Aus Summen kürzen nur die Dummen von Yusuke ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Aus Summen kürzen nur die Dummen Aufgeregt stehe ich im Badezimmer. Probiere immer wieder meine Brille an, nur um sie gleich darauf wieder abzusetzen. Werfe einen Blick in den Spiegel vor mir. Ob ich so zu spießig wirke? Na dann eben doch die Kontaktlinsen. Nervös fahre ich durch meine Haare, ausgewaschenes Lila und zu dem noch lang. Nicht gerade typisch für den Beruf, den ich ab heute ausüben werde. Was werden die Kollegen sagen? Vielleicht doch lieber die Brille… Ach was soll’s. Ich lege sie endgültig bei Seite. Immerhin haben sie mein Foto gesehen und mich trotzdem angenommen. Ich zupfe noch ein wenig an meinen Haaren, sprühe noch mal etwas Haarspray drauf. Wie ich mich schon jetzt auf heute Abend freue, wenn ich das ganze Zeug wieder raus waschen darf. Entscheide mich dann endlich das Bad zu verlassen. Schaue noch einmal zu der Kaffeekanne, die auf dem Küchentisch steht. Der Geruch des heißen Getränks steigt mir in die Nase und alles was ich spüre, ist der aufkommende Brechreiz. Die Angst vor dem heutigen Tag. Die Aufregung. Ich nehme meine Tasche, verlasse das Haus fluchtartig vor dem Kaffeeduft und setze mich in mein Auto. Meine Hände krallen sich in das Lenkrad und ich spüre, wie mein Herz schneller zu schlagen beginnt. Versuche die Gedanken an den heutigen Tag zu verdrängen, mich zu entspannen. Überhaupt frage ich mich, wie ich so schnell an einen Job gekommen bin. Nicht, dass ich mit meinen 25 Jahren nicht langsam anfangen könnte zu arbeiten, aber schon drei Wochen nach meinem Studium? Ich kann nicht leugnen, dass ich in diesem Moment lieber in meinem Bett liegen würde, vielleicht fernsehen… Anstatt dessen, sitze ich hier in meinem Wagen, fahre meinem ersten Arbeitstag entgegen. Wie schnell 15 Minuten vergehen, merke ich erst, als ich mit meinem Auto auf dem Parkplatz zum Stehen komme. Unsicher schaue ich mich um. Viel zu sehen ist hier nicht, dennoch will ich noch nicht aussteigen. Mir noch einige Minuten nehmen. Ich werfe einen kurzen Blick auf die Uhr und für einen kurzen Moment bleibt mein Herz stehen. In genau 30 Sekunden bin ich offiziell zu spät. Hektisch steige ich aus, hetze auf die Eingangstür zu, laufe den langen Korridor entlang. Sehe die Tür, atme erleichtert auf, als ich meine Hand auf die Klinke lege. Doch genau in diesem Moment, höre ich die laute Schulglocke schlagen. Ich seufze leise, als ich die Tür öffne, vorsichtig hineinschleiche. Sehe gleich in das freundliche Gesicht des Direktors, verbeuge mich kurz und entschuldige mich für meine Verspätung, doch er winkt nur ab, lächelt. "So lange, dies nicht zur Gewohnheit wird." Er führt mich aus seinem Büro, stellt mich kurz den anderen Kollegen vor, selbst ziemlich in Eile, stürmen sie nach einander auf die Korridore zu, verschwinden in den vielen Türen des Gebäudes. Er schiebt mich weiter, erklärt mir, warum sie mitten im laufenden Schuljahr einen neuen Mathe und Physiklehrer brauchen. Ich war übrigens der einzige, der sich beworben hatte, sehr schmeichelhaft. Irgendwann bleibt er dann vor einer verschlossenen Tür stehen, deutet auf diese. "Sie sind ab heute für den Unterricht in dieser Klasse verantwortlich." Er scheint meinen besorgten Blick gesehen zu haben, klopft mir aufmunternd auf die Schultern. "Die sind ganz nett…" War das Ironie? Ach, was freu ich mich… Er lächelt leicht, wendet sich dann zum Gehen. Unentschlossen schaue ich auf die Tür, umgreife die Klinke nur zaghaft, schließe meine Augen, atme tief durch und trete ein. Die gesamte Aufmerksamkeit der Klasse liegt auf mir. Keiner spricht mehr, starren mich erwartungsvoll an. Ich schlucke, trete dann an das Pult, verbeuge mich kurz und ergreife das Wort. Stelle mich ihnen als Niikura-san vor, erzähle kurz von mir, während ich meinen Blick durch die Klasse schweifen lasse. Sofort fällt mir der kleine Blondschopf ins Auge. Zugegeben, zwischen den ganzen schwarzen Haaren, wäre es wunderlich, wäre er mir nicht aufgefallen. Ich frage mich, wie ich als Lehrperson mit meinen lilafarbenen Haaren wirken muss… Mein Blick wandert wieder zu dem Blonden. Erst jetzt bemerke ich das Metall, das seine Haut durchbohrt. Ich seufze unhörbar. Na hoffentlich macht der keinen Ärger… Ich wende mich wieder der Klasse zu, erkundige mich, ob sie noch Fragen haben. Erkläre ihnen dann meine Lehrmethoden. Mehr oder weniger gerade improvisiert. Sehe mich um, erkenne, dass alle verstanden haben. Kurzer Seitenblick zu dem Blonden. Er schaut mich, wie alle anderen, interessiert an. Ich ergreife die Namensliste, die mir der Chef von dem Laden hier, vorhin gegeben hat. Beginne die Namen laut vorzulesen, lasse sie aufstehen. Versuche mir die Namen der Einzelnen zu merken und weiß, dass ich doch scheitern werde. Den ersten habe ich schon wieder vergessen. Grübelnd lese ich weiter vor. "Nishimura, Tooru" Tooru? Klingt ja richtig niedlich. Ich schaue durch die Reihen, sehe wie der Blonde seine Hand hebt. Süß ist er ja… Erschrocken, klammere ich mich an den weißen Zettel und schüttele den Kopf, was denke ich nur? Seufzend mache ich schnell weiter. Verdränge meinen kleinen gedanklichen Aussetzer. "Terachi Shinya" Das Mädchen... Ähm... Der Junge… ach egal der Mensch neben dem Blonden hebt seine Hand. Schaue ihn kurz an. Ich muss mir merken, irgendwann mal dezent nach dessen Geschlecht zu fragen. Könnte sonst peinlich werden. Verlese noch die letzten Namen, die auf meiner Liste stehen. Lege sie dann zufrieden bei Seite. Ich kann nicht einen Namen zuordnen… Tooru. Mein Blick fällt zu ihm. Doch schnell zwinge ich mich wegzuschauen, krame in meiner Tasche und ziehe einen Stapel an weißen Blättern heraus. Lege jedem einen auf den Tisch. Schüchtern kläre ich sie auf, habe Angst vor den Reaktionen. "Ich habe einen kleinen Test für euch vorbereitet." Ein Raunen und allgemeines Seufzen geht durch die Klasse, ehe ich wieder das Wort ergreife. "Keine Sorge. Ich bewerte ihn nicht. Ich möchte nur wissen, an welcher Stelle ich den Unterricht ansetzten muss." Ich sehe in erleichterte Gesichter. Ohne Widerworte beginnen sie zu schreiben. Ebenfalls erleichtert lasse ich mich auf den Stuhl sinken. Sie scheinen wirklich nett zu sein. Unweigerlich fällt mein Blick auf den Blonden. Ich kann ihn nicht einschätzen. Wirkt lieb und gleichzeitig rebellisch, interessiert und ebenso abwesend und süß… Ich kneife die Augen zusammen. Diagnose, Kaffeeentzug. Genau. Dennoch werfe ich ihm noch einen Blick zu, ertappe ihn, wie er zu seinem Nachbarn rüberschielt. Schnell richte ich mich auf. Meine Stimme wird lauter, als ich seinen Namen ausspreche. Mein strenger Ton, vielleicht eine Spur zu laut, als ich sehe, wie er kurz zusammenzuckt. Sofort spüre ich mein schlechtes Gewissen, als er mit seinen unschuldigen, braunen Augen zu mir hoch schaut. Sofort mäßige ich meine Lautstärke, spreche fast zu lieb zu ihm. Aber ich kann nicht anders… "Das bringt doch nichts, wenn ich…" Kurzer Blick auf die Liste. "…Shinyas Ergebnisse zweimal habe, hm?" Er nickt nur und wendet sich wieder seinem Blatt zu. Keine Widerworte? Überrascht setzte ich mich wieder. Er scheint doch einfach nur schüchtern und nett zu sein. Verdränge meine Vorurteile. Hänge meinen Gedanken nach, bis ich irgendwann wieder realisiere, wo ich eigentlich bin. Schnell erhebe ich mich, sammele den kleinen Test wieder ein. Stelle mich erneut vor die Klasse, lasse sie Arbeitsgruppen bilden und verteile einige Aufgabe, die sie lösen sollen. Ich selbst mache mich an die Auswertung des Testes. Schaue noch mal hoch. Mein Blick fällt auf die beiden scheinbaren Außenseiter. Tooru und… wo ist meine Liste? Shinya. Sie bleiben unter sich. Ich sollte mich erkundigen, warum das so ist. Wende mich dann aber wieder meiner eigenen Aufgabe zu. Arbeite sie genau durch, bis ich letztendlich einen ungefähren Überblick über die Fähigkeiten der Schüler habe. Werfe einen kurzen Blick zu der Uhr. Noch zehn Minuten bis zum Ende der Stunde. Ich stehe auf, wende mich an die Klasse. Alle sehen hoch, schauen interessiert auf die Zettel in meinen Händen. Zurückgeben werde ich sie nicht, fälle ein allgemeines Urteil. Pädagogische improvisierte Maßnahme. "Euer Durchschnittswert lag bei 82% Das ist eigentlich ziemlich gut. Und ich weiß jetzt, an welchen Stellen eure Schwächen liegen. Nächste Stunde fangen wir dann an. Bis morgen." Zufrieden packen sie ihre Sachen ein. Zwar acht Minuten vor Schluss, aber ein wenig Bestechung kann ja nicht schaden. Trete dann zu dem Blonden rüber, sehe wie er seine kleine Umhängetasche packt, mich dann überrascht ansieht. "Ich würde gerne noch kurz mit dir reden." Er nickt und wir warten, bis alle verschwunden sind. Ich setze mich zu ihm. Sehe ihm in die Augen. Ich zögere kurz, weiß nicht genau, wie ich beginnen soll. "Also… Dein Ergebnis war… mit Abstand das schlechteste." Ich lege seinen Test vor ihm auf den Tisch "Hast nur die erste richtig…" Ein müdes Lächeln huscht über seine Lippen. "Die einzige, die ich geschafft habe, abzuschreiben…" Ich schaue ihn an, seufze leise. "Okay… Hast du schon mal an Nachhilfe gedacht?" Er schaut weg und ich meine einen leichten Rotschimmer zu erkennen. Höre seine genuschelten Worte. "Die verzweifeln alle an mir" Ich lächele aufmunternd. "Ich besorge die einen Guten. So schlimm kann's ja gar nicht sein." Er schaut weiter so tieftraurig. Mein Lächeln verschwindet langsam. "… wenn sie meinen…" Fast niedergeschlagen geht er langsam auf die Tür zu, verlässt den Raum und ich merke, dass es mir wehtut, ihn so zu sehen. Kann dieses Gefühl nicht einmal erklären. Verspüre den Drang ihm unbedingt helfen zu wollen. Tiefe Zuneigung? Ich schüttele den Kopf. Er tut mir einfach nur Leid. So wird es sein… Kapitel 2: ----------- Das penetrante Klingeln meines Weckers reißt mich aus meinem Schlaf. Mit geschlossenen Augen taste ich mich zu ihm vor, versuche den Knopf zu finden, um meinem Feind zum Schweigen zu bringen. Mit einem dumpfen Geräusch fällt er von meinem Nachttisch, piepst unermüdlich auf dem Teppich weiter. Murrend richte ich mich auf, trete den kleinen Störenfried beiseite. Und noch immer gibt er keine Ruhe. Ich seufze leise. Der Tag wird scheiße. Gähnend tapse ich in unser kleines Badezimmer, mein müder Blick trifft meine verschlafene Gestalt, die mich mit halb geschlossenen Augen, aus dem Spiegel anstarrt. Müde stelle ich das Radio ein und eine heliumgeschwängerte Stimme wirft den neusten Klatsch und Tratsch um mich, während ich die Zahnbürste zwischen meine Lippen schiebe. Aha, X hat sich von Y getrennt, Deutschland ist schon wieder nicht Fußballweltmeister geworden und dann zieht mich die Stimme wieder in ihren Bann. Theatralisch klappe ich meine Kinnlade auf, starre auf den grauen Kasten. Nein, in China ist ein Sack Reis umgefallen. Ich verdrehe kurz die Augen, drücke auf den erlösenden Knopf, der meine Ohren endlich mit angenehmer Musik beschallt, während ich meine Zahnbürste, die mir eben aus dem Mund gefallen ist, aufhebe. Angewidert schaue ich auf die Fusseln, die an der Zahnpasta kleben. Und in diesem Moment stürmt meine Mutter in das kleine Zimmer, sprintet an mir vorbei, stürzt sich auf den kleinen, wehrlosen “Musikkasten”. Drückt unaufhörlich alle Knöpfe, bis die Musik verstummt. Entsetzt schaue ich auf mein Radio, bestimmt hat sie es geschafft, meine Cd zu löschen. Und dann stellen sich mir ihre Brüste in den Weg. Und wieder einmal wird mir bewusst, wie ungünstig meine Größe ist, besonders wenn sich meine Mutter vor mir aufbauen will. Vorsichtig trete ich einige Schritte zurück, um mein Blickfeld zu erweitern, fange ihren genervten Blick auf. “Tooru” Ich zucke kurz zusammen, als sie auch schon fortfährt, dabei ihre Hände in die Hüften stemmt. “Wie oft hab ich dir gesagt, dass du die Musik nicht so laut stellen sollst?” Laut? Ich hab nicht einmal den Song erkannt. “Kannst du nicht anklopfen?” Irgendwie nuschele ich ihr die völlig falsche Antwort entgegen, nehme ihren strengen Blick wahr, der noch immer auf mir ruht. “Wenn du den Schlüssel nicht abgebrochen hättest, hättest du abschließen können.” “Ach ja…” Ich erinnere mich. Der Tag, an dem ich fast acht Stunden im Badezimmer festgesessen habe.. Ich sehe, wie sich ihr Gesichtsausdruck verändert. Sie mir ein leichtes Lächeln schenkt. “Beeil dich ein wenig, sonst verpasst du den Bus schon wieder.” Sie hat Recht, aber das “wieder” hätte sie trotzdem nicht so betonen müssen. Kann doch mal passieren. Erneut fällt mein Blick auf meine versaute Zahnbürste, strecke sie ihr entgegen. “Ich brauche eine neue Zahnbürste.” Entsetzt schaut sie auf den Gegenstand in meiner Hand. “… und einen Zahnarzttermin.” Irritiert schaue ich sie an, bis ich verstehe. “Die ist auf den Boden gefallen.” Ich schmolle kurz, verziehe mein Gesicht, als sie leise zu kichern beginnt. “Dein T-Shirt ist schmutzig.” Ich schaue an mir herunter, blicke auf den weißen Fleck auf meinem schwarzen Lieblingsshirt. Zahnpastaschaum. Toll. Nachdem ich mich nun zum zweiten Mal umgezogen habe, wobei es eigentlich klar war, dass mein Pullover das Frühstück nicht überlebt, kann ich das Haus endlich verlassen. Stolz heute einmal nicht meine Tasche vergessen zu haben, gehe ich langsam auf den winkenden Jungen zu, der jeden Morgen schon vor seinem Haus steht und auf mich wartet. Ich hebe meine Hand, wünsche ihm einen guten Morgen, als Shinya schon nach meiner Hand greift mich stürmisch mit sich zieht. Er nuschelt irgendwas, vom Zu spät Kommen und Busverpassen. Bis wir genau 15 Minuten zu früh an der Bushaltestelle stehen. Seufzend setze ich mich auf die kleine Bank. “Wenn ich das jetzt hochrechne, hätte ich eine Viertel Stunde länger schlafen können.” Ich sehe, wie eine seiner Augenbrauen in die Höhe wandert. “Wo war das denn gerechnet?” “Ja also, Ich hab die 15 Minuten hier abgezogen und meiner Schlafzeit hinzugefügt.” Er verdreht die Augen, setzt sich dann lächelnd zu mir. “Vielleicht schafft unser neuer Lehrer ja, mir Mathe beizubringen. “ “Das ist ein Lehrer, kein Gott…. Der vollbringt keine Wunder…” Grinsend sieht er mich an. Ja lustig. Murrend drehe ich mich weg. “Idiot.” Nur noch eine Stunde und dann kann ich endlich weg hier. Wie ich mich auf zu Hause freue. Ah und ich glaube, dass ich heute zwei Sprüche mehr abbekommen habe als Shinya. Wieder zwei Punkte mehr für mich. Wenn das so weitergeht, ist mir das Eis am Ende des Monats sicher. Ich seufze leise, als ich meinen Stundeplan herauskrame, nach der letzten verbleibenden Stunde suche. Mathe. Ausgerechnet. Irgendwas mache ich falsch. Und dann betritt auch schon unser irgendwo im Jugendalter stecken gebliebener Lehrer den Raum. Vielleicht bin ich ungerecht. Shin hat ja Recht, er ist ganz nett, aber Menschen, die Mathematik studiert haben, sind mir aus Prinzip unsympathisch, obwohl er ja ganz gut aussieht. Irritiert schaue ich mich um, als hätte ich Angst, das jemand meine Gedanken mitbekommen haben könnte, während ich mich selbst frage, welche Synapse in meinem kleinen Kopf gerade durchgebrannt ist. Und bevor ich weiter meine Psyche analysieren kann, ertönt seine Stimme, die das neue Thema verkündet. Super Thriga… Thrigo… was auch immer für eine metrie. Ich merke jetzt schon, wie großartig diese Stunde wird. Ich kann mir nicht mal den Namen des Themas merken. Fleißig schreibt er die Tafel voll, erklärt nebenbei und alle anderen nicken wissend, während ich die Zahlen stumpf abschreibe. Bis er uns noch einige Übungsaufgaben gibt, sich seinem eigenen Kram widmet. Mein Blick huscht zu Shinya, der eifrig an seinen Aufgaben sitzt und endlich doch meinen fast flehenden Blick wahrnimmt. Seufzend versucht er mir das eben Besprochene zu erklären. Ich hab keine Ahnung wovon er redet. Was es wohl heute zu essen bei uns gibt? Ich glaube, dass Shinya fertig mit seinen Ausführungen ist, sein fragender Blick verrät ihn. “Ach so!” Ich nicke wissend und treffe auf seinen skeptischen Blick. “Hast du überhaupt zugehört?” Ich lächele entschuldigend, während ich nach den fertig gerechneten Aufgaben greife und sie beginne abzuschreiben. Bis endlich die erlösende Schulglocke zu hören ist. Schnell schmeiße ich den ganzen Mathekram in meine Tasche, hänge sie mir um und will den Raum verlassen, nicht, dass mein Lehrer noch auf die glorreiche Idee kommt, auf unser gestriges Thema “Nachhilfe” zurück zu kommen. “Tooru, wartest du bitte?” Noch ehe ich die Tür erreiche, halt das böse T-Wort durch den Raum. Fuck! Ich sehe, wie der kleine Blondschopf stehen bleibt, sich seufzend umdreht und zurück zu mir schlendert. Mit wenig Begeisterung schaut er zu mir hoch. Ein wenig zu lange, starre ich in seine Augen, die traurig wirken. Ich kann nicht einmal erklären weshalb, aber auch meine gute Laune, die bis eben noch hier gewesen ist, scheint verflogen. Was hatte ich auch erwartet? Dass er mir mit Freudentränen in seinen schönen Augen um den Hals fällt? Innerlich schüttele ich den Kopf. Welcher 16-Jährige freut sich schon, noch länger als üblich in der Schule bleiben zu müssen. Und erst jetzt, wird mir bewusst, dass ich sein hübsches Gesicht immer noch mustere. Seine Augen schauen mich fragend und zugleich skeptisch an. Ob er meinen Blick bemerkt hat. Irgendwie muss ich von mir ablenken, beginne in meiner Tasche zu wühlen, während ich das Wort an ihn richte, weiter nach einem nicht existierendem Gegenstand suche. “Also das hatten wir ja gestern besprochen mit deiner Nachhilfe und ich habe jemanden gefunden.” Mehr oder weniger. “Aha.” Ich lasse von meiner Umhängetasche ab, schaue ihn fragend an, treffe auf seinen noch immer unbegeisterten Blick. Ein leises Seufzen verlässt seine Lippen. “Wer denn?” Ich höre den gleichgültigen Ton, der in seiner Stimme mitschwingt. Hat er gestern nicht zugestimmt, motiviert gewirkt? Ich spüre die leichte Melancholie, die sich in dem Raum ausbreitet, spüre, wie sie auch mich einnimmt. Verstecke sie unter meinem leichten Lächeln, während ich mich, als sein neuer Nachhilfelehrer vorstelle. Ich sehe, wie seine Augen unnatürlich groß werden, sie schon fast aus seinem Kopf zu springen drohen. Sein überraschter und gleichzeitig geschockter Ausdruck, löst eine Gänsehaut auf meinem Körper aus. Ist das so schlimm für dich? Ich spüre den leichten Druck, der sich in meiner linken Brust ausbreitet und mein Lächeln verschwindet langsam, während ich auf eine Antwort warte. “Das bringt doch nichts…” Mit diesen Worten drehst du dich um, willst davonlaufen. Ich spüre den leichten Stich, der meinen Oberkörper schmerzen lässt. Wieso nur lehnst du mich ab? Reflexartig greife ich nach deiner Hand, ziehe dich zurück und für diesen kurzen Moment spüre ich das Kribbeln, das meinen Körper durchzieht. Sofort lasse ich deine Hand los. Und obwohl ich dich nicht mehr festhalte, bleibst du hier. Schaust mich überrascht an. “Wir können es doch versuchen, wenn das nichts bringt, kannst du immer noch aufhören.” Ich spüre mein Lächeln, das auf mein Gesicht zurückkehrt, als du leicht nickst. “Wenn du willst, können wir gleich anfangen.” Fast euphorisch richte ich meine Frage an dich. Wieder nickst du nur, wirkst dabei so schüchtern. Wie gern würde ich dich jetzt in den Arm nehmen. Froh über deine Entscheidung, schnappe ich mir meine Mathesachen, setzt mich in die erste Reihe an einen der Tische, glücklich mit dir allein sein zu dürfen, ich meine dir helfen zu können. Mein Blick wandert wieder zu dir, wie du noch immer an derselben Stelle stehst, irgendetwas für mich unsichtbares fixierst. “Tooru?” Unsicher frage ich nach. Irritiert, fast so, als wärest du gerade erst aufgewacht starrst du mich an, setzt dich schnell neben mich und packst deine Sachen hektisch aus. Ich bemerke, wie du nervös mit deinen Fingern spielst, die Tischplatte vor dir musterst. Erst jetzt stelle ich mir die Frage, wie du dich fühlen musst. Allein mit deinem Mathelehrer, der dich ja fast schon gezwungen hat, länger zu bleiben. Sofort breitet sich das schlechte Gewissen in mir aus. “Vielleicht ist es einfacher, wenn du mich nicht als deinen Lehrer siehst…” Stimmt, Nachhilfelehrer sind ja keine Lehrer. “… also du kannst mich Kaoru oder Kao nennen…” Und morgen gehen wir zusammen shoppen und können ja beste Freunde sein. Ich ohrfeige mich innerlich selbst. “… dann ist das vielleicht nicht so angespannt und du lernst besser.” Super gerettet. Ein Seufzen verlässt meine Lippen, als ich dein leises, unsicheres “okay” höre. “Am besten fangen wir gleich an.” Bevor ich noch mehr dummes Zeug von mir gebe. Fragend schaue ich dich an, sehe, wie du nickst und dein Heft aufschlägst. “Das Thema hab ich gar nicht verstanden.” Seufzend nehme ich dir dein Heft aus den Fingern, lege es bei Seite. “Deinem Test nach, hast du die Themen davor auch nicht verstanden.” Aus großen, braunen Augen schaust du mich an. Erst jetzt fällt mir auf, wie dunkel sie sind, dass ich solche, noch nie gesehen hab. Deine Wangen, die einen leichten Rotschimmer tragen Woran denke ich nur wieder? Schnell greife ich nach einem leeren Zettel, versuche die Gedanken, die um dich kreisen, auf diese Weise abzuschütteln. Ich beginne dir die Grundlagen, auf die das neue Thema aufbauen zu erklären. Dabei schaue ich dich nicht an, halte meinen Blick stur auf das Papier vor mir gerichtet, bis ich fertig bin und dich anschauen muss. Du nickst nur, ziehst den Zettel zu dir, liest dir meine Aufzeichnungen noch einmal durch. Zufrieden gebe ich dir einige Aufgaben, die du nach demselben Prinzip lösen sollst. Langsam beginnst du die ersten Ziffern auf deinen Zettel zu bringen. Mein Blick wandert zu deinen zierlichen Fingern und deinen etwas zu dünnen Handgelenken, die dennoch perfekt zu deinen kleinen Händen passen. Lächelnd betrachte ich deinen konzentrierten Blick, den du auf meinen Zettel gerichtet hast, dabei deinen Kugelschreiben nachdenklich an deine vollen, roten Lippen legst. Die so weich wirken, dass ich sie am liebste berühren möchte. Deine Haut, die noch viel weicher zu sein scheint, so rein, dass ich sie förmlich unter meinen Fingerkuppen spüren kann. Und plötzlich starrst du mich aus deinen fast schwarzen Augen überrascht an. Und erst jetzt merke ich, wie meine Finger über deine Wange streichen, wie ich dein Kinn leicht anhebe. Ich es selbst bin, der dich zwingt mich anzusehen. Der Moment in dem wir und so anstarren, verharren, scheint mir unendlich, bis ich meine Hände zurück ziehe. “Tooru! Bist du schon fertig?” Ohne auf eine Antwort zu warten, greife ich nach deinem Aufgabenzettel, versuche nur abzulenken, lasse meinen Blick über deine Rechungen schweifen. “Du hast schon wieder aus der Summe gekürzt.” So tuend als ob nicht gewesen wäre, zeige ich dir deinen Fehler und auch du schweigst. Nur der leicht rote Ton auf deinen Wangen verrät woran du wirklich denkst. Dennoch deutest du auf meinen Zettel. “Ich hab alles so gerechnet wie Sie… ähm… wie du.” Verwundert schaue ich meine eigene Rechnung an. Tatsächlich. Du hast Recht. Ich habe aus der Summer gekürzt. Seufzend lege ich beide Seiten weg. Schaue dich entschuldigend an. “Tut mir Leid, Tooru. Vergiss die Stunde heute, ja?” Lächelnd nickst du. Ob dir meine Unsicherheit aufgefallen ist? Welch Frage, natürlich ist sie das. Ein erneutes Seufzen verlässt meine Lippen. “Vielleicht solltest du mich nicht als deinen Schüler sehen… wegen der Anspannung und so.” Leise kicherst du. Machst du dich auch noch über mich lustig? “Ich mag meinen Namen ohnehin nicht, da kannst du mich auch Kyo nennen. Und den gibt es in deiner Klasse ja nicht.” Ich schaue in dein ehrliches, aufrichtiges Lächeln, das mich zurück lächeln lässt. “Morgen wieder?” Unsicher schaue ich dich an, sehe wie du kurz überlegst und dann doch nickst. Scheint als hätte dich mein Ausrutscher nicht verschreckt. “Bis morgen, Kao.” Du gehst auf die Tür zu, bist schon fast dahinter verschwunden, als ich noch mal nach dir rufe. Verwundert steckst du deinen Kopf durch die offen stehende Tür. “Dein Sitznachbar… Ist der männlich oder weiblich?” Du schaust zunächst irritiert, fängst dann aber leise an zu lachen. “Männlich.” Und dann bist du verschwunden. Zufrieden lehne ich mich zurück, schließe meine Augen. Denke zurück an den Moment, als ich dein Gesicht berührte, das Kribbeln unter meinen Fingerkuppen spürte. Geschockt reiße ich meine Augen wieder auf, was tue ich eigentlich? Woran denke ich? Und erst jetzt wird mir bewusst, dass das, was du in mir auslöst… dass ich diese Gefühle niemals haben darf. Kapitel 3: ----------- Gut gelaunt verlasse ich das alte Schulgebäude, wieder einmal glücklich nicht von den alten Baugerüsten erschlagen worden zu sein. Seit letztem Jahr hat sich die Decke bedrohlich stark gewölbt und nicht selten rieselt eine beachtliche Menge an Staub und Asche herunter. Extrem gute Lernbedingungen. Vielleicht sollte ich irgendwo mal anfragen und mein nicht vorhandenes Mathegenie auf diese Umstände zurück führen. Vielleicht können meine Leistungen nicht gewertet werden. Ach was soll’s. Die Schule ist, zumindest für heute, vorbei. Es ist angenehm warm und die Sonne scheint mir ins Gesicht, blendet mich und dennoch genieße ich die leichte Frühlingswärme, die mich umgibt. Mit geschlossenen Augen, scheint es, als würde ich dem hellen Weiß immer weiter entgegen gehen. Entspannt atme ich die aufgewärmte Luft ein, fülle meine Lungen mit dem nötigen Sauerstoff, der mir in den stickigen Klassenräumen geraubt wurde, genieße das sanfte Kribbeln der tief stehenden Sonne auf meiner Haut. Und meine Gedanken wandern zurück, erinnern mich an die letzte Stunde. Das merkwürdige Gefühl, das sich auf meiner Haut ausbreitete, als ich deine Finger an meiner Wange fühlte. Ich spüre, wie mein Herz wieder schneller gegen meine Brust zu schlagen beginnt, ohne den Grund nennen zu können. Dein durchdringender Blick, als du mich für diesen einen Moment abwesend anstarrtest. Noch immer versuche ich ihn einzuordnen, zu verstehen. Was du in diesem Moment gedacht hast. Was du gefühlt hast. Was ich gefühlt habe? Ich schüttele leicht den Kopf und ein leises Seufzen verlässt meine Lippen. Ich war überrascht, nicht mehr. Du schienst von Anfang an verwirrt gewesen zu sein. Die Aufgabe, die du falsch gerechnet hast. Die falschen Lösungen, die du mir präsentiertest. Wo warst du nur mit deinen Gedanken? Hoffentlich bist du das nächste Mal konzentrierter. Ansonsten kann ich mir einen anderen Nachhilfelehrer suchen. Und ehrlich gesagt… das will ich nicht. Und erst jetzt fällt mir auf, dass ich an meinem zu Hause vorbei gelaufen bin. So etwas kann auch nur mir passieren. Eilig hetze ich die zwei Straßen zurück und noch bevor ich meinen Haustürschlüssel in dem silbrigen Schloss versenken kann, wird die Tür aufgerissen und meine Mutter zieht mich in ihre Arme, wie peinlich. Beschämt quetsche ich mich an ihr vorbei, um im Haus verschwinden zu können. Na hoffentlich hat das keiner gesehen. Sie schließt die Tür, während ich meine Schuhe ausziehe, sie ordentlich in Reihe aufstelle. Abwartend sieht sie mich an. “Was?” Meine Stimme hallt genervt durch unseren kleinen Eingangsbereich. “Wo warst du so lange?” Ich verdrehe meine Augen, seufze leise. Ich weiß, ich bin Einzelkind. Auf mich muss sie aufpassen, denn wenn mir was passiert ist kein Ersatz da. Aber muss sie trotzdem alles wissen? Und dennoch antworte ich nach einigen Sekunden. “Nachhilfe.” Mit diesen Worten oder eher gesagt dem Wort begebe ich mich in die Küche, nehme mein kaltes Mittagessen, das sicher schon seit genau, ein Blick zur Uhr, einer Stunde und sieben Minuten hier auf mich wartet. Gelangweilt schiebe ich meine Mahlzeit in die Mikrowelle, beobachte wie sie sich im Kreis dreht. “Ich hab mir Sorgen gemacht.” “Aha.” Mehr oder weniger unkommentiert lasse ich ihren Satz stehen, widme mich meinem Essen zu, schiebe mir Portion für Portion zwischen meine Lippen, während sie mich mir bedeutungslosen Dingen voll quatscht. Ich nicke hin und wieder ohne wirklich zuzuhören. Hmm.. Die Nudeln sind heute ganz schön versalzen. Meine Mutter schaut mich erwartungsvoll an. Mist, vergessen zu nicken, schnell nachholen und mit einem übertrieben aufgesetztem Lächeln stimme ich ihr zu, worum auch immer es ging. Überrascht hebt sich eine ihre Augenbrauen in die Höhe, während sie mich mustert. “Sicher?” Keine Ahnung. Ich hab nicht zugehört. “Denke schon.” “Also langsam mach ich mir wirklich Sorgen um dich.” Na Klasse. Nachdenklich schaut sie mich an. “Immer diese mehr als engen Röhrenjeans und eine Freundin hattest du ja auch noch nicht und jetzt willst du auch noch ein pinkfarbenes Zimmer?” Ah… Darum ging’s. Ich seufze leicht, das nächste Mal höre ich zu. “Ich will kein pi….” “Und Jungfrau bist du ja auch noch…” Darf ich ausreden… Was? Das hat sie gerade nicht gesagt oder? Erschrocken oder mehr entsetzt schaue ich sie an. Wende mich dann ab, bevor sie den rötlichen Ton auf meinen Wangen sieht und beginne das schmutzige Geschirr in die Spülmaschine zu räumen. Was geht sie das überhaupt an? “Ich meine ja nur. Die meisten in deinem Alter… Und geküsst hast du auch noch nicht.” Verdammt, da kann ich doch auch nichts dazu. Warum muss sie sich auch immer einmischen und solche peinlichen Fragen stellen. Wütend und beschämt will ich das Zimmer verlassen, als ich ihre Hand um meine Finger spüre und sie mich vorsichtig zurück zieht. Irritiert drehe ich mich um, taumele erschrocken einige Schritte zurück, als ich für einen Augenblick nicht meine Mum sondern, Kaos Gesicht vor mir sehe. Ich stolpere über meine eigenen Füße, lande letztendlich unsanft auf den weißen Fließen unserer Küche, während ich verwirrt hoch schaue und mein Herz schnell schlagen spüre. Warum nur, muss ich an dich denken. Warum jetzt? “Alles okay?” Das besorgte Gesicht meiner Mutter taucht vor mir auf, schaut auf mich herab. Schnell schiebe ich die Gedanken bei Seite. “Ja.” Langsam rappele ich mich wieder auf, schaue mich etwas orientierungslos um. “Hast du dich gerade vor mir erschrocken? Du bist komisch.” Lachend erhebt sie sich von ihrem Stuhl. “Lass mich doch.” Grummelnd, beobachte ich, wie sie sich der Arbeitsplatte nähert, das Telefon ergreift, das auf dieser liegt. Na klar… Jetzt muss sie das wieder ihren ganzen Kaffeklatsch Freunden erzählen. Unerwarten drückt sie mir das Telefon in die Hand. “Ist doch nicht böse gemeint. Und Shinya hat vorhin angerufen.” Sie streicht mir kurz über mein Haar und drückt mir ein Küsschen auf meine Wange. “Auf deinem Pullover kleben Nudeln.” Nachdem ich mich nun zum dritten Mal an diesem Tag umgezogen habe, wähle ich Shinyas Nummer, während ich mich auf mein Bett fallen lasse und seinen Fragen lausche. Wie die Stunde gewesen war. Gut. Ob ich etwas gelernt hätte. Nein. Wann ich wieder hingehe. Morgen. Und dann beginnt er zu erzählen. Von der Schule, der Welt, dem Sack Reis in China, aber unterbrechen will ich ihn nicht, auch wenn mich das alles nicht interessiert. Immerhin ist er mein einziger Freund. Und eigentlich freut es mich ja auch, wenn er mich anruft und trotzdem kann ich mich nicht auf seine Worte konzentrieren, schweife immer wieder ab. Ein pinkfarbenes Zimmer… tze. Aber violett wäre eigentlich schön… “Hast du schon einen Schlafsack?” “Ich bin kein Schlafsack.” “Ob du schon einen hast…” Shinya klingt genervt. Habe ich mir nicht eben vorgenommen zu zuhören? Ich seufze leicht, habe ich mal wieder keine Ahnung wovon mein Gegenüber, Gegenleiter… ach mein Gesprächspartner redet. “Wozu? Ich hab ein Bett…” Ich sehe förmlich vor mir, wie er seine Augen verdreht. “Für unseren Ausflug.” Oh. Den hatte ich erfolgreich verdrängt. Danke Shin. “Du weißt doch, dass ich da spontan krank werde.” Die glauben doch nicht ernsthaft, dass ich mein gemütliches Bett in meinem schwarzen, richtig schwarz nicht pink oder rosa oder rosé, Zimmer gegen einen Schlafsack in einem Zelt austausche und das auch noch widerstandslos. “Kyo!” Ich höre Shinya am anderen Ende des Telefons jammern. “Du hast versprochen mitzukommen.” “Ich weiß.” “Kyooooo!” Wie ich es hasse, wenn er meinen Namen so lang zieht. Und nach einer weiteren halben Stunde und unzähligen “Kyoooooooooooooooooooos” hat er mich so weit, dass ich im Wohnzimmer stehe und meiner Mutter eröffne, einen neuen Schlafsack zu brauchen. Auf der Suche nach dir, hetzte ich in Eile die schier endlosen Korridore des Schulgebäudes entlang. Hatte ich dir doch schon heute morgen absagen wollen. Wütend, ohrfeige ich mich innerlich selbst, wie konnte ich den wichtigen Termin in der Bank nur vergessen? Vielleicht, weil ich alles vergesse, wenn du bei mir bist? Ich seufze kaum hörbar. Warum hattest du ausgerechnet heute keinen Unterricht bei mir? Und in den Pausen bist du auch unauffindbar. Ein schneller Blick zu meiner Armbanduhr. Ich bin schon zu spät… Endlich erkenne ich die halb geöffnete Tür des Klassenzimmers in dem wir gestern gewesen sind und stürme auf sie zu. Erschöpft bleibe ich im Türrahmen stehen. Beobachte dich für einen Moment, wie du konzentriert in dein Mathebuch schaust und wohl auf mich wartest. Meiner Meinung nach, viel zu schnell löse ich mich von deinem Anblick. Trete in den Raum ein. “Kyo.” Lächelnd siehst du zu mir hoch und ein Gefühl der Wärme durchfährt meinen Körper. Dein Lächeln ist wunderschön… Ich gehe weiter auf dich zu, noch immer fest entschlossen die Stunde abzusagen. “Wartest du schon lange?” Falsche Frage, ermahne ich mich selbst. “Hatte die letzte Stunde frei.” Deiner Antwort folgt ein Schulterzucken, während du mich anschaust. Überrascht schaue ich in deine braunen Augen, die noch immer fröhlich schauen. “Du hast eine Stunde gewartet?!” Ich stelle mehr fest, als dass ich frage. Mein Entschluss schwindet. “schon.” Ich meine einen leicht rötlichen Ton auf deinen Wangen gesehen zu haben, als du dich schon wieder deinem Buch widmest, dein Gesicht verbirgst. Dann sage ich diesen verdammten Termin eben ab. Ich stehe auf, greife nach meinem Handy, entschuldige mich kurz und verlasse für einen Moment das Zimmer. Nach, für mich unendlicher Zeit, die du warten musstest, in der ich auf dich verzichten musste, drücke ich auf den erlösenden roten Knopf des Mobilfunkgerätes, der das Gespräch beendet. Dass es so schwer sein würde den Termin zu verschieben, hätte ich nicht gedacht. Und erfreut schienen die Bankangestellten auch nicht zu sein. Was soll’s. Es gibt wichtigeres. Dich zum Beispiel. Erleichtert betrete ich erneut das Klassenzimmer, setze mich dir gegenüber auf den freien Stuhl. “Tut mir Leid, dass du warten musstest.” “schon okay…” Du schenkst mir ein warmes aufrichtiges Lächeln, das mir zeigt, dass du das ernst meinst, bevor du mir die gestrige Aufgabe rüber schiebst. “Ich glaube, dass du gestern etwas verwirrt warst.” Musst du mich daran erinnern? Ich spüre wie sich die Röte in meinem Gesicht verteilt und die bloße Erinnerung meine Finger kribbeln lässt. “Erinnere mich bitte nicht daran…” Peinlich berührt senke ich meinen Blick. “Kann doch jedem Mal passieren.” Aufmunternd richtest du deine Stimme an mich. Du hast ja keine Ahnung, dass du der Grund für meine Unsicherheit, meine Verwirrung bist, dass ich mich und meine Gedanken nicht mehr unter Kontrolle habe. Dein unschuldiges Gesicht, deine etwas zu blondierten Haare, die dennoch so weich wirken, deine dünnen braunen Augenbrauen, die fein geschwungen über deinen rehbraunen Augen zu schweben scheinen und deinen warmen, ehrlichen Blick unterstreichen. Die Dunkelheit, die aus deinen Augen strahlt, die mich fesselt, mich in ihnen verliere. Und deine Lippen… Ich merke, wie meine Hand sich in deine Richtung bewegt, auf deine von Metall durchstochenen Lippen zu wandert. Für einen Augenblick, schwebt meine Hand unentschlossen in der Luft, bis ich endlich reagieren kann und nach dem Zettel greife, der vor dir liegt. Konzentriert schaue ich auf die Zahlen, die sich von dem weißen Papier abheben. Unauffällig richte ich meinen Blick zu dir. Hast du gemerkt, was ich wirklich vor hatte? Habe ich dich wieder so angestarrte? Oder hat sich dein Antlitz so sehr in meinem Kopf eingebrannt? Erleichtert stelle ich fest, dass du nichts gemerkt zu haben scheinst, als du dich leicht nach vorne beugst um ebenfalls auf den Zettel schauen zu können. Und genau diese Nähe, die mir ein Schauer über den Rücken laufen lässt, ertrage ich nicht. Der Duft deiner Haut, der mir in die Nase steigt, macht mich verrückt. Wie soll ich mich so beherrschen können? Die angenehme Wärme, die von deinem Körper ausgeht. Mit pulsierendem Herzen, das mein Blut viel zu schnell durch meine Adern jagt, lehne ich mich zurück. Entkomme der Verführung meiner Sinne. Irritiert schaust du mich an. “Ich sehe die Aufgaben so nicht.” Erschrocken stelle ich fest, dass ich den Zettel mit mir weggezogen habe. Und noch bevor ich dir ihn wieder geben kann, sehe ich, wie du aufstehst, um den Tisch und an mir vorbei gehst. Der leichte Luftzug, den du damit auslöst, kitzelt auf meinem Nacken, bis du dich neben mir auf den Stuhl sinken lässt. “Ich glaube, dass es so besser geht.” Gar nichts geht so besser. Du sitzt genau neben mir, ziehst meine Sinne wieder in deinen Bann. Ich muss mich zwingen, mich auf die Aufgaben zu konzentrieren. Knalle den Zettel etwas zu feste auf den Tisch vor uns und zeige auf die fehlerhafte Stelle meiner Rechnung. “Man darf nicht aus Summen kürzen.” Ich bin selbst über die Festigkeit meiner Stimme erstaunt, die kein wenig unsicher klingt. Bis ich spüre, wie deine Finger meine Hand berühren, sie vorsichtig von den Zettel schieben und nach dem weißen Blatt greifen. Nein.. Bitte berühr mich nicht. Ich versuche das Prickeln auf meinem Handrücken zu ignorieren, beobachte dich, wie dir die Aufgabe direkt vor dein hübsches Gesicht hältst, die Aufzeichnungen noch mal durchgehst. Bis du zu mir aufsiehst. Dich immer noch halb hinter dem Papier versteckst und mich mit schüchternen Augen, die unter den Franzen deines Ponys zu verschwinden drohen, musterst. “Ich weiß nicht, was kürzen ist.” Deine Stimme klingt leise, als würdest du dich dafür schämen. Gespielt schmollst du, als du mich weiter abwartend anschaust. Deinen Blick, ohne es zu wissen, in mich bohrst. Mein Herz, das für einen Moment aussetzt. Mein Verstand, der es ihm gleich tut. Du bist süß. Zu süß. Frei von jeglicher Vernunft, reiße ich dir den störenden Zettel aus deinen Fingern, greife nach deinen Händen und ziehe dich näher an mich. Dein Blick, überrascht, eine Spur von Angst. Neugierde? Ich nehme ihn nicht mehr wahr… Ich lasse dich los, lege meine Finger an dein Kinn, hebe es leicht in meine Richtung, während ich mich dir nähere. “Was…?” Deine Stimme verklingt, als ich meine Lippen endlich auf deine lege. Sie sind noch viel weicher, als ich es je erwartet hätte. Das kalte Metall, das meine Haut berührt, löst eine Gänsehaut auf meinem Körper aus, der leicht zu zittern beginnt. Dein süßlicher Geschmack, den ich nur erahnen kann, liegt auf meiner Zunge, streicht sanft über sie. Verlangend lecke ich über deine fest aufeinander gepressten Lippen, fordere Eingang, den du mir brutal verwehrst. Geschockt öffne ich meine Lider, schaue in deine erschrockenen, ängstlichen Augen. Viel zu spät wird mir bewusst, was ich getan habe, was ich immer noch tue. Doch bevor ich meine Lippen von dir lösen kann, drehst du deinen Kopf weg. Ein kühler Luftzug streicht über meine feuchten Lippen, trägt deine Wärme fort. Deine Handflächen liegen auf meiner Brust, drückst dich von mir weg und geschockt muss ich mit ansehen, wie du mit samt dem Stuhl, auf dem du sitzt, zu Boden fällst. “Kyo!” Sofort stehe ich auf, trete näher an dich heran und schaue besorgt auf dich herab. “Hast du dir weggetan?” Ich strecke meine Hand nach dir aus, will dir wieder aufhelfen. “Bleib weg!” Ich höre die Angst, die Unsicherheit, die in deiner Stimme mitschwingt. Hilflos