ihm sagen, dass ich das so wollte, dass ich dich liebe. Ich will dich nicht verlieren. Die können mir dich doch nicht einfach wegnehmen. Ihr habt doch gar nichts gegen uns. Shinya lügt! Es ist einfach alles nicht wahr. Lasst uns doch alle in Ruhe. Wir waren doch so glücklich. Und ihr macht alles kaputt, weil wir nicht in euer Scheiß System passen. Allmählich kocht die Wut in mir hoch oder ist es doch nur die Verzweiflung, die ich einfach nicht mehr unter Kontrolle bekomme? Wie sollte ich auch… Keuchend reiße ich die Tür zum Büro meines Direktors auf. Ich hasse Sport und ich glaube, so schnell bin ich noch nie in meinem Leben gelaufen. Gleich der nächste Schock. Warum ist er nicht allein? Was wollen die hier? Vollkommen irritiert sehe ich in die Gesichter meine Eltern. Meine Mutter hat geweint. Ihre Wangen glühen förmlich. Mein Vater sieht mich ausdruckslos an. Ist er sauer? Was wissen die beiden? Warum fühle ich mich plötzlich so verdammt unwohl in ihrer Nähe? “Tooru, schließ die Tür bitte.” Ich will sie nicht schließen. Ich will nicht hier bleiben. Ich will nicht über uns reden. Das einzige, was ich doch will, ist bei dir zu sein. Warum lasst ihr uns nicht einfach zusammen sein. Wir schaden doch niemandem. Tun niemanden etwas. Und dennoch komme ich seiner Aufforderung nach, schiebe die Tür zurück, starre einfach auf den Boden. Ich will nicht wieder weinen. Lass das alles hier einfach schnell vorbei sein. Bitte… Ich spüre, wie mich jemand in seine Arme zieht, mich nahe an sich drückt. Meine Mutter. Es fühlt sich so fremd an, geradezu kalt, obwohl sie mir doch Halt geben will, oder? Nichts dergleichen kommt bei mir an. Ich fühle mich so allein, ohne dich. Selbst meine Familie ist gegen mich. Sie werden es sein, sobald sie die Wahrheit erfahren. Die Wahrheit, die einfach nicht über meine Lippen kommt. Wie sollte ich auch anfangen? Aber ich muss doch sagen, wie es wirklich war. Dich trifft keine Schuld. Was auch immer sie versuchen dir anzuhängen. Ich wollte das alles. Ich war einverstanden und bin es immer noch. Ich muss das klar stellen. Die Wahrheit… und wenn die Wahrheit falsch ist? Wenn du dir etwas ausgedacht hast, wie wir hier wieder rauskommen? Wenn ich alles kaputt mache, wenn ich sage, wie es wirklich war? Damit würde ich doch zugeben, was wir getan haben. Darf ich das überhaupt? Soll ich lügen? Mein ganzer Kopf brennt, scheint gleich zu explodieren. Ich will aus diesem Raum. Weg. Verschwinden. “Wo ist er?” Wo bist du? Ich will endlich zu dir. Mit dir reden. Ich will, dass du meine Hand nimmst, sie fest drückst und dann laufen wir einfach los. Egal wohin, so lange wir zusammen sein können. Erneut spüre ich, wie einzelne kleine Tränen über meine sowieso schon geröteten Wangen perlen. Dabei wollte ich doch nicht mehr weinen. Ich kann nichts dagegen tun. Bin machtlos gegenüber meinen Gefühle, gegenüber dieser Situation. Ich brauche dich doch. Du warst doch immer da, wenn ich deine Hilfe gebraucht habe und nun bin ich allein… “Tooru. Er wird dir nicht mehr zu Nahe kommen. Keine Angst. Dennoch musst du verstehen, dass wir dir ein paar Fragen stellen müssen.” Ich weiß, dass er nicht in meiner Nähe ist, dass er das nie wieder sein wird. Ich will das nicht hören. Ich will wissen, wo du bist. Denn dort will ich auch sein. In deinen Armen liegen, deinen wunderschönen Duft einatmen, meine Augen schließen… Mein Augen vor all dem hier verschließen. Wieder wach werden, geweckt von einem sanften Kuss deinerseits… Ein Traum, der für immer vorbei sein wird… Schnell schüttele ich meinen Kopf, sehe meinen Direktor an. Meine Mutter hängt noch immer an mir, hält mich fest. Nein! “Wo ist er?” Erneu verlässt dieselbe Frage meine Lippen. Ich will zu dir, verdammt. Warum können sie mir nicht einfach sagen, wo du bist? Immer weiter gleiten die einzelnen Wasserperlen mein Gesicht entlang, hinterlassen die hässlichen, roten Bahnen auf meinen Wangen, die du sicher noch schön an mir gefunden hättest, könntest du sie sehen… Meine Stimme ist nur ein leises Hauchen. Ich traue mich einfach nicht, lauter zu sprechen. Vielleicht, weil wir wirklich etwas verbotenes getan haben? Aber wie kann Liebe denn falsch sein? “Er hat gekündigt. Ihr werdet euch nicht mehr begegnen.” Verdammt! Ich will nicht wissen, wo du nicht bist, sondern wo du bist. Ich will zu dir. Scheiß drauf! Na und? Dann tun wir was falsches? Es fühlt sich toll an, besser als alles andere zuvor. Ich lasse dich nicht einfach gehen. “Ich will endlich wissen, wo er ist! Ist das so schwer?” Ich erschrecke mich selbst, vor meiner Stimme, die plötzlich so laut ist, so aggressiv. “Jetzt sagen sie ihm endlich, wo dieser Niikura ist. Er hat Angst, sehen sie das nicht?” Meine Mutter kennt mich nicht. Kein bisschen. Aber in dem Moment bin ihr dankbar, dass sie meinen Direktor so anfährt. Er hat es doch nicht besser verdient. Sagt mir endlich, wo ich dich finden kann. Ich will zu dir. Ich habe sicher keine Angst, aber das kann euch egal sein. “Er hat gekündigt. Vielleicht ist er weg, vielleicht ist er noch dabei, seine Sachen zu packen.” Deine Sachen, die du in deinem Büro hast. Sie vielleicht dort hattest. Ohne weiter nachzudenken, reiße ich mich von meiner Mutter los, renne einfach aus diesem furchtbaren Raum. Ich muss zu dir, schicke stille Gebete in den Himmel. Du musst noch da sein. Du kannst mich nicht allein lassen. Bitte, lass mich dich ein letztes Mal sehen… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)