sehe ich mit an, wie du dich wieder aufrappelst. Was hab ich mir nur dabei gedacht… Wieso habe ich nicht gedacht… “Ich habe an Jemand anderen geda…” Meine billigen Ausreden, nein Lügen, bleiben mir im Hals stecken, als ich die Tränen, die deine Wangen entlang fließen, wahrnehme. “Kyo…” Du beginnst dir, die Tränen aus dem Gesicht zu wischen, schmeißt deine Sachen in deine kleine Umhängetasche und stürmst aus dem Raum. Verdammt. Verzweifelt lasse ich mich auf meinen Stuhl zurück sinken, balle meine Hände zu Fäusten und lasse sie auf den Tisch knallen. Vergrabe meine Hände dann in meinen Haaren, massiere meine Schläfen. Werde mir bewusst, was ich getan habe. Irgendwann fällt mein Blick zu dem gegenüber stehendem Stuhl, über dessen Lehne noch immer deine Übergangsjacke hängt. Ich lächele leicht. Ich dachte nur Frauen haben Übergangsjacken… Seufzend greife ich nach ihr. Obwohl es fast Sommer ist, wird es abends kühl. Ich stürme die Korridore entlang. Nun habe ich einen Grund, dich einzuholen, nach dir zu suchen. Geheuchelte Erklärungen wären wohl sinnlos gewesen. Immer wieder schreie ich deinen Namen. Echos, die als Einzige antworten. Irgendwann bleibe ich einfach stehen, drücke deine Jacke an mich. Das Einzige, was mir geblieben ist, denn ich bin mir bewusst, dich verloren zu haben. Kapitel 4: ----------- Die untergehende Sonne blendet mich, als sie auf die Windschutzscheibe meines Autos trifft und dort in tausende kleine Strahlen zerbricht und reizend auf meine Netzhaut fällt. Die Straße glänzt, wirft das strahlende Hell erneut in meine Augen, als es sich auf der nassen Fahrbahn spiegelt. Sommerregen. Meine feuchten Strähnen hängen mir wirr in meinem Gesicht, kleben tropfend an meiner Stirn. Deine Frühlingsjacke legt neben mir auf dem Beifahrersitz. Immer wieder schaue ich verstohlen zu ihr rüber. Immer wieder wandern meine Gedanken auf dieselbe Weise zu dir. Ich hoffe, dass du schon zu Hause bist und den Regen überstanden hast. Am liebsten hätte ich dich selbst nach Hause gefahren. Leise seufzend schüttele ich meinen Kopf. Ich kann froh sein, wenn ich dich noch sehen, dich noch unterrichten darf. … wenn ich überhaupt noch unterrichten darf. Ein Wort von dir und ich bin meinen Job los. Verdammt. Wütend rase ich los. Erkenne das aufgestellte Blitzgerät viel zu spät, um die Geschwindigkeit noch drosseln zu können. Seit wann steht hier eine Scheiß Geschwindigkeitskontrolle? Wütend strecke ich dem kleinen Kasten meinen Mittelfinger, der sachte von dem zu hellen Blitzlicht gestreift wird, entgegen. Super. Jetzt gibt es sicher noch eine Verwarnung wegen Beleidigung, Einhändigem Fahren und das Transportieren einer ungesicherten Jacke auf dem Beifahrersitz. Irgendwas finden die noch, um mir mein Leben schwer zu machen. Heute ist einfach nicht mein Tag… Und mein elender Sarkasmus macht es auch nicht besser. Wie lächerlich das doch ist. Ein Strafzettel und das nur weil meine Gedanken bei dir sind. Sie nicht bei die sein dürfen. Staatliche Sanktion. Wie ironisch… Und meine Gedanken kreisen weiter nur um dich. Ob ich zu dir fahren soll? Sofort verwerfe ich diese schwachsinnige Idee. Ich sollte dich in Ruhe lassen und deine Adresse kenne ich ohnehin nicht. Immer langsamer werdend, erkenne ich die Einfahrt zu meinem zu Hause, bis ich letztlich zum Stehen komme, für einige Augenblicke meinen Kopf resignierend auf das Lenkrad lege, bevor ich das Gaspedal durchtrete und weiter, auf der Suche nach Ablenkung, fahre. Die Sonne verschwindet allmählich hinter den schmutzigen Hochhäusern und taucht die ansonsten so lebendige Stadt in graue unbelebte Schatten. Erst langsam beginnen bunte Lichter zu leuchten und ziehen die Stadt in die Farben des Nachtlebens. Rote, blaue und grüne Neonlichter strahlen viel zu hell auf die dunklen darunter liegenden Gassen. Ich entziehe mich dem künstlichen Leben, biege in die dunkle Seitenstraße ein, die nur von gelblichen Straßenlaternen erhellt wird. Müde von diesem Tag, stelle ich mein Auto ab. Absolutes Halteverbot. Es wird sich schon keiner dran stören. Innerlich lache ich auf. Natürlich wird das keiner tun. Wir sind ja alles solche guten, selbstlosen Menschen. Und schon allein, weil ich auf dem falschen Parkplatz stehe, wird sich jemand beschweren. Und es ist mir so scheißegal… Seufzend schlendere ich durch die Pfützen, in denen sich der Mond spiegelt, kleine Wellen werfen, als ich mit meinen Schuhen vorsichtig eintauche. Ich stehe vor dem grauen Hochhaus, klingele so lange, bis das monotone Surren mir verrät, dass die Tür entriegel ist. Kraftlos werfe ich mich gegen sie, drücke sie auf und laufe die endlosen Stufen zum sechsten Stock hinauf. Der Fahrstuhl ist mal wieder defekt. Ach, Studentenwohnheime sind etwas herrliches… Erschöpft erklimme ich die letzten Stufen und schlagartig fällt mir wieder ein, warum ich Sport so hasse. Überrascht steht mein bester Freund im Türrahmen, lächelt mich leicht irritiert an. Schüchtern schaue ich zurück und plötzlich ist er mir peinlich halb in der Nacht unangekündigt hier zu erscheinen. “Stör’ ich?” Das für ihn so typische Grinsen stielt sich auf sein Gesicht, als er nach meiner Hand greift und mich in seine Wohnung zieht. Dankbar lasse ich mich auf seine Couch fallen, streiche mir die noch immer nassen Haare aus dem Gesicht und seufze wieder einmal. Irgendwann gesellt er sich zu mir, stellt zwei Bierflaschen vor sich auf den kleinen Tisch und wirft mir das Handtuch zu, das bis eben auf seine Schulter gelegen hatte. Ich wische mir die Tropfen aus dem Gesicht und lehne mich zurück, mustere das Bier, das im Inneren der Flasche leicht schäumt. Ich schüttele den Kopf. “Muss noch fahren.” Und Bier würde den gewünschten Effekt eh nicht erzielen. Ob er Vodka im Haus hat? “Kannst hier pennen…” Ein erneutes Kopfschütteln meinerseits folgt seinem Angebot. Mit einem Schulterzucken, zieht er mein Bier auf seine Seite, grinst die beiden Flaschen, die vor ihm stehen gierig an. Typisch Daisuke. Irgendwann lässt du doch von deinen Getränken ab und siehst mich durchdringend an. “Was’n los?” Wie so oft an diesem Tag, entflieht meinen Lippen ein erneutes Seufzen. “Hab jetzt n’ Job.” Unsere Sätze werden auch immer kürzer und einsilbiger. Ich dachte, dass er mich etwas ablenken könnte, doch wieder kreisen meine Gedanken nur um dich. “Echt? Was machst du denn?” Ich sehe, wie seine Augenbraue skeptisch in die Höhe wandert. Irritiert schaue ich zurück, bevor ich ihm antworte. “Ich unterrichte als Mathe und Physiklehrer an meiner alten Schule.” Dafür habe ich immerhin studiert, füge ich in Gedanken hinzu. Ein breites Grinsen ziert sein Gesicht. “Du meinst Referendar.” “Nein!” “Doch” “Ne!” “Hä?” Völlig verwirrt schaut er mich an. “Die hatten Lehrermangel und haben mich so genommen und über mein fehlendes Referendarjahr hinweggesehen.” “Dürfen die das?” “Keine Ahnung!” Schulterzuckend beobachte ich, wie er zu lachen beginnt. “Dass du auch immer so ein Glück haben musst. Drei Wochen sehen wir uns nicht und dann kommst du mit einem Job an, ohne Referendarzeit.” “Ich erzähle jetzt nicht, dass ich vor zwei Wochen in das Haus meiner Großeltern gezogen bin.” Provokant grinse ich ihn an, während ich sehe, wie er sein Gesicht verzieht. “Naja, ich hätte keine Lust mit meinen Alten in einem Haus zu wohnen.” Ausdruckslos schaue ihn an, verdrehe dann die Augen. “Idiot! Ich habe das geerbt. Ich wohne allein. Aber wenn ich mir deine Wohnung so angucke, vielleicht solltest du doch zu deinen Großeltern ziehen.” “Ganz sicher nicht!” Und schon habe ich eines von Daisukes Couchpolstern im Gesicht und seinen mürrischen Blick, der mich fixiert. “Glückwunsch!” Mit verschränkten Armen schmollt er gespielt. “Na wenigstens kann ich mir meine Wohnung schön saufen.” Demonstrativ umschließt er das kalte Gesöff, das bis eben unbeachtet auf der Tischplatte vor ihm gestanden hat. “Ich wünschte ich könnte mir mein Leben auch einfach schön trinken.” Einer seiner Augenbrauen wandert erneut in die Höhe, als er seine Bierflasche wieder absetzt und mich ungläubig anstarrt. “Ein Haus, ein gut bezahlter Job, du kriegst auch nie den Hals voll.” Seufzend lehnt er sich in seinen weichen Sessel “Ich sag ja nichts. Das Haus ist großartig, aber mein Job…” Ich halte kurz inne. “Wenn ich Pech habe, bin ich den los.” Als ob das etwas mit Glück oder Pech zu tun hätte. Du allein entscheidest. Ich nehme Daisukes fragenden Blick wahr. Wollte ich mich nicht ablenken? Und jetzt rede ich schon wieder von dir. “Ich hab Mist gebaut.” Er verdreht die Augen, grummelt etwas, das man mit viel Fantasie als “geht’s genauer” identifizieren könnte. Will ich das überhaupt erzählen? Und noch bevor mein Kopf entscheiden kann, beginnen meine Lippen Worte zu formen. “Ich hab ‘nen Schüler geküsst.” Ich nuschele nur leise, in der Hoffnung, dass er es doch nicht verstanden hat und das Thema wechselt. Doch meine utopische Hoffnung löst sich auf, als ich in seine immer größer werdenden Augen schaue. Ich greife nach dem Bier, das noch immer vor ihm steht, schlürfe den Schaum weg. Damit werde ich auch noch fahren dürfen. Mein kläglicher Versuch ihn abzulenken. Vergebens. Sein Blick ruht auf mir. “Du hast was?” Oh nein. Nicht diese Klischeefrage. Ich beschließe nicht zu antworten, genieße das kalte Getränk, das meine Kehle entlang rinnt. Hmm… ob das eine neue Sorte ist? Schmeckt irgendwie süßlich. So wie du… “Wieso machst du so was?” Kopfschüttelnd, höre ich, wie er seufzt. Gute Frage. Wieso habe ich dich geküsst? Wieso spüre ich das Verlangen, dies erneut zu tun? Dich zu berühren. Deine weiche Haut unter meinen Fingern spüren. Meine Gedanken, die du schon jetzt völlig einnimmst. Mein Herz… das schon dir gehört? Ein Schnipsen holt mich zurück, reißt mich fast brutal zurück in die Realität. Besorgt schaut er mich an. “Dai? Ich glaube, ich habe mich verliebt.” Energisch schüttelt er seinen Kopf, legt seine Hände auf meine Schultern und starrt mich eindringlich an. “Kao… Du kennst sie erst seit drei Wochen. Du bist der Lehrer. Und wie alt ist sie? 17? 18? Du bist 25!” Beschämt schaue ich zur Seite, weiche seinem Blick aus, bis ich spüre, wie er seine Hände zurück zieht und der Druck von meinen Schultern abfällt. Ohne ihn anzusehen, murmele ich ihm die Antworten auf seine indirekten Fragen entgegen. “16! Ich hatte vor drei Tagen meinen ersten Arbeitstag und dort hab ich ihn zum ersten Mal gesehen.” “Ihn?” Als ob das neu für ihn wäre… Ich schaue hoch, schaue entschlossen in seine dunklen Augen, die zunächst überrascht scheinen. “das sind neun Jahre.” Nur ein Flüstern verlässt seine Lippen, als er an meinen Verstand und meine Vernunft appelliert. Doch seit ich dich kenn, scheint dies nicht mehr vorhanden zu sein. “Rede mit ihm.” Mit verschränkten Armen steht er am Fenster, schaut in die Ferne und ich schweige, bis er sich umdreht. “Sag ihm, dass das ein Fehler war und du verwirrt warst, mit deinen Gedanken ganz woanders warst.” Vorsichtig nähert er sich mir, lässt sich neben mich auf die Couch fallen und schließt seine Arme locker um mich. “Das hat keine Zukunft.” “Ich weiß.” Resignierend lasse lehne ich meinen Kopf gegen seine Brust, spüre wie er mich sanft über den Kopf streicht. Daisuke hatte Recht, das hab ich nun eingesehen. Mir ist bewusst, dass meine Gefühle weder Sinn noch Zukunft haben. Sinn? Seit wann machen Gefühle denn Sinn? Vielleicht vergehen sie eines Tages, werden zur fortgeschrittener Zeit nicht mehr existent sein. Ohne Zukunft… Dann werde ich über mein peinliches Teenagergehabe lachen… hoffe ich. Ich hatte mir alles so schön zurechtgelegt. Was ich sage, wie ich schaue, meine Mimik und Gestik perfekt einstudiert. Und jetzt tauchst du nicht auf. Bist seit drei Tagen verschwunden. Ich ertrage das nicht. Ich will mit dir reden. Muss dich sehen. Entgegen aller Vernunft schleiche ich mich in das Büro des Direktors, der wohl, wie üblich, seine Pause mit den anderen Kollegen verbringt und fahre den Hauptrechner der Schule hoch, während ich immer wieder zur Tür schaue. Gebannt schaue ich auf den Bildschirm vor mir, der langsam Farben annimmt und mir ein kleines Fenster, das sich eben geöffnet hat, anzeigt. “Passwort” Mist. Seufzend knalle ich meine Handflächen auf den Computertisch, der für einen Moment bedrohlich wackelt und ein leises Knirschen von sich gibt. Der Alte hat wohl wieder sparen wollen. Okay ganz ruhig. Ich versuche mich auf meine Aufgabe, das Passwort herauszufinden zu konzentrieren. Ich habe drei Versuche. Also. Der Rektor der Schule, schien mir von Anfang an nicht der komplexe Denker zu sein. Sieht man schon alleine daran, dass er mich einfach so eingestellt hat. Langsam tippe ich die Zahlen eins bis neun in das Feld ein und drücke nun endlich die erlösende Eingabetaste. “False password.” Toll. Vielleicht sein Geburtsdatum? Wie 75% aller Menschen. Super und wann ist sein Geburtstag? Na dann eben die Telefonnummer. Ich greife nach der kleinen Visitenkarte, die neben seinem Computer steht. Idiot. Wozu braucht der Visitenkarten? Oder hat er nebenbei noch krumme Geschäfte am laufen? Es ist mir egal. Schnell tippe ich die Nummer ein, lasse die Karte in meiner Jackentasche verschwinden und die Ernüchterung folgt sofort, blinkt unaufhörlich auf dem alten Bildschirmmodell. Einen letzten Versuch habe ich noch und nur noch drei Minuten bis die schrille Schulklingel das Ende der Pause einläuten wird. Eher scherzhaft tippe ich das Wort “Schwertfisch” ein. Als hätte ich Zeit für Scherze… “Zugriff verweigert.” Verdammt. Schnell drücke ich auf den Knopf, der den PC herunterfahren lässt, bevor das leise Tuten mich noch verrät. Dann eben doch. Ich mache mich an den analogen Ordnern, die in Regalen geordnet an der gegenüberliegenden Wand stehen, zu schaffen. Sie sind sogar nach dem Alphabet geordnet. Zielsicher greife ich nach den Akten F-K. Kyo. Schnell blättere ich die Informationen auf der Suche nach deinen Schulunterlagen durch. Resignierend lasse ich den Ordner irgendwann fallen. Alle Schüler, Namen, Nummern, Noten, Adressen - nur deine nicht. Nichts. Wütend stopfe ich die zusammengehefteten Zettel zurück an ihren Platz. Das war so klar. Und plötzlich wird mir schlagartig bewusst, dass ich nach dem falschen Namen gesucht hatte. Wie kann man nur so blöd sein? So verwirrt. Ich klatsche mir meine Handfläche vor die Stirn, rappele mich sofort wieder auf und nehme mir den Ordner L-O vor. Nishimura. Überglücklich halte ich deine Schulakte in den Händen. Starre sie gebannt an, bis mich die Schulglocke zurück bringt. Mein Herz fängt an zu rasen. Ich schmeiße die Informationen über deine Schullaufbahn in meine Tasche, stelle den fetten Ordner zurück an seinen Platz und will das Büro verlassen. Entsetzt sehe ich, wie einige Kollegen schon an der Tür vorbeigehen. Wenn ich jetzt rausgehe, sehen die mich. Das gibt Ärger. Ich entscheide mich, noch zu warten, bis die Schatten, die durch das weiße Milchglas schimmern verschwunden sind. Vorsichtig gehe ich auf die Tür zu, als sie sich mir scheinbar von alleine öffnet. Im Türrahmen steht der Direktor dieser Schule, mein Arbeitgeber, dessen eine Augenbraue in die Höher wandert und mich skeptisch anschaut. “Ich… wollte mit ihnen sprechen.” Meine Lippen formen erste Ausreden, als er sein Büro betritt, die Tür schließt und sich hinter seinen Schreibtisch setzt. Eine kleine arrogante Handbewegung macht mir deutlich, dass ich fortfahren soll. “Also.. Ich…. Ich habe heute einen wichtigen Termin. Den ich nicht verschieben konnte. Ich wollte fragen, ob es möglich wäre, dass ich heute eher gehe. Ich konnte ja letzte Woche noch nicht wissen, dass ich hier gleich eingestellt werde.” Ein aufgesetztes, viel zu freundliches Lächeln schiebt sich auf mein Gesicht. “In Ordnung… So lange das nicht zur Gewohnheit wird.” Ich verbeuge mich kurz. Lächele noch einmal und will das Zimmer verlassen. “Das nächste Mal warten sie aber vor meinem Büro.” Ich entschuldige mich schnell. Zeige ihm die Visitenkarte, die ich in meiner Tasche hatte. “Habe mir nur eine geholt. Wegen der Telefonnummer.” Ich lächele noch einmal und verlasse dann den Raum, renne die Korridore entlang zu meinem Auto, das auf dem Lehrerparkplatz steht. [Komischer Kerl denke ich. Aber wir haben nun mal Lehrermangel und für die Schüler scheint er sich auch einzusetzen. Ich fahre den Computer hoch, warte bis das Passwort verlangt wird und tippe fröhlich mein Geburtsdatum ein. ] Ich lasse mich auf den Sitz fallen, schmeiße meine Umhängetasche neben mich auf den Beifahrersitz und wühle deine Akte hervor. Ich staune, als ich deine Noten sehe. Mathe scheint wirklich ein Ausnahmefach zu sein. Nur Einsen zieren deine Zeugnisse, bis auf die fünf in Mathematik. Kopfschüttelnd wende ich mich ab, suche weiter nach deiner Adresse, die ich schnell bei deinen persönlichen Daten finde. Sofort räume ich die Akte wieder sorgfältig weg und fahre los. Im Kopf gehe ich noch mal durch, was ich ohnehin schon geplant hatte zu sagen. Und mit jedem Kilometer, den ich dir näher komme, hämmert mein Herz schneller gegen meine Brust. Bis mein Wagen irgendwann vor einem durchschnittlich japanischen Haus zum Stehen kommt. Ich vergleiche noch einmal die Hausnummern, bevor ich mich aufgeregt auf den Weg zur Eingangstür mache. Mein Herz pocht immer schneller. Fühle wie es hart gegen meine Brust schlägt. Die ersten Zweifel lassen mich zögern. Sollte ich wirklich hier sein? Schnell schüttele ich den Kopf, drücke auf die Klingel, die neben der Tür angebracht ist und deinen Familiennamen trägt, bevor ich auf die Idee komme, feige das Weite zu suchen. Wir müssen reden. Ich mit dir. Jetzt gibt es kein zurück. Ich warte. Irgendwann öffnet sich die Tür und mein Herz bleibt für einen Moment stehen, als ich dich mit zerzausten Haaren und einem lässigen Trainingsanzug in der Tür stehen sehe. Deine Augen weiten sich, als sie mich erkennen. Für einen Augenblick starrst du mich ungläubig an, bevor du die Tür schwungvoll wieder zu knallen willst. “Kyo” Ohne zu überlegen, schiebe ich meinen Fuß reflexartig zwischen Tür und Türrahmen, lehne mich gegen die Tür. “Kyo… bitte.” Ich spüre, den Widerstand, der stärker wird. Du lehnst dich von der anderen Seite gegen die Haustür. Ich weiß, dass deine Reaktion mehr als gerechtfertigt ist und dennoch verletzt es mich. Ich bin stärker als du. Müsste mich nur mit meinem ganzen Gewicht gegen das zwischen uns stehende Holz drücken. Aber du willst mich nicht sehen… Noch einmal richte ich meine Worte an dich. Hoffe, dass du mich verstehst, mich doch eintreten, mit dir reden lässt. “Ich muss mir dir reden.” “Nein!” Deine Stimme dringt zu mir. Um deine Worte zu unterstreichen, scheinst du dich mit deinem ganzen Körper gegen die Tür zu werfen. Und dennoch schwängt die Tür leicht auf und ein dumpfer Aufprall ist zu hören. Vorsichtig drücke ich das Holz noch einen kleinen wenig mehr auf, schaue auf dich herab, wie du am Boden sitzt. Sofort stürze ich zu dir. “Alles okay?” “Ja.” Du klingst verärgert. Bist du sauer auf mich? Oder weil du ausgerutscht bist… und ich reinkommen konnte…? Du rappelst dich langsam wieder auf, schaust mich an. Ein Blick, den ich nicht deuten kann. “Kyo… bitte…” Ich merke, wie mir die Worte ausgehen. Ich mich wiederhole. “Willst du was trinken?” “Hmm…?” Irritiert schaue ich dich an. Damit hatte ich nicht gerechnet. “Ob du etwas trinken willst?” Dein Ton kling rau. Du wirkst genervt und dennoch. Deine Augen, die plötzlich wieder diese Traurigkeit tragen. Was hast du nur? Wie gern würde ich dich in diesem Moment einfach in den Arm nehmen. Doch das werde ich nicht. Ich reiße mich zusammen. “Wasser wäre nett…” Du nickst nur, wendest dich ab und verschwindest im hinteren Teil des Hauses, vermutlich die Küche. Ich stehe noch immer im Eingangsbereich, warte auf dich. Immerhin hast du mich noch immer nicht aufgefordert einzutreten. Ich will nicht unhöflich sein, mich noch mehr aufdrängen, als ich es ohnehin schon tue. Dennoch schließe ich die Tür. Ich werde nicht gehen, bevor ich mit dir reden konnte. Ein lautes Scheppern, das aus dem Zimmer gekommen zu sein scheint in dem du dich aufhältst, reißt mich aus meinen Überlegungen. Vorsichtig gehe ich den langen Flur entlang, laufe noch mal schnell zurück und ziehe meine Schuhe aus. Nicht, dass du noch Ärger wegen mir bekommst. Meine Schritte werden schneller, als ich einen leisen Schrei höre. Endlich erreiche ich die Küche und sehe, wie du seufzend über den Glasscherben hockst und auf deine blutende Hand schaust. Ich trete näher auf dich zu, hocke mich zu dir. Vorsichtig nehme ich deine Hand und ziehe sie zu mir, um mir die Wunde ansehen zu können. Überrascht schaust du hoch. Hast du gar nicht gemerkt, dass ich den Raum betreten habe? “Was machst du nur immer.” Ich lächele dich sanft an. Mein kleiner Tollpatsch. “Habt ihr Verbandszeug?” Du schaust mich noch immer misstrauisch an, deutest dann mit deiner anderen Hand auf eine kleine Schublade. Ich richte mich auf, gehe einige Schritte auf die Küchenschränke zu und öffne die Schublade, die du mir gezeigt hast. Schnell lege die Mullbinden und Tupfer auf dem Küchentisch ab und eile zu dir zurück. Zaghaft ziehe ich dich hoch und weiter zum Waschbecken, lasse kaltes Wasser über deine Hand laufen. Halte dich dabei noch immer leicht an deinen Fingern fest. Genieße es deine weiche Haut zu spüren. Nach einiger Zeit tupfe ich dir das Blut, das noch immer aus dem Schnitt quillt, weg. Verbinde deine Hand mit einem der Verbände und binde sie auf deinem Handrücken mit einer Schleife zu. Sieht zwar nicht sehr professionell aus, aber erfüllt seinen Zweck. “Fertig!” Zufrieden bewundere ich mein Werk, schaue dich dann glücklich an. Du schaust mich nicht an. Dein Blick fällt zur Seite, als würdest du die Wand neben die fixieren. Erst jetzt fällt mir auf, dass ich deine Hand noch immer zaghaft in meiner halte. Vorsichtig lasse ich sie los, schaue zu Boden und schweige. Für einige Momente schweigen wir uns an, bis ich deine leise, schüchtern wirkende Stimme vernehme. “Danke.” Deine Stimme ist nur ein leises Nuscheln, das mich dennoch veranlasst wieder hochzusehen und dir ein leichtes Lächelnd zu schenken. “Gern geschehen.” Und auch du schaust mich wieder an, lächelst einen kleinen wenig. Und für einen kurzen Moment treffen sich unsere Blicke. Bis du deinen wieder abwendest. Dich schnell zu den Scherben bückst, wieder beginnst sie aufzulesen. “Kyo!” Behutsam nehme ich dir das zerbrochene Glas aus den Fingern, will nicht, dass du dich wieder verletzt. “Ich mach das schon.” Und noch bevor du Widerworte geben kannst, schmeiße ich die Scherben in den kleinen Mülleimer, der in der Ecke steht. “Vielleicht solltest du nachher noch mal mit dem Staubsauger drüber gehen.” Du nickst nur. Drehst dich dann weg und streckst dich, um ein weiteres Glas aus dem Regal zu holen. Süß, wie du auf Zehenspitzen dar stehst und zu klein bist, die Gläser zu erreichen… Schmunzelnd trete ich hinter dich, greife über dich und nehme das Glas an mich. Unsere Körper berühren sich und ich spüre, wie du kurz zusammenzuckst. Erschrocken stelle ich fest, wie nahe ich dir wieder gekommen bin. Sofort trete ich einige Schritte zurück. Will mich nicht aufdrängen. Dir nicht nahe sein, wenn du das nicht willst. Schnell drücke ich dir das Glas in die Hand, nur um abzulenken. “Danke.” Oh bitte, hör auf so zu nuscheln und so zu schauen, als wäre dir alles unangenehm. Und diese Traurigkeit, die in deinen Augen liegt. Was beschäftigt dich nur? Und dann trittst du selbst einen Schritt auf mich zu. Drückst das Glas nah an dich und schaust dann zu mir hoch. Ich erkenne einen leichten Rotschimmer auf deinen Wangen. “Kao? Magst du mich?” Überrascht schaue ich dich an. Mache ich den Eindruck, als würde ich dich nicht mögen? Viel mehr als das, aber das kann ich dir nicht sagen. Ich weiß nicht, wie ich antworten soll, überlege. Zu lange. Du seufzt und drehst deinen Kopf wieder zur Seite, während deine Finger weiter das Trinkglas umklammern. Versteh das jetzt nicht falsch, dass ich so lange gebraucht habe. “Klar mag ich dich.” Strahlend schaue ich dich an. Doch du schüttelst nur deinen Kopf. “Schon okay…” Du stellst das Gefäß auf den Tisch ab und willst an mir vorbei gehen. Ich bin so ein Idiot. Was sollst du auch denken, wenn ich nicht antworte. Ohne zu überlegen greife ich nach deinem Arm, ziehe dich zu mir zurück, schaue in deine braunen Augen, die leer wirken. “Ich hab dich wirklich gern. Ich unterrichte dich gern und deswegen will ich auch, dass du wieder zum Unterricht kommst.” Mir ist selbst klar, dass das weit über eine Lehrer-Schüler Beziehung hinaus geht, auch wen ich meine Gefühle außen vor lasse. “Deswegen bin ich hier.” Und um dich endlich wieder zu sehen. “Ich wollte dir erklären, was in mich gefahren ist, in der letzten Nachhilfestunde. Ich war verwirrt und hab an jemand anderen gedacht, okay? Ich werde dir nicht mehr zu Nahe kommen. Aber deswegen darfst du dich nicht zu Hause einsperren.” Ich lasse deinen Arm los. Beschließe dich wirklich in Ruhe zu lassen, wenn das dein Wunsch ist. Und da ist er wieder. Der endlos traurige Ausdruck in deinen Augen. Und mir wird klar, dass ich für ihn verantwortlich sein muss. Ohne zu wissen wie. Verzeih. “Was hast du denn?” “Nichts!” Viel zu schnell kommt deine Antwort. Du siehst mich mit deinem aufgesetzten Lächeln an, doch deine Augen verraten dich. “An wen hast du denn gedacht?” An dich? Nur an dich… So wie ich es immer tue. Was soll ich jetzt antworten? Ich bringe es nicht übers Herz dich noch mehr anzulügen. Will das nicht. Ich schüttele den Kopf. “Der Name würde die wohl nichts sagen, hmm?” Ich sehe wie du nickst. “Deine Freundin?” Was? Entsetzt schaue ich dich an. Nein. Ich will nicht, dass du denkst, dass ich vergeben bin. Warum auch immer. Ich schüttele den Kopf. “Nein. Ich hab keine.” Oh bitte, lass und das Thema wechseln. “Und du?” Grinsend schaue ich dich an. Bete innerlich, dass du keine hast. Und zu meiner Freude schüttelst du deinen Kopf. “Mich will keiner…” Ich meine mich verhört zu haben, schaue dich fragend an. Wieso sollte dich keiner wollen? Ich will dich. Mehr als alles andere. Du zuckst nur mit den Schultern. “Weiß nicht…” Für einen Augenblick sehe ich, wie einzelne Tränen in deinen Augen schimmern und du schnell wieder in eine andere Richtung schaust und die salzige Flüssigkeit heimlich versuchst fort zu wischen. Weine nicht. Ich kann mich nicht mehr Beherrschen und ziehe dich in meine Arme, drücke dich fest an mich. War es das was dich beschäftigt hat? Was dich so traurig macht? Der Grund, warum du weinst? Verdammt. Wenn ich dir nur sagen könnte, was ich für dich empfinde, wie ich fühle. Aber würde dich das glücklich machen. Fest schließe ich meine Arme um dich, streiche dir über den Rücken. Versuche dich zu trösten. “Du wirst geliebt…” Ich flüstere dir die leisen Worte in dein Ohr. Hoffe, dass du mir glaubst. Dass du aufhören wirst zu weinen. Doch du schüttelst nur heftig mit dem Kopf. Drückst dich näher an mich. Deine Tränen fallen auf mein Hemd und dein Schluchzen dringt an mein Ohr. Ich will dich nicht so leiden sehen. Vorsichtig drücke ich dich etwas von mir. Hebe dein Kinn in meine Richtung, lasse dich sofort wieder los, als du mich ansiehst. Tief schaue ich in deine Augen. Unsere Blicke treffen sich. Meine Stimme, immer noch nur ein Flüstern. “Du wirst geliebt, Kyo.” Weiter sehe ich dich an. Lächele leicht. Deine Augen weiten sich und ich bin sicher, dass du weißt, dass ich derjenige bin, der dich liebt. Ich schließe erleichtert meine Augen, bin froh, dass du es endlich weißt. Wie du damit umgehen wirst? Im Moment warte ich darauf von dir weggeschubst zu werden. Du wirst mich rausschmeißen oder selbst davon laufen. Doch nichts von dem geschieht. Irgendwann öffne ich meine Augen wieder. Du schaust mich immer noch an. Ein Ausdruck in deine Augen, den ich vorher noch nicht gesehen habe. Deuten kann ich ihn nicht. Erst als du dich auf deine Zehenspitzen stellst, dich mir langsam näherst. Deine Lippen vorsichtig auf meine legst. Ich lege meine Arme um dich, drücke dich näher an mich. Genieße das Gefühl deiner vollen Lippen, die auf meinen liegen. Und viel zu schnell löst du dich wieder von mir. Lehnst deinen Kopf an meine Brust. Meine Arme liegen immer noch um dich. Halten dich fest. Wünsche mir, dich nie wieder los zu lassen, als ich meine Augen schließe. Kapitel 5: ----------- Ich weiß nicht mal genau, wie lange ich bei dir gewesen bin und dich einfach nur in meinen Armen gehalten hatte und dennoch empfand ich diese Zeit viel zu kurz. Die Zeit, in der ich deine Nähe und deine Wärme spüren durfte. Bis du dich von mir weggedrückt hast und mir leicht lächelnd erzähltest, dass deine Mutter jeden Augenblick wieder kommen würde. Es fiel mir unendlich schwer zu gehen, dich zurückzulassen, obwohl ich wusste, dass wir uns wieder sehen würden. Und seitdem warte ich auf diesen Moment, in dem ich dich wieder in meine Arme schließen kann. Ich sitze wieder hier, in dem Nachhilfezimmer, das uns zugewiesen worden ist. Das Mathebuch, mein Taschenrechner und Hefte liegen vor mir auf der Tischplatte. Zugegeben, es gibt sicher schöneres, das wir gemeinsam unternehmen könnten, aber ich will auch nicht, dass du auf Grund deines Defizits die Klasse wiederholen musst. Mein Blick fällt zu der Uhr, die an der Wand hängt und unaufhörlich vor sich hin tickt. Meine Finger klopfen im selben Takt auf den vor mir stehenden Tisch. Du bist zu spät. Gesehen habe ich dich heute auch noch nicht, aber du hattest doch gesagt, dass du wieder zur Schule kommen würdest. Mein prüfender Blick fällt erneut zu dem Zeitmesser. Sieben Minuten. Zur Schule würdest du kommen, aber auch zur Nachhilfe, zu mir? Dazu sagtest du nichts. Aber warum solltest du nicht kommen? Oder hat dich das gestern schon wieder aus der Bahn geworfen, nachdem ich verschwunden war? Ich werde einfach nicht schlau aus dir… Zehn Minuten. Seufzend packe ich meine Utensilien wieder ein. Ich bin nicht wütend auf dich, vielleicht ein wenig enttäuscht, aber nicht wütend. Ich habe nicht das Recht dazu. Du hast nie erwähnt, dass du hier auftauchen würdest. Und spätestens morgen sehe ich dich ja wieder. Ich erhebe mich von meinem Sitzplatz, stelle den Stuhl beiseite und schiebe den zweiten, den ich für dich vorbereitet hatte, wieder an seinen Platz, hänge mir meine Tasche um. Ach, so ein freier Nachmittag ist doch auch etwas Schönes… Scheiß auf den Nachmittag. Ich will dich sehen… Murrend wende ich mich der Tür zu, will auf sie zugehen um diesen elenden Bau endlich zu verlassen, als ich dich in der Tür stehen sehe. Für einen Moment setzt mein Herz vor Überraschung aus. Ich spüre, wie sich ein sanftes Lächeln auf meine Lippen legt. “Ich dachte, du würdest nicht mehr kommen.” Du schenkst mir ein leichtes Lächeln, während du den Raum endlich betrittst, die Tür leicht anstupst, so dass sie scheinbar hinter dir zufällt, aber sich gleich wieder hinter deinem Rücken öffnet. Du hast es nicht einmal gemerkt. Süß. Kopfschüttelnd setze ich mich wieder an meinen Platz, drehe mich dennoch zu dir, beobachte, wie du auf mich zukommst. “Tut mir Leid. Ich musste noch zum Rektor und mich für die Fehlstunden entschuldigen lassen.” “Schon gut!” Erst jetzt bemerke ich das Grinsen, das auf deinen Lippen liegt und mit jedem Schritt, den du auf mich zugehst, breiter wird. Was hast du vor? Vorsichtig lässt du dich auf meinen Schoß sinken, lehnst deinen Kopf gegen meine Brust und beginnst einer meiner herunterhängenden Strähnen in deinen Fingern zu drehen. “Ich habe dich vermisst.” Ich dich auch. Und wie. Trotzdem schiebe ich dich sanft, aber bestimmt von mir, deute auf die Tür. “Kyo. Die Tür.” Verwundert schaust du dich um, richtest deinen Blick auf die Wand, springst sofort von mir herunter und stürmst zu ihr rüber. Du lehnst dich gegen die alte Holztür, bis ein leises Klicken verrät, dass sie verschlossen ist. Deine Schritte führen dich zurück zu mir, bleibst vor mir stehen und schaust verlegen zu mir herunter. “Ist schon gut, ja? Aber du musst vorsichtiger sein. Komm setz dich.” Ich zeige auf den Stuhl, den ich eben erst weggestellt habe. Seufzend schiebst du ihn neben mich, während ich die Mathesachen wieder auspacke. Ich beuge mich zu dir, drücke dir einen sanften Kuss auf deine Wange, die sich schon wieder leicht rötlich färbt. “Der Stuhl ist unbequem.” Quengelnd schaust du erwartungsvoll zu mir herauf, entlockst mir ein weiteres Lächeln, das ich dir schenke und dennoch schüttele ich meinen Kopf. “Nicht hier.” “Die Tür ist doch zu.” “Nicht, dass da trotzdem jemand reinkommen könnte. Soll’s ja geben. Unabgeschlossene Türen, die man öffnen kann und das sogar beidseitig.” Ich muss lachen, als ich deinen beleidigten Blick sehe. Jetzt schmoll nicht. Du weißt, dass es nicht geht. “Dann schließ halt ab.” “Sehr unauffällig.” Ich streich kurz über deine Wange, lege meine Lippen für einen kurzen Moment auf deine und widme mich dann wieder dem Buch, das vor mir liegt, überfliege einige Seiten und deute dann auf unser heutiges Thema. “Ich habe gar keine Lust, heute.” Gespielt gähnend greift du nach meiner Hand, legst sie in deine eigenen und hältst sie fest. “Du hast nie Lust.” Verzweifelt versuche ich meine Hand zurückzuziehen, muss aber einsehen, dass du sie nicht mehr loslassen willst. Dann halte sie halt fest. “Also hast du noch irgendwelche Fragen, bevor wir mit dem neuen Thema anfangen?” “Stehst du auch auf Frauen?” Ich schaue dich zunächst irritiert an, stöhne dann genervt auf. “Solche Fragen meinte ich nicht.” “Jetzt sag’s!” “Das ist nicht das Thema!” Schmollend schaust du zu mir hoch. Vergiss es! Das zieht nicht… Jetzt hör auf, so zu schauen. Ich richte meinen Blick wieder auf das Buch. “Wir müssen wirklich mit dem Stoff anfangen, in drei Wochen schreibst du die erste Matheklausur.” Entsetzt schaust du mich an. “Ich auch?” Verwundert blicke ich auf dich, lasse eine meiner Augenbrauen fragend in die Höhe wandern. “Wie meinst du das?” “Ich dachte, dass du das irgendwie so drehen kannst, dass ich die Klausur nicht mitschreiben muss.” “Natürlich schreibst du mit!” “Kann ich die Klausur dann wenigstens schon vorher haben oder die Lösungen?” “Nein!” Darf ich mich gerade leicht ausgenutzt fühlen? Kopfschüttelnd lege ich dir ein Blatt Papier vor dich. “Du lernst jetzt gefälligst.” “Na toll. In zwei Wochen dieser bescheuerte Ausflug und dann die Matheklausur.” “Schau, dann haben wir noch eine Woche weniger zum Lernen.” “Kannst du nicht mitkommen?” “Zu eurem Ausflug? Wie soll ich das denn machen?” Schulterzuckend schaust du zu mir hoch. Du bist einfach zu niedlich. Lächelnd streiche ich dir über dein Haar, streiche dir einzelne Strähnen, die dir ins Gesicht hängen, zur Seite. “Das wird schon nicht so schlimm.” “Ich habe wirklich keine Lust zu lernen.” Du wechselst auch die Themen, so schnell komm ich nicht mit. Seufzend nehme ich das Blatt wieder an mich. “Du hast nie wirklich Lust.” Ich merke jetzt schon, dass es nichts bringt, wenn ich dich zwinge die Aufgaben zu rechnen. “Aber ab morgen wird gelernt, klar?” Strahlend schaust du zu mir auf und nickst. Ja ja und morgen meckerst du wieder rum und lässt dir wieder irgendwelche Ausreden einfallen. “Und was machen wir jetzt?” Erwartungsvoll schaust du mich an. “Du kannst nach Hause gehen.” Grinsend schaue ich in dein überraschtes Gesicht. “Ich dachte wir…” Du wendest deinen Blick ab. Lächelnd streiche ich dir über deinen Kopf, über deine weichen, blonden Haare, beuge mich etwas zu dir vor und flüstere dir leise Worte in dein Ohr. “War nur Spaß. Warte hier, ja?” Meine Lippen berühren dich für einen kurzen Moment, dann löse ich mich wieder von dir und laufe die Korridore entlang. Endlich kehre ich wieder zurück zu dir, stecke meinen Kopf durch die geöffnete Tür und betrachte deinen Rücken, den du mir zugewandt hast, für einige Augenblicke. “Kommst du?” Ich sehe, wie du kurz erschrocken zusammen zuckst, dich umschaust und schnell zu mir kommst. Du willst nach meiner Hand greifen, lässt es aber doch. Glaub mir, so ist es besser. “Wohin gehen wir denn?” Ich lächele dich an. “Überraschung! Aber pass auf, dass uns niemand sieht… Und wenn doch, sagst du, dass du an der frischen Luft besser lernen kannst.” Du nickst. Vorsichtig schleichen wir durch die Gänge der Schule, gehen die schier nie enden wollenden Stufen zum Dach der Schule hinauf. Wir gehen immer weiter und irgendwann bin ich derjenige, der nach deiner Hand greift. Hier oben wird keiner sein und es ist dunkel, nicht dass du stürzt und dir etwas tust. Ich führe dich die letzen Treppenstufen hoch und bleibe vor einer verschlossenen Tür stehen. Ich spüre, wie dein Körper, so nah an meinem, leicht zittern, ziehe dich vorsichtig näher an mich, sehe dich an. “Hast du Angst?” Vertrau mir, bitte. Doch du schüttelst den Kopf. “Mir ist nur kalt.” Du hast Recht, hier oben ist es kalt. Kein Wunder, der Dachboden hat keine Fenster, durch die die warme Frühlingsluft hätte einbrechen können und auch die Sonnenstrahlen bleiben diesem Ort fremd. Ich krame nach dem Schlüssel, halte ihn triumphierend in die Luft und nach einigen Versuchen, das Schlüsselloch zu treffen, öffnet sich die Tür mit einem dumpfen Geräusch und erste Strahlen der Sonne dringen in den verdunkelten Raum. Langsam betreten wir die Dachterrasse der Schule, schließe noch schnell die Tür hinter mir wieder ab. Du lässt meine Hand los, läufst einige Meter nach vorne und schaust auf das Schulgelände, das sich vor dir erstreckt, herunter. Bis du deinen Kopf der Sonne zuneigst, wie eine Blume, süchtig nach Licht. Deine Augen sind geschlossen, genießt die Wärme. Vorsichtig trete ich an dich heran, lege meine Arme um dich und bette meinen Kopf auf deinen. Der leichte Frühlingswind spielt mit unseren Haarsträhnen, lässt sie wild um uns fliegen. Die rot schimmernde Sonne schickt ihre Strahlen auf uns herab. Viele kleine Schmetterlinge tanzen um uns herum, bevor sie für immer in den endlosen Weiten verschwinden. “Es ist wunderschön, hier.” Dein leises Flüstern erreicht mich, drücke dich noch fester an mich . “Ohne dich ist es nur halb so schön…” Ein leichter Rotschimmer legt sich auf deine Wangen. Dir ist nicht einmal bewusst, wie schön du bist. Ich spüre, wie du deinen Blick senkst. “Findet uns hier niemand?” “Es gibt nur einen Schlüssel. Und wenn wir uns nicht ganz blöd anstellen, sieht uns von unten auch niemand.” Vorsichtig lasse ich dich los, greife nach deiner Hand und ziehe dich mit mir. “Gleich sind die AGs, Förderkurse und der Nachmittagsunterricht zu Ende, nicht, dass sie uns von da unten sehen.” Ich lasse mich auf den, von der Sonne aufgewärmten Beton fallen. Meine Arme liegen unter meinen Kopf, schließe meine Augen und genieße das Sonnenlicht, das sanft auf meiner Wange kribbelt. Du bist still, sagst kein Wort. Ich öffne meine Augen, erkenne wie du neben mir kniest, mich anschaust. “Gefällt es dir hier nicht? Wenn du willst, können wir wieder gehen.” Du schaust beunruhigt, beinahe ängstlich. “Ich hab Angst, dass uns jemand findet.” Dein Blick richtet sich in die Ferne , zurück auf den Schulhof. “Wenn von dort aus jemand hoch schaut…” Deine Stimme klingt unsicher, als du auf das rostige Schultor deutest, zuckst kurz zusammen, als die Schulglocke ertönt und nur wenige Augenblicke später, füllt sich der Schulhof mit hunderten von Schülern. Lautes Gemurmel ist zu hören, als sie fröhlich auf das Tor der Schule zustürmen. Panisch siehst du zu mir, ziehst an meiner Hand. “Lass uns gehen, sie sehen uns.” Ich lächele leicht, als würden sie uns nicht sehen, wenn wir die Treppe runtergehen würden. “Kao!” Flehend schaust du weiter zu mir herunter. Hab keine Angst. Ich richte mich leicht auf, lege meine Arme um dich und ziehe dich mit mir auf den Boden. Dein Kopf ruht auf meiner Brust, lasse meinen Griff um dich lockerer werden, streiche über deinen Rücken. “Wenn du liegen bleibst, sieht uns keiner.” Du schließt deine Augen. Ich drücke mich näher an dich, beobachte zufrieden, wie sich dein Brustkorb leicht hebt und senkt, als du leise atmest. “Du hast meine Frage noch nicht beantwortet.” Überrascht schaue ich in deine braunen, glänzenden Augen, die mich erwartungsvoll ansehen. “Sie könnten uns hören.” Natürlich können sie uns nicht hören, aber die Ausrede ist immerhin gut. Ungläubig schaust du mich an. “Niemand hört uns.” “Und wenn doch?” “Sag schon!” Ein gehässiges Grinsen schiebt sich auf deine vollen Lippen, als du mir leicht in die Seite kneifst. Mehr als überrascht sehe ich auf. “Lass das!” Doch du denkst gar nicht dran aufzuhören, pickst mich immer weiter in meinen Bauch und meine Seite. Lächelnd beginnst du mich zu kitzeln. Verdammt, warum bin ich nur so kitzelig? Ich versuche mich von dir wegzudrehen, deinen weitern Kitzelattacken so zu entgehen. Lachend krabbelst du mir hinterher, kneifst und pickst weiter, bis ich es endlich schaffe, deine Hände einzufangen und sie festhalten kann. Völlig überraschst schaust du mich an, als ich mich geschickt drehe und halb über dir knie, deine Hände neben deinem Kopf auf den warmen Beton drücke. Triumphierend grinse ich dich an. “Machst du das auch bei Frauen?” Und auch auf deinen Lippen liegt ein Grinsen. “Die meisten Frauen sind stärker als du. Die lassen das nicht so einfach mit sich machen.” Lachend schaue ich in dein beleidigtes Gesicht, beuge mich zu dir vor und hauche dir einen Kuss auf deine Lippen, ehe ich mich von dir löse, deine Hände loslasse und dir helfe dich wieder aufzusetzen. Die restlichen Schüler scheinen alle verschwunden zu sein. “Hmm… Scheint schon spät zu sein. Machen sich deine Eltern keine Sorgen?” Du nickst leicht. “Meine Mum macht sich immer Sorgen.” “Soll ich dich nach Hause fahren?” Du überlegst kurz, schüttelst dann deinen Kopf. “Ich geh zu Fuß. Das Wetter ist ja gut.” Lächelnd erhebst du dich, gehst auf die verschlossene Tür, die uns zurück ins Innere der Schule bringt, zu. Ich folge dir. “Bist du, als du letztens nach Hause gegangen bist, nass geworden? Das Wetter war doch so mies.” “Nur ein wenig… Ich war fast zu Hause, als es angefangen hat zu regnen.” Das nächste Mal wirst du trocken zu Hause ankommen, versprochen. Noch mal lasse ich dich nicht durch den Regen laufen. “Woher hast du eigentlich den Schlüssel?” Ich schaue auf das Metall, das ich gerade in dem Türschloss versenkt hatte. “Vom Hausmeister.” Vorsichtig schiebe ich die große alte Holztür bei Seite, nehme deine Hand und ziehe dich mit mir. “Und den hast du einfach so bekommen?” Schulterzuckend verschließe ich die Tür hinter uns wieder. “Ich hab gesagt, dass ich Inspirationen brauche.” “Brauchen so was nicht nur kreative Leute, wie Kunst- und Musiklehrer?” “Heißt das, ich bin nicht kreativ?” Du schweigst. Na vielen Dank auch. “Pass auf die Stufen auf.” Und in genau diesem Moment, höre ich, wie eine der Holzstufen knirscht und du dich leise quiekend an mich krallst. Tollpatsch. “Hast du dir was getan?” Wieso habe ich mir nicht den Fuß gebrochen? Wütend schmeiße ich meinen Wecker in die Ecke. Es ist zwar schon nach zwölf, aber trotzdem. Verdammter Ausflug. Die beiden letzten Wochen hast du mich das gesamte Mathebuch ausrechnen lassen und zur Krönung dieser tollen Wochen auch noch der bescheuerte, unnötige, menschenverachtende Ausflug. Vier Tage lang ohne Klo, Dusche, Bett und ohne dich. Ich will nicht. Müde stolpere ich die Treppe zur Küche hinunter. Im Flur steht schon das Zweimannszelt, das mein Vater extra gekauft hatte. Toll. Welcher menschenfeindliche Idiot kam auf die glorreiche Idee, seinen Wohnraum auf knapp drei Quadratmeter zu beschränken, auf jegliche Sanitäreinrichtungen zu verzichten und das auch noch als Spaß bringende Freizeitaktivität zu verkaufen? Murrend setze ich mich an den Küchentisch und beginne lustlos auf meinem Marmeladenbrötchen herumzukauen. “Pass auf, dass du nicht wieder kleckerst.” Die Stimme meiner Mutter dringt an mein Ohr, als ich schon etwas geleeartiges spüre, das sich auf meinem Shirt verteilt. Mit einer Kaffeetasse und seufzend lässt sie sich neben mich auf den freien Stuhl sinken. “Weißt du, dass wir eine Menge an Wasserkosten sparen würden, wenn ich deine Sachen nicht ständig doppelt waschen müsste? Demnächst isst du nur noch mit Lätzchen.” Ja lustig. Und die müssen nicht gewaschen werden oder was? Ich will noch etwas sagen, sehe aber, dass sie sich wieder erhoben hat, dem klingelnden Telefon entgegen hetzt. Nach einigen Augenblicken steht sie auch schon wieder vor mir, hält mir das Telefon entgegen. “Für dich!” Hab ich mir fast gedacht. Am anderen Ende höre ich Shinyas Stimme, zumindest scheint es einmal Shinya Stimme gewesen zu sein. Ich erhebe mich und verlasse den Raum, um in Ruhe telefonieren zu können. “Wie du bist krank?” Geschockt schaue ich den Hörer in meiner Hand an. So war das aber nicht geplant. Ich war derjenige, der krank werden sollte, nicht er. “Aha.” Ich höre ihm zu, wie Leid ihm das tut. Schön, das hilft mir auch nicht. Irgendwann verabschiedet er sich dann, wünscht mir nur viel Spaß. Danke. Wie lieb von ihm. Und was mache ich jetzt? Murrend gehe ich zurück in die Küche. “Mum? Ich fühle mich nicht gut. Ich glaube, ich werde krank.” Skeptisch schaut sie mich an. “Du siehst gesund aus und warm bist du auch nicht.” Sie nimmt ihre Hand wieder von meiner Stirn. “Kommt Shin etwa nicht mit?” Wieso weiß sie das? “Ich will nicht allein dahin.” “Du bist nicht allein.” “Die hassen mich aber alle.” “Weil du dich immer ausschließt. Vielleicht freundest du dich ja mit denen an.” Oh ja natürlich. Wo lebt sie eigentlich? “Und jetzt hast du sogar noch Platz in deinem Zelt. Kannst ja ein nettes Mädchen fragen…” “Mum! Können wir dann einfach fahren, bitte?” Sie zuckt nur mit ihren Schultern. “Von mir aus. Zieh dein Shirt vorher aber noch um.” Nach einigen Minuten stehe ich mit Koffer, Rucksack, Schlafsack, Zelt und einem neuen Oberteil vor dem Auto meiner Mutter, verstaue alles im Kofferraum und lasse mich entnervt auf den Beifahrersitz fallen. Zum letzen Mal für vier Tage drehe ich die Musik auf. Mein Mp3-Player ist mir gestern beim Baden in die Wanne gefallen, seitdem kommt nur noch Wasser heraus. Und viel zu schnell stehen wir vor dem Schulgebäude und auch der Bus, der mich in meine persönliche Hölle bringen wird, steht schon da. Seufzend will ich aussteigen, als ich die Hand meiner Mutter auf meiner spüre, die mich festhält. Irritiert schaue ich mich um. Sie zieht mich in ihre Arme, drückt mich fester an sich. “Viel Spaß, Tooru.” Danke, werde ich nicht haben. Sie lässt mich wieder los. Na hoffentlich hat das keiner gesehen. Und schon spüre ich ihre Lippen auf meiner Wange. “Mum!” Vergiss es. Hoffentlich hat DAS keiner gesehen. Seufzend schaue ich sie an. “Bist du fertig, kann ich gehen?” Sie nickt, drückt mir noch schnell ein kleines Päckchen in die Hand. Entsetz schaue ich auf das, was sich nun in meiner Hand befindet. Kondome. Ich spüre, wie mir die Röte ins Gesicht schießt. “Tooru, ich will nicht, dass du dir irgendwas einfängst.” Ich schmeiße ihr ihr Geschenk entgegen, knalle die Tür zu und wuchte meine Sachen aus dem Kofferraum, bevor ich mich auf den Weg in mein Verderben mache. Sie winkt mir noch mal zu, fährt dann davon. Super. Keuchend zerre ich den Koffer und das restliche Zeug hinter mir her. “Schaut mal, unsere jungfräuliche Schwuchtel ist auch schon da.” Nein, bitte nicht. Ich versuche die Stimmen hinter mir zu ignorieren, schleppe meine Sachen weiter auf den Bus zu, als sie sich auch schon vor mir aufbauen. Einer der drei Jungen reißt mir meinen Schlafsack aus den Händen, grinst mich blöd an. “Gib ihn wieder her.” Genervt schaue ich zu dem Größeren auf. Ich hasse meine Größe. Trotzdem versuche ich ihm mein Eigentum zu entreißen, komme aber einfach nicht an den Schlafsack, den er über sich in die Luft hält und irgendwann beginnt, ihn seinen Freunden zu zuwerfen. Sie stehen im Dreieck um mich herum, werfen meine Sachen wie bescheuert hin und her, lassen ihn hin und wieder absichtlich in den Dreck fallen. Verdammter Kindergarten. “Wo ist eigentlich dein Transenfreund? Ihr seid doch immer zusammen.” “Er ist keine Transe.” Jetzt lasst doch Shin in Ruhe und mich auch. “Oh wie süß. Er verteidigt ihn. Habt ihr was miteinander, Tooru-chan?” Grinsend wirft er mir Handküsschen zu, während die anderen beiden lachen. Darf ich bitte kotzen? Und danach nach Hause. Immer weiter klauen sie meine Sachen, beleidigen mich und diese Idioten an Lehrern stehen auf der anderen Seite des Busses und merken nichts oder wollen nichts merken. Wie ich mich auf diese Woche freue. Vielleicht hätte ich das Geschenk meiner Mutter doch mitnehmen sollen. Mit Kondomen kann man sich sicher prima selbst ersticken. “Was macht ihr hier?” Eine Stimme reißt mich aus meinen Gedanken. Deine Stimme. Oder? Nein… das kann nicht sein. “Wir helfen Tooru mit seinem Gepäck.” Natürlich tut ihr das. Und jetzt kommt gleich die geniale Frage, Tooru, stimmt das? Natürlich stimmt das nicht, aber das kann ich nicht sagen, beim nächsten Mal hacken sie mir dann die Finger ab. “Lasst ihn in Ruhe.” Du gehst an mir vorbei, deine violetten Haare wehen leicht im Wind, als du auf einen der Jungen zugehst, ihm meinen Schlafsack aus den Händen nimmst und mir in die Hand drückst. Ohne ein weiteres Wort gehen sie davon. Ich starre dich immer noch an. “Was machst du hier?” Verwirrt schaue ich zu dir hoch, fange dein sanftes Lächeln auf. “Du wolltest doch, dass ich mitkomme.” Grinsend öffnest du einer der Klappen, die zum Kofferraum des Busses führen, stellst meine Sachen an ihren vorgesehenen Platz. Immer noch irritiert schaue ich dir zu. “Und dann bist du zum Recktor und hast gesagt, dass du unbedingt mit willst, weil du so gerne zeltest oder was?” Langsam etwas genervt verschränke ich meine Arme vor der Brust, warte auf deine Antwort. Lächelnd verdrehst du die Augen. “Natürlich nicht. Dein zweiter Jahrgangstufenleiter ist krank geworden und da bin ich eingesprungen. Freu dich doch und schau nicht so.” “Komisch. Shinya ist auch krank.” “Hab ich schon gehört. Die Grippe geht wohl wieder um.” Und wieso hat die mich nicht erwischt? Mein Blick fällt zurück zu dir, wie du weiter versuchst, meinen Koffer zwischen die anderen zu quetschen. Sollte das nicht eigentlich der Busfahrer machen? Vielleicht wird es ja nicht so schlimm, wenn du mitkommst. “Whoa Kyo, musst du so einen großen Koffer mitnehmen? Was hast du alles eingepackt?” “Das Nötigste.” “Du weißt aber, dass das nur vier Tage sind, ne?” “Ich habe das unnatürliche Talent meine Klamotten ständig dreckig zu machen. Da musste ich pro Tag mindestens drei Shirts einplanen.” Du fängst an zu lachen, drückst weiter gegen meinen zu großen Koffer um ihn in die zu kleine Lücke zu stopfen. “Wusste ich ja gar nicht.” “Das hier, ist auch mein zweites, heute.” Mit einem kräftigen Stoß ist auch mein Koffer endlich unfachgerecht verstaut. Triumphierend schaust du mich an. “Bravo!” “Das ist alles?” Deine Lippen verziehen sich zu einem Schmollen. Was willst du denn? Fragend schaue ich in deine braunen Augen, die leicht von deinen hinab hängenden Haarsträhnen verdeckt werden. Kurz schaust du dich um, beugst dich zu mir und hauchst mir einen sanften Kuss auf meine Lippen. Schnell sehe ich mich um, ob das auch niemand gesehen hat. “Das hätte jemand sehen können.” Nuschelnd schaue ich auf den Boden vor mir, zucke kurz zusammen, als die Klappe mit einem lauten Knall wieder zufällt. “Hat aber keiner gesehen. Hey. No risk no fun!” “Das ist nur Spaß für dich?” Entsetzt schaue ich dich an. Du beugst dich erneut zu mir, so dass ich in deine Augen sehen kann. “Nein.” Du schaust ernst, ehe du dich mir noch mal näherst, mir einen Kuss auf meine Stirn drückst. “Komm, sonst merkt wirklich noch jemand etwas.” Ich nicke nur, gehe langsam hinter dir her. Bist du jetzt sauer, weil ich dir das vorgeworfen habe? “Ich hab unseren letzen fehlenden Schüler gefunden.” Fröhlich gehst du auf die anderen beiden wartenden Lehrer zu, lässt mich hier allein. Meine Jahrgangstufenleiterin gibt erste Anweisungen, erklärt uns, dass wir in den Bus einsteigen können. Können? Müssen, würde es eher treffen. Ich warte ab, steige als letzter in den, gut mit viel Liebe, Bus. Ob Busse wohl die doppelte Abwrackprämie kassieren?* Ich setzte mich ganz nach vorne, bleibe in der Nähe meiner Lehrer und weit weg von den, wie meine Mutter sie nennen würde “Leuten, die mich nicht mögen, weil sie mich nur nicht richtig kennen.” Und so soll es auch bleiben. Ich drücke meinen Rucksack näher an mich, schaue aus dem Fenster beziehungsweise versuche durch die Matschspritzer und Staubkörner einen Blick nach draußen zu werfen. Draußen erkenne ich wie du in dein Auto einsteigst. Wolltest du nicht mitkommen? Aber wieso fährst du dann? Hast du noch etwas vergessen? Erschrocken nehme ich das Vibrieren unseres Gefährts, dessen Motor soeben angelassen wurde, wahr und spüre, wie es sich beginnt vorwärts zu bewegen. Entsetzt drehe ich mich um, schaue meine Lehrerin, die hinter mir sitz, fragend an. “Alles in Ordnung, Tooru?” “Ich dachte, dass Herr Niikura mitkommt…” Ich deute zum Fenster. “Wir brauchen jemanden, der mit dem Auto fährt und unsere ganzen Lebensmittel und Kochgeräte mitnimmt. Der Bus hat keinen Platz mehr.” Erleichtert lasse ich mich wieder auf meinen Sitz fallen, beobachte die eintönige Landschaft, die an mir vorbeizieht. Von den Bäumen, die an mir vorbei zu rasen scheinen, wird mir schlecht. Ich wende meinen Blick ab, schließe die Augen. “Hey Tooru-chan” Ich spüre einen leichten Druck auf meinem Kopf, eine Hand, die über mein Haar streicht. Noch immer müde, öffne ich meine Augen. “Nicht sabbern. Die Männer sind nicht echt. Hast nur geträumt.” Lautes Kichern ist auf dem ganzen Gang zu hören, als ich über meinen Mund wische. Ich hab überhaupt nicht gesabbert. Und von Männern träume ich auch nicht. Nur von einem… Ich sehe, wie sie alle nacheinander aussteigen. Ob wir schon da sind? Okay, sie holen ihre Koffer aus dem Bus. Gähnend erhebe ich mich, schlendere zu meinen Koffer, der noch immer eingequetscht neben den anderen steht. “Tooru, wegen deinem Scheißkoffer bekommt man die anderen nicht heraus. Wozu brauchst du den ganzen Platz.” “Lass ihn doch. Irgendwo müssen ja seine Tangas reinpassen.” Gut die Logik hab ich jetzt auch nicht verstanden, warum Tangas mehr Platz brauchen als normale Boxershorts. Egal. Denken war noch nie deren Stärke. Sie nehmen ihre Koffer und versammeln sich alle um unsere Lehrerin, die weitere Anweisungen gibt. Jetzt haben wir also noch ungefähr eine Stunde Zeit um unsere Zelte aufzubauen und uns dann das Campinggelände anzusehen. Toll. Gras und Zelte. Faszinierend. Gelangweilt lese ich mir durch, wie man das Zelt aufbauen soll. Na das kann noch was werden. Ich hab so ein Ding noch nie aufgebaut. Das hätte auch Shin machen sollen. Aber nach einer dreiviertel Stunde steht mein Zelt, zwar etwas verkrüppelt aber was soll’s. Vier Tage werde ich schon überleben, hoffe ich. Juhu und jetzt noch eine Viertel Stunde um das Gelände zu besichtigen. Ich verzichte… Stattdessen versuche ich mir meine kleine Unterkunft wohnlich einzurichten. Eine Decke hier, ein Schlafsack da, noch ein kleiner Tisch aka Koffer und voila ist die gute Stube auch schon voll. Ich bin begeistert. Fehlt ja nur noch das “Home sweet home” Schild. Ich frage mich wo wir eigentlich sind. Auf irgendeinem Campingplatz in einem Wandergebiet, aber wo genau? Die Fahrt hat ganz schön lange gedauert und es wird langsam dunkel. Die Sonne geht unter. Ich werfe einen Blick auf mein Handy, will wissen, wie spät es denn wirklich ist. Fünf verpasste Anrufe und eine besorgte Sms meiner Mutter. Ja, bin gut angekommen, nein, sie können mich immer noch nicht leiden und ja, ich hab daran gedacht meine Unterwäsche einzupacken. Genervt sende ich ihr eine Kurzmitteilung, kann endlich wieder auf die normale Displayuhr schauen. 21Uhr. Verdammt, wo zur Hölle sind wir? Ich werde dich einfach irgendwann fragen. Aber jetzt muss ich mich beeilen, immerhin sollten wir uns alle treffen. Seufzend trete ich auf die kleine Gruppe zu, die vor mehreren, im Kreis angeordneten Baumstämmen, steht. Hinter ihnen lodert ein kleines Feuer. Oh nein. Tun wir jetzt auf Pfadfinder? Singen gemeinsam, lesen Hasenspuren und lauschen den Gesängen des einsamen Kojoten? Ob es hier welche gibt? Du lächelst mich an, als ich endlich zu der Gruppe stoße. Ich bin froh, dass du da bist. Nach und nach kommen meine Mitschüler, setzen sich im Kreis um das knisternde Feuer. Ich sitze mit einem kleinen Abstand neben dir, dann ein großer Abstand und dann erst alle anderen. Ich fühle mich allein. Mein Blick wandert zu dem brennenden Holz vor mir, verliert sich darin. Beobachte wie das Feuer die Holzpfähle verschlingt, immer größer wird und kleine Funken über sich spuckt, die als graue Aschekörner wieder zu Boden sinken. “Willst du auch etwas essen?” Ich sehe auf und erst jetzt fällt mir der große Behälter auf, der vor den beiden anderen Lehrern, die fleißig Reis und Gemüse an die Schüler verteilen, steht. Skeptisch schaue ich dich an. “Wo habt ihr das denn her?” Du lächelst, deutest auf ein kleines Haus, zimmergroß. “Wir haben Stromanschluss und einen Kühlschrank. Moderner Campingplatz. Also willst du was?” Ich schüttele den Kopf. Bis ich an der Reihe bin, ist eh alles weg, da brauch ich mich gar nicht anzustellen. “Du musst was essen. Du hast sicher den ganzen Tag nichts gegessen.” Doch. Heute morgen ein Marmeladenbrötchen. Du drehst dich weg, lässt eine kleine Schüssel mit Reis füllen und drückst sie mir in die Hand. Zögerlich beginne ich zu essen, während ich den stechenden Blick meiner Mitschüler auf mir spüre. Jetzt hassen sie mich noch mehr. Nach kurzer Zeit werden die Pappschalen wieder eingesammelt und uns der morgige Tagesablauf erklärt. Wandern! Ich will nach Hause. Ab 22Uhr ist auf dem Campingplatz Ruhe angesagt, dass heißt wir müssen alle in unsren Zelten sein. Müde schlendere ich auf meines zu, bleibe davor stehen, sehe mich um und erkenne wie du in dein Zelt krabbelst. Es steht meinem direkt gegenüber, vielleicht zehn Meter entfernt. Allein dich in meiner Näher zu wissen, entlockt mir ein leichtes Lächeln. Meine Freude erstirbt aber schnell, als ich den dunklen Wald hinter meinem Zelt erkenne, von dem uns nur ein dünner Maschendrahtzaun trennt. Wieso ist der mir vorhin nicht aufgefallen. Ich schlucke, als ich mich ängstlich in meine Behausung begebe und versuche, es mir gemütlich zu machen. Mir ist kalt und mein Kopf stößt ständig an meinen Koffer. Irgendwann erstirbt auch das Gerede meiner Mitschüler, das man von draußen noch gehört hatte. Stille. Nur der Wind pfeift leise, lässt die Zweige der Bäume bewegen und raschelnde Geräusche erzeugen. Ich rutsche tiefer in meinen Schlafsack, kneife meine Augen fest zusammen. Ich hab Angst. Du hast sicher Angst. Nachdenklich schaue ich an die Decke meines kleinen Zeltes, lausche den Geräuschen der Natur. Sie haben etwas faszinierendes, gleichzeitig etwas bedrohliches an sich. Der Wind dringt durch das dünne Polyester, kitzelt meine Haut. Ein leises Kratzen an den Wänden des Zeltes, lässt mich aufschrecken. “Kao?” “Kyo?” Ungläubig ziehe ich den Reißverschluss nach oben, sehe auf deine zierliche Gestalt, wie du zitternd vor mir stehst und dein Kissen an dich drückst. “Was hast du?” Ich schaue mich um, will sicher gehen, dass uns niemand sieht. “Ich hab keine Lust allein zu sein.” Skeptisch wandert meine Augenbraue in die Höhe, mustere dich weiterhin. “Uns könnte jemand sehen. Geh zurück!” Ich schaue weg, kann dich nicht ansehen, es tut weh, dich wegschicken zu müssen, aber wenn jemand etwas mitbekommt, uns sieht, uns hört. “Ich hab Angst.” Deine Worte sind nur ein Flüstern, als ob du dich schämen würdest. Ich schaue zu dir. Vielleicht beruhigt es dich, wenn ich dir sage, dass hier nichts ist, wovor du dich fürchten müsstest, doch meine Worte bleiben mir im Halse stecken, als ich das verräterische Glänzen in deinen Augen erkenne. Bitte weine nicht. “Kyo.” Lächelnd strecke ich meine Hand nach dir aus, spüre, wie du sie sofort fest umklammerst. Vorsichtig ziehe ich dich zu mir. Du folgst meinem Ziehen, stolperst über deine eigenen Füße und fällst mir entgegen. Ich fange dich auf, drücke dich fest an mich, als du in meinen Armen liegst. Drückte dich aber leicht wieder von mir, um den Reißverschluss wieder zuziehen zu können. Ich wende mich dir wieder zu. Kniend sitz du neben mir und ich erkenne deine geröteten Augen und die roten Spuren auf deinem Gesicht, die die Tränen zurückgelassen haben. Ich will dich trösten, streiche über deine Wange, will dich beruhigen. “Hier gibt es nichts, wovor du Angst haben brauchst.” Doch du schüttelst nur den Kopf, schaust mich nicht an. “Das ist es nicht.” “Nicht?” Was hast du dann? Meine Finger streichen sanft über dein Gesicht, beuge mich leicht zu dir vor. “Verrate es mir.” Du siehst auf, schüttelst dann erneut den Kopf und lächelst mich an. “Schon gut. Ich hab übertrieben.” Dein aufgesetztes Lächeln kann die Traurigkeit in deinen Augen nicht verbergen. “Bitte sag mir, was du hast.” Durchdringend schaue ich in deine Augen. Rede doch mit mir. Ich sehe doch, dass etwas nicht stimmt. “Ich…” Ich drücke dich wieder an mich, als ich dein Stottern höre, streiche über deinen Rücken, während ich deinem leisen Flüstern lausche. “… die anderen hassen mich alle… und eigentlich habe ich mich daran gewöhnt… aber eben beim Lagerfeuer… das tut trotzdem weh…” Dein Schluchzen unterbricht dich und ich spüre, wie einzelne Tränen sich ihren Weg auf meine Jogginganzugjacke bahnen. “… und als du gesagt hast, dass ich gehen soll…” Ich ziehe dich noch näher an mich, lege meinen Kopf auf deinen. Ein Flüstern verlässt meine Lippen. “Ich will nicht, dass du gehst.” Dennoch drücke ich dich etwas von mir, schaue in deine verweinten Augen. “Ich hab nur Angst, dass sie etwas erfahren. Dann können wir uns gar nicht mehr sehen.” Vorsichtig wische ich dir einzelne Tränen aus deinen Augenwinkel. “Denk nicht an die anderen. Das sind Idioten.” Meine Lippen berühren deine heiße Wange, küssen die Tränen weg, die noch immer über dein hübsches Gesicht laufen. Du nickst, ringst dich sogar zu einem schwachen Lächeln durch und dennoch zitterst du immer noch. Erst jetzt fällt mir auf, dass du nur ein Shirt und eine kurze Hose trägst. Unweigerlich fällt mein Blick auf deine schönen, makellosen Beine. Zögerlich streichen meine Finger über deine entblößten Schenkel. “Kao?” “Du hast schöne Beine.” Du errötest, nuschelst mir ein leises “Danke” entgegen. Sie sind kalt. “Hast du nur das zum Schlafen?” Ich deute auf dein Shirt und deine Shorts, die du trägst und beginne in meinem Koffer zu kramen, drücke dir nach schier nie enden wollendem Herumgewühle, meine Jogginghose entgegen. “Die sind wohl etwas zu groß, aber zum Schlafen wird das schon gehen. Zieh sie einfach drüber.” Nickend machst du das, was ich dir gesagt habe, lässt ein erneutes schüchternes “Danke” verlauten. Ich ziehe die dazugehörige Jacke, die ich selbst trage, aus und drücke sie dir in deine Hände. “Dir ist doch auch kalt.” Ich schüttele den Kopf. “Zieh sie an!” Widerwillig streifst du die Jacke über. “Meinst du, dass du jetzt besser schlafen kannst?” Du nickst nur, lässt dich auf die Decken, die auf dem Zeltboden liegen, fallen, kuschelst dich an sie und rollst dich leicht zusammen. “Ich meinte eigentlich in deinem Zelt.” Leise lachend lege ich eine weitere Decke über dich. Du richtest dich leicht auf, schaust mich ernst an. “Soll ich wirklich gehen?” Ich kuschele mich selbst an die weichen Decken, schlüpfe unter die Decke unter der du schon liegst und ziehe dich zu mir, drücke dir einen Kuss auf deine Stirn. “Ja… morgen.” Du liegst direkt neben mir. Ich sehe in deine dunklen Augen, streiche über dein Haar. “Bevor die anderen aufwachen, musst du wieder in deinem Zelt sein.” Du nickst und ich hauche dir lächelnd einen Kuss auf deine Lippen, ehe ich meine Augen schließe. “Kao?” “Hmm…?” Leise grummelnd öffne ich meine Augen wieder, erkenne den Rotschimmer, der auf deinen Wangen liegt. “Küsst du mich… irgendwann mal… richtig?” Ein Grinsen schleicht sich auf mein Gesicht. Sehr gern… Meine Finger fahren über dein Gesicht, streichen eine deiner Haarsträhnen hinter dein Ohr, lasse sie langsam zu deinem Lippen wandern. Meine Fingerkuppen streichen über deine roten, vollen Lippen, berühren das kalte Metall deiner Piercings für einen kurzen Augenblick, bevor meine Finger wieder von dir ablassen. Ich beuge mich leicht über dich, lasse meine Haarsträhnen neben uns, wie einen Vorhang, der uns umgibt, fallen. Lächelnd lege ich meine Lippen auf deine. Vorsichtig lasse ich meine Zunge über deine Lippen streifen, verlange Eintritt, den du mir schüchtern gewährst. Neugierig stupse deine Zunge an, fahre flüchtig über die Innenwände deiner Mundhöhle, ehe ich auffordernd deine Zunge berühre. Nur langsam bewegst du deine meiner entgegen, ehe wir uns in einem heißen Spiel verfangen. Bis wir uns endgültig voneinander lösen. Ich lege meine Arme um dich , ziehe dich so nah wie möglich an mich heran, streiche über deinen Rücken. “Das war schön.” Deine Stimme dringt nur als leises Flüstern an mein Ohr. “War das dein erster Kuss?” Ich spüre, wie du neben mir leicht zusammen zuckst. “Hat’s dir nicht gefallen?” Hab ich es doch gewusst, so unsicher und zurückhaltend wie du warst. Ich beginne zu lächeln. “Doch. Es war schön.” Nur langsam öffne ich meine Augen, spüre deine angenehme Wärme an meinem Körper und dein süßlicher Duft kitzelt in meiner Nase. Ich beobachte dich, wie du neben mir noch immer schläfst, wie du leise atmest und wie sich dein Brustkorb leicht heb und senkt. Glücklich streiche ich über deine blonden Haare, verteile kleine, sanfte Küsse auf deine Wange. Erst ein Rütteln an meinem Zelt, lässt mich aufsehen. “Kaoru? Sind Sie wach?” Geschockt beobachte ich, wie der Reißverschluss des Zeltes langsam nach oben gezogen wird… ----------------------- * [gibt es in Japan zwar noch nicht... aber ich konnte es mir nicht verkneifen^^~] Kapitel 6: ----------- Geschockt lausche ich dem zirpenden Geräusch, das durch das Aufziehen des Reißverschlusses ausgelöst wird. Stechend hallt es in meinen Ohren wieder, vermischt sich mit deinem leisen Ein und Ausatmen. Entsetzt sieht sie uns an. Schaut auf dich, fixiert mich. Ihre Augen weiten sich. Sie zieht uns sie schützende Decke weg, entblößt unsere aneinander geschmiegten Körper. Sie schreit, brüllt dich an. Du schläfst. Wütend zerrt sie dich aus meiner Umarmung, aus meinem Zelt, weg von mir. Fordernd schaut sie mich an, erwartet meine Antwort, Ausrede, Rechtfertigung. Mein Kopf spielt mir dieses Horrorszenario vor, während ich das Licht beobachte, das langsam beginnt, durch den immer größer werdenden Spalt des Zeltes zu fallen. Verzweifelt drücke ich mich näher an dich, hoffe, dass unsere Körper unter der Decke, wie einer erscheinen. Ich schnappe nach meinem Kissen, lege es behutsam auf deinen Kopf. Dein Gesicht schaut schlafend zu mir, so dass du noch gut atmen kannst, mit dem Kissen auf dir. Ich stütze mich leicht von Zeltboden ab, beuge mich etwas über dich, um deine unterbewussten Bewegungen im Schlaf verstecken zu können. Lächelnd schaut mich ein zu stark geschminktes Gesicht an. “Guten Morgen.” Ihre viel zu hohe Stimme dringt schmerzhaft in mein Ohr. Wehe sie weckt dich. “Morgen.” Ich versuche nicht mal zu verbergen, wie genervt ich, über das Eindringen in meine Privatsphäre bin. Meine Worte gleichen einem dunklen Brummen, doch sie scheint dies gar nicht mitzubekommen. “Ich wollte nur Bescheid sagen, dass wir uns gleich treffen um den Tag zu besprechen. Also um neun Uhr am Lagefeuerplatz.” Schön. Hätte sie das nicht gestern sagen können? “Ja.” Langsam spüre ich, wie die Wut in mir hoch kocht, warum grinst sie mich immer noch so blöd an? Verschwinde. Und dann spüre ich, wie du dich leicht neben mir bewegst. Oh nein. Wach jetzt bitte nicht auf. “Ist noch was?” Endlich scheint sie zu bemerken, dass sie gerade stört und sie verschwinden soll. Sie schaut irritiert. Ich will gerade ansetzen, mich zu erklären, ihr zu sagen, dass ich schlecht geschlafen hätte und mich zu entschuldigen, als sie panisch und verwirrt zugleich auf mein Kissen deutet. “Das Kissen hat sich bewegt.” Ihre Stimme scheint sich um einen weiteren Ton erhöht zu haben. Geschockt schaue ich auf das Kissen, vernehme wieder das leise grummelnde Geräusch, das von dir kommt, spüre wie du dich erneut neben mir bewegst. Ich wende mich ihr wieder zu, suche zeitgleich nach irgendwelchen Ausreden. Sehe wie sie in mein Zelt krabbelt, ihre Hand nach dem Stoff, der auf dir liegt, ausstreckt. Schell lege ich meine Hand auf dich. “Ist bestimmt wieder eine Ratte. Hier war gestern schon eine.” Verdammt. Was für eine bescheuerte Erklärung. Als hätte die ganze Nacht ein Nager unter meinem Bettzeug gelegen. Doch ich sehe, wie sich ihre Augen weiten, sie panisch rücklings aus dem Zelt stolpert. “Ratten!” Ihre Schreie hallen über den gesamten Zeltplatz. Wie naiv diese Frau ist. Und geweckt hat sie jetzt auch alle. Wie sollst du jetzt ungesehen aus dem Zelt kommen? Darüber kann ich mir gleich noch Gedanken machen. Erleichtert ziehe ich den Reißverschluss wieder runter, krabbele zu dir, nehme vorsichtig das Kopfkissen von dir und schaue direkt in deine braunen, angsterfüllten Augen. Ich strecke meine Hand nach dir aus, streiche zärtlich über deine Wange, will dich beruhigen. “Das war knapp.” Seufzend schaue ich dich an, knie neben dir. “Du solltest doch wieder in deinem Zelt sein.” “Ich hab geschlafen.” Schuldbewusst schaust du weg. Ich nehme meine Hand wieder von deinem Gesicht, starre die Wände des Zeltes an. “Wir müssen vorsichtiger sein.” “Du hast doch selbst geschlafen.” Dein leises vorwurfsvolles Nuscheln, das ich vernehme, lässt mich in deine traurigen Augen sehen. “Ich sagte doch nicht, dass es deine Schuld war.” “Doch irgendwie schon.” Deine Stimme scheint noch leiser geworden zu sein. Ich schüttele den Kopf. “So meinte ich das aber nicht. Ich hätte auch aufpassen müssen, aber es ist ja noch mal gut gegangen. In Zukunft passen wir beide besser auf, ja?” Aufmunternd lächele ich dich an. “Deswegen bin ich trotzdem keine Ratte.” Du schaust beleidigt zu mir hoch. Ich schenke dir einen entschuldigenden Blick. “Mäuschen?” Ich lächele leicht, während du weiter verständnislos schaust, leise grummelst. “Lassen wir das.” Du drehst dich weg, kuschelst dich wieder in die warme Decke. Ich tue es dir gleich, drücke mich liegend näher an dich, lege meine Arme um deinen Körper, hauche dir flüchtige Küsse auf deinen Nacken. “Mein Kätzchen.” Ich streiche über dein blondes, weiches Haar. “Hör auf mir Tiernamen zu geben.” “Oh. Ein kratzbürstiges Kätzchen.” Du richtest dich auf, schaust mich aus wütenden Augen an. Den Blick kenne ich an dir nicht. Deine Stimme klingt fest, wütend. “Hör auf dich über mich lustig zu machen!” Überrascht schaue ich dich an. Ich mache mich nicht über dich lustig. “Zicke.” Deine Augen weiten sich, als du meine Worte hörst, starrst mich überrascht an. “Selber! Du… Flamingo.” Was? Ungläubig lege ich meinen Kopf schief, schaue dich fragend an. “Flamingo?” “Ja. Die sind doch pink.” Ich sehe den leichten Rotschimmer, der sich auf deine Wangen schleicht. “Spielst du auf meine Haare an?” Du nickst verlegen, während ich mein Lachen krampfhaft versuche zu unterdrücken, aber nicht lange durchhalte. Schallend pruste ich los. Ich richte mich leicht, immer noch grinsend, auf, halte dir einer meiner Haarsträhnen vor dein Gesicht. “Das ist aber violett, Süßer.” “Aber wenn das Licht komisch fällt, sind sie pink.” Deine Wangen scheinen förmlich zu glühen, verfärben sich in ein immer dunkler werdendes weinrot. “Du bist süß.” “Bin ich nicht.” Ist das so? Grinsen beuge ich mich zu dir vor. Vergrabe meine Finger in deinem weichen Haar. Meine Lippen bewegen sich auf deine zu, vereinen sich, verschmelzen in einem leidenschaftlichen Kuss, als sich unsere Zungen begegnen, sich sanft gegeneinander bewegen und sich mit einem sehnsüchtigen Gefühl wieder trennen. Zufrieden lecke ich über meine Lippen. “Und du bist doch süß.” Müde laufe ich den anderen hinterher, bilde das traurige Ende der ansonsten lachenden und scherzenden Gruppe. Ich will nicht allein sein. Und ich hasse wandern, vor allem wenn es sich so anfühlt, als wäre ich der Einzige. Die anderen ignorieren mich. Nur ab und zu kommen dumme Sprüche. Eben haben sie eine tote Ratte auf dem Weg gefunden. “Schaut mal, die fette Ratte ist tot.” Noch immer schallen die Worte in meinen Ohren. Alle haben sich nach mir umgedreht. “Der lebt doch noch.” Seufzend schüttele ich den Gedanken ab. Schaue nach vorne, wo du mit den anderen beiden Lehrern voran gehst. Du unterhältst dich mit ihnen und der Frau. Ob du ihr immer noch erklären musst, was heute in deinem Zelt gewesen ist? Ich fühle, wie mein Herz wieder schnell gegen meinen Brustkorb springt, wenn ich nur an den heutigen Morgen denke. Wie ich den Atem anhielt, als ich bemerkte, dass wir nicht alleine waren. Wäre ich rechtzeitig wieder in meinem Zelt gewesen, wäre das nicht passiert. Ich spüre die erneut aufkommenden Schuldgefühle. Andererseits, was platz die Alte auch einfach in dein Zelt? Unverschämt so was. Aber was soll’s. Es ist ja noch mal gut gegangen. Und ich habe es sogar unbemerkt in mein Zelt zurück geschafft, als du sie in ein Gespräch verwickelt hast. Sie scheint sofort auf dich fixiert zu sein, so bald du in ihrer Nähe bist. Und auch jetzt redet sie wieder nur mit dir. Die scheint dich ja ganz toll zu finden. Lächelt dich, einem Gesichtkrampf gleich, an. Fährt sich immer wieder durch ihre Haarpracht. Ich spüre den Anflug von Eifersucht, der in mir hoch zu kochen droht. Und sie ist immerhin schon fast 40. Okay 34, aber das ist trotzdem viel zu alt. Ganze neun Jahre. Das ist abartig. Moment. Du bist auch neun Jahre älter als ich. Egal. Das ist was anderes. Nach stundenlanger Wanderung erreichen wir endlich einen kleinen Sushiladen auf halber Strecke des Berges. Merkwürdig, aber doch erklärbar, immerhin ist dies hier, so viel ich weiß, ein beliebter Wanderort. Täglich steigen hier begeisterte Wanderer und Touristen hoch. Erschöpft lassen wir uns alle auf die draußen stehenden Bänke, die zu dem Imbiss gehören, fallen. Du wieder bei ihr. Alle anderen zusammen und ich allein. Ich seufze, will nicht weiter darüber nachdenken, spüre die Tränen, die drohen aus meinen Augen zu schießen. Ich sehe, wie alle sich etwas zu Essen bestellen. Ich habe keinen Hunger. Immer wieder wandert mein eifersüchtiger Blick zu dir, sehe, wie du ihr einen Snack mitbringst, sie dich mit gelb schimmernden Zähnen anstrahlt. Ich hasse sie. Meine Hände ballen sich unter dem Tisch zu Fäusten, habe meinen Blick starr auf die Holzplatte gerichtet. Will nicht mehr sehen, wie du mit ihr flirtest. Ich muss meine Tränen erneut unterdrücken, knabbere auf meiner Unterlippe. Wieso nimmt mich das so mit? “Alles okay bei dir?” Erschrocken schaue ich auf, blicke in dein lächelndes, besorgtes Gesicht. Ich nicke nur leicht. Schaue wieder weg. Die anderen blicken nur kurz zu uns herüber, scheinen nichts verdächtiges zu bemerken. “Musst du nicht zurück zu den beiden?” Ich deute auf die anderen Lehrer. Erkenne, wie sie zu uns rübeschaut, zu dir. “Ich glaube sie wartet auf dich.” Ich schaffe es nicht, die Eifersucht aus meiner Stimme zu verbannen. Du siehst kurz zu ihr rüber, nimmst wahr, dass sie dich die ganze Zeit über anstarrt. Du lächelst gequält, wendest dich mir wieder zu, verdrehst deine Augen. Du formst die stummen Worte “Hilf mir”, die mir ein leichtes Lächeln entlocken. “Okay. Ich gehe dann mal zurück. Ich glaube die warten.” Seufzend erhebst du dich, schlenderst zurück zu deinem Platz und sofort verwickelt sie dich wieder in ein Gespräch. Obwohl du mir eben gezeigt hast, was du von ihr hältst, spüre ich das erneute Gefühl. Die Angst, dich zu verlieren. Ich versuche mich abzulenken, beobachte die Schmetterlinge, die hier oben umeinander kreisen. Ich schließe meine Augen, genieße die warme, reine Bergluft. Doch irgendwann reißt mich die quiekende Stimme meiner Lehrerin aus diesem Idyll. Ich hasse sie noch mehr, dennoch schaue ich zu ihr. Erkenne, wie sie auf dem Tisch steht und wieder spüre ich die Wut in mir aufsteigen. Sie steht genau vor dir, grinst blöd, wenn eine leichte Windbö ihren Rock flattern lässt. Mit leicht verzogenem Gesicht lehnst du dich etwas zurück, von ihr weg, stehst letztendlich ganz auf. Ihr enttäuschter Blick lässt mich Grinsen. Schadenfreude. Ihre Stimme hat sich verändert, als sie mit ihrem Vortrag fortfährt. Das entzückte Quicken ist verschwunden. Sie erklärt uns, dass wir nun Freizeit hätten und in kleinen Gruppen alleine losziehen dürfen. Mein Grinsen verschwindet, als ich mich umsehe. Ich habe keine Gruppe. Als hätte sie meine Gedanken gelesen, wandert ihr Blick zu mir. “Tooru hast du eine Gruppe?” Sehe ich so aus, als hätte ich eine? Ich sitze hier zum Spaß alleine. Ich schüttele meinen Kopf. Sie seufzt, verdreht ihre Augen. Als ob das meine Schuld wäre, dass mich hier keiner leiden kann. Sie richtet sich an die anderen Schüler, deutet auf mich. “Möchte jemand Tooru in seine Gruppe aufnehmen?” Kurz herrscht allgemeines Schweigen, bis sie alle anfangen laut zu lachen beinahe nach Luft ringend auf den Tischen liegen. Ich schaue weg und dennoch höre ich die verletzenden Kommentare der anderen. “Der macht die Gruppe kaputt”, “Das soll doch Spaß machen” und “Scheiß Schwuchtel.” Sie sagt nichts, nickt nur. Erlaubt den anderen sich zu entfernen, steigt vom Tisch und beginnt mit dir zu reden. Sofort stürmen alle los, hetzen den kleinen Bergpfad, den wir eben erst entlang gekommen sind, zurück. Scheinen die Stadt, die am Fuße des Berges liegt, erkunden zu wollen. Alleingelassen verweile ich an meinem Platz, vernehme den Schatten, der auf mich fällt. Ich schaue hoch, erkenne das strenge Gesicht der Frau. “Da dich wohl keiner in der Gruppe will, musst du mit uns mitkommen.” Nur nicht zu emphatisch. Sie deutet auf dich und den anderen Lehrer, der scheinbar nicht sprechen kann. Zumindest hab ich das noch nicht gesehen. Ich nicke nur, was bleibt mir anderes übrig und du bist immerhin auch da. Aber sie wird wohl deine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen. “Beeil dich. Wir wollen in das Museum.” Begeistert von ihrer Idee, zeigt sie auf ein altes Gebäude, das gegenüber dem Sushiladen steht. Wer bitte baut ein Museum auf einen Berg? Ich erhebe mich, folge ihr. “Können wir?” Ihre viel zu hohe Stimme, quiekt dich fröhlich an. “Eigentlich halte ich nicht so viel von Museen. Ich gehe zurück zum Zeltplatz. Und Tooru sieht auch nicht begeistert aus. Ich kann ihn mitnehmen.” Geschockt schaut sie dich an. Ich erkenne die Enttäuschung, die in ihren Augen liegt. Sie treibt mir ein zufriedenes Lächeln auf meine Lippen. Tja. Pech gehabt. “In Ordnung.” Ihre Wut schwingt in ihrer Stimme mit, als sie sich abwendet und mit dem anderen schweigsamen Lehrer, auf das Museum zugeht. Du setzt dich wieder an deinen Platz, bedeutest mir, mich neben dich zu setzen. Stumm folge ich deiner Aufforderung. Lächelnd schiebst du mir dein halbgefülltes Bento rüber. “Iss lieber was!” “Ich habe keinen Hunger.” “Du hast heute Morgen schon nichts gegessen.” “Da hatte ich auch keinen…” Noch bevor ich den Satz zu Ende sprechen kann, spüre ich den Geschmack von Reis auf meiner Zunge. Grinsend schaust du mich an. “Dich muss man wirklich zu allem zwingen.” Widerwillig schlucke ich das, was du mit soeben in meinen Mund gestopft hast. “Ich will wirklich nicht.” Doch du hörst mir gar nicht zu und schon bewegt sich ein weiteres Stück Sushi auf mein Gesicht zu. Schnell lege ich meine Hand vor meine Lippen. Seufzend legst du die Stäbchen bei Seite, schaust mich ernst an. “Kyo? Wieso willst du nichts essen?” Ich schaue weg, kann deinen durchdringenden Blick nicht ertragen, spüre ihn noch immer auf mir. “Weil ich keinen Hunger habe.” Deine warmen Fingerkuppen streichen über meine Wange, über mein Kinn. Sanft drehst du mein Gesicht zu dir, legst deine Lippen für einen kurzen Moment auf meine. “Wieso hast du keinen Hunger?” Deine Stimme klingt sanft. Verständnisvoll. Nur zögernd antworte ich, schäme mich. “Ich bin zu dick.” Deine Augen weiten sich, schnell wende ich mich erneut ab. “Was? “ Entsetzen ist aus deiner Stimme raus zu hören. “Wer sagt das?” “Die anderen.” Meine Worte sind nur noch ein leises Nuscheln. Du legst deine Arme um mich, drückst mich fest an dich. “So wie du bist, bist du perfekt.” Ich schüttele nur den Kopf, lache leise auf. An mir ist sicher nichts perfekt. Gar nichts. “Meinst du sie würden dich mögen, wenn du abnehmen würdest?” Ich antworte nicht, geniere mich für diesen naiven, kindlichen Gedanken. Deine Finger streichen beruhigend über meinen Rücken. “Wieso dann?” Ich verstehe nicht, was habe ich ihnen getan? Und wieso beschäftigt mich das so. Sollte ich nicht glücklich sein, dich zu haben? “Sie brauchen Jemanden, den sie fertig machen können.” “Warum mich?” “Ich weiß es nicht. Vielleicht Neid.” Ich lache erneut auf. Neidisch? Auf mich? Ich löse mich etwas von dir, begegne gleich deinem lächelnden Gesicht. “Ich meine das ernst. Du bist ziemlich gut in der Schule, also Mathe ausgenommen. Deine Eltern sind auch nicht gerade arm und du bist verdammt hübsch.” Ich spüre, wie sich ein leichter Rotschimmer, bei deinen letzten Worten, auf meine Wangen legt. Du beugst dich etwas vor. “Und wenn du nicht aufpasst, machst du deine Lehrerin auch noch neidisch.” Oh. Sind wir heute wieder bescheiden. Grinsend drückst du mir einen Kuss auf die Wange. Lächelnd verdrehe ich meine Augen. “Also so toll bist du auch nicht.” Wieder lachst du, grinst mich überzeugt an. “Das sah gestern im Zelt aber noch ganz anders aus.” “Ich weiß gar nicht, was du meinst.” Aus unschuldigen Augen sehe ich zu dir auf. “Ich kann’s dir gern noch mal zeigen.” Langsam beugst du dich zu mir vor. Ich schließe meine Augen, erwarte deine warmen Lippen. Erschrocken reiße ich meine Lider auf, als ich etwas Kaltes an ihnen spüre. Schaue auf das Stück Sushi, das ich gerade küsse. Na toll. “Erst aufessen.” Widerwillig öffne ich meinen Mund, beginne zu essen. Das letzte Stückchen verschwindet irgendwann zwischen meinen Lippen. “Du hast da noch was.” Deine warme Zunge, leckt über meine Lippen, ehe sie sich zwischen sie schiebt, du mich sanft küsst. “Na erinnerst du dich wieder?” Grinsend erwartest du eine Antwort. “Hmm… Ich bin mir nicht ganz sicher.” Triumphierend lächele ich zurück. Sehe, wie du dich schmollend zurücklehnst. Deine Augenbraue klettert skeptisch in die Höhe, als dein Blick an mir vorbei wandert. Fragend folge ich ihm, drehe mich um und erblicke den Sushiverkäufer, der uns scheinbar beobachtet. Er beginnt zu lächeln, als er unsere Blicke bemerkt, fängt scheinheilig an, die kleine Theke zu säubern. Spanner. Ich drehe mich wieder zu dir. “Vielleicht sollten wir gehen.” Eigentlich möchte ich nicht gehen. Zurück zu diesem öden Zeltplatz. Du nickst nur, wirfst dem Verkäufer noch einen genervten Blick zu, ehe du dich erhebst und nach meiner Hand greifst, mich mit dir ziehst. “Kao? Da geht es wieder runter.” Ich deute auf den Bergpfad, den wir gemeinsam hochgestiegen sind. “Willst du zurück?” Ich schüttele schnell den Kopf. “Ich dachte nur… immerhin hast du gesagt, dass du mich zum Campingplatz bringst.” “Was hätte ich sagen sollen? Dass wir uns einen schönen Nachmittag zu zweit machen?” Das wäre sicher komisch gekommen. Und so wandern wir den Pfad weiter hoch. Anstrengend. Nach schier endlosem Füße voreinander setzen, erreichen wir endlich den flachen Gipfel des Wanderberges. Vor uns erstreckt sich ein kleiner See, der im Licht der Sonne zu schimmern scheint. Um ihn prangen riesige Tannen, deren Äste im leichten Wind schaukeln. Nur eine kleine grüne Rasenfläche befindet sich vor dem gehobenen Ufer des Gewässers. Lächelnd schaue ich zu dir auf. “Hast du gewusst, dass hier ein See ist?” Du nickst leicht. “Ich war als Schüler selbst hier. Konnte mich erinnern, dass wir weiter gelaufen sind. Den Sushiladen und das Museum gab es so damals natürlich noch nicht. Das Haus stand da zwar schon, aber was sicherlich noch kein musum. Und an diesen See konnte ich mich dunkel erinnern. Naja… ist immerhin fast zehn Jahre her.” Betreten sehe ich weg, als mir bewusst wird, was für ein Altersunterschied wirklich zwischen uns liegt. Auch du schweigst. Ob du dasselbe denkst? Ich senke meinen Blick, sehe die grünen Grashalme unter mir, die sich leicht im Wind bewegen. Ich spüre, wie du sanft über meinen Handrücken streichst. Mich etwas näher zum Wasser ziehst und dich irgendwann auf die grüne Fläche fallen lässt. Lächelnd tue ich es dir gleich, lehne mich an dich und lasse die leichte Brise meine Haut streicheln, mit meinen Haaren spielen. Ich spüre, wie du einen Arm um mich legst, meine Seite entlang streichst. Ich schließe meine Augen, genieße deine Berührung, deine Wärme, die Wärme der Sonne. Nur von kurzer Dauer ist dieser Moment, beende ihn, indem ich mich leicht aufrichte, dich grinsend anschaue. “Ich habe immer noch keine Antwort auf meine Frage.” “Welche Frage?” Gähnend streckst du dich, schaust mich aus müden, fragenden Augen an. Ich verdrehe meine. Lege mich wieder auf den warmen Rasen, stütze meinen Kopf auf meine Hände ab. Nur wenige Zentimeter trennen unsere Gesichter. “Weißt du nicht mehr? Auf dem Schuldach?” Noch immer schaust du ratlos. Jetzt tu doch nicht so. Schmollend stelle ich die Frage erneut an dich. “Stehst du auch auf Frauen?” “Blöde Frage. Und ich hab eh keine Lust auf Frage-Antwort-Spielchen.” Ein Grinsen schiebt sich auf dein Gesicht. Ich spüre deine Hand in meinem Nacken, vorsichtig ziehst du mich näher zu dir. Deine Augen schauen in meine und schnell lege ich meine Hand auf meine Lippen, fange deinen verwirrten Blick auf. “Erst antworten.” Etwas unverständliches vor dich hergrummelnd lässt du von mir ab, richtest deinen Blick in den Himmel. “Ja, tue ich.” “Hä?” Irritiert schaue ich dich an. “Deine Frage? Ob ich auch auf Frauen stehe? Ja!” “Achso.” Lächelnd schüttelst du deinen Kopf. Was? Kann doch mal passieren. Für einen kurzen Moment schmolle ich, entscheide mich dann aber, dir lieber weiterhin Fragen zu stellen. “Warst du mit mehr Männern oder mehr Frauen zusammen?” “Frauen.” Seufzend antwortest du brav auf meine Fragen. “Wie viele waren es denn?” Neugierig starre ich dich an. “Weiß nicht. Fünf oder sechs… “ “Und Kerle?” “Das zähle ich doch nicht…” Ein weiteres Seufzen verlässt deine Lippen. “Müssen ja weniger als fünf sein.” Ich spüre, wie deine Fingerkuppen über meine Wange streichen. “Ist das wichtig?” “Ich will’s halt wissen.” Sag schon. Stell dich nicht so an. Ich fange deine Finger ein, halte sie in meinen Händen fest, lächele dich an. Dein Blick bleibt ernst. “Hör zu. Ich hatte nur Beziehungen mit Frauen. Das andere waren One night stands. Nur was für zwischendurch.” Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich lasse deine Hand los, bin überrascht, sogar enttäuscht? Du greifst wieder nach meiner Hand, lässt mich aufsehen, in deine Augen schauen. “Hast du jetzt auch eine Frau zu Hause herum sitzen?” Bitte nicht. Ich spüre die erneut aufsteigenden Tränen. “Nein.” Du richtest dich auf, ziehst mich zu dir. Mein Kopf liegt an deiner Brust, spüre deinen ruhigen Herzschlag. Deine Finger streichen wieder über mein Haar und dein Flüstern dringt in mein Ohr. “Ich will nur mit dir zusammen sein. Von dem Tag an, als ich dich das erste Mal sah. Ich kann mir das nicht mal erklären. Ich weiß nicht, warum ich so stark für dich empfinde. Warum ich dich so liebe. Hörst du! Ich liebe dich.” Deine Worte lassen meine Herz für einen Moment aussetzen, es heftiger schlagen denn je. Ich sehe zu dir auf. “Das war das erste Mal, dass du mir das gesagt hast.” “Davor habe ich es umschrieben.” “Eben.” “Weil ich mir sicher sein wollte.” “Bist du jetzt sicher?” “Ja!”” Du verschließt meine Lippen mit deinen, lässt dich nach hinten fallen, ziehst mich mit dir. Glücklich bette ich meinen Kopf auf deinen Oberkörper. “Und du?” Überrascht schaue ich hoch. “Ob du auch auf Frauen stehst.” Ein Grinsen liegt auf deinen Lippen. Welch bescheuerte Frage, wer hat sich die ausgedacht? Ich werde nicht antworten, doch damit scheinst du nicht zufrieden zu sein. Beginnst mich unaufhörlich in meine Seite zu pieksen. “Lass das.” “Erst antworten.” Ich werde bestimmt nicht antworten. Ich schließe meine Augen, ignoriere deine Attacken. “Kyo… Antworte.” Ich denke ja gar nicht daran, strecke dir stattdessen meine Zunge entgegen. Grinse triumphierend. Grummelnd schubst du mich von dir und auch auf deinem Gesicht ist ein Grinsen zu finden, als du mich auf deine Arme hebst und ich zu zappeln beginne. “Lass mich runter.” “Antworten!” Tze. Das könnte dir so passen. Ich bemerke, wie du dich langsam vorwärts bewegst. Erkenne den See, der immer näher kommt. “Kao? Was hast du vor? Lass das!” Doch du scheinst davon nichts zu halten, bewegst dich einfach weiter, ängstlich klammere ich mich an dich. “Na Kyo? Lust zu baden?” “Das wagst du dich nicht.” “Oh. Mag das Kätzchen etwa kein Wasser?” “Lass mich runter.” “Das werde ich. Option A: Du antwortest und ich setze dich auf dem schönen, warmen, trockenen Rasen ab. Zweite Möglichkeit, du antwortest nicht, und ich lasse dich ins Wasser fallen und werde still hoffen, dass dein Shirt durchsichtig wird, wenn es nass ist.” “Das machst du nicht.” “Nicht?” Demonstrativ beugst du dich etwas weiter über die schimmernde Wasseroberfläche. “Okay.” Ich gebe auf, aber bevor ich in diesem schmutzigen, kalten, nassen Wasser lande und schuppigen Fischen “Hallo” sagen darf, antworte ich lieber. “Na dann. Ich höre.” “Ich denke schon.” “Dass ich höre?” “Dass ich auch Frauen mag.” Ich verdrehe die Augen. “Bist du nicht sicher? Hattest du noch keine Freundin?” “Nein.” Ich schau weg. Irgendwie ist das peinlich. “Einen Freund?” “Nein.” Meine Stimme scheint immer leiser zu werden, schäme mich. “Warte. Dann hattest du auch noch keinen Sex?” Wow. Wie kommst du nur wieder da drauf. Musst du so direkt sein? Ich erröte. Antworte nur leise. “Wenn das gestern mein erster Kuss war, werde ich wohl noch keinen gehabt haben. Lässt du mich jetzt runter?” Sofort stellst du mich auf den Boden ab. Ich gehe allein auf den See zu, setze mich an das kleine gehobene Ufer. Du folgst mir, hockst dich neben mich. “Kyo. Das tut mir Leid. Aber das muss dir nicht peinlich sein. Bitte weine nicht.” Grinsend drehe ich mich zu dir um, piekse in deine Seite. “Ich weine nicht.” Erschrocken stelle ich fest, dass du schwankst, nach meiner Hand greifen willst, die ich reflexartig wegziehe und mit einem lauten Platschen ins Wasser fällst. Für einen Moment schaue ich überrascht, kann nicht glauben, dass du wirklich im See liegst. Leise beginne ich zu lachen, als du dich tropfend erhebst, aus dem Gewässer kletterst. Angesäuert wringst du deine Klamotten, so weit es möglich ist, aus. Ich kann meine Lachen nicht unterdrücken, pruste erneut los. “Ja. Lustig nicht?” “Und wie…” Ein verräterisches Grinsen ziert dein Gesicht. Was hast du vor? Mein Lachen verschwindet, stattdessen mustere ich dich. Versuche zu erahnen, was du vor hast. Doch noch bevor ich reagieren kann, liegen deine Arme um mich und du kuschelst dich noch näher an mich. Ich kreische laut, versuche mich aus deiner Umklammerung zu befreien. “Ihh… Du bist nass.” “Ich liebe dich, ich liebe dich, ich liebe dich, ich liebe dich, ich liebe dich, ich lasse dich nicht mehr los.” “Jetzt bin ich eh schon total nass.” “Gut so.” Mit diesen Worten löst du dich von mir, greifst nach meiner Hand. “Wir sollten langsam gehen. Immerhin müssen wir vor allen anderen da sein. Und ich habe auch keine Lust das hier zu erklären.” Du deutest auf deine nassen Klamotten. Ich werfe einen letzten Blick zurück zu dem See, in dem sich die untergehende Sonne spiegelt, ihn rot erscheinen lässt, ehe wir den Weg, der uns hier herauf gebracht hat, wieder zurückgehen. Fest umklammere ich deine Hand, schaue zu dir auf. “Das eben wollte ich nicht.” “Ach was. Schon gut. Ich habe ja meine Rache bekommen.” “Ja. Die wäre aber nicht nötig...” Ich spüre, wie du deine Hand auf meinen Mund legst, mich von dem Bergpfad zwischen die Bäume ziehst, die entlang des Pfades stehen. Fragend schaue ich auf, doch du deutest nur nach vorne. Ich folge deinem Deut, erkenne die beiden Lehrer, die amüsiert aus dem alten Museumsgebäude kommen. “Und wie kommen wir jetzt an denen vorbei?” “Wir warten erstmal , bis die weg sind.” Und nach etlichen Minuten, die wir uns hinter Bäumen und Gebüschen verstecken, scheinen die beiden wirklich verschwunden zu sein. “Und wie sollen wir die überholen ohne gesehen zu werden?” “Dann müssen wir wohl eine Abkürzung nehmen.” Wir gehen an dem Sushiladen, der inzwischen geschlossen ist, vorbei. Vor uns erstreckt sich ein steiler Abhang, auf dem Geröll, größere und kleinere lose Felsen liegen. Nicht umsonst trennt uns ein kleiner Holzzaun von diesem. “Das ist nicht dein Ernst… Kao!” Ich sehe, wie du über den Zaun kletterst, deine Hand nach mir ausstreckst. “Ich will nicht.” Dennoch greife ich nach deiner Hand, überwinde die Abgrenzung und klammere mich sofort fest an dich. Nach und nach steigen wir so den Berg hinab. “Ob das schneller geht?” “Ist dir das zu langsam?” Grinsend lässt du meine Hand los, beginnst schneller einen Fuß vor den anderen zu setzen, während ich an meinem Platz stehen bleibe, dir sehnsüchtig nachschaue. “Kao.” Meine Stimme klingt leicht panisch, als ich versuche mir dir mitzuhalten. Ich passe gar nicht mehr auf, wohin ich trete, will einfach nur wieder zu dir, behalte nur dich im Auge. “Jetzt warte doch.” Endlich zeigst du Erbarmen, schaust lächelnd zu mir hoch. “Jetzt beeil dich doch.” Murrend klettere ich den steilen Abhang hinunter. Du streckst mir deine Hand entgegen und ich tue es dir gleich. Gehe einen weiteren Schritt auf dich zu. Unsere Fingerkuppen berühren sich für einen kurzen Augenblick. Ich schreie laut auf, als sich der Stein unter meinem Fuß löst, mich mit sich in die Tiefe reißt… Kapitel 7: ----------- “Kyo!” Mein Schrei, deinem gleich, hallt über die Berglandschaft, die man von hier aus sehen kann, dennoch schenke ich ihr keine Beachtung. Deine Hand greift nach mir, umfasst den dünnen Stoff meines Shirts, für einen Augenblick bleibst du bei mir, ehe der Fetzen aus deinen Fingern gleitet, du langsam rücklings nach hinten fällst. Deine Augen weiten sich, als du spürst, wie du deinen Halt verlierst. Ich will nach dir greifen, berühre für einen Moment deine warmen Fingerkuppen, bis du mit einem lauten Schrei nach hinten wegrutschst, hart auf dem staubigen Geröll fällst. Für einige Sekunden verharrst du dort und ich spüre, wie ich beginne zu zittern, als ich mich auf dich zu bewege. Langsam lösen sich die Steine unter dir, ziehen dich immer weiter in die Tiefe. “Nein.” Ich sehe wie dein schwacher Körper, die spitzen, harten Steine herunterrollt, nach schier nie enden wollender Zeit, auf einem kleinen weiteren Bergpfad regungslos zum liegen kommt. Geschockt torkele ich über die Felsen, eile auf dich zu, lasse mich vor deinem bewegungslosen Körper auf die Knie fallen. Mein eigener zittert und ich spüre, wie mir erste Tränen in die Augen schießen. Vorsichtig streiche ich durch dein Haar. “Kyo?” Deine Stimme bleibt stumm, dein Körper ohne Bewegung. Ich lege meine Finger an deine Wangen, hebe dein Gesicht leicht zu mir. Meine tränengetränkten Augen schauen in deine. “Du entscheidest nie wieder, was für eine Abkürzung wir nehmen.” Deine Grummeln dringt in mein Ohr, als ich dich überglücklich ein meine Arme schließe. Die letzten Freudentränen kullern über meine Wangen. “Au.” Sofort lasse ich von dir ab, helfe dir, dich etwas aufzusetzen und langsam schwindet das erleichterte Lächeln auf meinem Gesicht, als ich das Blut an deinen Armen und auf deiner Wange sehe. Dein Shirt hängt in einem Fetzen von deinen Schultern, gibt den Blick auf die Schnitte, die deine Brust zieren, frei. Dein Gesicht ist übersäht von Staub, der die leichten Schürfwunden versteckt. Zaghaft streiche ich über dein Haar, ziehe dich wieder leicht zu mir. “Es tut mit Leid.” “Ist nicht deine Schuld. Ich hätte aufpassen sollen, wo ich hintrete.” “Nein… Ich habe dich da oben stehen gelassen, obwohl ich gesehen habe, dass du Angst hattest.” “Ist schon in Ordnung…” Du lächelst mich aufmunternd an, streichst über meine Wange. Ich nicke nur, lasse ein leises Seufzen verlauten. “Lass uns zurück gehen. Dann können wir die Wunden versorgen.” Ich erhebe mich, ziehe dich langsam zu mir hoch. Du verziehst dein hübsches Gesicht, lässt dich wieder auf deine Knie fallen. Deine Hand wandert zu deinem Knöchel. Sofort hocke auch ich mich wieder zu dir. “Ich glaube, ich bin falsch aufgekommen eben.” “Kannst du gar nicht laufen?” Welch blöde Frage, habe ich doch eben selbst gesehen, wie du wieder zusammengesackt bist. “Weiß nicht” Ich lege meinen Arm um deine Hüfte, spüre, wie du deinen Arm um mich legst und sanft ziehe ich dich zu mir hoch. Zaghaft setzt du deinen verletzten Fuß auf, stöhnst leise, humpelst dennoch neben mir weiter. Ich schüttele den Kopf. “So wird das nichts… Komm!” Ohne auf dein Einverständnis zu warten, hebe ich dich auf meine Arme, drücke dich leicht, damit ich dir nicht noch mehr wehtue, an mich. Du bist wirklich viel zu leicht. Wie können die anderen nur so mit dir umgehen? Bin ich denn besser? Ein Seufzen verlässt meine Lippen, als ich mich mit dir auf den Weg mache, den Berg hinab zu steigen, gehe in die Richtung, in die der aufgestellt Holzpfeil deutet. Dabei bin ich doch nur hier, um auf dich aufzupassen, dich vor den anderen zu beschützen. Und jetzt bin ich der jenige, der Schuld ist, dass ich dich so hilflos auf meinen Armen tragen muss. Ich hab dich allein gelassen. Verzeih. Die Sonne, die den Himmel in dunkles rotes Licht taucht, verschwindet langsam hinter den weiten Bergen. Ich beschleunige meine Schritte, obwohl ich mit Gewissheit sagen kann, dass die beiden anderen Lehrer schon lange das Gelände erreicht haben werden. Obwohl du so leicht bist, kann ich nicht leugnen, wie sehr es mich anstrengt, dich zu tragen. Ich biege um die letzten Ecken, stelle mit wenig Erstaunen fest, dass die beiden Gestalten, meine Kollegen, auf einer der Bänke sitzen und sich miteinander unterhalten. Sie scheinen uns noch nicht gesehen zu haben. “Vielleicht lässt du mich lieber runter.” “Nein, aber klammere dich nicht so an mich.” Ich spüre, wie sich deine Umarmung um mich löst, du deinen Arm nur locker um meinen Hals legst. Seufzend gehe ich auf die beiden zu. Wie soll ich das nur erklären? Meine Schritte sind langsam und ich kann nicht abstreiten, dass ich mich fürchte. Mein Kopf schmeißt schon mit Ansätzen von Ausreden um mich, keine scheint wirklich überzeugend. Erst ihre quiekende Stimme reißt mich aus meinen Gedanken. Ich bleibe stehen, schaue in ihr mehr als überraschtes Gesicht. “Wo wart ihr beide und was machen sie da?” Irritiert schaut sie dich an und ich meine, Eifersucht in ihrer Stimme gehört zu haben. Ich gehe an ihr vorbei, setzte dich auf eine der kleinen Bänke ab. Sofort stürmt sie mir hinterher. “Kaoru! Ich will sofort wissen was hier los ist.” Ich beachte sie gar nicht. Du bist wichtiger und so stürme ich auf das kleine weiße Haus… ähm… Zimmer… was auch immer zu und suche nach dem Verbandskasten, fülle Wasser in eine kleine Schale und will zu dir zurück eilen, als mich auch schon ihr zorniger Blick trifft. Mit verschränkten Armen steht sie in der Tür, versperrt meinen Weg zu dir. Sie geht einige Schritte auf mich zu, wirkt bedrohlich. “Was ist passiert?” Und auch ich spüre, wie die Wut durch meinen Körper rast. Verdammt. “Er ist verletzt, sehen sie das nicht?” Ich stoße sie bei Seite, hetzte zurück zu dir. Der andere Lehrer scheint herrlich unbeteiligt, raucht weiter an seiner Zigarette, während er nur neugierig zu dir rüberschaut. Ich schüttele den Kopf über so viel Ignoranz. Lächele aber sofort wieder, als ich dich ansehe. “Könnte jetzt ein wenige wehtun.” Du nickst nur. Vorsichtig wringe ich das nasse Tuch aus, beginne deine Wunden und Kratzer zu reinigen. Behutsam streiche ich über deine Brust, deinen Arm und deine Wange. Du beißt die Zähne zusammen und dennoch erklingt ein leises unterdrücktes Keuchen von dir. “Geht’s?” Ich will nicht, dass du noch mehr Schmerzen hast. Du nickst wiederum nur. Ich lege das Tuch bei Seite, sprühe das kalte Desinfektionsmittel auf deine Wunden, will sie mit Verbänden umwickeln, doch du hältst meine Hand fest, lächelst schüchtern. “Das brauchst du nicht, Ich will nachher eh noch duschen.” “Dann mach ich es noch mal.” Ich schiebe deine Hand bei Seite, verbinde deine Kratzer und deine aufgeschürfte Haut. “Lässt du mich deinen Fuß ansehen?” Du nickst schüchtern, ziehst vorsichtig deinen Schuh aus. “Ich glaub, dass es besser geworden ist.” Ich besehe mir deinen Fuß, der ein wenig angeschwollen ist, ansonsten aber recht normal aussieht. “Ich hole dir trotzdem etwas zum Kühlen.” Ich erhebe mich, mache mich auf den Weg zurück um einen der Kühlakkus, die im Gefrierschrank lagern, zu holen. Auf dem Weg kommt mir wieder einmal dieses hysterische Weib entgegen. Ich verdrehe meine Augen, laufe an ihr vorbei. “Kaoru! Sie…” “Jetzt nicht!” Ich hetzte einfach weiter, krame nach den kühlenden Stoff, der hier irgendwo sein muss. Und zwischen gefrorenem Gemüse und anderem unnötigen, vitaminarmen Nahrungsmittel, finde ich endlich nach was ich gesucht hatte, eile schnell zu dir zurück, sehe schon von weitem, wie sie bei dir sitzt. Ich beschleunige meine Schritte, beachte sie nicht, als ich bei dir ankomme. “Jetzt wird’s etwas kalt, ja?” Ich lächele dich lieb an, als ich das kalte Eis in ein Handtuch wickele und es dir vorsichtig auf deinen Knöchel lege. Du verziehst kurz das Gesicht, lächelst mich dann aber an. “Danke.” Ich muss mich zusammen reißen, dir nicht einfach über deinen Kopf zu streichen, dich zu mir zu ziehen, dich zu streicheln und dich zu küssen. Dennoch genieße ich es, einfach bei dir zu sein. “Würde bitte einer von euch beiden die Güte haben, mich zu darüber informieren was passiert ist?” Ihre arrogante Stimme dringt in mein Ohr. Genervt schaue ich hoch, doch was ich sagen soll, weiß ich nicht. Wie soll ich das erklären? Und sogar die Erklärungsansätze, die eben noch unaufhörlich gegen meine Kopfdecke geprallt sind, sind verschwunden. “Müssen wir das jetzt klären?” Kleinlaut versuche ich ihr irgendwie auszuweichen, das Gespräch zu verschieben, meinem Hirn Zeit zu geben, sich auf eine Ausrede zu einigen. Skeptisch wandert ihre Augenbraue in die Höhe. “Was ist da passiert?” “Sie können ruhig sagen, was passiert ist.” Du siehst mich an, lächelst leicht. Es klingt komisch, dass du mich so ansprichst. Ungewohnt und ich mag es nicht. Du wendest dich von mir ab, schaust deine Lehrerin an. “Ich wollte noch nicht zurück zum Zeltplatz, sondern mir den Gipfel noch etwas ansehen. Und er ist mitgekommen, weil ich ja nicht alleine los darf und dann haben wir uns verlaufen und mussten einen anderen Weg nach unten suchen und da bin ich gestolpert.” Ihre Augen weiten sich etwas, als sie dich ansieht. “Was soll das heißen du wolltest nicht zum Zeltplatz? Und was für ein anderer Weg?” Ihr Kopf dreht sich zu mir. “Sie hatten die Verantwortung. Sie sollten ihn zurück zum Zeltplatz bringen und nicht eine kleine Privatwanderung veranstalten. Und wo sind sie überhaupt lang gegangen? Sie sind ganz nass.” Noch bevor ich antworten kann, ergreifst du wieder das Wort. “Ich hab ihn gebeten mit mir mitzukommen. Ich mag Wälder und Berge und so was. Ich hätte es schade gefunden, wenn ich mir das nicht hätte anschauen können. Ich hab mir dann meinen Fuß verletzt und er wollte Wasser aus dem kleinen See holen, zum Kühlen und ist aber ausgerutscht.” Du schaust kurz zu mir, lächelst mich lieb an. Und auch auf mein Gesicht schleicht sich ein Lächeln, weiß ich doch, dass du noch immer an den See denkst, dass du froh bist, da gewesen zu sein. Ich bin es auch. “Machen sie alles, was die Schüler wollen?” Klang sie wieder eifersüchtig? Ich schüttele den Kopf. Zum Einen über ihr Verhalten, zum anderen um ihr Antwort zu geben. “Finden sie es etwa fair, wie die anderen ihn behandeln? Außerdem wäre das wohl keine große Sache gewesen noch ein paar Minuten länger da oben zu bleiben, wenn es ihm eine Freude macht. Dass wir uns verlaufen war ja nicht geplant.” “Und ich bin auch nicht extra gestolpert.” Sie schaut dich kurz an, ehe sich ihren Kopf wieder zu mir dreht. “Wo sind sie überhaupt hergegangen, dass er solche Verletzungen hat, wenn er nur gestolpert ist?” Ich seufze leise, schäme mich im Nachhinein für meine bescheuerte Idee, die ich hatte. “Wir sind den Abhang hinunter gestiegen, weil wir den Wanderweg nicht mehr wieder gefunden haben.” Gut, die Begründung entspricht nicht der Wahrheit, aber was soll’s. Kann sie nicht endlich Ruhe geben? Stattdessen schaut sie mich entsetzt an. “Bitte? Das ist nicht ihr Ernst.” “Das war meine Idee gewesen. Ich bin über die Absperrung geklettert, bevor er etwas dagegen sagen konnte und dann bin ich auch schon weggerutscht. Ich hab nicht nachgedacht.” Ich schaue dich zunächst irritiert an, verstehe, dass du nicht willst, dass sie mich beschuldigen, aber das war nun einmal meine Schuld. Ich sollte doch auf dich aufpassen, wollte das. “Tooru…” Ich schaue zu dir, will dir sagen, dass du für mich nicht lügen brauchst, als du mich wieder einmal unterbrichst. “Er ist mir nach, um mir zu helfen.” Sie schüttelt nur den Kopf. Erhebt sich von der Holzbank. “Tooru, das war unüberlegt und dumm, was du gemacht hast und sie hätten ihn sofort zurückbringen sollen.” Ich nicke nur. Ist besser ihr einfach zu zustimmen, als erneut zu widersprechen. “Wir werden in Kürze zur Nachtwanderung aufbrechen. Ich nehme an, dass du nicht mitkommen wirst.” Sie schaut dich auffordernd an, sehe wir du Hilfe suchend zu mir aufschaust. Ich ergreife das Wort. “Ich denke nicht, dass er jetzt noch wandern kann.” Das hätte sie aber selbst mitbekommen können. Sie nickt. “Sie bleiben am besten mit ihm hier. Alleine können wir ihn nicht lassen. Und wenn es bis morgen nicht besser wird, werden wir seine Eltern benachrichtigen müssen.” Dann ist sie verschwunden. Und nach einer weiteren halben Stunde ist der gesamte Zeltplatz leer. Nur wir beide sitzen noch immer auf der einen Holzbank. Zwischendurch hat sie mich noch mal zu sich zitiert, wollte nochmals eine Erklärung. Brav habe ich ihr das erzählt, was du bereits erfunden hattest, ehe sie mich ein einen Smalltalk verwickelt hatte und begann über die anstehende Nachtwanderung zu erzählen. Ich musste mich stark konzentrieren nicht einzuschlafen und mittlerweile ich bin ich wieder bei dir, du liegst an meinen Oberkörper angelehnt und gemeinsam beobachten wir, wie sich der Himmel langsam dunkel färbt und erste Sterne beginnen am Firmament zu strahlen. “Kao? Kann ich duschen?” Ich schaue dich an, sehe wie du mir deinen Kopf zugeneigt hast, schüchtern lächelst. “Klar, warum nicht…?” “Ich weiß nicht, ob ich alleine hinkomme.” Ich verdrehe die Augen, drücke dir einen Kuss auf deinen blonden Schopf. Vorsichtig lege ich den kühlenden Stoff bei Seite, hebe dich auf meine Arme und mache mich mit dir auf den Weg zu den sanitären Anlagen der Campingplatzes. “Kao? Ich brauch aber noch Duschzeug und so was.” Ich seufze leise. “Hättest du da nicht vorher dran denken können?” Wie kann man nur die grundlegenden Dinge, die man zum Duschen braucht vergessen? “Du hast doch selbst nicht dran gedacht.” Erwischt. Na toll. “Ich hole sie dir.” “Das hättest du wohl gern. Vergiss es. Du grapscht nicht in meiner Unterwäsche herum.” Ein Grinsen schleicht sich auf meine Lippen. “Hast du was zu verbergen? Aber danke für den Tipp.” Lachend trage ich dich zurück zu deinem Zelt, lasse dich vorsichtig hinunter. “Nicht, dass du dich noch wunderst, warum du keine Unterwäsche findest. Ich trage nämlich keine.” Du verdrehst die Augen, krabbelst langsam in dein Zelt. “Hot!” “Lustmolch!” Fest umklammerst du deine Sachen, als ich dich wieder zu mir hebe, zu meinem Zelt wandere und ebenfalls meine Utensilien zusammen suche, ehe wir zurück zu den Duschen gehen. Vorsichtig setze ich dich auf den Boden ab. “Danke.” “Gern. Schaffst du’s allein rein?” “Ich denke schon…” “Schade.” Ich strecke dir noch einmal die Zunge raus, bevor ich in einer der Kabinen verschwinde. Scheinen ja richtige Luxusduschen zu sein. Naja… Luxus auf Campingplatzniveau aber immerhin. Sogar eine kleine Bank aus Holz ist hier integriert, scheinbar um seine Sachen drauf abzustellen und genau das tue ich. Gespannt tapse ich zu dem Wasserhahn drehe in kurz testweise auf und halte meine Handfläche unter das rieselnde Wasser. Warmes Wasser. Strahlend und mich auf die heiße Dusche freuend, entledige ich mich schnell meiner gesamten Kleidung, genieße das heiße Nass, das auf mich prasselt, verteile das duftende Duschgel auf meine Haut, shampooniere meine Haare ein. Irgendwann höre ich auch den Klang des Wassers der Nebenkabine. Deiner Kabine. Unwillkürlich stelle ich mir dich vor. Wie du unter der Dusche stehst, das Wasser deine Haut benetzt, deine blonden, weichen Haare, die dir tropfend in dein Gesicht fallen, weitere Wasserperlen über deine Lippen laufen, an deinem Piercings verweilen, ehe sie deinen wunderschönen Körper entlang fließen, deine Haut berühren. Du, wie du deine Augen lasziv geschlossen hast, das heiße Wasser genießt, den heißen Wasserdampf einatmest, der als einziger deinen nackten Körper verdeckt. Sehnsüchtig lege ich meine Hand auf die dünne Wand, die dich von mir trennt. Und eine Idee schleicht sich in meinen Kopf, während sich ein Grinsen auf meine Lippen legt. Schnell wasche ich das Shampoo aus meinen Haaren, schlinge mein großes Badetuch um meine Hüfte und schaue, nun doch etwas zweifelnd, auf die kleine Bank, auf der schon meine Tasche steht. Mein Blick wandert die Trennwand entlang. Ob ich einen Blick riskieren soll? Noch bevor sich mein schlechtes Gewissen melden kann, setze ich einen Fuß auf das dünne Holz. Zu verlockend ist es, deine ganze Schönheit betrachten zu können. Nur ein einziger kurzer Blick. Ich stoße mich leicht vom Boden ab, stelle, unter einem leisen Knirschen des Holzes, meinen zweiten Fuß auf die Platte, ehe sie ganz unter mir zusammenbricht und ich auf die harten Fließen falle, leise aufstöhne. Mist. “Was machst du da?” Deine besorgte Stimme klingt an mein Ohr und ich höre, wie auch das letzte Wassergeräusch verebbt. “Ich bin nur ausgerutscht.” Noch bevor ich mich aufrappeln kann, halte ich in meiner Bewegung inne, schaue in deine braunen, neugierigen Augen, die mich von oben herab ansehen. Deine Arme liegen oben auf der kleinen Wand, auf ihnen dein Kopf gebettet. Dein Blick streift durch meine Kabine, bleibt an dem zerschmetterten Holz hängen und ein wissendes Grinsen schleicht sich auf dein Gesicht. “Kao? Wolltest du etwa spannen?” Ich wende mich ab, spüre, wie meine Wangen einen rötlichen Ton annehmen. “Du scheinst ja dieselbe Idee gehabt zu haben.” “Ich war rein um dein Wohl besorgt, obwohl ich zugeben muss, dass das einen schönen Nebeneffekt mit sich bringt.” Deine Augen bleiben an meinen Oberkörper hängen. “Genießt du die Aussicht?” “Das Handtuch stört ein wenig.” Ich erhebe mich von den nassen Fließen der Kabine, schaue skeptisch zu dir auf. “Wie bist du denn eigentlich da hochgekommen? Hast du keine Schmerzen mehr?” Du verdrehst deine Augen. “Ich bin nicht schwer verletzt gewesen. Außerdem hat das Kühlen geholfen… glaube ich.” Ich lasse meine Augenbraue in die Höhe wandern. “Also habe ich dich eben die ganze Zeit umsonst durch die Gegend geschleppt?” Ich sehe dein unschuldiges Lächeln. “Na ein bisschen hat es schon noch wehgetan.” “Zurück kannst du ja dann alleine laufen…” “Okay.” “Okay.” Erwartungsvoll siehst du weiter zu mir runter, überrascht schaue ich auf. “Ist noch was?” “Ich warte, bis du dich umziehst.” “Das hättest du wohl gern.” Grinsend schmeiße ich dir ein zweites Handtuch, das zwischen den Holzstücken liegt, in dein Gesicht. “Hör auf zu spannen und mach dich fertig.” Irgendetwas grummelst du noch, ehe du samt meinem Handtuch wieder in deine Duschkabine verschwindest. “Kyo… Mein Handtuch.” “Selbst schuld.” Ich warte noch einige Momente vergebens, muss einsehen, dass du mir mein Handtuch wohl nicht wieder geben wirst. “Wenn du mir das nicht freiwillig wieder geben willst, muss ich mir das wohl holen.” Innerlich hoffe ich, dass du mir das Handtuch auch jetzt nicht wieder gibst. Ein Grund, um in deine Kabine einzubrechen. “Mach was du willst. Ich geh schon mal schlafen…” Irritiert nehme ich deine Stimme wahr, höre kurz darauf, wie sich deine Tür öffnet und leise wieder schließt. Deine leisen humpelnden Schritte hallen durch den kleinen Raum. Bist du gerade mit meinem Handtuch abgehauen? “Kyo? Das war mein Haarehandtuch.” Ich erhalte keine Antwort. Seufzend trockne ich mich mit dem großen Badetuch ab, beginne mit demselben meine Haare trocken zu rubbeln, mich wieder anzuziehen und dir zu folgen. Der Campingplatz ist noch immer leer. Wie ausgestorben. Sehnsüchtig schaue ich zu deinem Zelt. Ob ich dir noch eine schöne Nacht wünschen soll? Ich schüttele den Kopf. Du willst schlafen. Der Tag war immerhin ziemlich anstrengend. Seufzend gehe ich an deinem Zelt vorbei, schreite auf mein eigenes zu. Langsam ziehe ich den Reißverschluss nach oben, trete ein, schaue in dein wieder einmal unschuldig schauendes Gesicht. “Ich mag immer noch nicht allein in meinem Zelt schlafen.” Sanft lächelnd setze ich mich zu dir, streiche kurz über deinen blonden Haarschopf. Drücke dir einen Kuss auf deine rötlich gefärbte Wange, ehe ich meine Sachen wieder in meinem Koffer verstaue. “Eigentlich war das gerade aber ziemlich mies von dir.” “Ich hab gar nichts gemacht.” Ich lache laut auf. “Du hast dich über mich lustig gemacht, gespannt und mein Handtuch geklaut.” “Ich hab nur rübergeschaut, weil ich mir Sorgen gemacht habe. Gelacht habe ich erst, als ich wusste, dass dir nichts passiert ist. Außerdem wolltest du ja wohl auch spannen. Dein Handtuch habe ich nur genommen, weil ich mein eigenes vergessen habe.” Erneut bildet sich ein Rotschimmer auf deinem Gesicht, lächelnd ziehe ich dich zu mir. “War auch gar nicht ernst gemeint. Und außerdem habe ich ja auch was davon, wenn du bei mir schläfst.” Meine Finger streichen über dein Gesicht, fahren deine Konturen nach, streicheln über deine vollen Lippen, ehe meine Hand zu deinem Nacken wandert, dich dort leicht krault, während ich deinen Kopf näher zu mir ziehe, verlangend über deine Lippen lecke, so um Einlass bete. Bereitwillig öffnest du deinen Mund, lässt mich deine Mundhöhle erkunden, genüsslich streiche ich über deine Innenwände, fange nach deine heiße Zunge auf, bewegen uns gegeneinander. Meine Hand wandert an deinem Körper entlang, schiebt sich langsam unter dein Nachthemd. Zaghaft streiche ich über deine Brust, deinen gesamten Oberkörper, über die leichten Muskeln deines Bauches. Noch immer liebkose ich deine Lippen, schiebe dein Oberteil etwas höher, löse mich sehnsüchtig von dir, um deinen schönen Oberkörper betrachten zu können. Irritiert schaust du mich an, schaust auf meine Hand, auf deinen entblößte Brust, streiche erneut über sie. “Du bist wunderschön.” Bevor du etwas sagen kannst, hauche ich dir einen weiteren Kuss auf deine Lippen. Erkenne endlich den tiefen Schnitt, der sich über deine Brust zieht, vom heißen Wasser wieder leicht angefangen hat zu bluten. “Deine Wunden müssen noch verbunden werden.” Ich erhebe mich, verlasse unsere Schlafstätte und hole den Verbandskasten, der noch immer auf der Bank steht, komme zu dir zurück, schließe den Reißverschluss. Vorsichtig beginne ich erneut, deine Wunden zu versorgen. Ich küsse dich ein weiteres Mal, ehe ich die halb gespielt, halb ernst zufrieden dein Shirt über deinen Kopf ziehe, um deine verwundete Brust zu verbinden. Lasse dann von dir ab, greife nach deinen Händen, ziehe sie sacht zu mir, hauche dir erneut kleine Küsse auf deinen Handrücken. Ich lehne mich leicht gegen dich, drücke deine Hände neben dich auf die Decken, beuge mich über dich. Meine Zunge wandert deinen Hals entlang, küsse deine Kehle zärtlich. Ich lasse dich los, lasse meine Finger zu deinem Bauch gleiten, berühre dort deine nackte Haut, lasse sie langsam tiefer sinken, über deinen Unterbauch streichen, deine Hose leicht tiefer schiebend. “Kao… nein… ich…. Mein Fuß! Au!” Irritiert sehe ich dich an, lasse aber von dir ab. Deinen Fuß habe ich doch gar nicht berührt. Dennoch rutsche ich etwas von dir, lächele dich entschuldigend an, bis ich meine Lippen auf deinen Nabel drücke, über deinen Bauch lecke. Ich spüre, wie du leicht zusammen zuckst, dich aufrichtest. “Kao… bitte…” Ich erhebe mich, schaue dich an. Du genierst dich, dein Blick verrät das. Vorsichtig greifst du nach deinem Shirt drückst es an dich. Mir wird bewusst, was für ein Idiot ich bin. “Kyo… Es tut mir Leid. Ich hätte sehen müssen, dass…” “Das ist meine Schuld. Ich brauche so lange…” Seufzend schüttele ich den Kopf, nehme dir den Stoff aus den Händen und ziehe ihn über dich, lege meinen Arm um deine Schulter. “Ich hätte merken müssen, dass du noch Zeit brauchst. Und die hast du. So viel du willst. Verzeih mir.” Du nickst nur leicht, kuschelst dich an mich. Ich lasse mich nach hinten fallen, ziehe dich mit mir und zusammen liegen wir in der weichen Decke, streife eine weitere über uns. “Lass uns schlafen, ja?” Wieder erhalte ich nur ein Nicken von dir. “Schlaf schön.” Ich hauche dir einen Kuss auf dein Haar, lege meine Arme noch etwas fester um dich. “Hattest du gar keine Angst, dass die plötzlich wieder da sind?” “An so was denkst du noch?” “Natürlich… woran soll ich denn denken…?” Ich lache kurz auf. Schüttele dann den Kopf, streiche über deine Wange. “Süß! Eigentlich solltest du an gar nichts denken und das genießen.” “Merke ich mich fürs nächste Mal. Also, hattest du Angst?” “Das nächste Mal, hmm? Und nein hatte ich nicht. Ich hab nicht wirklich dran gedacht und lieber genossen. Aber deine Lehrerin hat vorhin erzählt, was für eine Route sie sich ausgeguckt hat. Die kommen vor zwölf auch nicht hier an. Und falls du Angst hast, dass sie uns hier erwischt, wenn wir schlafen, das brauchst du auch nicht . Ich hab ihr gesagt, dass sie mich und dich nicht wecken soll, wenn sie wieder kommen. Die wird von unseren Zelten also schön wegbleiben.” “Okay… weckst du mich morgen? Damit so was wie heute früh nicht noch einmal passiert?” “Mach ich. Du brauchst dir keine Gedanken zu machen. Schlaf einfach.” “Danke.” Zufrieden sehe ich, wie sich deine Augen schließen, lausche deinem leisen Ein- und Ausatmen. Beruhigend streiche ich weiter über deinen Schopf und deinen Rücken, drücke dich nahe an mich, bis auch ich in süßen Träumen von dir versinke. “Kao?” Im Halbschlaf nehme ich deine panische Stimme wahr. Öffne langsam meine müden Augen, strecke mich leicht und gähne, ehe ich mich aufsetze, dich leicht anlächele und einen Kuss auf deine Lippen setze. Leicht erwiderst du diesen, drückst mich dann von dir weg. “Kao. Mein Knöchel tut ziemlich weh.” Irritiert sehe ich dich an, streife dann die Decke bei Seite, als du leise aufkeuchst. Sofort wandert mein Blick wieder zu dir. “Was ist?” “Mein Fuß!” Ich nicke, passe nun besser auf, dir nicht wieder wehzutun. Behutsam hebe ich die Decke an, lege sie weg. Rücke näher zu dir, um mir deinen schmerzenden Knöchel ansehen zu können. Geschockt starre ich auf deinen geschwollenen, mit Hämatomen übersähten Fuß. “Hast du nicht gesagt, dass es besser geworden ist?” “Es war auch besser.” “Ich gehe was zum Kühlen holen.” Sofort erhebe ich mich, renne so wie gestern schon, zu dem kleinen Haus, krame erneut eines der Kühlakkus heraus, um mich damit auf den Weg zurück zu dir zu machen. “Guten Morgen, Kaoru.” Entsetzt drehe ich mich um, erkenne die Frau, die in ihren Schlafsachen vor mir steht, eine Kaffeetasse in der Hand hält. “Morgen.” Ich brumme ihr die mehr oder weniger nette Begrüßung entgegen, ehe ich mich wieder abwende und zu meinem Zelt eile. “Wo wollen sie denn hin?” Ich vernehme noch ihre Stimme in der Ferne, beschließe sie zu ignorieren, hetze eilig weiter. Glücklich knie ich mich wieder zu dir, lege das das kalte Eis, in einem Handtuch umwickelt, auf deinen leidenden Fuß. Leise stöhnst du vor Schmerz auf. “Das wird gleich besser. Kannst du so gut liegen oder soll ich dir noch ein Kissen…” “Kaoru? Was macht der Junge in ihrem Zelt?” Geschockt drehe ich mich um, starre deine Lehrerin an, die hinter mir steht und in mein Zelt hereingafft, dich anstarrt. Verdammt… Kapitel 8: ----------- Entsetzt schaue ich in das verzerrte Gesicht meiner Lehrerin, nicht dass es sonst nicht verzerrt wäre, aber dass ich der Grund bin, dass die so schaut oder eher mein Aufenthaltsort. Ihre Augen wandern von mir zu dir rüber, wieder zurück zu mir. Ihre Mundlade klappt zeitlupenartig auf und ihr Blick verfinstert sich, als sie dich anschaut. Schon wieder eifersüchtig? Innerlich spüre ich einen kleinen Anflug von Schadenfreude, der aber erfolgreich von meiner Angst verdrängt wird. Sag doch was. Unbeeindruckt schiebst du vorsichtig ein Kissen unter meinen schmerzenden Fuß, schaust nur kurz über deine Schultern ohne dich wirklich umzudrehen. “Er ist heute morgen zu mir gehumpelt, da schicke ich ihn sicher nicht wieder zurück zu seinem Zelt.” Du wendest dich wieder mir zu, lächelst mich lieb an. “Geht das so oder soll ich noch ein Kissen holen? Ist das auch nicht zu kalt?” Prüfend legst du deine Hand auf den kühlenden Plastikbeutel. Ich schüttele den Kopf. “Alles gut so. Danke.” Erneut erscheint das Gesicht meiner Lehrerin vor mir. Ich schaue zu, wie sie sich neben dich hockt, sich fast an dich kuschelt und nun bin ich der jenige, der seine Eifersucht unterdrücken muss. Überraschst schaust du sie an, rückst etwas zur Seite, als du ihre Nähe spürst. “Was ist den mit deinem Fuß?” Irritiert sehe ich sie an. Hat sie das schon wieder vergessen? Wahrscheinlich liegt das an ihrem Desinteresse oder die Gute wird langsam senil. Ich schaue zu dir, erkenne, wie du deine Augen verdrehst, ob du dasselbe denkst? Ich muss ein leises Kichern unterdrücken, schaue sofort wieder ernst, als sie versucht, mich mit ihrem Blick aufzuspießen. “Ich bin doch gestern…” Ich versuche ihr altes, schwaches Gedächtnis an den gestrigen Tag zu erinnern, prompt werde ich von ihrer reizenden Stimme unterbrochen. “Wieso haben sie eigentlich so viele Kissen in ihrem Zelt?” Skeptisch wandert meine Augenbraue in die Höhe, doch das sieht sie schon gar nicht mehr, da sie damit beschäftigt ist, dich mit ihrem Blick zu fixieren. Und auch ich schaue dich mit meinem gespielten, vorwurfsvollem Blick an. Schande über dein Haupt, wie kannst du es wagen, mehr als ein Kissen in deinem Zelt zu haben. Genervt schaust du sie an, als du dich erhebst und zum ersten Mal höre ich, wie Wut in deiner Stimme mitklingt. “Das Kissen habe ich aus seinem Zelt geholt, um seinen Fuß darauf zu legen. Was wollen sie mir eigentlich anhängen? Dass ich etwas mit einem meiner Schüler habe? Das ist absurd und unter meinem Niveau.” Ich spüre diesen leichten Stich in meinem Herzen. Ich kann nicht einmal genau sagen, warum. Mein leichtes Lächeln, das die ganze Zeit auf meinen Lippen gelegen hat, ist verschwunden. Etwas verwirrt sieht sie dich an, fängt sich aber gleich wieder. “Das habe ich doch nicht so gemeint. Auf alle Fälle müssen wir seine Eltern benachrichtigen. Sie sollen ihn abholen. Bringt ja nichts, wenn er hier bleibt.” “Meine Eltern arbeiten aber…” Ich will nicht, dass sie sich wegen mir frei nehmen müssen. Immerhin haben wir nicht so viel Geld. Mein Vater ist zwar besessen davon, nach außen hin wohlhabend zu wirken, dafür arbeiten beide hart, aber dennoch sieht die Realität anders aus. Betreten schaue ich weg. “Dann nimm dir ein Taxi.” Unberührt nippt sie an ihrer Tasse, die sie noch immer in ihrer Hand hält. Oh ja natürlich. Wie lange sind wir mit dem Bus gefahren? Fünf Stunden? Rechnet mir das mal bitte einer in Taxistunden und vor allem in Taxikosten um? Kopfschüttelnd trittst du an ihr vorbei, lächelst mich wieder freundlich an. “Ich fahre dich heim, wenn du nichts dagegen hast. Für solche Notfälle haben wir ja ein Auto da. Und die ganzen Vorräte, die ich zu Anfang mitgenommen habe, werden in den nächsten Tagen auch noch aufgegessen, da wird das, was übrig bleibt wohl noch in den Bus passen.” Ich nicke leicht, schaue aber sofort weg, als mich der wütende Blick meiner Lehrerin trifft. “Sie sind doch nicht sein Chauffeur.” Dein Lächeln verschwindet von deinen Lippen, als du dich langsam umdrehst. “Er muss zum Arzt. Haben sie sich seinen Fuß schon einmal angesehen? Wahrscheinlich nicht. Sie haben ja auf die Einrichtung meines Zeltes geachtet. Was meinen sie, wie lange es dauert, bis seine Eltern hier sind und wie lange sie brauchen um wieder zurück zu kommen?” “Sie können auch hier mit ihm zum Arzt gehen.” Ich spüre die Spannung förmlich, die in der Luft liegt. Du knurrst sie nur an, während sie darauf eingeht, zurückkeift. Ich bin der Grund, für diesen Streit. “Dann soll der Busfahrer ihn hinbringen. Ich bin ja nicht sein Chauffeur.” Wütend wendest du dich von ihr ab, schreitest zurück zu mir und sofort tritt wieder ein sanftes Lächeln auf dein Gesicht. “Ich hole mein Auto hier her, dann hast du es nicht so weit. Ist dein Koffer gepackt oder soll ich dich zu deinem Zelt bringen?” “Alles gepackt. Aber, wenn du…” Ich schaue mich kurz um, ob auch niemand gehört hat, wie ich dich angesprochen habe, beginne sofort zu flüstern. “Wenn du Ärger bekommst, dann rufe ich lieber meine Eltern an.” “Das ist mein Auto und damit fahre ich hin, wohin ich will und nehme mit, wen ich mitnehmen will.” Triumphierend grinst du mich an. “Wenn du meinst…” Du nickst und verschwindest dann einfach in Richtung des Parkplatzes. Seufzend kuschele ich mich noch etwas in deine Decken, schaue auf die rötliche Sonne, die in der Ferne schon beinahe ganz aufgegangen ist, bis sich ein eben so rotes, ballonartiges Etwas vor sie schiebt. Der Kopf dieser alten Hexe. “So schlimm ist das bestimmt gar nicht und du hast einfach keine Lust mehr auf unsere Ausflüge und deinen Lehrer hast du auch fein um deinen Finger gewickelt. Jetzt zeig schon her…” Rabiat schmeißt sie den Kühlakku von meinem Fuß, besieht sich meinen blau angelaufenen Knöchel. Leise stöhne ich auf, als ich ihre Finger an den schmerzenden Stelle fühle, ziehe mein Bein von ihr weg und lege den kühlenden Stoff wieder drauf, schaue sie verständnislos an. “Nur weil er der Einzige ist, der sich um mich kümmert und nett zu mir ist?” Sie ignoriert mich einfach, drückt mir stattdessen ihr Handy in die Hand. “Du wirst trotzdem deine Eltern benachrichtigen, dass du heute Mittag zu Hause ankommst. Und wenn du da bist, rufst du bei mir an. Immerhin trage ich die Verantwortung.” Ich nicke nur, wähle die Nummer meines Zuhauses, als sie sich auch schon von mir wegbewegt. Gelangweilt lausche ich dem monotonen Piepen, das aus ihrem Gerät gegen meine Ohrmuschel knallt. Ich hasse dieses Tuten, das nach einiger Zeit von der Stimme meiner Mutter abgelöst wird. Ich warte einige Momente, bis ich, ohne ein Wort gesagt zu haben, auf die rote Taste drücke und das Telefonat beende. Wenn ich ihr jetzt erzähle, dass ich heute Nachmittag daheim sein werde, macht sie sich nur wieder Sorgen und in den späten Nachmittagstunden wird sie so oder so zu Hause sein, wie jeden Tag. Mit einer neuen Tasse Kaffee kommt meine Lehrerin auch schon wieder zu mir zurück und drückt mir noch einen Zettel, auf dem ihre Nummer vermerkt ist, in die Hand . Ich reiche meiner Lehrerin ihr Handy zurück. “Klappt alles?” Ich nicke nur, als sie sich auch schon wieder von mir abwendet, einige Schritte nach vorne geht und sich deinem Auto in den Weg stellt. Leicht hebe ich meinen Körper an, schaue aus dem Zelt heraus und sehe, wie du genervt aussteigst, auf sie zugehst. Noch immer hat sie ihre Hände in ihre Hüfte gestemmt, scheint mit dir zu diskutieren. Kopfschüttelnd gehst du an ihr vorbei und ich sehe, wie du auf mein Zelt zugehst und meinen Koffer heraushievst, um ihn in deinem Auto zu verstauen. Nach und nach verschwinden meine Habseligkeiten in deinem Kofferraum. Nach wenigen Minuten befindet sich an der Stelle, wo eben noch mein Zelt gestanden hatte, nur eine quadratische Fläche an platt getretenem Rasen. Lächelnd kommst du auf mich zu, hockst dich vor mich. “Also… entweder kommst du jetzt raus oder ich packe dich mit dem Zelt ein.” Ich nicke nur leicht, strecke dir meine Hand entgegen und lass mich von dir hochziehen. Vorsichtig stützt du mich, bringst mich zu deinem Auto und öffnest mir dir Tür zu den hinteren Sitzen. Na toll, jetzt darf ich hinten sitzen. Seufzend steige ich ein, rutsche durch, so dass ich meine Beine auf der hinteren Sitzbank lang machen kann. Bequem ist anders, aber immer noch besser als noch zwei Tage hier bleiben zu müssen, um mich dann in diesen Bus zu quetschen und mir wieder Sprüche anhören zu dürfen. Schnell schiebst du mir noch ein Kissen unter meinen Fuß und legst das in ein Handtuch eingewickelte Eis auf meinen Knöchel. Leicht lächelnd verdrehe ich meine Augen. So schlimm ist es nun auch nicht. Nach weiteren zehn Minuten ist auch dein Zelt sachgemäß verstaut und schon hat dich meine Lehrerin in ein erneutes Gespräch verwickelt, lächelt nochmals verführerisch und lässt ihre Haare im Wind tanzen . Ich verdrehe meine Augen. Wieso zieht sie sich nicht einfach vor dir aus? Du teilst ihr freundlich mit, dass du vergeben bist und dann können wir auch schon fahren. Obwohl… Nicht, dass dir schlecht wird und wir noch länger warten müssen. Nach schier nie enden wollender Zeit, lässt du dich endlich auf deinen Platz nieder, startest seufzend den Motor. Langsam bewegt sich dein Wagen von dem Campinggelände und ich sehe im Rückspiegel, wie die Alte uns argwöhnisch nachstarrt. Grinsend drehe ich mich um, winke ihr fröhlich zu. Tschüss du alte Schrulle und natürlich die ganzen anderen Deppen, die noch immer genüsslich in ihren Zelten schlummern. Die nächsten Tage dürften langweilig werden, jetzt wo sie auf ihren Wanderungen und das werden noch einige sein, niemanden mehr haben, dem sie auf die Nerven gehen können. Ach wie schade. Sie genießen mein vollstes Mitleid. Oder auch nicht. Kichernd drehe ich mich wieder um. “Was hast du denn?” Ich lehne mich leicht nach vorne, streiche mit meinen Fingern über deinen Nacken. Kurz erschauderst du und ich spüre, wie sich deine Nackenhäärchen aufstellen. “Ich glaube, dass sie dich vermissen wird.” “Na, ich sie nicht…” Ein leises Murren verlässt deine Lippen und entlockt mir so ein leises Lachen. “Ist sie denn nicht dein Typ?” “Kyo! Lass das! Ich muss mich konzentrieren. Das ist nicht hilfreich, wenn ich kurz davor bin mich zu schütteln und gleichzeitig einen Brechreiz unterdrücken muss.” Und dennoch sehe ich wie ein kurzes Zittern deinen Körper heim sucht und du leise seufzt. “Woran hast du denn gerade gedacht?” “Das willst du gar nicht wissen.” “Ich hab keine Lust hier hinten zu sitzen.” “Musst du aber wohl. Hier vorne kannst du dein Bein nicht ausstrecken.” Grummelnd lehne ich mich wieder an die weiche Stofflehne, verschränke die Arme vor meiner Brust. “Was soll ich denn hier fünf Stunden lang alleine machen.” “Das was man beim Autofahren auf allen Plätzen macht. Sitzen! Und allein bist du nun wirklich nicht.” “Trotzdem.” Mein Lieblingsargument auf Grundschulniveau. Wobei, wenn man es genau nimmt, war das noch nicht mal ein Argument. Egal. Ich hab keine Lust hinten zu sitzen. “Kao? Ich werde so lange nerven, bis ich nach vorne kann.” “Ich versuche mich nebenbei auf den Verkehr zu konzentrieren, das weißt du, ne?” “Ist mir bekannt.” Du antwortest nicht, stattdessen kommen wir nach weniger als einer halben Minute zum Stehen. “Du bist jetzt wirklich für mich angehalten?” “Ich muss den Tank nachfüllen.” Grinsend drehst du dich zu mir, deutest auf die Zapfsäulen, die neben deinem Auto stehen, streichst mir über mein Haar, als du meinen schmollenden Blick siehst. Aber wir können dich trotzdem nebenbei umsiedeln.” “Kao? Du musst doch eh gleich da rein und bezahlen. Da kannst du mir doch ein Eis mitbringen oder?” Schüchtern lächelnd schaue ich dich an. Irritiert wandert dein Blick von mir, runter zu meinem Knöchel. Vorsichtig berührst du das Eis, das auf meinem Fuß liegt. “Ist das schon warm geworden?” Eine meiner Augenbrauen wandert in die Höhe, als ich deine Hand vorsichtig in meine nehme, sanft darüber streichele und dich noch immer skeptisch ansehe. “Ein Eis. Für mich. Zum Essen. Du weißt schon. Gefrorenes Gemisch aus Milch, wahlweise auch Wasser in Billigeisdielen, Früchten, Echten oder Gefrorenen aus dem Discounter oder die preiswerteste Variante, eine Mischung aus Geschmacksverstärkern und Farbstoffen. Und Zucker dürfe in allen vorkommen. So etwas will ich.” “Ich weiß, was Eis ist. Welche Sorte darf es denn sein?” “Erdbeere.” Strahlend sehe ich dir nach, freue mich, auf mein Eis. Ob ich schon mal nach vorne wandern soll? Ich überlege kurz und entscheide, mich zu warten. Warum mich anstrengen, wenn du mich gleich auf die vorderen Plätze verlädst. Gelangweilt lege ich meinen Kopf an die kalte Fensterscheibe, beobachte wie die Zahlen, der Zapfsäule in die Höhe schießen. Ich werde niemals Auto fahren. So ein PKW frisst ja mehr als ich selbst. Zugegeben das ist nicht schwer. Nach weiteren Ausflügen in meine autolose Zukunft, kommst du auch schon wieder zurück. Hey. Wo ist mein Eis? Du öffnest die Tür, an die ich noch immer lehne und prompt hängt mein halber Körper, der noch von den Sicherheitsgurten gehalten wird, aus dem Wagen heraus. Kopf über hängend schaue ich zu dir hoch. “Aber sonst geht’s noch, oder?” Grummelnd lass ich mich von meinen Bauchmuskeln, die zwar nicht wirklich sichtbar sind, aber dennoch vorhanden, hochziehen, schnalle mich schnell ab, lasse mich von dir auf deine Arme heben und mich nach vorne bringen. Lächelnd drücke ich dir einen kleinen Kuss auf deine Wange. “Danke.” “Aber jetzt hörst du auf zu quengeln.” Bevor ich antworten kann, legst du deine Lippen für einen kurzen Moment auf meine, ehe du die Tür vorsichtig schließt und selbst auf der anderen Seite wieder einsteigst. “Kao? Wo ist denn mein Eis?” Überraschst schaust du dich um. “Da gab’s kein Erdbeereis.” “Und da hast du mir gar keins mitgebracht?” Deine Finger umklammern das Lenkrad, während deine andere Hand den Zündschlüssel leicht berührt. Du willst losfahren. Ich will Eis. Seufzend lässt du deine Hände sinken, schaust mich seufzend an, während du dich an die weichen Polster lehnst. “Welche Sorte dann?” “Melone. Und dann Vanille. Und dann Himbeere und wenn es das auch nicht gibt dann Mango.” Ohne ein Wort bist du auch schon wieder verschwunden und ein schlechtes Gewissen breitet sich in mir aus, als ich dir nachsehe, wie du den kleinen Tankstellenstore erneut betrittst. Na hoffentlich bist du jetzt nicht sauer. Seufzend drücke ich an den Knöpfen des Autoradios herum, warte auf angenehme Beschallung meiner Ohren, die wie so oft in letzter Zeit ausbleibt. Genervt schalte ich die mir unbekannte Cd, die in deinem Cdplayer liegt, ein. Einen guten Musikgeschmack hast du auch noch. Lächeln lehne ich mich zurück, genieße die angenehmen Melodien, bis du die Tür öffnest und mir ein in Folie eingewickeltes Eis vor die Nase hältst. Dankend nehme ich die Süßigkeit an, schaue dennoch nur schüchtern zu dir herüber. “Bist du jetzt sauer auf mich?” Irritiert schaust du zu mir. “Warum sollte ich sauer sein?” “Na… weil ich dich so herumscheuche…” Kopfschüttelnd beugst du dich zu mir, legst deine warme Hand in meinen Nacken, ehe du mich in einen sanften Kuss ziehst. “Wie könnte ich sauer auf dich sein? Außerdem werde ich ja gleich dafür entschädigt.” Grinsend leckst du dir über die Lippen, als ich mein noch immer verpacktes Eis zu mir ziehe. “Das ist schon so klein. Kauf dir dein eigenes.” Schmollend schaue ich zu dir, erkenne wir du lachend deinen Kopf schüttelst. “Behalte dein Eis. Mir reicht schon der Anblick, wie du lasziv daran leckst.” Grinsend streichst du erneut über meine Lippen. “Du hast auf den Verkehr zu achten. Und übrigens blockierst du seit mehr als sieben Minuten die Zapfsäule.” Erschrocken drehst du dich um, schaust auf die kleine Schlange an Autos, die sich hinter uns gesammelt hat. Schnell legst du den Vorwärtsgang ein und wir rollen endlich los, mit meinem Eis. Jetzt stehen wir schon seit, kurzer Blick zu der digitalen Autouhr, mehr als einer halben Stunde in diesem blöden Stau, in denen wir aufgerundet ganze fünf Meter Weg zurück gelegt haben. Unsere beiden Köpfe liegen gelangweilt an der Fensterscheibe, warten darauf, dass es endlich weiter geht. Deine Cd läuft nun schon zum vierten Mal durch und langsam nervt der eben noch gut klingende Rhythmus. “Wieso geht es denn da nicht weiter?” Fragend sehe ich zu dir, ernte nur ein unwissendes Schulterzucken. “Ich bin mir nicht sicher. Aber ich denke mal ein Unfall ist der Grund. Bei Baustellen kommt man zumindest Stück für Stück voran.” “Hier ist gar kein Krankenwagen vorbei gefahren.” Leise lachst du auf, nimmst meine Hand und streichelst über meinen Handrücken. “Wie soll der hier auch vorbei kommen…? “Müsst ihr eure Autos nicht eigentlich an den Rand stellen und eine Mittelgasse bilden oder so was?” “Eigentlich. Schau dich doch um. Jeder muss einzeln aufgefordert werden und wenn sie Platz machen, dann nur wenn das Blaulicht direkt hinter ihnen auftaucht. Ist doch so viel zu umständlich. Wieso Platz für andere machen?” Traurig schaue ich aus dem Fenster. Fühle die leichte Melancholie, die sich in mir ausbreitet, als ich tatsächlich sehe, wie die Autos dicht aufeinander in Reihe hinter und vor uns stehen. Du ziehst meine Hand näher zu dir, streichst mit deinem Daumen weiter sanft über sie. “Hey… Die Menschen bekommen Hilfe, okay? Die wissen, alle, wie das läuft. Die schicken meistens von vorn herein Rettungshubschrauber.” Ich nicke nur leicht. Darum geht es doch auch gar nicht…. Glaub ich. Doch schon ziehst du mich sanft zu dir. Mein Kopf liegt an deiner Brust, deine Arme sind um mich geschlungen und streichen sanft über meinen Rücken. Du hauchst mir unzählige sanfte Küsse auf meinen Schopf, drückst mich mit jedem näher an dich. “Komm sei nicht traurig. Mit einem Lächeln im Gesicht bist du so viel hübscher, als jetzt schon, hm?” Deine Finger schieben sich unter mein Kinn, heben mein Gesicht sanft in deine Richtung und ein leichtes Lächeln breitet sich auf meinen Lippen aus, als ich dein Schmollen sehe. Sofort lächelst auch du mich sanft an. “Wunderschön.” Du hauchst die Worte gegen meine Lippen, verschließt sie mit deinen. Sanft liegen sie aufeinander, bewegen sich zaghaft. Deine feuchte Zunge leckt sanft über sie, willig gewähre ich dir deinen geforderten Einlass, empfange deine Zunge, verfangen sich in einem leidenschaftlichen Spiel, um Dominanz kämpfend. Verlangend streicht deine Zunge meine, erkundet meinen Mundraum. Deine Finger kraulen meinen Nacken, spielen mit meinem Haar. Genüsslich seufze ich in unseren Kuss, spüre mein Herz schnell gegen meinen Brustkorb schlagen. Zaghaft schiebe ich meine Hände unter dein Shirt, beginne dich leicht zu streicheln, deine warme Haut sanft zu massieren. Du löst den Kuss, keuchst überrascht auf, schaust mich irritiert an. Ich strecke mich leicht, knabbere an deiner Unterlippe und zufrieden spüre ich, wie du fordernder wirst, von meinen Lippen zu meinem Hals wanderst, über meine Kehle leckst. Vorsichtig schiebst du meine Hände von deinem Körper, hältst sie fest, als du mich sanft aber bestimmt zurück in die Polster drückst. Mit einem lauten Geräusch, fliegt dein Sicherheitsgurt aus seiner Verankerung und kurz darauf folgt meiner. Lasziv bewegst du dich über die Technik des Wagens, die sich zwischen Fahrer und Beifahrersitz befindet, beugst dich verführerisch über mich und deine langen schwarzen Haarsträhnen fallen in mein Gesicht, streichen meine Wange. Deine Lippen finden ihren Weg zurück auf meine, gleiten über meine Wangenknochen. Sanfte Küsse streichen über meine Haut. Heiße Fingerkuppen über meinen Bauch. Langsam schiebst du mein Oberteil nach oben, so wie deine Finger nur langsam wagen, in höhere Bereiche vorzudringen. Beinahe ängstlich über meine Brust streichen. Keuchend sinke ich etwas auf meinem Sitz zusammen, schaue dich aus halbgeschlossenen Augen an. Genieße deine Berührungen. Du schaust für einen Augenblick zu mir hoch, leckst dir verlangend über die Lippen, beugst dich weiter zu mir herunter, drückst deine feuchten Lippen auf meinen Bauch. Ein leises Stöhnen entflieht meiner Kehle. Und ich meine zu sehen, wie sich die Umgebung zu bewegen beginnt. Schnell atmend schaue ich aus dem Fenster. “Kao~ Oh mein Gott…” Grinsend schaust du zu mir. “Was denn? Schon…” “Das Auto bewegt sich.” Ich drücke dich von mir weg. Höre das laute Hupen, das die angenehm da gewesene Stille zerreist. Noch immer liegst du mehr auf deinem Sitz, schaffst es dennoch, die Bremse durchzutreten und den Wagen zum Stehen zu bringen. Du ziehst dich in eine aufrechte Position, ziehst die Handbremse und lässt dich erschöpft in deinen Sitz sinken. “Wie hast du das denn geschafft?” “Bein… Steuerknüppel… ein zum Anbeißen heißer Kerl neben mir…” Du seufzt leicht, skeptisch wandert eine meiner Augenbrauen in die Höhe. “Und dabei hast du gleichzeitig auf die Kupplung gedrückt, als du halb über mir gehangen hast?” “Das ist ein Automatik…” Murmelnd wendest du dich ab. Ist dir das etwa peinlich? Ach wie süß. Da stochern wir doch gleich mal weiter in der Wunde. “Kannst du nicht mit einem normalen Auto fahren?” “Das ist ein normales Auto…” “Muss man nicht trotzdem die Bremse drücken, um in den Rückwärtsgang zu kommen?” “Ich wusste doch, dass ich da irgendwo fest gehangen habe… woher weißt du das alles eigentlich?” “So was weiß man einfach. Der Stau löst sich langsam auf.” Ich deute auf die sich vor uns bewegenden Fahrzeuge. Seufzend setz du den Hebel wieder auf die normale D-Stellung und wir rollen den anderen hinterher. Still grinst du vor dich hin. “Was hast du denn jetzt?” “Ich überlege gerade, wie weit wir gegangen wären, wenn wir nicht beinahe in das Auto hinter uns gerollt wären.” “Oh ach so…” Ich spüre, wie sich ein leichter Rotschimmer auf meine Wangen legt, schaue schnell zur Seite, beobachte die vorbei rasenden Bäume, die am Straßenrand stehen, drehe mich aber sofort wieder um, als ich deine Hand auf meiner spüre. Kurz schaust du zu mir rüber, wendest dich gleich aber wieder der Straße zu. “Ich bin froh, dass wir aufgehalten worden sind.” Irritiert starre ich dich an, versuche das sanfte Lächelnd, das auf deinen Lippen liegt einzuordnen. “Schau nicht so. Es soll was besonderes sein.” Ich nicke zustimmend. Das erste Mal, auf einem Autositz, auf der Autobahn, während eines Staus? So unromantisch bin ich auch nicht. Aber wenn ich jetzt genau drüber nachdenke… Noch mal schaue ich mich um. Der Stau hat sich zwar aufgelöst, aber dennoch fahren unzählige Gefährte neben uns her und sofort schießt mir die Röte ins Gesicht, wenn ich daran denke, wer uns alles hätte sehen können. Merken. Gehirn angeschaltet lassen und äußere Wahrnehmung ist auch ganz wichtig. Sofort drehe ich meinen Kopf zu dir. “Hat dir das nichts ausgemacht, dass uns so viele Leute gesehen haben?” Du zuckst leicht mit den Schultern. “Wir haben ja nicht viel gemacht… und wenn, dann hätten uns nur die gesehen, die hinter uns standen und die, die vor uns fuhren. Aber denen ist das meistens eh zu peinlich sich umzudrehen. Und die kennen uns ja eh alle nicht.” “Die haben sich aber wohl umgedreht.” “Vielleicht, weil sie gesehen haben, dass unser Alter doch etwas auseinander liegt?” “Ich finde, du gehst auch noch als 22 durch…” Lachend schüttelst du den Kopf. “Dein Alter kann man aber auch gut und gern auf 14 schätzen.” Na danke auch. Schmollend verschränke ich meine Arme vor meiner Brust, beuge mich aber etwas vor. “Hast du keine Angst… dass die Leute… na ja.. Ich meine… weil das doch verboten ist…” Eine unangenehme Stille breitet sich im Wagen aus. Wäre es besser gewesen, das nicht zu sagen? Innerlich schlage ich mich selbst. Ängstlich schaue ich zu dir, was dir wohl durch den Kopf gehen mag? “Das ist so wie mit dem Unfall. Sie schauen zwar gern hin, aber das war’s auch schon. Sie werden nichts unternehmen.” Deinen Blick hast du nicht von der Straße genommen, starrst weiter auf den grauen Asphalt und die weißen Linien, die sich durch die hohe Geschwindigkeit zu einem durchgezogenen Strich verbinden. “Kyo? Es ist mir bewusst. Das was du gesagt hast. Ich weiß das. Und es ist mir egal. Völlig egal, so lange du das auch so siehst.” Ich nicke schnell. “Ganz genau so…” Ein kurzes Lächeln huscht über dein Gesicht, starrst dennoch weiter auf die Straße vor dir. Ich wende mich ab, beobachte, wie die Landschaft an mir vorbei zieht, spüre, wie ich müde werde… “Hey Kyo!” Ein sanftes Rütteln holt mich aus meinen Träumen. Schläfrig schaue ich mich um, erblicke dein lächelndes Gesicht vor mir. “Na, gut geschlafen?” Ich nicke leicht, kann ein Gähnen nicht unterdrücken. Erinnere mich langsam wieder, wo ich eigentlich bin. Mein Blick wandert nach draußen und das merkwürdige Gefühl beschleicht mich, hier schon mal gewesen zu sein. “Na freust du dich schon auf zu Hause?” Irritiert schaue ich dich an. Freue ich mich? Na ja ich hab es geschafft, mein Bett früher zurück zu erobern, habe endlich wieder sanitäre Anlagen, deren Benutzung auf drei Leute eingeschränkt ist, wobei so schlimm waren die Duschen dort auch nicht, vor allem die schönen Trennwände, über die man so schön schauen konnte, aber ob ich mich freue? Ich schüttele leicht meinen Kopf. “Ich würde lieber bei dir bleiben…” “Das würde ich auch schöner finden…” Lieb lächelnd beuge ich mich leicht vor, passe dabei auf den Schaltknüppel auf, schlechte Erfahrungen. Drücke dir einen kleinen Kuss auf deine Wange. “Ich kann doch einfach noch mit zu dir…” Erwartungsvoll schaue ich dich an. Leicht entsetzt blickst du zu mir herüber. “Das geht doch nicht…” “Warum denn nicht?” “Deine Eltern warten doch auf dich… und außerdem musst du zum Arzt.” “Da kannst du auch mit mir hin…” “Kyo…” “Kao? Die Ampel steht seit 30 Sekunden auf grün…” Kopfschütteln wendest du dich wieder der Straße zu, lässt das Auto langsam losrollen. “Außerdem hab ich gar nicht zu Hause angerufen. Die vermissen mich also nicht.” “Ich weiß nicht…” “Na dann nicht…” Enttäuscht verschränke ich meine Arme vor meiner Brust, lasse meinen Blick erneut aus dem Fenster und über die Landschaft schweifen. Endlich erkenne ich auch, wo ich bin. Noch höchstens 15 Minuten bis nach Hause. Zu mir nach Hause. Ich spüre, wie sich langsam Tränen in meine Augen sammeln. “Meinst du, dass das nicht komisch kommt, wenn ich mit dir beim Arzt auftauche?” Kurz schaust du zu mir herüber, bevor du dich wieder auf die Straße konzentrierst. “Das hat die gar nicht zu interessieren.” Du seufzt leise, als du in Richtungen des Krankenhauses abbiegst. Glücklich lächelnd lehne ich mich zurück, schaue fröhlich zu dir herüber. “Und nachher komm ich noch mit zu dir?” “Dann können wir noch mal deinen Mathestoff durchgehen.” Entsetzt sehe ich dich an. “Wieso drohst du mir immer mit Mathe, wenn ich bei dir sein will…” “Warum verliebst du dich in einen Mathelehrer?” “Wer kommt auch auf die bescheuerte Idee, Mathe zu studieren?” “Hätte ich was anderes studiert, wäre ich nicht an deiner Schule…” “Und dann würde ich dich nicht kennen…” “Und du würdest nicht neben mir sitzen..” “Und…” Deine weichen Lippen liegen auf meinen. Doch schnell drücke ich dich von mir weg. “Du fährst Auto, das weißt du, oder?” Einer deine Augenbrauen wandert in die Höhe, bevor du zu lachen beginnst. Deinen Finger gegen meine Stirn tippst. “Wir haben eben geparkt. Egal. Wir finden jetzt heraus, was mit deinem Fuß ist.” Und wenige Sekunden später, schleppst du mich auch schon in das Krankenhaus. Wie lange hatten wir gewartet, bis die feinen Herren in weiß, sich endlich dazu bequemten uns in ein Zimmer zu verfrachten und sich meinen Fuß zu besehen? Zwei Stunden? Drei? Okay… es war nur eine halbe Stunde, aber trotzdem. Grummelnd sitze ich nun wieder in deinem Auto mit einer kleinen Tube mit einem kühlenden Gel drin. Ein Hämatom zwischen meinem Knöchel und dem dort entlanglaufenden Nerven. Wie hab ich das nur wieder geschafft. Na toll. Aber immerhin ist der in ein paar Tagen abgeklungen und dann kann ich auch wieder laufen. Juhu. Wieder Sportunterricht. Und dann musstest du ja noch unbedingt, wie du sagtest, einen kleinen Einkauf erledigen. Ohne auf meine Antwort zu warten, hattest du mich eine halbe Stunde lang auf dem Parkplatz des Supermarktes allein gelassen. So viel zum kleinen Einkauf. Drei umweltschädliche Plastiktüten hast du auf die Rückbank deines Autos gestellt. Was du wohl Tolles gekauft hast...? “Kyo? Träumst du schon wieder? Oder willst du im Auto schlafen?” “Hmm…?” “Wir sind da.” Echt? Sofort schaue ich mich um und bemerke, meiner schnellen Wahrnehmung sei Dank, dass wir in einer kleinen Einfahrt stehen. Neben uns ein kleiner Vorgarten, noch nicht einmal eingezäunt und keine einzige Blume ziert die leere Rasenfläche. Ich öffne die Autotür und warte, bis du mir hilfst. Okay. Bis zur Haustür würde ich es auch schaffen, aber der Gedanke, deinen Arm wieder um meine Hüfe zu spüren… warum nicht? Hilflos strecke ich meine Arme nach dir aus und lächelnd folgst du meiner Aufforderung. Doch anstatt deinen Arm um mich zu spüren, hebst du mich ganz zu dir hoch, drückst mich an deine Brust, schreitest mit mir zum Eingang, bleibst davor stehen und senkst deine Lippen auf meine. “Wenn wir heiraten, dann will ich dich genauso in einem schönen weißen Dress herein tragen.” “Musst du dann auch so schön elegant nach dem Schlüssel kramen?” Kichernd lege ich meinen Arm um dich, um mir selbst etwas Halt zu geben, während du in deinen Hosentaschen nach deinem Haustürschlüssel wühlst. “Das geht noch viel eleganter.” Grinsend setz du mich auf den Boden ab und mein überraschster Blick wandert zu dir. Siegessicher hältst du das silberne Metal in die Höhe, versenkst es im Schloss der Tür. “Hey… mein schöner weißer Anzug.” Schmollend sehe ich weiter zu dir hoch, beobachte wie sich die Tür, leicht quietschend öffnet und den Blick in den Flur freigibt. Lächelnd beugst du dich wieder zu mir, drückst mir einen sanften Kuss auf meine Stirn. “Schatz, wenn, dann trägst du ein schönes, weißes Kleid.” “Ich glaube, die Hochzeit fällt aus.” “Zu spät. Jetzt habe ich dich gerade über die Türschwelle getragen. Jetzt bist du auf immer und ewig meins.” “Weil ich in dein Haus gegangen bin?” “Eigentlich ist das ja ein verwunschenes Schloss.” “Echt? Wo ist der Prinz?” “Der trägt dich…” “So? Oh edler Thronfolger, wo ist deine Gemahlin?” “Auf meinem Arm… meine kleine Prinzessin.” “Such dir ne Frau… die kannst du so nennen und in Kleidchen stecken…” Schmollend liegen meine Arme immer noch um deinen Hals, als du mich auf die Couch in deinem Zimmer absetzt und ich denke gar nicht daran, dich los zu lassen, ziehe dich näher an mich, lege meine Lippen auf deine. “Hmm.. Gar nicht mehr beleidigt?” “Doch, jetzt wo du so fragst.” Gespielt schmollend drehe ich meinen Kopf von dir weg, spüre deine weichen Lippen für einen kurzen Moment auf meiner Wange. “Dann werde ich das wohl wieder gut machen müssen. Nicht weglaufen.” Lachend verlässt du das Zimmer und ich bleibe allein auf deinem Sofa zurück. Ich sehe mich in deinem Wohnzimmer um. Die Möbel scheinen älter zu sein. Hattest du nicht gesagt, du arbeitest erst seit ein paar Wochen? Wie kannst du dir das alles leisten? “Du kannst fernsehen, wenn du magst.” Deine Stimme hallt aus einem der Nebenzimmer zu mir. Was besseres habe ich gerade eh nicht zu tun und so beginne ich nach der Fernbedienung zu suchen. Hmm.. Sie liegt nicht auf dem Fernseher. Dich scheinen wirklich keine Frauen zu besuchen, zumindest in letzter Zeit. Auf dem Tisch liegt ein Haufen Papierkram, angefangene Süßigkeiten Verpackungen, Rechnungen, eine Blumenvase ohne Blume aber nicht das, was ich suche. “Kao? Wo ist die Fernbedienung?” “Oh… hab ich ganz vergessen.” Schief lächelnd stehst du im Türrahmen, gehst langsam auf den Fernseher zu und drückst auf den Knöpfen herum. “Ein Freund von mir hat sich auf die gesetzt. Jetzt hab ich keine mehr. Also was willst du schauen, dann stell ich dir das hier ein.” Meine Augenbraue wandert in die Höhe. Ein Freund hat sich draufgesetzt oder doch eher du? Ein amüsiertes Lächeln schleicht sich auf meine Lippen, als ich mir die Szene bildlich vorstelle. Schaue aber schnell wieder zu dir. “Hmm… Vielleicht Musik oder so was?” “Okay…” Nach endlosem Suchen, hast du auch endlich einen Musikkanal mit halbwegs ertragbarer Musik gefunden, lässt mich wieder allein. Mehr gelangweilt schaue ich mir das Video zu dem Musikstück an. Düster und schwarz, wie jedes zweite Video. Und dann ist das auch schon vorbei und die ersten Töne eines neuen Songs werden angespielt… “Kao! Ich mag das Lied nicht…” Sofort kommst du auch schon angerannt, schaltest vorne am Fernseher wieder um. “Was willst du denn dann?” “Weiß ich nicht… Ich sag dann irgendwann stopp….. STOPP!” Digimon. Mein Lieblingsanime aus Kindertagen. Jetzt mag ich den zwar nicht mehr so, aber besser als die schlechte Musik und die langweiligen Spielfilme. Lachend schüttelst du den Kopf. “So was kannst auch nur du mögen.” Schon hast du mich wieder allein gelassen. Ich verfolge gespannt, na ja… mehr oder weniger gespannt, denn die Folge habe ich mindestens schon fünf mal gesehen., die Geschehnisse im TV. “Kao? Werbung!” Seufzend kommst du schon wieder zu mir zurück, stellst das Fernsehprogramm nach meinen Wünschen um und verschwindest auch gleich wieder. “Kao…” Mit einem Besen in der Hand kommst du auf mich zugestürmt, ängstlich schließe ich meine Augen, drücke eines der Kissen, das auf deiner Couch gelegen hatte, an mich. “Hier!” Schüchtern öffne ich die Augen. Du schaust mich lieb an, während du mir den Besen entgegen streckst. “Damit du selbst umschalten kannst.” Noch immer irritiert starre ich das Haushaltsgerät in meinen Händen an, lasse meinen Blick zurück zu dir wandern, nur um festzustellen, dass du schon wieder verschwunden bist. Leise seufzend versuche ich den Knopf am Fernseher zu treffen und das ist gar nicht so einfach. Und dann ist da auch noch diese blöde Vase im weg. Ein lautes Scheppern. War im weg. “Kao….!” Nachdem du die Scherben aufgeräumt hattest, hast du mir eine DvD meiner Wahl eingelegt und mir den Besen wieder weggenommen. Seit dem starre ich seit gut einer halben Stunde auf den flimmernden Bildschirm. Immer wieder bist du kurz durch den Raum gewuselt, hast in deinen Schränken nach irgendwas gesucht und dich dann wieder raus geschlichen. Irgendwann habe ich aufgegeben, heraus zu finden, was du da mysteriöses durch dein Haus transportierst. Jetzt schaue ich wieder gelangweilt auf die Schauspieler, die fröhlich vor sich her hüpfen. Ob die was geraucht haben? Wenn ich aufgepasst hätte, dann wüsste ich das. Was soll’s. Und nach weiteren endlosen Minuten, lässt du dich neben mich fallen, legst deine Arme um meinen Körper. “Ich bin fertig.” Strahlend und etwas stolz auf dich selbst, schaust du zu mir hinunter. Ziehst mich noch näher zu dir. “Womit denn?” “Ich werde es dir zeigen oder magst du den Film zu Ende schauen?” “Bloß nicht.” “So langweilig? Dabei hast du den dir selbst ausgesucht.” “Da wusste ich auch noch nicht, dass der so mies ist.” “Da hat aber jemand Ansprüche. Ich glaube ich überleg mir das noch mal mit der Überraschung. Nicht, dass ich dir nicht gerecht werde.” “Ich bin sicher, dass es ganz toll ist. Zeigst du es mir?” Du nickst, ziehst mich vorsichtig hoch und schiebst deine Arme erneut unter meinen Körper. Trägst mich aus deinem Wohnzimmer fort. “Du musst mich nicht die ganze Zeit tragen.” “Willst du die Treppe runterhumpeln?” Überrascht schaue ich auf die Stufen, die vor uns liegen und in nach unten führen. “Wir gehen in den Keller? Was willst du denn da?” “Siehst du gleich.” Du drückst mich näher an dich, beginnst langsam die Stufen hinab zu steigen, ängstlich klammere ich mich an dich. Die Treppe sah ganz schön steil aus. Doch schon nach wenigen Sekunden, spüre ich, dass wir wieder sicheren, ebenen Boden unter den Füßen haben. “Du kannst ruhig hinschauen.” Kurz schaue ich zu dir hoch, ehe ich mich von deinem lächelnden Gesicht abwende, meinen Blick durch den Keller schaue. Gedämmtes Licht erfüllt den Raum, lässt ihn warm wirken. Inmitten von Kerzen und Rosenblättern, die auf dem Steinboden verteilt sind, steht ein leicht blubbernder Whirlpool, in dem ebenfalls einige kleine Rosenblüten schwimmen. Neben dem kleinen Becken, stehen zwei dampfende Schüsseln und Obst. Es sieht schön aus und das alles nur für mich. Ich schaue zu dir hoch. “Du hast einen Whirlpool? Toll!” “Sieht so aus. Hast du den Rest auch gesehen?” “Hab ich. Ich hab mir immer gewünscht, dass das mal jemand für mich macht. Danke. Es ist wunderschön hier.” “Schön, dass es dir gefällt. Na? Was ist, wollen wir bisschen planschen?” Grinsend gehst du auf das Wasser zu. Ich senke meinen Blick. “Aber… ich weiß nicht… ist den heißes Wasser so gut für meinen Fuß?” Gute Ausrede. “So schlimm ist das ja nicht. Und wenn du ihn danach wieder kühlst und die Salbe draufschmierst, dann wird das auch schon gehen.” Lächelnd setzt du mich auf eine kleine Holzbank, die der Nähe des Pooles steht ab. Sofort entdecke ich die rote Rose, die neben mir liegt. Schüchtern sehe ich dich an, will mich bedanken, doch als ich sehe, wie du dich langsam deiner Sachen entledigst, schaue ich schnell wieder weg und schweige. Dennoch nehme ich die Blume an mich, drehe sie vorsichtig in meinen Fingern. “Alles okay mit dir?” Ich zucke leicht zusammen, als ich deine Stimme höre. Nicke nur schnell und lege die Rose bei Seite, beginne mehr als langsam, mir mein Oberteil über den Kopf zu ziehen und ich schäme mich. Ich spüre deine Hand, wie sie über meine Haare streicht. “Das muss dir nicht peinlich sein. Wenn es dir lieber ist, dann hole ich dir eine Badehose oder wir lassen das ganz. Ich will nicht, dass du dich unwohl fühlst.” Kapitel 9: ----------- “Danke. Eine Badehose wäre nett.” “Ist es okay, wenn ich dir eine von mir gebe oder soll ich deinen Koffer herschleppen?” “Ist okay. Ich hab gar keine in meinem Koffer.” Lächelnd sehe ich dir nach, bin dir für dein Verständnis dankbar. Und nun freue ich mich auch, auf das heiße, blubbernde Wasser und auf dich. Noch immer schüchtern, beginne ich mich, bis auf meine Boxer, auszuziehen. “Ich wusste doch, dass mir gestern was entgangen ist, als die kleine Holzbank in der Duschkabine kaputt gegangen ist.” Lächelnd trittst du näher an mich heran, drückst mir den schwarzen, mitgebrachten Stoff in meine Hände, wendest dich ab und legst die ebenfalls mitgebrachten Handtücher bei Seite. Ratlos starre ich auf die Badehose in meinen Händen. “Soll ich noch mal hochgehen, damit du dich umziehen kannst?” Schnell schüttele ich den Kopf. Ist schon peinlich genug, wie ich mich benehme. Ich hab dich eben schon so herumgescheucht. Jetzt sollst du nicht schon wieder gehen müssen. “Aber kannst du dich vielleicht trotzdem umdrehen?” Ein leichter Rotschimmer tritt auf meine Wangen, als du dich leise lachend umdrehst. “Sag Bescheid, wenn ich wieder schauen darf.” So schnell, wie möglich versuche ich meine Kleidung zu wechseln, vertraue dir aber, dass du dich nicht einfach umdrehen wirst. Und wenn schon, Wäre das so schlimm…? “Okay…” Strahlend drehst du dich zu mir, nimmst meine Hand und führst mich vorsichtig zu dem heißen Wasser. Langsam sinken unserer beide müden Glieder in das dampfende Nass. Genüsslich schließe ich die Augen, lehne mich an die Holzwand des Whirlpools. Erst als ich den duftenden Geruch von Reis einatme, öffne ich meine Lieder wieder, nehme die Schüssel, die du mir unter dir Nase hältst an mich und beginne zu essen. Portion für Portion wandert in meine Mundhöhle, genieße den Geschmack auf meiner Zunge, ehe ich mich zu dir umschaue. “Hast du das gekocht?” “Nee… Meine persönliche Hausfrau. Natürlich ich.” Grinsend streichst du mir über meinen Schopf, drückst mir einen sanften Kuss auf den Scheitel. “Hast du mir wohl nicht zugetraut, nicht?” “hmm… Um ehrlich zu sein… nein.” Leise lache ich auf, als ich deinen beleidigten Blick sehe und du dich gespielt schmollend wegdrehst. Viel zu schnell schiebe ich mir die letzen Stückchen Gemüse in meinen Mund, schaue sehnsüchtig in die leere Schüssel. Dass du so gut kochen kannst, hab ich dir wirklich nicht zugetraut. Lächelnd schaue ich zu dir hoch, bemerke, dass du deinen Blick noch immer abgewendet hast. Grinsend schaue ich auf die Stäbchen in meinen Händen, die sich auch gleich mit sanften Druck in deine Seite bohren. “Kao… Ich bin fertig.” Leise quiekst du auf, schaust mich verständnislos an, als du mir die Stäbchen aus meinen Finger reißt, leicht über deine Seite reibst. “Ich hätte dich auch so gehört.” Grummelnd legst du meine Schüssel und meine Stäbchen, die du mir eben geklaut hattest aus den Händen. “Tut mir Leid.” Vorsichtig lasse ich meine Finger über deine Seite gleiten, lehne mich an deine Schulter und schließe meine Augen. Die Wasserperlen, die an die kleben, kitzeln meine Haut und der aufsteigende Wasserdampf lässt meine Wangen erröten. Ich spüre, wie du dich leicht neben mir bewegst, mich vorsichtig wegdrückst. Irritiert schaue ich auf, verstehe nicht, warum du mich von dir schiebst. Bist du jetzt sauer auf mich? Noch bevor diese Frage meine Lippen verlässt, spüre ich deine weichen Fingerkuppen, die auf ihnen liegen, mich sanft zum Schweigen bringen. Du lässt deine Finger über meine warme Wange gleiten, streichst mir vorsichtig einige Strähnen aus meinem Gesicht. Deine Lippen berühren für einen kurzen Moment meine Stirn, ehe du dich wieder abwendest, hinter dich auf die kleine Ablage, die zum Whirlpool gehört greifst. Neugierig schaue ich dir nach, lehne mich leicht nach vorne, um an dir vorbei lugen zu können. “Du willst doch wohl nicht etwa spannen?” Schmollend lehne ich mich zurück, schaue dich unschuldig an und ein leichtes Lächeln umspielt meine Lippen. “Was hast du denn da?” “Verrate ich nicht.” Grinsend näherst du dich meinem Gesicht, meinen Lippen. Genüsslich schließe ich meine Lieder, erwarte deinen warmen, zärtlichen Kuss, den du mir verwehrst. Dein leises Atmen dringt an mein Ohr, hauchst mir flüsternde Worte zu. “Schön die Augen zulassen.” Ein leichtes Kribbeln durchfährt meinen Körper, als ich deine tiefe Stimme höre und endlich schenkst du mir den Kuss, den du mir noch schuldest. Wärme breitet sich auf meinen Lippen aus, lässt mein Gesicht noch einen Ton dunkler werden, ehe du dich von mir löst und ein Kältegefühl zurücklässt. Leise seufzend lehne ich mich zurück, lasse meine Augen geschlossen und lausche den leisen Geräuschen des sprudelnden Wassers. Immer wieder landen kleine heiße Wassertropfen, die aus dem Becken hoch spritzen in meinem Gesicht, verursachen ein sanftes Prickeln auf meiner Wange. Kleine Wellen, die gegen meine Oberkörper prallen, verraten mir, dass du dich mir wieder zuwendest. Gespannt drehe ich mich etwas in deine Richtung, lasse ein zufriedenes Lächeln auf meinen Gesicht erscheinen. Vorsichtig öffne ich meine Augen, als auch schon deine mahnende Stimme an mich gerichtet wird. “Wolltest du etwa schon wieder heimlich schauen?” Ich spüre deinen heißen Atem an meiner Wange, deine Finger streichen langsam, sanft über meine Schläfe. “Das solltest du doch nicht.” Fest presse ich meine Augenlieder aufeinander, lausche deinen Worten, folge ihnen. “Oder muss ich deine Augen erst verbinden, damit du nicht mehr spannst?” Leicht schüttele ich meinen Kopf. “Warum darf ich denn nicht schauen?” Erneut legst du deinen Finger auf meine Lippen, erstickst meine Worte. Deine warmen Fingerkuppen, wandern über das Metal, in meinen Lippen, über mein Kinn. Leicht hebst du meinen Kopf an. Deine Finger vergraben sich in meinem Haar, ziehst mich zu dir. Deine Zunge dringt zaghaft in meine Mundhöhle ein, streichelst mich, dominierst mich. Stumm forderst du mich auf, dir zu folgen. Schüchtern bewege ich meine Zunge deiner entgegen. Drücke meinen heißen Körper an deinen. Deine Hand wandert von meinem Kopf über meinen Rücken, streicht sanft über meine Wirbelsäule, ehe du deinen Arm um meine Hüfte schlingst. Vorsichtig ziehst du mich auf deinen Schoß, passt auf meinen verletzten Knöchel auf. Sofort lehne ich mir dir entgegen, spüre deinen Herzschlag in deiner Brust. Vorsichtig löse ich unseren Kuss, um nach Luft schnappen zu können, spüre mein Herz, das schnell gegen meinen Brustkorb schlägt. Zufrieden öffne ich meine Augen, schaue in deine. Lächelnd drücke ich dir einen weiteren kleinen Kuss auf deine Lippen. Lege meinen Kopf an deine Brust, genieße deine Nähe. “Du hast schon wieder geschaut.” Dein leises Lachen dringt an mein Ohr, begleitet von deiner Hand, die leicht über mein Haar streicht. Neugierig hebe ich meinen Kopf, schaue zu dir auf. “Ich dachte, dass ich sie wieder aufmachen darf…” Lächelnd setze ich meine Lippen an deine Kehle, hauche dir kleine Küsse auf deinen Hals, lasse meine Hände an deiner Brust liegen, streichele dich sanft, lasse sie über deine Brustwarzen streichen. Dein leises Aufkeuchen dringt an mein Ohr, löst ein leichtes, deutlich spürbares Kribbeln in mir aus. Genüsslich schließe ich meine Augen, nehme nur noch dich wahr, deine Laute, deinen Körper, deine Wärme, die du mir schenkst. Vorsichtig löse ich mich von dir, streiche dennoch behutsam über deine weiche Haut deiner Brust. Umkreise die empfindliche Stelle, die dir sinnliche Laute entlockt. Deine Finger lösen sich von mir. Sehnsüchtig suche ich nach dem Gefühl deiner weichen Fingerkuppen auf meiner Haut. Vergebens. Bis sie sich um meine Hände klammern. Sanft drückst du meine Hände hinter meinen Rücken, hältst sie dort mit einer Hand fest. Irritiert öffne ich meine Augen, sehe dich fragend an. Mein Blick trifft auf deinen. Grinsend siehst du zu mir herunter, setzt eilig einen Kuss auf meine Lippen. “So hab ich das aber nicht geplant.” “Du hast das geplant?” “Naja… sonst hätte ich die ja nicht hier.” Grinsend lässt du mich los, greifst hinter dich und präsentierst mir eine Schüssel mit süßen Früchten in ihrem Inneren. “Erdbeeren!” Strahlend sehe ich dich an, starre dann wieder die roten Beeren* an, über die ich sofort herfallen könnte, doch noch bevor meine Finger die raue Haut der Roten erreichen, hebst du die Schüssel in die Höhe, schaust mich grinsend an. Schmollend ziehe ich meine Hände zurück, schaue dich verständnislos an. “Ich mag Erdbeeren haben.” Du setzt deine Hand auf meinen Kopf ab, streichelst leicht über mein Haar. “Du bist wie ein kleines Kind.” “Gar nicht…” Schmollend verschränke ich die Arme vor meiner Brust, schaue weg und beobachte das rauschende Wasser und die kleinen Luftblasen, die aufsteigen und an der Wasseroberfläche platzen. “Hey… nicht sauer sein.” Ich spüre, wie sich deine Finger unter mein Kinn legen, mein Gesicht sanft zu dir drehen. “Ich will doch nur das beste für dich. Und mit Schokosoße schmecken die noch viel besser.” Deine Finger sinken von meiner Haut, halten mir nun eine der süßen Früchte im braunen Schokoladenmantel vor die Nase. Der süßliche Duft der Frucht steigt mir in die Nase, vermischt mit herbem Kakaogeruch. Langsam lässt du sie tiefer gleiten, bis ich die warme Soße auf meinen Lippen spüre, den zarten Geschmack erahnen kann. Leicht öffne ich meinen Mund, sauge genüsslich an der weichen Schokolade, lasse sie auf meinen Gaumen schmelzen, ehe ich meine Zähne in der roten Beere versenke, von ihr koste. Der süßliche Geschmack breitet sich auf meiner Zunge aus. Erfüllt meinen Mundraum mit dem süßen Aroma. Schmeckt nach mehr. Sehnsüchtig schaue ich auf die andere Hälfet der roten Frucht in deinen Fingern. Bewege mich dir entgegen, deinen Fingern, der Beere. Meine roten Lippen saugen für einen Moment an ihr, nehmen den dunklen Schokomantel von ihr, ehe ich sie mit meinen Lippen umschließe, sie einfange. Leicht drückst du sie mir entgegen. Und dann verliere ich den süßen Geschmack, spüre einen sanften Druck auf meiner Brust. Beschämt schaue ich auf die halbe Erdbeere, die nun ihre Bahnen in dem heißen Wasser zieht, um uns herumkreist. Wieso muss mir so was immer passieren? Seufzend will ich die Schokolade von meiner Brust wischen, als du meine Hände auch schon einfängst. Die Schüssel hast du wieder bei Seite gestellt und nun schaust du in meine Augen, während du mein Handgelenk fest umklammerst. Ohne deine Augen von mir zu lösen, kommst du mir näher, schließt deine warmen Lippen um meine Finger und saugst vorsichtig an ihnen. Deine warme Zunge umspielt meine Fingerkuppe, lechzt nach den letzen Tropfen der süßen Schokolade. Mein Blick liegt auf deinen Lippen, wie sie sich langsam bewegen, bis du von mir ablässt, meine Hand in das angenehm warme Wasser sinken lässt. Noch immer überrascht starre ich weiter auf deine Lippen, die sich meinem Körper nähern. Deine Arme liegen locker um meinen Hals, vorsichtig ziehst du mich zu dir, leckst über meine Lippen schenkst mir das leicht herbe Aroma des Kakaos. Genüsslich lecke ich über meine eigenen um den noch so kleinsten Anteil des schwindenden Geschmacks zu behalten. Für einen Moment berühren sich unsere Zungen, scheinen für diesen Augenblick eins zu werden. Das Kribbeln in meinem Bauch, das erneut einsetzt, intensiver als zuvor, ehe du den Kontakt viel zu schnell wieder unterbindest, meine Haut liebevoll berührst. Unzählige Küsse finden ihren Weg auf meine Wange, meine Schläfe und meine Stirn. Deine Finger liegen noch immer in meinem Nacken, zärtlich kraulst du mich, während du mich näher zu dir ziehst. Deine Zunge wandert über meine Ohrmuschel, begleitet von heiser geflüsterten Worten, die ich nicht verstehe und mir dennoch eine Gänsehaut auf meinen Körper treibt. Deine warme Nasenspitze berührt meine rötliche Wange, als du deine Lippen über meinen Hals und meine Kehle wandern lässt, sie zu meinem Kinn führst. Leicht saugst du an meiner Haut, entlockst mir ein zufriedenes Seufzen, das mir selbst völlig fremd ist. Und dennoch genieße ich den Moment viel zu sehr, als dass ich mir darüber Gedanken machen könnte. Wie von selbst legt sich mein Kopf in meinen Nacken, um die mehr Spielraum für deine Liebkosungen zu gewähren. Deine Finger wandern in mein Haar, streicheln sanft meinen Kopf, wie deine Lippen, die über die Halsschlagader streichen, ihr folgen. Ich genieße die Wärme, auf meinem Schlüsselbein, als du die Stelle endlich erreichst, sanft in meine Haut beißt. Angenehme leichte Schmerzen ziehen sich über meinen Oberkörper, als ich deine Zähne spüre, die sanft über meine Brust fahren. Erneut spüre ich die Feuchte deiner Zunge auf mir. Genüsslich leckst du über meine Brust, saugst zufrieden an der Knospe. Ein wohliges Seufzen entspringt meiner Kehle, als sich deine Lippen um meine verhärtete Warze schließen. Immer wieder fährt deine Zunge über die eine empfindliche Stelle, ehe du von mir ablässt, lasziv über deine Lippen leckst und die letzen Schokoladentropfen in dir aufnimmst. Völlig außer Atem sehe ich dich an, erkenne, wie du mich fest an dich drückst. Deinen Körper an meinen. Und erneut das starke Kribbeln in meinem Unterleib und ein ziehender, unbekannter Schmerz. Leicht reibst du dich an mich, schaust mich verführerisch an. Mein Herz schlägt schneller gegen meine Brust, viel zu schnell. Erneuter Schmerz, angenehm und fremd. Viel zu gut schmeckt das Aroma der herben Schokolade auf meiner Zunge und noch viel besser von deiner weichen Haut. Ein letztes Mal lecke ich über meine Lippen, nehme die letzen Reste der Schokolade in mir auf. Ich ziehe dich in meine Arme, streiche über deinen Körper, deine warme Haut. Spüre, wie schnell dein Herz gegen deinen Brustkorb schlägt. Grinsend sehe ich dich an, streiche dir die Haarsträhnen, die immer wieder ihren Weg in dein Gesicht finden, zur Seite. Lächelnd verteile ich Küsse über deine Wangen, deinen Hals, lasse meine Hand unauffällig deine Brust entlang wandern, streiche über die leicht fühlbaren Bauchmuskeln unter meinen Fingerkuppen. Erkunde deine Haut, streiche entlang deiner Seite, lasse meine Finger zu deinem Becken gleiten. Spüre deine harten Knochen, bedeckt von dem Badestoff. Meine Zunge umspielt deine Piercings, bevor ich vorsichtig hineinbeiße, sie neckend zu mir ziehe. Dir weitere kleiner Küsse auf deine vollen Lippen setze, während meine Finger beginnen mit deinem Hosenbund zu spielen, sich zwischen dich und den Stoff schieben. Ohne den störenden Stoff, streiche ich erneut über deinen Beckenknochen. Entlocke dir endlich ein unterdrücktes Seufzen, das du mir gegen meine Lippen hauchst. Grinsend schiebe ich meine Hände tiefer, um dir weitere Laute zu entlocken, spüre das aufkommende Kribbeln, das sich durch meinen Unterleib zieht. Leicht löst du dich von mir, siehst mich kurz an, ehe du deinen Blick nach unten richtest, meine Hand einfängst und sie zu dir ziehst. Immer noch schaust du mich nicht an. Bin ich zu weit gegangen? Leicht senke ich meinen Kopf, will dich ansehen, doch du weichst mir aus, drehst deinen Kopf weg und erst jetzt erkenne ich den dunklen Ton auf deinen Wangen. Vorsichtig schiebe ich meine Hand unter dein Kinn, drehe dein Gesicht in meine Richtung, lächele dich an. “Alles klar?” Schnell nickst du, schiebst meine Finger von deinem Kinn und drehst dich erneut weg. Drückst deine Handflächen leicht gegen meine Brust und schiebst deinen nassen Körper von mir. Irritiert und auch enttäuscht spüre ich, wie du langsam von meinem Schoß rutscht und bis zur Nase tiefer in das heiße Nass sinkst. Schüchtern sehen mich deine dunkelbraunen Augen an. Ich rutsche etwas nach vorne, näher zu dir, sehe in deine schwarzen Pupillen, die mich fragend ansehen. “Versteckst du dich vor mir?” Schnell schüttelst du deinen Kopf und kleine Wassertropfen fliegen in mein Gesicht. “Hey!” Lachend streiche ich über deinen blonden Schopf, um deinen Kopf wieder zum Stillstand zu bringen. “Warum läufst du dann weg?” Zwischen einzelnen Blubberblasen kann man deine Worte erahnen, die mir sagen, dass du nicht wegläufst. “Wegschwimmst?” Schulterzuckend drehst du dich weg, paddelst ein bisschen mit deinen Armen, entfernst dich weiter von mir. Mehr als verwirrt sehe ich dir nach, ehe sich ein Grinsen auf meine Lippen schleicht. Mit einem kleinen Satz in dem winzigen Pool bin ich auch schon hinter dir, lege meine Arme um deinen dünnen Körper. “Ich will aber gar nicht, dass du gehst.” Schnell ziehe ich dich wieder zu mir, halte dich fest, dass du auch ja nicht wieder auf die Idee kommst abzuhauen. Ich lasse mich auf meinen ursprünglichen Platz fallen und drücke deinen Körper nahe an mich, lege meine Arme um dich und beginne sanft kleine Kreise auf deine Brust zu malen. Ich sehe, wie du deine Augen schließt, leise zufriedene Laute von dir gibst. Scheint, als hätte ich dich überzeugt. Zufrieden beobachte ich, wie sich dein Brustkorb leicht hebt und senkt, du entspannt ein und aus atmest und immer tiefer in das heiße Wasser rutscht. Lächelnd streiche ich über deinen Schopf, spiele mit deinen blonden Haarsträhnen, die ich immer wieder um meine Finger wickele. Ich spüre, wie du kurz zusammen zuckst, als ich das warme Wasser über deinen blonden Schopf gieße, entspannst dich aber sofort wieder in meinen Armen. Dennoch drehst du dich fragend zu mir um. Mit leichtem Druck, drehe ich deinen Kopf wieder nach vorne, lege meine Handflächen kurz über deine Augen, will dir sagen, dass du sie schließen sollt. Sanft spüre ich deine Wimpern, die über die Haut meiner Handfläche gleiten. “Lass sie diesmal wirklich zu.” Meine sanfte Stimme wendet sich an dich und vorsichtig nehme ich meine Hände von deinem Gesicht, beuge mich etwas vor um zu sehen, ob du meinen Worten folgst. Deine Augen sind noch immer verschlossen und ein sanftes Lächeln liegt auf deinen Lippen. Glücklich fahre ich fort, benetze deine hellblonden Haarsträhnen immer weiter mit dem heißen Wasser, bis sie tropfend herunterhängen. Langsam greife ich hinter mich, suche nach dem Shampoo, das ich vorhin mitgebracht habe und nun auf der kleinen Ablagebank hinter mir stehen sollte. Nach mehreren Fehlgriffen halte ich die kleine Plastikflasche endlich in der Hand, öffne sie und ein leichter Vanilleduft erfüllt den Raum um uns. Ein kleiner Teil der duftenden Flüssigkeit landet auf meiner Hand. Sanft beginne ich dir das Shampoo in deine Haare hinein zu massieren, ziehe kleine Kreise auf deinem Schopf. Genüsslich lehnst du den Kopf weiter zurück, hast deine Augen noch immer entspannt geschlossen und auch dein zufriedenes Lächeln verweilt auf deinen vollen Lippen. Hin und wieder verlassen dich schnurrartige Geräusche, die mich schmunzeln lassen. Wusste ich doch, dass dir das gefallen wird. Immer wieder fahren meine Finger durch dein Haar, streichen den sich dort befindenden Schaum hin und her. Im gesamten Raum ist der leichte Vanillegeruch zu vernehmen. Für einen Moment schließe auch ich meine Augen, sauge den Duft förmlich in mich auf, genieße deine Nähe. Ich lasse von deinem Haar ab und meine Finger wandern nach vorne, malen dir ein kleines Herz aus Schaum auf deine Brust. Nicht wirklich als Herz zu identifizieren, aber du weißt, was ich dir sagen will. Dein glücklicher Blick und dein Lächeln verraten es. Du lehnst deinen Kopf weiter nach hinten, spüre deine nassen, schaumigen Haarsträhnen an meinem Bauch, während ich in deine strahlenden Augen sehe. Ich beuge mich etwas vor, spüre deinen leichten Atem auf meinen Lippen, die ich dann mit deinen versiegele. Dich sanft küsse. Kurz erwiderst du unseren Kuss, ehe du dich wieder von mir löst, deinen Blick wieder nach vorne richtest. “Weitermachen.” Dein leises Maunzen erreicht mich, und schief lächelnd tue ich, was du sagst. “Muss ich jetzt jedes Mal deine Haare waschen, anstatt dich zu küssen?” Leicht schmollend warte ich auf eine Antwort. “Hmm… Vielleicht.” “Wirklich?” Ein fieses Grinsen schleicht sich auf mein Gesicht. Mal sehen, wie lange du das noch so willst. Kichernd lehne ich mich erneut etwas vor. “Hast du denn deine Augen wieder schön geschlossen?” Du nickst nur leicht, atmest entspannt aus. Perfekt. Ich richte mich etwas auf, massiere deinen Schopf dabei weiterhin, ehe ich dich mit einem Mal unter das Wasser drücke, dich aber sofort wieder loslasse, damit du wieder auftauchen kannst. Sofort schnellt dein Kopf in die Höhe, atmest schnell ein und schaust mich grummelnd an. “Was sollte das denn?” “Das hast du davon. So weit kommt’s noch. Haare waschen schöner als meine Küsse zu finden.” Schmollend verschränkst du deine Arme vor deiner Brust, tappst trotzdem wieder einige Schritte auf mich zu, lehnst dich an mich. “Dann wasch das jetzt wenigstens richtig raus… ohne unter Wasser drücken.” Noch immer grinsend komme ich deinem Wunsch nach, befreie deine Haarsträhnen von dem Schaum. Drücke dich wieder fest an mich, als ich fertig bin. Schließe meine Augen und genieße einfach nur deine Nähe und das sanfte Kitzeln des Wassers. “Kao?” “Hmm..?” “Der Schaum wird immer mehr.” Irritiert öffne ich meine Augen, erkenne wie sich der nach Vanille duftenden Schaum immer weiter vor uns auftürmt. Shampoo und wirbelndes Wasser vertragen sich eben nicht. Sofort schiebe ich dich etwas von mir, richte mich auf und suche nach den Einstellungsknöpfen für den Whirlpool, schalte diesen aus und nach kurzer Zeit verebbt das angenehme Blubbern. Die einzelnen kleinen Seifenbläschen bedecken mittlerweile auch den Kellerboden. Seufzend erhebe ich mich. Na das war’s dann wohl mit unserem Bad. Dennoch lächelnd halte ich dir meine Hand hin, ziehe dich hoch und helfe dir aus dem kleinen Pool. “Und jetzt?” Fragend siehst du mich an, lächelst dabei schüchtern. “Schaumparty?” Grinsend greife ich nach der weißen weichen Masse, puste sie dir ins Gesicht. “Hey!” Leise lachend drehst du dich weg, versteckst dein Gesicht hinter deinen Händen. Und noch ehe du wieder hinschauen kannst, lege ich eines der weichen Handtücher um dich, rubbele deinen Körper sanft trocken, greife erneut hinter mich und lege meinen Bademantel um deine Schultern. Schnell schiebst du deine Hände in die Ärmel und bindest den Satinmantel zu. Beeile mich, mich selbst abzutrocknen ab, ehe ich wieder auf dich zugehe, meine Arme um dich lege und dich zu mir hebe. Lächelnd trägst du mich die Treppe aus dem Keller heraus hoch. Fest klammere ich mich an dich, lege meine Arme um deinen Hals. Langsam bewegst du dich vorwärts, trägst mich durch dein halbes Haus, bis wir endlich dein Schlafzimmer erreichen. Kichernd setz du mich auf deinem riesigen Bett ab, streichst mir durch mein noch immer nasses Haar, ehe du mir einen kleinen Kuss auf meine Lippen hauchst. Einige Schritte gehst du zurück, bevor du stehen bleibst, mich musterst und dir über die Lippen leckst. Erneut kommst du auf mich zu, ziehst deinen Bademantel, den du mir geliehen hast und nun halb über meiner Schulter häng, zurück an seinen Platz. Streichst dennoch sanft über die Schnur, die den Mantel zusammenhält. Grinst mich dabei an. “Wenn du dich mir weiter so präsentierst, kann ich mich nicht mehr lange zurückhalten.” Schnell fange ich deine Hand ein, umschließe sie mit meinen, schaue dich flehend an und nur ein Flüstern verlässt meine Lippen. “Kao… Lass das…” “Ich hab dich doch eben auch schon in Badehose gesehen.” Verwirrt schaust du mich an. “Kao… Ich hab aber keine Badehose…” Leise nuschelnd richte ich meine Worte an dich, schaue schnell runter. Wie peinlich. “Die hättest du doch anlassen können.” “Die war aber mit Wasser voll gesogen. Ich wollte nicht alles nass machen.” “Ist meine doch auch.” Sanft lächelnd drückst du mir einen weiteren Kuss auf meine Wange, die auch schon wieder in einem dunklen Rot strahlt. Stehst auf und beginnst in deinem Schrank zu kramen. “Soll ich dir noch ein Shirt von mir geben?” Leicht nicke ich, sehe dir zu, wie du mir nach kurzem Suchen, ein schwarzes Oberteil und eine Boxershorts präsentierst und mir diese in die Hand drückst. “Kannst dich schon mal umziehen, ich gehe mich auch umziehen und ich muss noch was holen.” “Beeil dich.” Lächelnd sehe ich dir nach, kuschele mich noch einmal in den warmen Satinmantel, ehe ich mir deine Unterwäsche anziehe und dann den Satinstoff von meinen Schultern streife und dein T-shirt über meinen Kopf ziehe. Ich lasse mich auf die weiche Matratze fallen, lege meine Arme hinter meinen Kopf und starre an die dunkle Decke. Das Licht in deinem Schlafzimmer ist gedämmt, nur eine kleine Tischlampe leuchtet in der Ecke des Raumes. Und irgendwann wird die Decke auch langweilig. Seufzend richte ich mich auf, schaue sehnsüchtig zur Tür, hoffe, dass du endlich wieder kommst. Was machst du denn schon wieder so lange? Das hätte wohl auch warten können, aber stattdessen warte ich. Grummelnd lasse ich meinen Blick weiter durch das Zimmer schweifen, bleibe an dem riesigen Fenster hängen, das den Blick nach draußen freigibt. Die leere Straße und einzelne Straßenlaternen sind zu erkennen, ansonsten verfällt die Welt in Dunkelheit. Wenn ich mir jetzt vorstelle da draußen zu sein, in einem Zelt, direkt vor einem dichten Wald. Kopfschüttelnd vertreibe ich diesen Gedanken, kuschele mich an die weiche Decke, auf der ich sitze. Eigentlich komisch, dass dein Schlafzimmer im Erdgeschoß liegt. Doch bevor ich diesem Gedanken nachgehen kann, kommst du zurück in das Zimmer, mit Shirt und kurzer Hose bekleidet, schaltest die große Lampe an, die das Zimmer mit Licht flutet. Murrend kneife ich meine Augen zusammen, lege meinen Arm über meine Lieder. Kichernd hockst du dich zu mir. “Tut mir Leid, aber wäre praktisch, wenn ich auch etwas sehe.” Irritiert sehe ich auf, entdecke die kleine Tube in deiner Hand. Und noch bevor ich protestieren kann, landet das kalte Gel auf meinem Knöchel. Sofort zucke ich zusammen, als sich die Kälte auf meinem Fuß ausbreitet, lasse mich erneut, betont gequält auf das Bett fallen. Lachend siehst du auf. “Jetzt übertreib doch nicht.” “Die ganze Welt hasst mich” “Die ganze Welt kennt dich gar nicht. Außerdem liebe ich dich ja. Das ist ein Gegenbeispiel und das reicht, um eine Vermutung zu widerlegen.” “Mathematiker…” Ich verdrehe lachend die Augen. Spüre, wie du einen Verband um meinen Fuß wickelst und dich erhebst, zur Wand tappst und das störende Licht wieder löscht und zurück zu mir kommst. Vorsichtig lässt du dich auf das Bett fallen, legst deine Arme um mich, küsst meine Wange. “So besser mein Liebling?” Schnell kuschele ich mich an dich. Nicke leicht. “Aber wenn die Decke noch über uns wäre anstatt unter uns… das wäre noch besser.” Seufzend löst du dich von mir, schiebst die Decke leicht zur Seite, hebst mich wie so oft heute schon auf deine Arme und trägst mich zur rechten Seite des Bettes, legst mich auf die weiche Matratze ab und ziehst die Decke über mich. “Alles zu deiner Zufriedenheit?” “Schon vergessen? Ich bin eine Prinzessin… Ich bin nie zufrieden.” Kichernd höre ich dein leises Seufzen. Das helle Licht der Straßenlaterne umspielt deine Silhouette, die sich langsam auf die andere Seite des Bettes bewegt. Sofort gibt die Matratze unter deinem Gewicht nach, als du dich auf sie legst und unter meine Decke schlüpfst. Erneute kuschele ich mich an dich, spüre, wie du deine Arme um mich legst, mir sanft über meinen Rücken streichst. Mein Kopf ist an deiner Brust gelehnt und ich spüre dein Kinn, das sich in meinem Haarschopf vergräbt. Zufrieden lächelnd schließe ich meine Augen, genieße deine Nähe und die Wärme, die von dir ausgeht. “Ich bin froh, dass ich hier sein kann.” “Das bin ich auch.” Ich spüre deine Finger, die zaghaft über mein Haar streichen und deine weichen Lippen, die mir sanfte Küsse auf meine Stirn hauchen. “Schlaf schön, mein Kätzchen.” “Schlafen Katzen nicht tagsüber?” Kichernd sehe ich zu dir auf. “Du bist eben was besonderes.” Lächelnd setz du deine Streicheleinheiten fort, bis ich langsam in deinen Armen einschlafe. nebenbei: XD [*Erdbeeren gehören nicht zur Gattung der Beeren, sondern zu den Nussfrüchten] Kapitel 10: ------------ Die kleinen, viel zu hellen Sonnenstrahlen, die vereinzelt durch das Glas des Fensters brechen, kitzeln sanft auf meiner Haut, welche mich allmählich aus meinem Dämmerschlaf wecken. Noch fünf Minuten… Mit diesem Gedanken drehe ich mich um, entziehe mich dem störenden Licht der Morgensonne, hin zu dir. Ich weiß, dass ich dich sehen werde, wenn ich meine Augen öffne und allein das reicht aus, um mir ein kleines Lächeln auf meine Lippen zu zaubern. Glücklich kuschele ich mich näher an meine Decke, robbe in ihr umschlungen etwas weiter auf deine Seite des Bettes zu. Wie weit weg liegst du denn? Wirklich Lust meine Augen zu öffnen habe ich dennoch nicht und so lasse ich meine Finger über die Matratze gleiten, suche deinen warmen Körper, an den ich mich lehnen kann. Immer weiter strecke ich meinen Arm aus, wandere über das weiße Laken, doch meine Suche bleibt erfolglos. Erst als ich das raue Holz deines Nachttisches unter meinen Fingerkuppen spüre, hebe ich meine Augenlider. Du bist nicht hier. Mein Körper liegt halb auf deiner Bettseite, meine Finger noch immer auf dem kleinen Holztisch. Dabei wollte ich doch neben dir aufwachen, du solltest doch das sein, was ich heute als erstes sehen würde, was ich als erstes spüren sollte und nicht diesen blöden Miniaturschrank. Übertrieben schnell und angewidert ziehe ich meine Hand zurück, ziehe dein Kissen zu mir und bette meinen Kopf auf dieses. Quer über dem Bett liegend, verweile ich so, drücke mein Gesicht in den weichen Stoff, atme deinen Duft ein, meine Augen wieder fest geschlossen. Nur entfernt nehme ich wahr, wie sich die Tür öffnet und wieder schließt. Ein leichter Druck auf der Matratze. Finger, die sanft durch mein Haar streichen. Verschlafen blicke ich zu dir auf, erkenne das leichte Lächeln, das du mir schenkst, als du dich zu mir beugst, sanft meine Lippen küsst. “Frühstück ist fertig, Süßer.” Leise hauchst du mir diese Worte in mein Ohr und schon setzt du dich wieder auf, willst dich erheben. Jetzt geh doch nicht gleich wieder. Schmollend greife ich nach deiner Hand, ziehe dich zu mir zurück, rücke selbst wieder etwas auf meine Seite, um dir Platz zu machen. Schnell legst du dich zu mir, schaust mich an, während ich mich an dich kuschele. “Mein Kaffee wird kalt.” “Ich mach’ dir neuen.” Zaghaft legst du deine Arme um mich, setzt einen kleinen Kuss auf meine Stirn. “Du kannst doch nicht so lange schlafen.” Lächelnd ziehe ich die Decke über uns, lehne meinen Kopf an deine Brust und schließe erneut meine Augen, genieße deine Wärme, die Berührung deiner Finger, die sanft über mein Haar und meinen Rücken streichen. “Noch fünf Minuten.” Aus den “fünf Minuten” sind letztendlich noch anderthalb Stunden geworden, aber da kann ich ja nichts dazu. Dein Bett ist einfach zu weich, deine Decke zu kuschelig und deine Nähe einfach nur wunderschön. Naja und dass ich dann eingeschlafen bin, tat sein Übriges . Du wolltest mich nicht wecken und von allein wach’ ich eben nicht so schnell wieder auf. Irgendwann hast du es dann doch über dich gebracht und mich sanft aus meinem Schlaf geholt. Natürlich war dein Kaffee kalt geworden. Und wie versprochen, hatte ich dir einen Neuen gemacht oder doch eher versucht. Ergebnis war dann eine kaputte Kaffeemaschine und eine Küche, die ein ganz klein wenig den Geruch von Verbranntem angenommen hatte. Woher soll ich den auch wissen, dass es ein Minimum an Wasser gibt, das eingefüllt werden muss? Ich trinke eben keinen Kaffee. Auf jeden Fall sind die kleinen Heizröhrchen jetzt schwarz und ich würde mal behaupten, dass die paar Tröpfchen Kaffee, die doch noch in deiner Tasse angekommen sind, ungenießbar sind. Ich hätte das ja auch alles wieder aufgeräumt und deinen Kaffeeautomaten auch bezahlt, wenn du mich gelassen hättest, stattdessen hast du mich einfach zu dir gezogen und mich fest an dich gedrückt, nur um zu verhindern, dass ich das Ding anfasse und noch einen Stromschlag oder so was bekomme. Oh Mann, man merkt wirklich immer wieder, dass Mathematik und Physik deine Fächer sind. Eigentlich ist das ja ganz süß von dir, aber andererseits musst du mir ja einiges zutrauen, wenn du denkst, dass ich meine kleinen Patschhändchen jetzt in den Wasserbehälter stecke. Irgendwann lässt du mich dann los, ziehst den Stecker aus der Steckdose und räumst die stinkende Maschine weg. Als hätte ich das nicht machen können. Schmollend sitze ich auf meinem Platz, schaue dir dabei zu, bis du endlich fertig bist und dich wieder mir zuwendest, mich fragend ansiehst. Was ich habe? Mein Freund hält mich für total bescheuert. Das ist los. “Ich hätte das auch aufräumen können.” “Du bist mein Gast.” Lächelnd setzt du dich mir gegenüber. Ja, super Ausrede. Klasse. “Du hast echt gedacht, dass ich da reinfasse.” Seufzend schüttelst du kurz deinen Kopf. Jetzt tu doch nicht so. Ich weiß genau, was du gedacht hast. “Komm her.” Eigentlich sollte ich das nicht tun, immerhin bin ich ja sauer auf dich, aber ich kann nichts dagegen machen, schon stehe ich vor dir, sehe dich an. Lächelnd ziehst du mich zu dir und ich falle auf deinen Schoß, spüre deine Arme, die du um mich gelegt hast, deinen Kopf, der auf meiner Schulter liegt. “Ich hab einfach nur verdammte Angst, dich zu verlieren.” Ich brauche einen Moment bis deine gehauchten Worte bei mir ankommen und sofort fühle ich die Wärme, die durch meinen Körper wandert, als ich ihre Bedeutung verstehe. Ich drehe meinen Kopf zu dir, sehe dich für einen kurzen Moment an, ehe ich mich einfach gegen dich lehne. “Und wir haben noch immer nicht gefrühstückt.” Etwas zustimmendes murmelnd sehe ich auf, als ein Brötchen auch schon unaufhörlich gegen meine Lippen tippt. Ich hab gar keinen Hunger. Grummelnd drehe ich mich weg, doch mein Feind klopf weiter unermüdlich gegen meine Wange. “Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit am Tag.” “Ich hab a-” Und schon habe ich den gebackenen Teigklumpen in meinem Mund und beiße Augen rollend hinein, immerhin ist sogar süße Erdbeermarmelade drauf und die schmeckt richtig gut. Aber ich habe ja sowieso eine Schwäche für alles, dass ein klein wenig süß schmeckt. Eigentlich ist es ein Wunder, dass ich kein Übergewicht und extrem schlechte Zähne hab. Irgendwomit musste ich ja auch Glück gehabt haben. Kurz schaue ich bei diesem Gedanken zu dir auf, lächele dich lieb an. Ich bin so verdammt froh, dass ich dich hab und dass ich immer neue Seiten an dir kennen lernen darf. Ich hätte zum Beispiel nie gedacht, dass du auf europäisches Essen stehst, genau wie ich, wie ich vor wenigen Minuten festgestellt habe. Grinsend öffne ich meine Lippen, lasse mich von dir füttern, bis das Brötchen gänzlich verschwunden ist. “Warst du extra schon Frühstück holen?” Verwirrt siehst du mich an, ehe du leise zu lachen beginnst und auf deine Klamotten deutest. “Im Schlafdress und mit ungestylten Haaren?” “Wenn ich morgens rausgehe, dann immer so, also in meiner Jogginghose.” “Kannst du dir ja auch erlauben, obwohl die Jogginghose muss nicht sein und keine Marmelade im Gesicht.” Irritiert sehe ich dich an, als ich deine Zunge spüre, die sanft über meinen Mundwinkel streicht, kichernd drehe ich mein Gesicht weiter zu dir, fühle deine feuchte Zunge auf meinen Lippen. Genüsslich schließe ich meine Augen, öffne meine Lippen, locke dich in meine Mundhöhle. Du folgst meiner Aufforderung, lässt deine Zunge zwischen meine Lippen gleiten und ich spüre den süßen Geschmack, der meinen Gaumen sanft streichelt. Bis du dich wieder von mir löst, dennoch weiter über meinen Rücken streichst. “Hast du zu Hause angerufen?” Ach ja, ich muss ja wieder nach Hause. Seufzend schüttele ich meinen Kopf. “Mum ist eh daheim.” Ich will nicht zurück. “Hey wir haben noch ein paar Stunden” “Das ist zu wenig!” Schmollend sehe ich dich an, du nickst nur, ändern kannst du ja eh nichts. “Ich hab vorhin mal nachgeschaut. Stau. Das heißt, dass wir ruhig ein wenig später ankommen können.” Na immerhin. Lächelnd lehne ich mich erneut gegen dich. Du gibst dir ja Mühe, nur damit ich glücklich bin. “Und was machen wir heute noch?” Ich überlege für einen kurzen Moment, ehe ich zu lächeln beginne. “Hier bleiben. Wenn wir weggehen, dann musst du deine Haare ja stylen und das dauert mir zu lange.” Nur blöd, dass du mich nach Hause fahren und du dich deswegen wohl oder übel nach draußen bewegen und du natürlich erstmal deine Haare zurecht machen musst. Fast eine ganze Stunde habe ich auf dem Badewannenrand gesessen und dir zugesehen. Unglaublich, wie vertieft und abwesend du sein kannst. Nicht einmal, als ich mich hinter dich gestellt hab und meine Arme um dich gelegt habe, hast du deinen Blick von dem Spiegel und somit deiner Frisur, an der du weiter feiltest, genommen. Sogar, als ich meine Finger unter dein Shirt gleiten ließ und begann sanft über deinen Bauch zu streicheln, galt deine Aufmerksamkeit weiter deiner Haarpracht. Seufzend ließ ich von dir ab, begab mich zurück auf meinen Platz, dort, wo ich nicht störe, dem Badewannenrand. Mittlerweile sitze ich neben dir in deinem Auto auf dem Weg zu mir nach Hause. “Alles okay?” “Nein.” Wie könnte denn alles okay sein? Deine Haare sind dir schließlich viel wichtiger, als ich es bin. Überrascht siehst du mich an. “Hey. Länger kannst du wirklich nicht bleiben. Ich hätte dich auch viel lieber bei mir, aber wenn wir davon ausgehen, dass wir um zwölf Uhr losgefahren sind und den Stau dazu rechnen, dann…” “Darum geht es doch gar nicht.” “Nicht?” Immer wieder wirfst du mir kleine Blicke zu, ehe du deine Augen wieder auf die Straße richtest. “Eben hätten wir noch eine Stunde gehabt, die wir Dank deinen Haaren im Badezimmer verbracht haben und du hast mich vollkommen ignoriert.” Ich höre das leise Seufzen, das deinen Lippen entflieht, ehe deine Stimme folgt. “Tut mir Leid, aber das ist mir eben wichtig, gepflegt auszusehen. Kann ja nicht jeder immer gut aussehen, so wie du.” Gerade will ich dir widersprechen, als ich auch schon wieder verstumme. So ein plumpes Kompliment und dennoch färben sich meine Wangen leicht rötlich, zaubert mir ein kleines Lächeln auf meine Lippen. “Hmm? Wieder gut?” “Jaa…” Ich sehe dein Grinsen, drehe mich schnell weg. Ich hasse es, rot zu werden. Das ist einfach nur peinlich. Danach haben wir einige Straßen vor meinem zu Hause angehalten und du hattest mich angesehen und ich schaute zurück, direkt in deine schönen, dunklen Augen. Warum wir angehalten haben, wollte ich fragen, doch ich traute mich nicht, meine Stimme zu erheben, hatte Angst den Moment zu zerstören, als du deine Hand nach mir ausstrecktest, sanft über meine Wange zu streichen begannst und ich meine Augen schloss. Ob dir in diesem Moment bewusst geworden ist, dass die Zeit, in der wir so lange beieinander sein konnten, vorbei ist? Obwohl wir uns doch jeden Tag sehen werden… Umgeben von 25 weiteren Schülern. Bevor ich meine Augen wieder öffnen konnte, nahm ich deinen leisen Atem an meinem Gesicht war, spürte das Kribbeln, das über meine Haut zu wandern schien, bis deine Lippen die Meinigen berührten und du mich liebevoll geküsst hast. Deine weichen Finger lagen unter meinem Kinn, drehten mich sanft zu dir. Ich glaube, dass dies der schönste Kuss war, den du mir bisher geschenkt hattest. Gut, der Ort hätte ein anderer sein können, aber das ist doch auch nicht wirklich wichtig. Zum ersten Mal habe ich gespürt, dass du mich wirklich liebst. Nicht, dass ich daran je gezweifelt hätte, aber ich meine es gespürt zu haben, ein wunderschönes Gefühl. Und noch bevor sich unsere Lippen voneinander trennen, spüre ich die nasse Spur, die sich ihren Weg über mein Gesicht bahnt. Sofort löst du dich von mir, als du die salzigen Tränen auch auf deinem Gesicht spürst. Entschuldigend sehe ich dich an. Jetzt hab ich den Moment doch kaputt gemacht und dennoch lächelst du mich weiter an, wischt mir meine Tränen von meinen Wangen, ehe ich nach deiner Hand greife, sie fest in meiner halte. Immer noch sehe ich in deine Augen. “Die letzten Tage waren schön.” “Ja, sehr.” Und da ist noch eine Sache, die mich interessiert. Ob ich fragen soll? “Bist du wegen mir mitgekommen oder wärest du das auch so?” Ich meine natürlich den widerlichen Ausflug mit meiner Klasse. “Als ob meine Haare und ich freiwillig auf einen Campingplatz ziehen würden. Reicht das als Beweis dafür, dass du mir wichtiger bist, als meine Haare?” Das war vor ziemlich genau einer Stunde. Nun sitze ich wieder zu Hause, alleine in meinem Zimmer, auf meinem Bett herum. Mein Mathebuch liegt aufgeschlagen neben mir, dennoch habe ich noch keinen Blick herein geworfen, obwohl ich es doch versprochen hatte. Ich weiß ja, dass ich für die Matheklausur lernen sollte, aber ich hab einfach keine Lust. Außerdem muss ich immer wieder an die Zeit mit dir denken. Ich vermisse sie jetzt schon und dich. Und ich hasse es, dass wir unsere Liebe verstecken müssen. Wie gern hätte ich dich zum Abschied noch mal geküsst, aber vor meiner Mum ging das ja schlecht. Oh nein. Bloß nicht wieder daran denken. Wie verdammt peinlich das war. Ich meine, wie kann meine Mutter bitte anfangen mit dir, meinem Freund -okay, das weiß sie nicht und es sei ihr verziehen- und Lehrer -und das weiß sie sehr wohl- zu flirten? Wie verdammt peinlich ist denn das bitteschön? Und ich stand auch noch direkt daneben! Natürlich mal wieder mit einem knallrotem Gesicht und du mit einem breiten, amüsierten Grinsen auf den Lippen. Schön, dass wenigstens einer seinen Spaß hatte. Bis meine Mum auf die glorreiche Idee gekommen war, dich zum Abendessen einzuladen. Hallo? Was soll das denn werden? Ein heimliches “Mum, ich stell dir meinen Freund vor?” Andererseits war es schon komisch, dir zuzusehen, wie du dir tausende von Ausreden hast einfallen lassen. Kann ich dir auch nicht verübeln, würde ich auch nicht wollen, wenn sie nicht meine Mum wäre. Also quasi deine. Dann wären wir ja Brüder.. Oh je~ was denke ich hier eigentlich? Vielleicht sollte ich doch anfangen zu lernen, obwohl dabei wahrscheinlich auch keine sinnvolleren Gedankengänge zu Stande kommen würden. Egal, schaden kann es ja nicht. Also auf in den Kampf. Mensch gegen Mathebuch. Es sei kurz anzumerken, dass das Mathebuch gewonnen hatte oder zumindest sein böser Verbündeter, die Matheklausur. Jetzt habe ich dich seit ganzen sechs Tagen nicht mehr gesehen. Gut, am Montag bist du in der Schule gewesen, um deine Matheklausur zu schreiben, aber das zählt nicht. Immerhin musste ich dich mit 25 anderen Schülern teilen. Nicht wirklich teilen, aber ein ganz klein wenig störend waren sie schon. Hoffentlich hat keiner gemerkt, dass ich dich die ganze Zeit angestarrt hatte, als alle in ihre Aufgaben vertieft waren. Und selbst wenn hätten sie dies doch als perfekte Chance nutzen können, um irgendwo abschreiben zu können und es ist mir total egal gewesen. Sollen sie doch, so lange ich dein hübsches Gesicht ansehen konnte, wie dein Blick konzentriert auf das Blatt vor dir gerichtet war und gleich rüber zu dem deines Nachbars wanderte. Ob ich dich hätte ermahnen sollen? Warum denn auch. Du hast doch gelernt, zumindest in der vorletzten Woche haben wir das zusammen getan und in deinen anderen Fächern bist du ja auch überall gut. Wieso sollte ich dir diese Note jetzt versauen? Es liegt ja nicht wirklich an dir, wenn du das einfach nicht verstehst. Und jetzt ist das eh egal. Ich hab es zugelassen, dass du die Lösungen deines Nachbars in dein Heft geschrieben hattest. Was dabei heraus gekommen ist, weiß ich immer noch nicht. Zwar kontrolliere ich die Klausuren schon seit Montag, aber an deine hab ich mich einfach noch nicht herangetraut. Vielleicht, weil mir dann wieder mehr bewusst wird, was für eine Beziehung wir eigentlich haben sollten? Die zwischen einem Lehrer und einem Schüler, mehr nicht. Ich sollte weiter machen. Schon wieder sind meine Gedanken einfach wieder zu dir herüber gewandert, obwohl ich doch versprochen hatte, die Klausuren morgen wieder zurück zu geben. Also sollte ich auch etwas dafür tun, dass ich fertig werde. Gerade schaffe ich es meinen Blick und meine Konzentration wieder auf das Heft in meinen Händen zu richten, als mich meine schrille Türklingel schon wieder ablenkt. Irgendwer will einfach nicht, dass ich das heute fertig bekomme. Ich kann überhaupt nichts dafür. Seufzend erhebe ich mich von meinem Sofa, schlendere zur Tür und frage mich, wer schon wieder was von mir will. Erstaunt sehe ich meinen besten Freund an, als ich die Tür öffne. “Was willst du denn hier?” “Du klingst ja mal wieder begeistert, mich zu sehen.” Ich bin eben gerade nicht gut drauf. Ich gehe einen Schritt zur Seite, lasse ihn so eintreten und schließe die Tür gleich wieder hinter mir. “Tut mir Leid. Hab mich nur gefragt, was du hier machst.” “Darf ich dich nicht einfach besuchen kommen?” Schmollend sieht er mich an. Ich weiß doch eh, dass er mir gleich sagt, warum er wirklich da ist. “Das hast du in den letzten Wochen aber ziemlich vernachlässigt. Also sag schon. Hast du wieder was angestellt?” Schnell schüttelt er seinen Kopf. Na immerhin, muss ich ihm jetzt nicht wieder aus irgendeinem Schlamassel helfen. “Schreibst du morgen irgendwelche Prüfungen und hast keine Lust zu lernen?” Kurzes Schulterzucken seinerseits, ehe er beginnt sich die einzelnen Räume anzusehen. Stimmt ja, er war ja noch nie hier. “Schicke Bude.” “Jap. Woher weißt du eigentlich meine Adresse?” “Telefonbuch.” Ja, das macht eindeutig Sinn. “Naja, wenn du eh schon hier bist, dann kannst du mir ja helfen.” Das sind Matheaufgaben aus der elften Klasse, das wird er ja wohl auch noch hinbekommen. Seufzend schiebe ich ihn in mein Wohnzimmer, setzte mich wieder auf die Couch und schnappe mir das Heft, an dem ich eben schon gesessen hatte. “Wenn du was trinken willst, du weißt wo alles ist.” Nein, weiß er nicht, aber dann soll er halt suchen. Ich muss das jetzt fertig machen. Tatsächlich erhebt er sich, verschwindet aus dem Raum und kehrt nach einigen Minuten mit zwei Gläsern Limonade zurück, stellt eines vor mich auf den Tisch, ehe er nach einem der Hefte greift, die ebenfalls auf meinem Holztisch liegen. Also will er mir doch helfen. Leise beginnt er den Namen, der vorne auf dem Heft steht, zu lesen. “Nishimura, Tooru - Schöner Name.” Und noch bevor er die Seiten des Heftes einsehen kann, reiße ich es ihm aus der Hand. “Das mach ich.” Kurz sieht er mich irritiert an, als sich auch schon ein Grinsen auf seine Lippen schleicht. “Ist das der Schüler, den du geküsst hast? Und jetzt erpresst der dich, damit er gute Noten bekommt und du deinen Job nicht verlierst?” Ja, Nein, Nein. Schnell schüttele ich meinen Kopf. Er soll nicht so von dir denken. Und es ist ja auch gar nicht so, wie er denkt. “Aha und warum willst du das dann unbedingt nachsehen?” Leise seufze ich. Wieso nur, komme ich früher oder später immer wieder auf dich zu sprechen oder muss an dich denken? “Ja ist der Schüler, aber er erpresst mich nicht. Er ist wirklich ziemlich gut in der Schule, bis auf Mathe. Ich will nicht, dass er sich seinen Schnitt versaut.” Was starrt der mich auch schon wieder so skeptisch an? “Was denn?” “Was genau hast du denn jetzt vor?” Ja… Was hab ich eigentlich vor? Was mach ich eigentlich, wenn dein Ergebnis wirklich nicht gut ist? Aber vielleicht ist es ja gar nicht so schlecht und vielleicht hat das Lernen ja geholfen oder du konntest wirklich genug bei deinem Nachbarn abschreiben. Nein, konntest du nicht. Und du hast schon wieder aus der Summe gekürzt. Ich dreh noch durch. Du hast wirklich alles falsch. Nein warte, du hast die Aufgaben richtig abgeschrieben. Darf ich dafür Punkte vergeben? Seufzend lehne ich mich zurück, starre weiter in dein Heft. Was soll ich denn jetzt damit machen? “Und?” Ach ja. Daisuke ist ja auch noch da. Kurz sehe ich ihn an, ehe ich schon wieder ein lautes Seufzen von mir gebe. “Er hat alles falsch.” “Durchgefallen, würde ich sagen.” Wieso sagt er das jetzt so fröhlich? Sieht er nicht, dass mich das gerade alles andere als glücklich macht? Grummelnd suche ich nach einem leeren Blatt Papier, drücke dieses meinem besten Freund in die Hand. “Schreib mal paar Zahlen auf.” “Warum?” “Mach doch einfach.” Verwirrt schreibt er tatsächlich einige Ziffern auf sein Papier, das ich schnell wieder an mich nehme, mit deinen Zahlen vergleiche. Irgendwo muss ich doch noch ein leeres Heft liegen haben und tatsächlich finde ich eins in meinem Arbeitszimmer, das ich eh nicht benutze. Glücklich gehe ich zurück, lege das Heft und deines vor Daisuke. “Du schreibst auf, was ich sage und die Zahlen sollten ungefähr so aussehen wie die von Kyo.” Dein Blick strahlt vor Verwirrung. “Fälscht du gerade die Klausur? Und warum nennst du den Kyo?” “Im Moment fälscht du die und wenn du fertig bist, dann erklär ich dir das meinetwegen.” Daisuke nickt seufzend, ehe ich beginne ihm die Ziffern zu diktieren und er fleißig beginnt sie in das leere Heft zu schreiben. Was tue ich da eigentlich? “Ich kann nicht mehr. Meine Hand fällt mir gleich ab.” Seufzend und pseudodramatisch lässt er seinen Kugelschreiber fallen, wie ein nach Ehre lechzender Held sein blutiges Schwert niederfallen lässt, den aussichtslosen Kampf gegen den speienden Drachen aufgibt. Oder so ähnlich. Ein Glück, dass er die letzte Aufgabe schon niedergeschrieben hattest. “Übertreib mal nicht. Du musstest dabei nicht einmal nachdenken, nur stumpf das aufschreiben, was ich dir gesagt hab.” “Davon tut mir meine Hand aber trotzdem weh.” Ich bin mir sicher, dass er das überleben wird. Zufrieden greife ich nach dem Heft, besehe mir Daisukes Einträge. Doch, die Zahlen hat er gut hinbekommen, sehen genau so aus, wie deine oder zumindest sehr, sehr ähnlich und das reicht auch. “Hast du gut gemacht.” “Wow! Ein Lob vom Perfektionisten. Dankeschön.” “Apropos Perfektionist! Der Name fehlt vorne.” Seufzend werfe ich ihm das Heft auf den Tisch und tatsächlich überträgt er auch noch deinen Namen auf das vor ihm liegende freie Namensfeld. Braves Daidai! Erwartungsvoll sieht er mich an. “Was denn?” “Du wolltest mir noch was erzählen.” “Wollte ich nicht.” “Ich aber!” “Dann erzähl!” “Ich will, dass du es mir erzählst.” Das habe ich versprochen, oder? Aber andererseits hab ich ja, was ich brauche, aber eigentlich halte ich meine Versprechen und Daisuke wird mich eh so lange bearbeiten, bis er weiß, was er wissen will. Wenn er so engagiert mal an sein Studium gehen würde. “Was willst du denn wissen?” “Warum du die Klausur für den fälscht?” “Ich will nicht, dass er sich dadurch seinen Schnitt versaut.” Habe ich das nicht eben schon mal gesagt? “Und das machst du jetzt bei jedem so, oder wie?” Sag mal, macht er das extra oder versteht er das wirklich nicht? “Verdammt! Weil ich ihn liebe.” “Immer noch?” “Natürlich immer noch!” “Ich dachte, dass das nur eine Phase war.” Tja, falsch gedacht! “Tut mir Leid.” Ich seufze erneut, schüttele den Kopf. Ich brauche kein Mitleid. Eigentlich ist doch alles gut, immerhin bin ich mir dir zusammen, mit der Person, die ich liebe. “Er liebt mich auch.” Warum erzähle ich das eigentlich? Sollte es nicht unser Geheimnis bleiben? Und warum erzähle ich es ausgerechnet ihm. Ich weiß doch genau, wie er reagieren wird. Gleich versucht er mir wieder ins Gewissen zu reden… “Und das heißt jetzt was?” … wenn er es verstanden hat. “Wir sind zusammen und versuch erst gar nicht, mir irgendwas ausreden zu wollen. Ich werde ihn eh nicht verlassen, also kannst du dir das gleich sparen.” Ich will es einfach nicht hören, wie falsch unsere Beziehung ist. Dass es verboten ist. Wie kann es denn überhaupt falsch sein, wenn wir uns lieben und wir glücklich sind? Zumindest, wenn wir uns sehen können und der Grund dafür, dass wir das eben nicht können, wie jeder andere, ist doch die Schuld unserer verdammten Gesellschaft. Was soll’s. Es ändert sich ja doch nichts. Entschlossen schaue ich wieder zu meinem besten Freund, der mich ebenfalls ansieht, jedoch nichts sagt, einfach nur nickt. Ob er mich wirklich versteht? “Vielleicht solltest du mal weiter machen, wenn du die morgen wieder zurückgeben willst.” Grinsend wedelt er mit einem der Hefte vor meiner Nase herum. Seufzend greife ich danach. Na dann, los. “Du, Kyo? Du schuldest mir doch noch ein Eis, ne?” Tu ich das? Ach ja, stimmt! Unser monatlicher Wer-kriegt-die-meisten-Sprüche-reingedrückt-Kontest. Eigentlich habe ja ich gewonnen. 31:46 Das sind ganze 15 Punkte mehr, aber nein die Zeit unseres Klassenausfluges zählt ja nicht, weil Herr Ich-muss-ja-die-Grippe-bekommen-wenn-wir-Ausflug-haben-obwohl-das-Kyos-Plan-war ja leider nicht die Gelegenheit hatte, Punkte zu sammeln. Der Arme aber auch. Eine ganze Woche allein zu Hause, anstatt auf einem wunderschönen, vor Luxus nur so strotzenden Campingplatz einen Spruch nach dem anderen an den Kopf geknallt zu bekommen. Aber eigentlich war es doch ganz gut, dass er nicht dabei war. Sonst hätte ich nicht so viel Zeit mit dir verbringen, geschweige denn in deinem Zelt schlafen können. Aber das weiß er ja nicht, deswegen könnte er mir doch eigentlich ein Eis gönnen, immerhin hat er mich hängen lassen. “Ja.” “Ich verzichte auf mein Eis und du lernst stattdessen mit mir die alten Kanji für den Test. Du kommst doch aus Kyoto. Ihr habt das da doch alle voll drauf.” “Meinetwegen. Wann denn?” “Heute?” “Hab eh nichts vor.” Gerade wollte ich noch nach der Uhrzeit fragen, als die Klingel andeutet, dass der Unterricht beginnt. “Jetzt gibt’s die Klausuren wieder.” “Ja wunderbar.” “Ich hab eine drei.”[*] Ungläubig sehe ich in mein Heft und noch ungläubiger sieht Shinyas Gesichtsausdruck aus, als er sich zu mir beugt und auf die Heftseite mit der Zensierung starrt. “Wie hast du das denn gemacht?” Ja, gute Frage. Wie hab ich das gemacht? Die war doch total mies gewesen, als ich sie geschrieben hab. Ich hatte doch keine einzige sinnvolle Lösung. Obwohl mittlerweile sehen die Lösungen in meinem Heft gar nicht mal so schlecht aus. Mehr als verwirrt packe ich meine Klausur in meine Tasche, als du die Stunde beendest, nachdem du mit uns die Aufgaben durchgegangen bist und es klingelt. Ich warte, bis alle verschwunden sind, ehe ich zu dir schreite, dich anlächle. “Hey.” “Na? Zufrieden?” Schnell nicke ich. Klar bin ich zufrieden. Ich hab eine drei in Mathematik. Das hatte ich seit der Grundschule nicht mehr. Ich sehe dich immer noch überglücklich an, doch du seufzt leise. Wieso nur? Doch als ich nachfrage, winkst du nur ab. “Hast du heute ein wenig Zeit für mich?” “Für dich doch immer.” Ich lächele dich noch mal an. Also werden wir uns nach fast einer Woche endlich mal wieder sehen. Nur wir beide. Allein. [*]nach dem deutschen Notensystem Kapitel 11: ------------ Für einige Sekunden sehe ich dich einfach nur an, ehe ich meine Tasche nehme und gehen will. Moment, da war doch noch etwas. Wieder einmal so ein Gedanke, dass ich etwas vergessen habe, aber ich komme einfach nicht… Doch! Ich weiß es wieder! Schnell gehe ich die paar Schritte zu dir zurück, sehe dich entschuldigend an. “Ich hab Shin versprochen, dass ich mit ihm lerne, heute.” Unser Timing ist aber auch wieder super. “Aber doch nicht den ganzen Tag lang, oder?” Dein Lächeln ist noch genauso breit, wie vorhin, als ich zugesagt habe. Und du hast ja auch Recht. “Du kannst mich ja einfach um sechs Uhr an dem Spielplatz abholen. Der liegt auf dem Weg von Shinya zu mir nach Hause. Weißt du, wo der ist?” Das würde doch passen! Ich tue so, als würde ich nach Hause gehen und meine Eltern denken, dass ich noch bei Shin bin, also eigentlich perfekt. “Ich glaube schon.” “Okay, dann bis nachher” Und jetzt schnell raus hier, immerhin ist die letzte Stunde rum und ich bin wirklich nicht scharf darauf, noch länger als ich muss, hier zu bleiben. Außerdem wartet Shinya schon wieder mit so einem genervten Gesichtsausdruck. Ich weiß ja, dass er es hasst, wenn er warten muss. Warum wir dann jeden Tag ganze 15 Minuten zu früh an der Bushaltestelle stehen, verstehe ich auch nicht. Aber sei’s drum. Wozu bin ich eigentlich hier? Shinya sitz auf dem Boden, schreibt die Kanji aus meinem Buch ab, um sie sich so einzuprägen, während ich ebenfalls auf dem Boden sitze und ihm einfach nur zuschaue. Als hätte ich gerade nichts besseres zu tun. Warum fragt er mich dann überhaupt, ob ich ihm helfen soll, wenn er das doch eh alleine machen kann. Ich kann ja schon mal anfangen meine Klausur zu berichtigen. Dann muss ich das zumindest heute Abend nicht mehr machen, wenn ich nach Hause komme, obwohl es dir wahrscheinlich eh egal ist, ob ich das mache oder nicht. Du willst ja, dass ich besser in Mathe werde, aber du wirst mir das sicher verzeihen, wenn ich die Hausaufgabe erst nächste Woche vorliegen habe. Aber ich habe ja gerade eh nichts anderes zu tun… Seufzende krame ich mein Matheheft aus meiner Tasche, schlage es auf und sehe mir meine Fehler an. Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich tatsächlich acht Notenpunkte bekommen habe und ich verstehe auch wirklich noch nicht, wie ich das geschafft haben soll. Immer wieder schaue ich auf das Display meines Handys um die Uhrzeit zu erfahren und ich bin ja auch zu früh, also kann ich dir keinen Vorwurf machen. Zumindest deswegen nicht. Wirklich Lust hier herumzustehen, habe ich dennoch nicht, also schlendere ich langsam zu der Bank herüber, setze mich und sehe den Kindern zu, wie sie auf dem Spielplatz toben und spielen. Wäre sicher auch mal wieder lustig einfach nur zu schaukeln, aber das kann ich jetzt natürlich schlecht machen. Wie peinlich das wäre und die ganzen Mütter, die auf den anderen Bänken sitzen und auf ihre Schützlinge aufpassen, würden mich sicher anstarren. Also bleibe ich sitzen. Eigentlich könnte ich mir die Kanji für morgen ja auch noch mal ansehen. Unmotiviert beginne ich nach meinem Buch zu suchen. Wie schade. Leider, leider habe ich das Lernmaterial bei Shinya vergessen. Zumindest habe ich so eine Ausrede, warum ich eben nicht lerne. Ich kann das ja eigentlich auch, da hatte Shin nicht ganz unrecht mit seinem Kommentar, dass wir das aus Kyoto ja eh alle können. Ich weiß nicht, ob das auf alle zutrifft, aber mir liegt das wirklich irgendwie. Ich kann sie mir einfach gut merken. Der Test morgen wird schon nicht so schlecht. Nach etlichen Minuten, sehe ich endlich dein Auto, das vor dem Spielplatz zum Stehen kommt. Sofort nehme ich meine Tasche, gehe langsam auf deinen Wagen zu, ehe ich mich hineinsetze und mich anschnalle. Und schon hast du dich zu mir rübergebeugt, legst deine Lippen sanft auf meine, sofort drehe ich meinen Kopf von dir weg. Kurz siehst du mich überrascht an, fährst aber gleich los, da du im absoluten Haleverbot gestanden hattest. “Was ist?” Ich seufze leise. Eigentlich habe ich mich doch so auf unseren gemeinsamen Abend gefreut, aber in diesem Moment würde ich am liebsten einfach wieder aussteigen. “Du hast meine Klausur gefälscht.” Ein Wunder, dass mir das erst später aufgefallen ist. Die Lösungen, die in meinem Heft gestanden hatten, waren einfach nicht meine und die Kanji meines Namens hab ich auch nicht so dahingeschmiert. Außerdem hatte in meinem richtigen Heft auch noch die alte Klausur drin gestanden. “Ich hätte dir das auch noch gesagt.” Für wie blöd hält der mich eigentlich? Hat er gedacht, dass ich das von allein nicht herausfinde und er mir das sagen muss? Dann hätte er das gleich von Anfang an tun können, oder nicht? “Tut mir Leid.” Ich seufze leise. Ich weiß gar nicht genau, warum mich das so sauer macht. “Du kannst doch nicht einfach Dokumente fälschen. Wenn das raus kommt…” Ja, vielleicht habe ich einfach nur Angst. Reagieren Eltern nicht genauso, wenn ihre Kinder etwas anstellen und sie sich Sorgen machen? Sind sie dann nicht auch sauer und wütend? “Ich weiß.” “Mach so was nie wieder.” “Ich kann das Heft auch verschwinden lassen. Ich habe ja dein altes noch bei mir herumliegen.” Unsicher sehe ich zu dir. Dann müsste ich mich ja von meiner drei verabschieden. “Welche Note hab ich denn wirklich?” Ich will es gar nicht wissen. Das kann gar nicht gut sein und dein leises Seufzen lässt auch nichts besseres verheißen. “Du hattest so ziemlich jede Aufgabe falsch.” Also wie immer. Das ist aber auch immer das Einzige, was positiv ist. Ich konnte mich gar nicht mehr verschlechtern. “Und wenn ich die drei jetzt einfach behalte und beim nächsten Mal bekomme ich wieder meine eigentliche Note?” Lieb lächelnd schaue ich zu dir herüber und du nickst. “Danke!” Nach kurzer Zeit sind wir bei dir zu Hause angekommen. Du bist ganz selbstverständlich einfach zu dir gefahren. Ich weiß ja, dass man uns nicht zusammen sehen darf. Auch, wenn ich es schön gefunden hätte, wenn wir mal zusammen weggehen könnten. Egal wohin. Ins Kino oder schön essen oder auch einfach nur in einen kleinen Wald spazieren. Aber das geht ja leider nicht und das muss ich akzeptieren. Ich sollte froh sein, dass du dich überhaupt auf so etwas eingelassen hast und dass du doch sowieso schon so viel für mich riskierst. Und wenn wir uns eben nur so sehen können, dann ist das auch okay so und dann will ich die wenige Zeit, die wir allein verbringen können auch genießen. Lächelnd steige ich aus deinem Wagen, warte, bis du dein Auto abgeschlossen hast und mit mir zu deiner Eingangstür gehst. “Das letzte Mal als du hier warst, konntest du keinen Schritt alleine gehen.” “Ich finde, dass du mich trotzdem tragen könntest.” Grinsend schaue ich zu dir auf. Ob du das wohl machst? Und noch ehe ich eine Antwort darauf finde, hebst du mich auf deine Arme, antwortest so auf meine unausgesprochene Frage. Ich schlinge meine Arme um dich, halte mich an dir fest, da ich nun wirklich nicht scharf darauf bin, herunter zu fallen. Aber ich weiß ja, dass du mich auch nicht runter fallen lassen würdest, viel zu fest liegen deine Arme um meinen Körper, der sich an deinen kuschelt. “Aber nicht einschlafen.” “Ich doch nicht.” Um ehrlich zu sein, könnte ich genau jetzt, hier in deinem Armen schlafen. Aber ich bin immer müde, wenn ich morgens so früh aufstehen muss und deine Nähe und die Wärme, die von deinem Körper ausgeht, wirkt auch noch förderlich auf mein inneres Schlafbedürfnis. Du schließt die Tür hinter dir, als du endlich eingetreten bist, hältst mich noch immer fest, trägst mich weiter durch dein Haus, wo auch immer du mich hinbringst. Als wir im Wohnzimmer ankommen, setzt du mich auf deiner Couch ab, setzt dich zu mir und ziehst deine Schuhe aus. Wie unhöflich. Nicht, dass ich noch deinen Teppich versaue. Schnell streife ich auch meine Schuhe über meine Füße, sehe dich fragend an, doch noch bevor ich meine eigentliche Frage stellen kann, nimmst du mir meine Schuhe aus meiner Hand, erhebst dich und bringst sie weg. Ich hätte doch auch gehen können. “Beeil dich.” Immerhin will ich heute auch noch was von dir haben und nicht nur meine Schuhe. Tatsächlich bist du nach paar Sekunden wieder bei mir. Gut, wie lange kann es auch dauern, bis man zwei Paar Schuhe in den Flur bringt, um sie dort abzustellen? Erneut nimmst du neben mir Platz und sofort kuschele ich mich an dich, bemerke, dass ich noch nie in deinem Wohnzimmer war. Interessiert schaue ich mich um. Die meisten Möbel scheinen eher alt zu sein, aber es sieht trotzdem gut aus. Nur der Flachbildfernseher passt irgendwie nicht ganz in das Gesamtbild. Wie kannst du dir den überhaupt leisten? Du arbeitest doch noch gar nicht so lange und nach dem Studium gibt es bestimmt andere Dinge, die man vielleicht noch bezahlen sollte. “Sag mal. Möchtest du vielleicht hier schlafen?” Fragend lege ich meinen Kopf schief. Meinst du das gerade ernst? Wie soll denn das gehen? “Ich hab doch morgen Schule.” “Ich auch.” Ein kleines Grinsen schleicht sich auf deine Lippen, aber wirklich nachvollziehen kann ich gerade nicht, was du denkst. “Ich glaube nicht, dass meine Eltern das so toll finden, wenn ich sage, dass ich bei Shin übernachte. Am Wochenende schon, aber so mitten in der Woche...” Andererseits hab ich da auch noch nie so wirklich nachgefragt. Die Frage ist einfach nie aufgekommen und eigentlich würde ich schon sehr gern hier schlafen. “Du kannst ja mal zu Hause anrufen und deine Schulsachen hast du doch eh dabei.” Und alles andere könnte man wahrscheinlich auch irgendwie organisieren. Und noch bevor ich genauer drüber nachdenken kann, hältst du mir dein Telefon hin, lächelst mich aufmunternd an. Ich kann’s ja versuchen. Ich hasse es, meine Mum anlügen zu müssen, aber andererseits kann ich heute bei dir übernachten. Ich kann immer noch nicht glauben, dass meine Mutter mir das erlaubt hat und mir tatsächlich geglaubt hat, dass ich noch mit Shin lernen müsste. “Willst du was essen oder irgendwas trinken oder eine DVD schauen?” Durst und Hunger habe ich nicht, immerhin habe ich vorhin bei Shinya genug gegessen, da seine Mutter ja der Meinung ist, dass wir beide viel zu dünn sind, deswegen hat sie uns auch mit Kuchen und Keksen voll gestopft und das spüre ich jetzt noch. Schnell schüttele ich meinen Kopf, überlege dann kurz. “Heimkino!” “Was anderes geht ja leider nicht. Was denn für einen Film?” Ja leider, aber es spielt doch eigentlich keine Rolle, was wir machen und wo. Hauptsache, wir sind zusammen. “Was hast du denn da?” “Romantik, Dramen, Komödien, Tragödien, Action, Science Fiktion, Horrorfilme, Schnulzen… alles, was du willst.” Eigentlich wäre ich für einen Horrorfilm, aber ein kurzer Blick nach draußen, verrät, dass es einfach viel zu hell ist, um einen Film dieses Genres zu schauen. “Können wir nicht später einen Horrorfilm schauen, wenn es dunkel ist?” “Wir können es auch einfach dunkel machen.” Schon stehst du neben deinem Fenster, lässt die Jalousien herunter und das Zimmer ertrinkt langsam in Dunkelheit. Schnell mache ich die kleine Lampe an, die neben mir steht, damit wir überhaupt noch etwas sehen. Nachdem du endlich den Film eingelegt hast, kommst du auch schon wieder zurück zu mir, legst deinen Arm um mich und ich rutsche näher an dich heran, lehne mich an deine Brust, schaue gebannt auf den Film. Romantik pur! Im Laufe des Filmes hast du dich immer weiter an mich gekuschelt, nicht weil du wirklich Angst gehabt hattest, sonst hättest du deine Augen geschlossen, dein Gesicht in meinem Oberteil vergraben, doch du starrtest einfach weiter gebannt auf den Bildschirm, der verzerrte Fratzen und schrille Geräusche von sich gab. Ich hätte niemals gedacht, dass du so etwas mögen könntest, aber es ist einfach wundervoll immer wieder neue Seiten an dir zu entdecken. Mittlerweile lag dein Kopf sogar auf meinen Schoß und meine Finger kraulten durch dein Haar, strichen über deinen Rücken. Ich hatte sogar Angst, dass du mir einfach einschlafen würdest. Wie du das bei solch einer Geräuschkulisse schaffen solltest, war mir zwar ein Rätsel, aber zuzutrauen wäre es dir auf alle Fälle. Einen wirklichen Unterschied würde das aber auch nicht machen, immerhin bist du total in die Handlung des Filmes versunken. Ob du mich überhaupt noch wahrnimmst? Ehrlich gesagt hatte ich keine Lust mehr, dich mit meinem Fernseher zu teilen und war einfach nur froh, als der Abspann verriet, dass der Film endlich sein Ende gefunden hatte. Schnell suchte ich nach der Fernbedienung, die ich zu Beginn auf das Sofa gelegt hatte und nun zum Ende hin, war sie natürlich wieder unauffindbar, obwohl wir uns kaum bewegt hatten. Ein typisches, einfach nicht zu erklärendes Phänomen. Wenige Sekunden später, war der Bildschirm schwarz, flackerte nur noch leicht. Ich sah zu dir herunter, erkannte deine müden Augen und dein herzhaftes Gähnen im gedämmten Licht der Lampe, die neben uns stand. “Nicht einschlafen.” Meine leise gehauchten Worte, prallten gegen deine Lippen, als ich mich zu dir beugte, sanft begann deine Lippen zu liebkosen, meine Hand in dein Haar schob und begann dich zärtlich zu kraulen. Nur kurz bist du auf meinen Kuss eingegangen, bevor du dich von mir gelöst und dich aufgerichtet hattest. “Hier ist es unbequem.” Ich musste lächeln, als du mich so schmollend angesehen hattest und stimmte zu. So eine Couch ist wirklich nicht das Komfortabelste, was es gibt. “Und wo willst du lieber hin?” Grinsend richtete ich meine Frage an dich, ob du auf meinen kleinen Flirt eingehen würdest? “In dein Bett.” Deine gehauchten Worte und dein lüsterner Blick machen mich fast wahnsinnig. Dass du so sehr darauf eingehen würdest, hatte ich wirklich nicht erwartet und ich liebe diese Seite an dir schon jetzt. “Dann gehen wir.” Eben so leise, hauche ich dir meine Worte in dein Ohr, ehe ich kurz über dieses lecke, dich wieder auf meine Arme hebe und dich in mein Schlafzimmer trage. Ich spüre deine Lippen an meinem Hals, fühle, wie du an meiner Haut saugst, meinen Hals mit kleinen Küssen bedeckst. Du weißt gar nicht, was du damit in mir auslöst. Ich drehe meinen Kopf etwas zur Seite, so dass du mehr Angriffsfläche hast. Hör bitte nicht auf. Erst als ich vor meinem Bett stehe, löst du dich von mir und ich setze dich auf der weichen Matratze ab. Ich schaue zu dir herab, sehe deinen lasziven Blick, mit dem du mich ansiehst, deine Zunge wandert kurz über deine Lippen. Gehört das noch immer zu unserem kleinen Spiel? Egal. Ich will dich. So, wie ich es immer wollte. Doch nun kann ich nicht mehr warten, habe es nie gekonnt und dennoch musste ich mich so lange nach diesem Moment sehnen. Dein lüsterner Blick, mit dem du mich süchtig machst. Deine vollen, roten Lippen von Metall durchbohrt und dennoch verlieren sie nichts von ihrer Schönheit. Deine tief schwarzen Augen, die mich jedes Mal aufs Neue verschlingen. Viel zu lange schon, habe ich die Lust unterdrückt. Wie nur habe ich mich so lange zurück halten, mich so lange beherrschen können? Vielleicht, weil ich es musste? Müsste ich es nicht eigentlich immer noch? Bist du überhaupt bereit? Doch all meine Zweifel sind vergessen, so wie alles andere, als du deine Arme um mich schlingst, dich etwas nach vorne beugst und mich zu dir ziehst, um über meine Lippen lecken zu können, ehe du mich stürmisch küsst, dich nach hinten fallen lässt, mich mit dir auf dich ziehst und deinen Körper immer weiter an mich drückst, mir die Hitze in meinen treibst. Ich will dich spüren. Du, der meine Sinne raubt, meine Beherrschung. Und ich, der sich vollkommen verliert. Keuchend erhebe ich mich von dir, ziehe dein störendes schwarzes Shirt über deinen Kopf. Lege meine Hand sanft auf deine nackte Brust. Ich will dich spüren. Noch viel mehr. Deinen Körper unter mir. Deine Haut an meiner. Deine Lippen auf meinen. Sanft drücke ich dich in die weichen Kissen des Bettes. Du schlingst deine Arme um mich, ziehst mich zu dir. Ich sehe in deine dunklen Augen, erkenne, dass auch du nach mehr verlangst, dass auch du mich spüren willst. Ich schließe meine Augen, als ich dich erneut Küsse, an deiner Lippe knabbere, bis du mir gewährst, einzutreten. Zärtlich umspielen sich unsere Zungen, verfangen sich in einem leidenschaftlichen Spiel. Zufrieden lasse ich zu, wie sich deine Finger durch den dünnen Stoff in meinen Rücken bohren. Nur widerwillig löse ich unseren Kuss. Beginne entlang deiner Seite zu streichen, lasse meine Hand tiefer zu deiner Hüfte gleiten. Langsam schiebe ich deine locker sitzende Hose tiefer. Genieße jede Berührung deiner Haut. Das sanfte Kribbeln auf meinen Fingerkuppen. Weiter ziehe ich deine Hose, über deine makellosen Beine. Verfalle deiner Schönheit. Deinem schlanken Körper. Begehre dich. Heute wirst du meins. Lüstern spiele ich mit dem Hosenbund deine Boxer. Deine heiße Haut unter meinen Fingern. Die Wärme, die mich verrückt macht. Verrückt nach dir. Nach dem Moment, der so nah liegt. So greifbar nah. Und du greifst nach meinen Händen hältst sie fest, während du mich unsicher ansiehst, leise meinen Namen hauchst. Hast du Angst? Vorsichtig umschließe ich deine Hände mit meinen, ziehe deinen erhitzen Körper an mich, lege meine Arme um dich. Ich will dir nicht wehtun, will nichts überstürzen, werde warten, so wie ich es dir versprach. Ich spüre, wie sich deine Finger erneut durch den dünnen Stoff in meinen Rücken bohren und du dich an mir festhältst. Beruhigend streiche ich über deine nackte Haut, lasse meine Finger in deinen Nacken wandern, um dich sanft zu kraulen. Leicht lächelnd schaust du zu mir auf. Dein Blick wirkt noch immer unsicher, etwas ängstlich. Verzeih. Doch noch ehe ich dir meinen Gedanken verraten, mich bei entschuldigen kann, spüre ich deinen warmen Atem, der meine Lippen streichelt, ehe du mich in einen sanften Kuss ziehst. Nur zu gern gewähre ich dir den Eintritt, fange deine feuchte Zunge auf, stupste meine eigene leicht gegen die deinige. Ob das heißt, dass du mir verzeihen kannst? Ich spüre wie sie sich in einem lustvollen Spiel verfangen, sich immer wieder verlangend gegeneinander bewegen, leidenschaftlich miteinander spielen. Gierig vergrabe ich meine Hand in deinem blonden Haar, das trotz des ständigen Bleichens nichts von seiner Weichheit verloren hat. Deine heißen Finger wandern über meinen Körper, hinauf zu meinem Hals, an dem sie entlang fahren und zärtlich darüber streichen. Noch immer hängen unsere Lippen aneinander, so wie unsere Körper, die nur durch den dünnen Stoff meines Hemdes voneinander getrennt sind. Bis deine Hand sich langsam zwischen unsere Körper schiebt, du dich etwas von mir löst und auch ich dich wieder loslasse, meine Hände zurückziehe. Sogleich schnappst du nach ihnen, legst sie auf deine nackte Brust, während du mir tief in meine Augen blickst. „Ich vertraue dir.“ Leise hauchst du mir diese Worte zu, schließt deine Augen und drückst meine Hand näher an deine Brust, so dass ich spüren kann, wie dein Herz schnell gegen deinen Brustkorb schlägt. Du kannst mir vertrauen! Ich werde vorsichtig sein, will dir nicht wehtun, dich nicht verletzen. Immer mehr spüre ich nun wieder das Verlangen dich zu berühren, deinen Körper unter meinen Fingern zu spüren. Und so, nehme ich deine Hände erneut in meine, hauche einen kleinen Kuss auf deinen Handrücken, ehe ich deine Arme einfach um meinen Hals lege, dich näher an mich drücke, um deinen Körper endlich wieder an meinem spüren zu können, auch, wenn noch immer der störende Stoff zwischen uns liegt. Ich lasse meine Hand über deinen Rücken gleiten, lasse sie langsam sinken, streichele sanft über deinen Po. Für wenige Momente genieße ich unsere unschuldige Umarmung, ehe ich wieder von dir ablasse, mir endlich mein Oberteil über meinen Kopf ziehe. Ich will deine Haut endlich auf meiner spüren. Dein Blick wandert über meinen Oberkörper, meine Brust, wandert allmählich tiefer, ehe ich deine warmen Finger auf mir spüren kann, wie sie neckend über meine erregte Knospe streichen und du mich aus braunen, fast schwarzen Augen unschuldig ansiehst. Deine Unschuld, die du verlieren wirst. Die du dir selbst nimmst. Kurz genieße ich deine kleinen Berührungen, bevor ich deine Hände einfange. Dein irritierter Blick, als ich meine Lippen erneut auf deine lege, dich in einen leidenschaftlichen Zungenkuss ziehe. Meinen leicht bebenden Körper gegen deinen drücke, mich vorsichtig gegen dich lehne, dich sanft auf die Matratze drücke. Meine Finger, die sich zwischen deine schieben. Drücke deine Hände neben deinem Kopf auf das Laken. Fessele dich an die weißen Kissen. Gierig lecke ich über deine Lippen, deine Piercings. Knabbere an dem kalten Metall, ziehe vorsichtig daran. Zufrieden beobachte ich, wie du deine Augen genüsslich schließt, mich gewähren lässt. Ich lasse von dir ab, lasse deine Hände los. Auf dir sitzend lasse ich meinen Blick über deine nackte Brust streifen, fahre entlang der Konturen deines Oberkörpers, streiche über deine Muskeln, die sich leicht unter deiner warmen Haut abzeichnen, sich unter meinen Berührungen verhärten, vernehme ein leises, unterdrücktes Seufzen, das über deine Lippen wandert. Ich liebe deine Stimme, die Geräusche, die sie formt, will mehr von ihnen hören, dir mehr solcher Laute entlocken. Ob deine Stimme auch weiter für mich erklingen wird? „Lass mich deine Stimme hören.“, hauche ich dir leise entgegen, als ich mich langsam auf deine Brust sinken lasse, einen kleinen Kuss auf dein Schlüsselbein drücke. Meine Finger haben ihren Weg schon lange zurück auf deinen heißen Körper gefunden, streichen sanft über deine Brust und ich kann spüren, wie sich deine Knospen unter meinen Fingerkuppen verhärten, ehe ich sie zurückziehe, sie durch meine Lippen, die deine nackte Brust liebkosen, ersetze. Grinsend lecke ich über deine verhärteten Brustwarzen, beiße vorsichtig hinein, nehme erneut war, wie du leise seufzt, nicht einmal versuchst dieses zu unterdrücken, stattdessen genüsslich deine Augen schließt, deinen Kopf in den Nacken legst. Gefällt dir was ich tue? Meine Hand wandert noch immer über deine Brust, gleitet tiefer zu deinem Bauch hin, streicht sanft über diesen. Meine heiße, feuchte Zunge, die meinen Fingern folgt, sich ebenso tiefer bewegt. Willig streckst du mir deinen Oberkörper entgegen, lieferst dich mir aus, nimmst das selbst nicht einmal wahr und lässt einfach zu, was geschieht. Ich spüre die leichte Gänsehaut, die sich auf deinem Körper ausbreitet, als ich meine heiße Zunge über deinen Unterbauch wandern lasse, umrande deinen Bauchnabel und spüre, wie sich deine Muskeln unter meinen Liebkosungen erneut anspannen. Meine Hand, die unschuldig über deine Seite streicht, wandert langsam zu deiner Hüfte und erneut streiche ich über den Hosebund deiner Boxer, die noch immer störend an deinem Körper liegt und dennoch nicht verhüllen kann, wie sehr du meine Berührungen genießt. Vorsichtig lasse ich meine Finger über den schwarzen Stoff gleiten, streiche zaghaft über die Erhebung unter diesem. Sofort sehe ich zu dir auf, als ich das leise Keuchen höre, das deiner Kehle entspringt, schaue in deine wieder so unsicher wirkenden Augen, die dennoch nach mehr verlangen, sich lustvoll verdrehen, ehe du dich wieder in das Kissen fallen lässt, deine Hüfte meiner Hand sanft entgegen drückst. Nur zu gern, komme ich deinem Wunsch nach, schiebe meine Finger zwischen deine erhitze Haut und dem weichen Stoff deiner Shorts. Willig hebst du deine Hüfte an, lässt mich deine störende Unterwäsche von dir reißen. Eine leichte Gänsehaut, die kühle Luft, die deine Beine streichelt, meine Finger, die es ihr gleichtun. Vorsichtig streiche ich die Innenseite deiner Oberschenkel entlang. Dein leises unterdrücktes Keuchen, das eine Gänsehaut auf meinem Körper auslöst. Zaghaft schiebe ich meine Hand höher, berühre deinen Unterbauch. Spüre, wie sich deine Muskeln anspannen, während ich deine gesamte Schönheit betrachte, die mich süchtig nach dir macht. Nehme deinen flehenden Blick wahr, lasse meine Finger tiefer sinken, lasse sie vorsichtig über deine Erregung streifen. Die Hitze, die in meinen Körper steigt, als ich sehe, wie du deinen Kopf in den Nacken wirfst, deine Finger in das weiße Betttuch krallst, deine Laute unterdrückst, sie nur als leises Wimmern an mein Ohr dringen. Verlange bitte nicht, dass ich aufhöre… Ich ziehe meine Hände zurück, schaue in deine Augen, die mich lüstern ansehen, ehe ich meinen Kopf auf deine Hüfte sinken lasse, meine Lippen deiner Länge begegnen, sie sanft mit Küssen übersähen. Einzelner meiner Strähnen fallen auf deine schönen, langen Beine. Dein Aufkeuchen, als ich zaghaft über deine Spitze lecke, du deinen Rücken durch drückst, dich mir entgegen bewegst, nach mehr forderst. Verlangend umschließen meine Lippen deine Erregung, nehme dich ganz in mich auf. Meine Zunge, die immer wieder gierig über deine Spitze leckt, sie leicht anstupst, dir ein lautes Stöhnen entlockt, als ich über die pulsierende Ader streife, sie neugierig erkunde. Deine Stimme, die sich nicht mehr unterdrücken lässt, dein sich aufbäumender Körper unter mir, der mich verrückt macht. Deine starken Reaktionen, die du nicht verstecken kannst, mich verlangender werden, meine Beherrschung beinahe vergessen lassen. Gierig sauge ich weiter an dir, spüre, wie du dich schwer atmend aufrichtest, dich abstützt, deine Hand auf meine zu bewegst, ehe du dich in sie verkrallst, dein flehender Blick. Ich genieße es, zu sehen, wie du nach mehr verlangst, gewillt deinen Wunsch zu erfüllen, dir deine Leide zu nehmen, lasse ich von dir ab. Sehe wie du dich zurück in die Kissen fallen lässt, deine Brust, die sich noch immer hektisch hebt und senkt. Ich strecke meine Hand nach meinem Nachttisch aus, hole das Nötigste aus der kleinen Schublade, ehe ich meine störende Hose samt Boxer von meiner Hüfte streife, dich betrachte, meinen Blick über dich streifen lasse, deine Schönheit genieße, während ich mich mit Material versorge, das kühle Gel auf meinen Finger verteile. Vorsichtig drücke ich deine Beine ein Stück weit auseinander, beginne zaghaft deine Rundung zu streichen, fahre deine Pospalte entlang, reize deinen Muskel, ehe ich erneut zu dir schaue, erkenne, wie dein Kopf noch immer in deinem Nacken liegt, deine Augen geschlossen hast und leise aufkeuchst, als ich meinen Finger zaghaft in dir versenke, spüre, wie deine Muskeln sich anspannen, dein lauter werdendes Keuchen wahrnehme, du dich vollkommen verspannst, der Widerstand größer wird. Ich lege meine andere Hand auf deine Hüfte, streiche sanft über deinen Unterbauch, um dich ein wenig zu beruhigen, um dir nicht wehzutun. Ich warte ab, lasse meine Finger sanft weiter über deine heiße Haut wandern, streichele beruhigend über deine Seite und ich kann spüren, wie du dich langsam etwas entspannst, ich mich leichter in dir bewegen kann, deine Innenwände vorsichtig nachfahre, sie streichele, bis ich meinen zweiten Finger folgen lassen kann, mich weiter zaghaft in dir bewege. Deine entspannten Muskeln, die mir Spielraum geben, mich freier bewegen lassen, mir gewähren meinen letzten Finger in dich zu führen. Streichele noch immer beruhigend über deinen Unterbauch, während meine Finger tiefer in dich dringen, dich zurückhaltend, vorsichtig weiten. Dein leises Aufkeuchen, als sich meine Finger zurückziehen. Deine Beine, die du noch etwas spreizt, als ich deine Hüfte leicht anhebe, meinen Unterleib sanft gegen deinen drücke. Meine Finger die sanft über deine Seite fahren, als ich dir noch einen Blick zuwerfe, deinen verlangenden Blick auffange, vorsichtig in dich eindringe. Dein lautes Stöhnen, das mich erzittern lässt. Lasse meinen Blick erneut zu deinen Augen wandern, die mich noch immer lüstern und verlangend ansehen. Du legst deine Beine um meine Hüfte, drückst dich näher an mich. Schiebe mich tiefer in dich, entlocke dir immer wieder ein leises Stöhnen, beobachte zufrieden, wie du deine Augen lusterfüllt verdrehst, deine zierlichen Finger in das weiße Lacken krallst. Deinen Kopf in den Nacken wirfst, als ich mich beginne in dir zu bewegen, höre meine eigene Stimme, die sich zu einem lauten Stöhnen verzieht. Deine heiße Enge, die mich verrückt macht, mir meine Sinne raubt, mich nur noch dich spüren lässt. Wie du in meinen Rhythmus einsteigst, deine Muskeln immer wieder anspannst und sie wieder entspannen lässt, mir die Hitze in meinen Körper treibst. Die Lust, die mich vollkommen überschwemmt. Langsam lasse ich mich über dich sinken, stütze meine Hände auf der Bettdecke ab. Spüre deine warme Hand, die sich in meine Schulter krallt. Dein schnelles Atmen, das in mein Ohr dringt, meine Bewegungen schneller werden, mich immer verlangender in dich stoßen lässt. Spüre, wie du dich mir weiter willig entgegen bewegst, mich voran treibst und mich schließlich mit einem lauten Stöhnen in dir kommen lässt, höre dein lautes Aufkeuchen, als du deinen Kopf in den Nacken wirfst mit einem weiteren lauten Aufschrei zum Höhepunkt kommst und du dich kraftlos, schnell atmend in die Kissen fallen lässt. Erschöpft richte ich mich auf, will mich aus deinem Körper zurück ziehen, doch deine Beine, die du noch immer um meine Hüfte geschlungen hast, halten mich fest, binden mich an dich. Ich sehe zu dir auf, erkenne das zufriedene Lächelnd auf deinem Gesicht. Vorsichtig lehne ich mich über dich, gebe deinem Wunsch nach, bleibe bei dir, schmiege meine Wange an die deinige. Doch nur kurz verhaaren wir so, ehe ich mich komplett aus dir zurückziehe, mich aufrichte und nochmals deine ganze erschöpfte Schönheit betrachte, erkenne, wie die weiße Flüssigkeit deine langen, makellosen Beine entlang rinnt. Lächelnd beuge ich mich tiefer, lasse meine warme Zunge über die Innenseite deiner Oberschenkel gleiten, lecke den weißen Lustsaft weg, ehe ich mich einfach zu dir und die Decke über uns lege, deinen bebenden Körper an meinen ziehe und meine Arme um dich schlinge. Deinen Kopf, den du an meine Brust legst. Meine Finger, die über deinen Schopf streichen, bis du dich etwas von mir löst, mich glücklich anschaust. Sogleich da dein Blick meinen trifft, drücke ich dich näher an mich, küsse deine Stirn. Spüre, wie du dich näher an mich kuschelst und ich dir ein leises “Ich liebe dich” in dein Ohr hauchen kann, ehe ich dein leises gleichmäßiges Atmen wahrnehme und ich sehe, wie du mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen in meinen Armen schläfst. Kapitel 12: Kapitel 11 (ohne adult) + Kapitel 12 ------------------------------------------------ Kapitel 11 (ohne Adult) Für einige Sekunden sehe ich dich einfach nur an, ehe ich meine Tasche nehme und gehen will. Moment, da war doch noch etwas. Wieder einmal so ein Gedanke, dass ich etwas vergessen habe, aber ich komme einfach nicht… Doch! Ich weiß es wieder! Schnell gehe ich die paar Schritte zu dir zurück, sehe dich entschuldigend an. “Ich hab Shin versprochen, dass ich mit ihm lerne, heute.” Unser Timing ist aber auch wieder super. “Aber doch nicht den ganzen Tag lang, oder?” Dein Lächeln ist noch genauso breit, wie vorhin, als ich zugesagt habe. Und du hast ja auch Recht. “Du kannst mich ja einfach um sechs Uhr an dem Spielplatz abholen. Der liegt auf dem Weg von Shinya zu mir nach Hause. Weißt du, wo der ist?” Das würde doch passen! Ich tue so, als würde ich nach Hause gehen und meine Eltern denken, dass ich noch bei Shin bin, also eigentlich perfekt. “Ich glaube schon.” “Okay, dann bis nachher” Und jetzt schnell raus hier, immerhin ist die letzte Stunde rum und ich bin wirklich nicht scharf darauf, noch länger als ich muss, hier zu bleiben. Außerdem wartet Shinya schon wieder mit so einem genervten Gesichtsausdruck. Ich weiß ja, dass er es hasst, wenn er warten muss. Warum wir dann jeden Tag ganze 15 Minuten zu früh an der Bushaltestelle stehen, verstehe ich auch nicht. Aber sei’s drum. Wozu bin ich eigentlich hier? Shinya sitz auf dem Boden, schreibt die Kanji aus meinem Buch ab, um sie sich so einzuprägen, während ich ebenfalls auf dem Boden sitze und ihm einfach nur zuschaue. Als hätte ich gerade nichts besseres zu tun. Warum fragt er mich dann überhaupt, ob ich ihm helfen soll, wenn er das doch eh alleine machen kann. Ich kann ja schon mal anfangen meine Klausur zu berichtigen. Dann muss ich das zumindest heute Abend nicht mehr machen, wenn ich nach Hause komme, obwohl es dir wahrscheinlich eh egal ist, ob ich das mache oder nicht. Du willst ja, dass ich besser in Mathe werde, aber du wirst mir das sicher verzeihen, wenn ich die Hausaufgabe erst nächste Woche vorliegen habe. Aber ich habe ja gerade eh nichts anderes zu tun… Seufzende krame ich mein Matheheft aus meiner Tasche, schlage es auf und sehe mir meine Fehler an. Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich tatsächlich acht Notenpunkte bekommen habe und ich verstehe auch wirklich noch nicht, wie ich das geschafft haben soll. Immer wieder schaue ich auf das Display meines Handys um die Uhrzeit zu erfahren und ich bin ja auch zu früh, also kann ich dir keinen Vorwurf machen. Zumindest deswegen nicht. Wirklich Lust hier herumzustehen, habe ich dennoch nicht, also schlendere ich langsam zu der Bank herüber, setze mich und sehe den Kindern zu, wie sie auf dem Spielplatz toben und spielen. Wäre sicher auch mal wieder lustig einfach nur zu schaukeln, aber das kann ich jetzt natürlich schlecht machen. Wie peinlich das wäre und die ganzen Mütter, die auf den anderen Bänken sitzen und auf ihre Schützlinge aufpassen, würden mich sicher anstarren. Also bleibe ich sitzen. Eigentlich könnte ich mir die Kanji für morgen ja auch noch mal ansehen. Unmotiviert beginne ich nach meinem Buch zu suchen. Wie schade. Leider, leider habe ich das Lernmaterial bei Shinya vergessen. Zumindest habe ich so eine Ausrede, warum ich eben nicht lerne. Ich kann das ja eigentlich auch, da hatte Shin nicht ganz unrecht mit seinem Kommentar, dass wir das aus Kyoto ja eh alle können. Ich weiß nicht, ob das auf alle zutrifft, aber mir liegt das wirklich irgendwie. Ich kann sie mir einfach gut merken. Der Test morgen wird schon nicht so schlecht. Nach etlichen Minuten, sehe ich endlich dein Auto, das vor dem Spielplatz zum Stehen kommt. Sofort nehme ich meine Tasche, gehe langsam auf deinen Wagen zu, ehe ich mich hineinsetze und mich anschnalle. Und schon hast du dich zu mir rübergebeugt, legst deine Lippen sanft auf meine, sofort drehe ich meinen Kopf von dir weg. Kurz siehst du mich überrascht an, fährst aber gleich los, da du im absoluten Haleverbot gestanden hattest. “Was ist?” Ich seufze leise. Eigentlich habe ich mich doch so auf unseren gemeinsamen Abend gefreut, aber in diesem Moment würde ich am liebsten einfach wieder aussteigen. “Du hast meine Klausur gefälscht.” Ein Wunder, dass mir das erst später aufgefallen ist. Die Lösungen, die in meinem Heft gestanden hatten, waren einfach nicht meine und die Kanji meines Namens hab ich auch nicht so dahingeschmiert. Außerdem hatte in meinem richtigen Heft auch noch die alte Klausur drin gestanden. “Ich hätte dir das auch noch gesagt.” Für wie blöd hält der mich eigentlich? Hat er gedacht, dass ich das von allein nicht herausfinde und er mir das sagen muss? Dann hätte er das gleich von Anfang an tun können, oder nicht? “Tut mir Leid.” Ich seufze leise. Ich weiß gar nicht genau, warum mich das so sauer macht. “Du kannst doch nicht einfach Dokumente fälschen. Wenn das raus kommt…” Ja, vielleicht habe ich einfach nur Angst. Reagieren Eltern nicht genauso, wenn ihre Kinder etwas anstellen und sie sich Sorgen machen? Sind sie dann nicht auch sauer und wütend? “Ich weiß.” “Mach so was nie wieder.” “Ich kann das Heft auch verschwinden lassen. Ich habe ja dein altes noch bei mir herumliegen.” Unsicher sehe ich zu dir. Dann müsste ich mich ja von meiner drei verabschieden. “Welche Note hab ich denn wirklich?” Ich will es gar nicht wissen. Das kann gar nicht gut sein und dein leises Seufzen lässt auch nichts besseres verheißen. “Du hattest so ziemlich jede Aufgabe falsch.” Also wie immer. Das ist aber auch immer das Einzige, was positiv ist. Ich konnte mich gar nicht mehr verschlechtern. “Und wenn ich die drei jetzt einfach behalte und beim nächsten Mal bekomme ich wieder meine eigentliche Note?” Lieb lächelnd schaue ich zu dir herüber und du nickst. “Danke!” Nach kurzer Zeit sind wir bei dir zu Hause angekommen. Du bist ganz selbstverständlich einfach zu dir gefahren. Ich weiß ja, dass man uns nicht zusammen sehen darf. Auch, wenn ich es schön gefunden hätte, wenn wir mal zusammen weggehen könnten. Egal wohin. Ins Kino oder schön essen oder auch einfach nur in einen kleinen Wald spazieren. Aber das geht ja leider nicht und das muss ich akzeptieren. Ich sollte froh sein, dass du dich überhaupt auf so etwas eingelassen hast und dass du doch sowieso schon so viel für mich riskierst. Und wenn wir uns eben nur so sehen können, dann ist das auch okay so und dann will ich die wenige Zeit, die wir allein verbringen können auch genießen. Lächelnd steige ich aus deinem Wagen, warte, bis du dein Auto abgeschlossen hast und mit mir zu deiner Eingangstür gehst. “Das letzte Mal als du hier warst, konntest du keinen Schritt alleine gehen.” “Ich finde, dass du mich trotzdem tragen könntest.” Grinsend schaue ich zu dir auf. Ob du das wohl machst? Und noch ehe ich eine Antwort darauf finde, hebst du mich auf deine Arme, antwortest so auf meine unausgesprochene Frage. Ich schlinge meine Arme um dich, halte mich an dir fest, da ich nun wirklich nicht scharf darauf bin, herunter zu fallen. Aber ich weiß ja, dass du mich auch nicht runter fallen lassen würdest, viel zu fest liegen deine Arme um meinen Körper, der sich an deinen kuschelt. “Aber nicht einschlafen.” “Ich doch nicht.” Um ehrlich zu sein, könnte ich genau jetzt, hier in deinem Armen schlafen. Aber ich bin immer müde, wenn ich morgens so früh aufstehen muss und deine Nähe und die Wärme, die von deinem Körper ausgeht, wirkt auch noch förderlich auf mein inneres Schlafbedürfnis. Du schließt die Tür hinter dir, als du endlich eingetreten bist, hältst mich noch immer fest, trägst mich weiter durch dein Haus, wo auch immer du mich hinbringst. Als wir im Wohnzimmer ankommen, setzt du mich auf deiner Couch ab, setzt dich zu mir und ziehst deine Schuhe aus. Wie unhöflich. Nicht, dass ich noch deinen Teppich versaue. Schnell streife ich auch meine Schuhe über meine Füße, sehe dich fragend an, doch noch bevor ich meine eigentliche Frage stellen kann, nimmst du mir meine Schuhe aus meiner Hand, erhebst dich und bringst sie weg. Ich hätte doch auch gehen können. “Beeil dich.” Immerhin will ich heute auch noch was von dir haben und nicht nur meine Schuhe. Tatsächlich bist du nach paar Sekunden wieder bei mir. Gut, wie lange kann es auch dauern, bis man zwei Paar Schuhe in den Flur bringt, um sie dort abzustellen? Erneut nimmst du neben mir Platz und sofort kuschele ich mich an dich, bemerke, dass ich noch nie in deinem Wohnzimmer war. Interessiert schaue ich mich um. Die meisten Möbel scheinen eher alt zu sein, aber es sieht trotzdem gut aus. Nur der Flachbildfernseher passt irgendwie nicht ganz in das Gesamtbild. Wie kannst du dir den überhaupt leisten? Du arbeitest doch noch gar nicht so lange und nach dem Studium gibt es bestimmt andere Dinge, die man vielleicht noch bezahlen sollte. “Sag mal. Möchtest du vielleicht hier schlafen?” Fragend lege ich meinen Kopf schief. Meinst du das gerade ernst? Wie soll denn das gehen? “Ich hab doch morgen Schule.” “Ich auch.” Ein kleines Grinsen schleicht sich auf deine Lippen, aber wirklich nachvollziehen kann ich gerade nicht, was du denkst. “Ich glaube nicht, dass meine Eltern das so toll finden, wenn ich sage, dass ich bei Shin übernachte. Am Wochenende schon, aber so mitten in der Woche...” Andererseits hab ich da auch noch nie so wirklich nachgefragt. Die Frage ist einfach nie aufgekommen und eigentlich würde ich schon sehr gern hier schlafen. “Du kannst ja mal zu Hause anrufen und deine Schulsachen hast du doch eh dabei.” Und alles andere könnte man wahrscheinlich auch irgendwie organisieren. Und noch bevor ich genauer drüber nachdenken kann, hältst du mir dein Telefon hin, lächelst mich aufmunternd an. Ich kann’s ja versuchen. Ich hasse es, meine Mum anlügen zu müssen, aber andererseits kann ich heute bei dir übernachten. Ich kann immer noch nicht glauben, dass meine Mutter mir das erlaubt hat und mir tatsächlich geglaubt hat, dass ich noch mit Shin lernen müsste. “Willst du was essen oder irgendwas trinken oder eine DVD schauen?” Durst und Hunger habe ich nicht, immerhin habe ich vorhin bei Shinya genug gegessen, da seine Mutter ja der Meinung ist, dass wir beide viel zu dünn sind, deswegen hat sie uns auch mit Kuchen und Keksen voll gestopft und das spüre ich jetzt noch. Schnell schüttele ich meinen Kopf, überlege dann kurz. “Heimkino!” “Was anderes geht ja leider nicht. Was denn für einen Film?” Ja leider, aber es spielt doch eigentlich keine Rolle, was wir machen und wo. Hauptsache, wir sind zusammen. “Was hast du denn da?” “Romantik, Dramen, Komödien, Tragödien, Action, Science Fiktion, Horrorfilme, Schnulzen… alles, was du willst.” Eigentlich wäre ich für einen Horrorfilm, aber ein kurzer Blick nach draußen, verrät, dass es einfach viel zu hell ist, um einen Film dieses Genres zu schauen. “Können wir nicht später einen Horrorfilm schauen, wenn es dunkel ist?” “Wir können es auch einfach dunkel machen.” Schon stehst du neben deinem Fenster, lässt die Jalousien herunter und das Zimmer ertrinkt langsam in Dunkelheit. Schnell mache ich die kleine Lampe an, die neben mir steht, damit wir überhaupt noch etwas sehen. Nachdem du endlich den Film eingelegt hast, kommst du auch schon wieder zurück zu mir, legst deinen Arm um mich und ich rutsche näher an dich heran, lehne mich an deine Brust, schaue gebannt auf den Film. Romantik pur! Im Laufe des Filmes hast du dich immer weiter an mich gekuschelt, nicht weil du wirklich Angst gehabt hattest, sonst hättest du deine Augen geschlossen, dein Gesicht in meinem Oberteil vergraben, doch du starrtest einfach weiter gebannt auf den Bildschirm, der verzerrte Fratzen und schrille Geräusche von sich gab. Ich hätte niemals gedacht, dass du so etwas mögen könntest, aber es ist einfach wundervoll immer wieder neue Seiten an dir zu entdecken. Mittlerweile lag dein Kopf sogar auf meinen Schoß und meine Finger kraulten durch dein Haar, strichen über deinen Rücken. Ich hatte sogar Angst, dass du mir einfach einschlafen würdest. Wie du das bei solch einer Geräuschkulisse schaffen solltest, war mir zwar ein Rätsel, aber zuzutrauen wäre es dir auf alle Fälle. Einen wirklichen Unterschied würde das aber auch nicht machen, immerhin bist du total in die Handlung des Filmes versunken. Ob du mich überhaupt noch wahrnimmst? Ehrlich gesagt hatte ich keine Lust mehr, dich mit meinem Fernseher zu teilen und war einfach nur froh, als der Abspann verriet, dass der Film endlich sein Ende gefunden hatte. Schnell suchte ich nach der Fernbedienung, die ich zu Beginn auf das Sofa gelegt hatte und nun zum Ende hin, war sie natürlich wieder unauffindbar, obwohl wir uns kaum bewegt hatten. Ein typisches, einfach nicht zu erklärendes Phänomen. Wenige Sekunden später, war der Bildschirm schwarz, flackerte nur noch leicht. Ich sah zu dir herunter, erkannte deine müden Augen und dein herzhaftes Gähnen im gedämmten Licht der Lampe, die neben uns stand. “Nicht einschlafen.” Meine leise gehauchten Worte, prallten gegen deine Lippen, als ich mich zu dir beugte, sanft begann deine Lippen zu liebkosen, meine Hand in dein Haar schob und begann dich zärtlich zu kraulen. Nur kurz bist du auf meinen Kuss eingegangen, bevor du dich von mir gelöst und dich aufgerichtet hattest. “Hier ist es unbequem.” Ich musste lächeln, als du mich so schmollend angesehen hattest und stimmte zu. So eine Couch ist wirklich nicht das Komfortabelste, was es gibt. “Und wo willst du lieber hin?” Grinsend richtete ich meine Frage an dich, ob du auf meinen kleinen Flirt eingehen würdest? “In dein Bett.” Deine gehauchten Worte und dein lüsterner Blick machen mich fast wahnsinnig. Dass du so sehr darauf eingehen würdest, hatte ich wirklich nicht erwartet und ich liebe diese Seite an dir schon jetzt. “Dann gehen wir.” Eben so leise, hauche ich dir meine Worte in dein Ohr, ehe ich kurz über dieses lecke, dich wieder auf meine Arme hebe und dich in mein Schlafzimmer trage. Ich spüre deine Lippen an meinem Hals, fühle, wie du an meiner Haut saugst, meinen Hals mit kleinen Küssen bedeckst. Du weißt gar nicht, was du damit in mir auslöst. Ich drehe meinen Kopf etwas zur Seite, so dass du mehr Angriffsfläche hast. Hör bitte nicht auf. Erst als ich vor meinem Bett stehe, löst du dich von mir und ich setze dich auf der weichen Matratze ab. Ich schaue zu dir herab, sehe deinen lasziven Blick, mit dem du mich ansiehst, deine Zunge wandert kurz über deine Lippen. Gehört das noch immer zu unserem kleinen Spiel? Egal. Ich will dich. So, wie ich es immer wollte. Doch nun kann ich nicht mehr warten, habe es nie gekonnt und dennoch musste ich mich so lange nach diesem Moment sehnen. […] Erschöpft lasse ich mich einfach neben dich fallen, lege die Decke über uns, ziehe deinen bebenden Körper an meinen und schlinge meine Arme um dich. Deinen Kopf, den du an meine Brust legst. Meine Finger, die über deinen Schopf streichen, bis du dich etwas von mir löst, mich glücklich anschaust. Sogleich da dein Blick meinen trifft, drücke ich dich näher an mich, hauche einen kleinen Kuss auf deine Stirn. Spüre, wie du dich näher an mich kuschelst und ich dir ein leises “Ich liebe dich” ins Ohr hauchen kann, ehe ich dein leises gleichmäßiges Atmen wahrnehme und sehe, wie du mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen in meinen Armen schläfst. Kapitel 12 … Lebkuchenherz… um meinen Hals… Schmusekatze…. Zuckerwatte… ich liebe dieses Zeug… kann nicht genug bekommen… ich will immer mehr… Rotierungen um die eigene Achse… um dich… um mich… Feuerwerk… ein Kuss.. Wir… zusammen… Kirschblütenfest… hanami… wunderschön… 1 Jahr… ein ganzes… wir beide… inmitten von Massen… deine Arme um meinen Körper geschlungen… deine Lippen auf meinen… ein ganzes Jahr… Erschrocken richte ich mich auf, als ich das laute Klingeln an meinem Ohr wahrnehme, mich sofort irritiert umsehe und erst jetzt den leichten Schmerz spüre, der mich zwingt, mich langsam zurückfallen zu lassen. Was ist los? Was ist das für ein unangenehmes Gefühl? Völlig perplex sehe ich zu dir herüber, wie auch du dich langsam aufsetzt, den kleinen Störenfried neben deinem Bett zum Schweigen bringst, ehe du dich zu mir umdrehst, dich zu mir herunter beugst und mir einen kleinen Kuss auf meine Lippen hauchst. Warum hast du eigentlich einen Flachbildfernseher, aber keinen Wecker, der einen sanft aus dem Schlaf holt und nicht mit solch einem ohrenbetäubendem Geräusch. Das ist doch grausam! Schmollend sehe ich zu dir auf, strecke meine Arme nach dir aus und sofort rutscht du mit einem Lächeln auf deinen Lippen zu mir herüber, legst deine Arme um mich und drückst mich näher an deinen warmen Körper. Deine Finger verfangen sich in meinen blonden Haarsträhnen, als du beginnst, zärtlich durch mein Haar zu kraulen. Für einen Moment schließe ich einfach meine Augen, aber so geweckt, kann ich eh nicht mehr einschlafen, da ist es auch egal, wie schön deine Nähe und Wärme ist. “Kauf dir einen anderen Wecker.” Ich frage mich, ob du mich überhaupt verstanden hast, so sehr, wie ich genuschelt habe. Und wenn ja, kauf mir auch einen anderen. Meiner ist mindestens genauso schlimm, wie deiner. Furchtbar. Wer erfindet so etwas? Und wessen bescheuerte Idee war es, dass die Schule so früh am Morgen beginnt? “Ich werde mal nach einem suchen.” Und finden! Um das Finden geht es. Suchen kann ich auch und zwar schon seit Jahren, aber bisher blieb dieses immerwährende Suche nach einem Wecker mit angenehmen Klingelton erfolglos. Vielleicht hast du ja mehr Glück. “Wie geht es dir?” Deine leise Frage lässt mich wieder aufblicken, in dein ernst schauendes Gesicht sehen. Warum fragst du so etwas denn? Irritiert sehe ich dich an, bis mir endlich klar wird, was du meinst und ich sogleich spüre, wie sich meine Wangen leicht rötlich färben, zumindest fühlen sie sich wärmer an, als eben noch. Schnell nicke ich nur. Das ist einfach peinlich, darüber zu sprechen. Können wir nicht einfach weiter über die katastrophale Umsetzung der Weckeridee reden? Davon scheinst du nicht viel zu halten, siehst mich einfach weiter besorgt an. Ein leises Seufzen verlässt meine Lippen, als ich meinen Blick anwende. “Tut bisschen weh.” Irgendwann hättest du das ja doch gemerkt und ich will dich auch nicht anlügen, aber noch weniger will ich, dass du dir Sorgen machst und dich dafür verantwortlich fühlst. So schlimm ist es wirklich nicht. Aber dafür umso peinlicher. Hoffentlich merkt das gleich keiner. Man sagt doch immer, dass man danach nicht mehr richtig laufen und sitzen kann und das muss ich ja aber wohl, immerhin hab ich gleich Schule und… warum konnten wir nicht einfach damit warten? Ich sterbe wirklich an Ort und Stelle, wenn das jemand sieht! Die denken doch eh schon, dass ich mit Shinya zusammen bin und dann auch noch mit dieser Rollenverteilung … Oh Gott! Seufzend ziehe ich mir die Decke über meinen Kopf. Das ist so verdammt peinlich! Vielleicht sollte ich gar nicht drüber nachdenken. Genau! Also wo bin ich vorhin gewesen? Ah ja… die Weckerklingeltonproblematik! Dafür lässt sich sicher eine Lösung finden, nur irgendwie will mir da gerade nicht so wirklich was einfallen… Und du hilfst mir auch nicht gerade dabei, als du mir einfach die Decke von meinem Gesicht ziehst und mir einen kleinen Kuss auf meine noch immer gerötete Wange hauchst. Du sollst mich doch nicht küssen, wenn ich dabei bin, eine weltrevolutionäre Erfindung zu… naja… erfinden?! “Ich will zu Hause bleiben.” Also nicht bei mir zu Hause, sondern bei dir. Das tut doch ziemlich weh und ich will nicht, dass das jemand sieht und ich will nicht mit Schmerzen in die Schule und ich bin eh müde und ich kann ja doch nicht hier bleiben. “So schlimm?” Schon wieder schaust du so besorgt. Du brauchst dir wirklich keine Sorgen machen. “Nein.” Doch, aber das ist egal. Ich will dir keinen Ärger machen. Du würdest es sicher okay finden, wenn ich zu Hause bleiben, also einfach hier weiter schlafen würde, aber das gibt doch nur wieder Ärger. Ich kenn doch Shinya, der ruft mich immer gleich nach der Schule an, wenn ich nicht hingehe und dann merken meine Eltern was und das geht einfach nicht! Ich höre, wie du leise neben mir seufzt, mich noch immer in deinen Armen hältst. “Dann bleib wirklich zu Hause. Ich bekomme das schon irgendwie hin.” Mit einem schwachen Lächeln auf deinen Lippen, siehst du zu mir, hauchst mir einen kleinen Kuss auf meine Stirn, doch sofort schüttele ich meinen Kopf. Das geht nicht. Ich will nicht, dass du Stress deswegen bekommst, weil ich so ein paar Schmerzen nicht aushalten kann. Dann reiß ich mich eben zusammen! Sanft legst du deine Hände an meine Wangen, drehst meinen Kopf vorsichtig zu dir, um mir in meine Augen sehen zu können. “Das krieg ich schon hin, okay? Das ist meine Schuld und dann schicke ich dich sicher nicht so zur Schule.” Du setzt einen weiteren Kuss auf meine Lippen und ich schließe meine Augen, denke darüber nach. Ich hätte das gar nicht sagen sollen. Nicht, dass ich Schmerzen habe und auch nicht, dass ich nicht in die Schule will. Warum kann ich denn nicht einmal meine Klappe halten? Jetzt ist es eh zu spät und dein Blick scheint auch keine weiteren Widerworte zu dulden. Dann muss ich gleich Shinya anrufen… und meine Eltern und dann irgendwie schnell nach Hause kommen, damit ich daheim bin, wenn Shin bei mir anruft und mal wieder genau wissen will, was ich habe. Also nicke ich einfach leicht, ehe mir da doch noch was einfällt. “Ich schreib aber heute diesen Test über Kanji. Du weißt doch, dass man ein Attest braucht, wenn man zu Klausuren und Tests fehlt.” Eigentlich müsstest du das wissen, immerhin unterrichtest du ja auch bei uns und zu den Mathestunden und Arbeiten fehlen besonders gern irgendwelche Leute. Außerdem will nicht zum Arzt! Ich geh in die Schule! Und tatsächlich habe ich es dann doch irgendwann geschafft dich zu überzeugen, dass es gar nicht so schlimm ist und ich lieber zur Schule gehen würde, als zu einem Arzt. Außerdem hatte ich eh keine Lust den blöden Test nachzuschreiben. Die Nachschreibklausuren sind immer viel schwerer, weil sich die Lehrer an einem rächen wollen, wie man es denn hätte wagen können, ausgerechnet am Tag der Klausur krank zu werden, so dass die Lehrkraft eine neue konzipieren muss. Ja, wie kann man nur… Aber ich bin einfach nur froh, dass du mir dann doch zugestimmt hast, dass das nur unnötigen Ärger machen würde, anstatt sich mit mir zu streiten. Ich glaube, das hätte ich heute echt nicht mehr verkraftet. Der Tag hat schon so schlecht angefangen. Erst dieser dumme Wecker, für dessen erbärmliches Klingeln ich noch immer keine Lösung gefunden habe und dann noch diese Schmerzen, die sich so langsam mehr und mehr bemerkbar machen, je länger ich sitze, obwohl die Polster deines Autos wirklich schön weich und angenehm sind. Wie ich mich auf die komfortablen Holzstühle unserer Schule freue… Aber das ist der schlechte Teil des Tages, der noch kommt… also noch mal schnell zurück zu dem Part, der zum Glück schon vorbei ist. Ich hab es nicht allein in deine Badewanne geschafft, also musste ich dich um Hilfe bitten, damit du mich über den Badewannenrand wuchtest, um endlich auch mal duschen zu können. Gott, war das peinlich, auch wenn du scheinbar noch immer nicht verstanden hast, wo das Problem war. Eigentlich sollte ich mich freuen, dass du mir geholfen hast, oder? Und während ich geduscht hab, hast du sogar das Frühstück vorbereitet und mich wieder aus dem Gefängnis “Badewanne” geholt, mich mit deiner Wundsalbe versogt, aber darauf muss ich ja jetzt nicht genauer eingehen. Und dann musste ich natürlich noch Shinya anrufen und ihm sagen, dass ich verschlafen hab und dass mein Vater mich wegbringt. Ich weiß, eigentlich hätte ich ihn fragen, ob wie ihn hätten mitnehmen sollen, aber das ging ja schlecht, weil mein Vater in der Arbeit ist und ich nicht einmal zu Hause. Gut, dass Shinya so höflich ist und nicht selbst nachgefragt hat, ob wir ihn nicht mitnehmen könnten. Oh Mann, ich hasse es zu lügen und jetzt hab ich schon zwei Leute angelogen, die mir so verdammt wichtig sind. Gestern Abend meine Mum und heute meinen besten Freund. Ach ja und zu dir war ich heute auch nicht ganz ehrlich… Wow, was für eine Bilanz. Drei Leute in nicht einmal zwölf Stunden. “Süßer? Ich lass dich gleich heraus. Ich glaube, das kommt ein bisschen komisch, wenn ich dich bis zum Lehrerparkplatz mitnehme.” Schon reißt mich deine Stimme aus meinen Gedanken, schaust lächelnd zu mir herüber. Schnell nicke ich. Wir können echt nicht riskieren, dass uns jemand sieht, obwohl ich heute am liebsten auf jeden unnötigen Schritt verzichten würde. Aber anders wird das ja leider nicht gehen. Es sei denn, du würdest mich durch die Gegend tragen. Nette Vorstellung, aber leider nicht durchführbar. Schade eigentlich… Zwei Straßen vor unserer Schule hältst du dann an, schaust dich um, ob auch kein Lehrer oder Schüler in der Nähe ist. Die Bushaltestelle liegt woanders und so viele Leute wohnen hier nicht, die aus dieser Richtung kommen, zumindest habe ich hier morgens noch nie übermäßig viele Schüler gesehen. Schnell versichere ich mich selbst, ob auch niemand da ist, der uns sehen könnte, schlüpfe hastig aus deinem Wagen. Unseren Kuss müssen wir uns für später aufheben, viel zu groß ist die Gefahr, dass uns eben doch jemand sieht, falls sich da doch jemand im toten Winkel deines Autos versteckt hat, nur um uns beide zu erwischen. Bizarre Vorstellung, dass uns jemand hinterher stalken könnte. Aber wer hätte da schon Interesse dran? Für die meisten bin ich ja eh einfach nur unsichtbar und werde ignoriert oder geärgert, aber selbst die wären sich zu fein dafür, mir schon morgens aufzulauern, immerhin haben sie in den Pausen und den Unterrichtsstunden genug Zeit dazu. Außerdem ist hier wirklich keine Menschenseele. Ich sollte aufhören mir so viele absurde Gedanken zu machen, nicht, dass noch jemand auf die Idee kommt, dass ich unter Verfolgungswahn leide. Außerdem sollte ich mich vielleicht ein bisschen beeilen. Shinya hat nämlich eben am Telefon darauf bestanden, dass wir uns vorher noch am Schultor treffen. Wahrscheinlich hält der mir wieder eine Moralpredigt, dass ich abends nicht so lange im Internet rumhocken soll, wenn ich deswegen morgens nicht aus dem Bett komme und dann den Schulbus verpasse beziehungsweise es nicht mehr schaffen würde, ihn zu erreichen. Ich weiß gar nicht, warum der sich dann gleich immer so aufregen muss, immerhin bin ich ja pünktlich und so oft ist das ja nun wirklich nicht vorgekommen und heute eigentlich auch nicht, aber das kann ich ihm ja schlecht erzählen. Der ist sicher nur sauer, weil er allein mit dem Bus fahren musste und Angst hat, dass die Leute, die ihren Spaß daran haben uns auf die Nerven zu gehen, auch einsteigen könnten, obwohl er genau weiß, dass die nie, wirklich nie mit dem Bus fahren. Ich sage ihm einfach, dass ich noch total lange für den Test heute gelernt habe. Ha! Das ist doch die perfekte Ausrede und vor allem schon wieder eine Lüge… Ich gewöhne mich langsam dran und das ist gar nicht gut. Ich sollte mich einfach entschuldigen und gar nichts mehr dazu sagen. Nach wenigen Minuten erreiche ich auch schon das Schulgebäude, sehe Shinya, der wie vereinbart am Schultor steht und auf mich wartet. Und jetzt nur nichts anmerken lassen und ein Lächelnd aufsetzen. Langsam gehe ich zu ihm herüber, hoffe, dass er nicht merkt, dass ich langsamer gehe als sonst und dabei auch noch Schmerzen habe, obwohl es wirklich besser geworden ist. Wir hätten doch bis zum Wochenende warten sollen, dass wäre einfach viel einfacher gewesen, aber dennoch bereue ich nichts. Die Nacht mit dir war wirklich schön, mehr als das und ich würde sie sicher nicht rückgängig machen, auch wenn ich dann diese Schmerzen nicht wären. Heute ist ja auch schon Freitag, also noch ein paar Stunden und dann fängt das Wochenende für uns an. Hoffentlich können wir uns da wieder sehen, vielleicht kann ich ja sogar wieder bei dir übernachten, mich an dich kuscheln, deine Nähe und Wärme genießen. Ich merke, wie ich schon wieder abdrifte, einfach in meine Traumwelt verschwinde, die heute Abend schon wieder real werden könnte. Doch lange lässt mich Shinya nicht hier, reißt mich zurück in die Wirklichkeit, in der es noch immer viel zu früh ist, um schon wach zu sein und in der mein Hintern noch immer tierisch wehtut. Ich will wieder zurück… Anstatt zurück in meinen Traum zu kehren, in dem ich deinen Körper so nah an meinem genoss, spüre ich plötzlich Shinyas Arme, die er um meinen Hals geschlungen hat, mich fest an sich drückt. Was ist denn passiert? Waren diese asozialen Kerle etwa doch in dem Bus und haben irgendwas mit ihm angestellt? Allein der Gedanke daran macht mich rasend, lässt mich meine Arme auch um ihn legen, leicht über seinen Rücken streichen. Irgendwie fühle ich mich schuldig, aber andererseits hätte ich doch auch nichts machen können, wenn ich mitgefahren wäre. Dann hätten sie sicher noch mehr Spaß daran gehabt, uns beide zu ärgern. Für einen kurzen Augenblick, hält er mich einfach fest in seinen Armen, ehe er sich vorsichtig von mir löst, mich ernst anschaust. War es so schlimm? Verdammt, was haben die nur mit ihm gemacht? “Kyo, das tut mir so Leid.” Leise gesprochene Worte, die über seine Lippen gleiten. Worte, die ich nicht verstehe, die für mich keinen Sinn ergeben. Leicht lege ich meinen Kopf schief, sehe ihn fragend an. Kann er denn nicht mal Klartext reden? Was tut ihm Leid? Was ist passiert und wovon zur Hölle spricht er da? Dennoch fährt er nicht fort, sieht schweigend auf den Boden vor sich, schüttelt seinen Kopf, lässt seine langen Haarsträhnen im Wind tanzen, ehe ein leises Schluchzen seiner Kehle entrinnt. Erschreckt sehe ich ihn an, obwohl er noch immer auf die Erde starrt, so, als wäre ich gar nicht da. Ich bin aber da! Und das soll er wissen, dass er doch immer zu mir kommen kann, wenn irgendwas ist und das sieht verdammt danach aus. Ohne wirklich drüber nachzudenken, ziehe nun ich ihn in meine Arme, drücke ihn nahe an mich. Und wenn uns jemand sieht, dann soll er das doch tun, soll uns auslachen, uns als Schwuchteln beschimpfen und von mir aus, sollen ruhig alle denken, dass wir zusammen sind. Wen interessiert schon, was so ein paar Spinner denken? “Hey! Was ist denn los?” Ich versuche meine Stimme so sanft wie möglich klingen zu lassen und ich glaube, das ist mir sogar gelungen, zumindest klang das so in meinem eigenen Ohr. Und auch er kuschelst sich etwas näher an mich, beruhigt sich langsam, ehe er zu mir aufsiehst, seine Stimme an mich richtet. “Was hat er mit dir gemacht?” Kapitel 13: ------------ [Absatz = Wechsel des Erzählers] Kyo “Was hat er mit dir gemacht?”´ Erschrocken starre ich meinen besten Freund an. Er weiß nichts! Woher soll er das denn auch wissen? Nein, er meint ganz sicher etwas anderes. Er kann nur was anderes meinen. Da bin ich mir sicher… Dennoch schaue ich ihn weiter unsicher an, versuche irgendwie ein Lächeln zu Stande zu bringen, frage unschuldig nach, was er denn meint, wovon er denn spricht. “Was hat dieser Niikura mit dir gemacht?” Erneut stellt er mir dieser Frage. Er weiß es, schießt es mir durch den Kopf. Aber woher? Was soll ich sagen? Wie viel weiß er? Weiß er das überhaupt oder ist das seine bloße Vermutung? Irgendwie muss ich das herausfinden, nicht, dass ich noch etwas verrate, was er am Ende vielleicht doch nicht gewusst hat. Durch meinen Kopf schießen einfach zu viele Gedanken, als dass ich mir jetzt eine Strategie hätte ausdenken können, wie ich heraus bekomme, was Shinya nun weiß und was nicht. Verdammt. Vorsichtig löse ich mich einfach von ihm, ziehe meine Arme wieder zurück, starre auf den Boden vor mir. Ich darf nicht unsicher wirken, dann weiß er, dass ich etwas verberge! Mutig sehe ich einfach zu ihm auf, versuche weiterhin meine Unsicherheit zu überspielen, indem ich einfach meinen Kopf leicht schief lege, Shinya leicht irritiert anschaue. “Was meinst du denn?” Ich versuche so zu tun, als hätte ich wirklich keine Ahnung, doch er schaut mich weiter wissend an, geht einen Schritt auf mich zu und schon liegen seine Arme wieder um meinen Körper. Hinter uns ertönt die Schulglocke. Lass uns gehen, nicht mehr darüber reden. “Du brauchst das nicht mehr zu verheimlichen. Ich weiß es doch.” Nein! Du kannst das nicht wissen. Du darfst das einfach nicht wissen… Ich will nicht, dass das mit uns vorbei geht. Ich hab Angst. “Was weißt du? Ich verstehe nicht, was du meinst…” Noch immer verfolge ich meinen Plan, spiele den Dummen, vielleicht gibt er ja auf, wenn er denkt, dass er sich doch irrt. Diese Hoffnung scheint so utopisch, so naiv. Er weiß es. “Ich hab euch gesehen.” Seine Stimme vernehme ich nur als ein leises Flüstern an meinem Ohr, als würde er hoffen, dass das alles nicht real wäre, wenn er die Worte nur leise genug ausspricht. Es ist real, es ist wahr. Das mit uns und das Shinya das herausgefunden hat. “Was hast du gesehen?” Meine Stimme scheint eben so leise, wie seine. Ich will es gar nicht hören. Bitte schweig einfach, sag mir, dass es okay ist, dass du dich für mich freust. Sag mir, dass du mich nur ärgern willst, dass du nichts weißt, dass du das nur vermutest. Sag mir… “Ich hab euch gesehen. Gestern. Ich wollte dir dein Buch bringen. Hast du vergessen. In seinem Auto. Er hat dich geküsst. Du wolltest das nicht.” Seine Sätze wirken so abgehakt, fast emotionslos, als würde er das noch immer nicht glauben können. Ich erinnere mich… Als ich vor dem Spielplatz gewartet habe, das Buch, das ich vergessen hatte. Als ich zu dir ins Auto gestiegen bin und du mich geküsst hast. Als ich mich weggedreht hatte, weil ich sauer war, wegen meiner gefälschten Klausur. Verdammt… Wieso waren wir so unvorsichtig? Wieso haben wir uns nicht umgesehen? Wieso hast du Shinya nicht gesehen, als du an ihm vorbei gefahren bist? “Es tut mit Leid, dass ich dir nicht helfen konnte.” Ich höre seine Worte, aber ich nehme sie nicht wirklich wahr. Hänge meinen Gedanken in seinen Armen liegend nach, versuche irgendwie zu fassen, was er mir gerade erzählt, was das für uns bedeutet. Ob es jetzt vorbei ist? Für immer zu Ende? “Das ist vorbei. Jetzt wird alles gut!” Shinya redet weiter und seine Worte sind wie ein Schlag in mein Gesicht. Ich will nicht, dass es so endet. Ich will überhaupt nicht, dass es irgendwann vorbei geht. Nicht jetzt und niemals. Ich liebe dich doch… Erst jetzt nehme ich wahr, wie Tränen über meine Wangen kullern, kleine rote Bahnen über mein Gesicht ziehen. Ich will das nicht glauben. Lass mich aufwachen. Auch mit dem grausigen Ton des Weckers. Lass mich wach werden… Verdammt, warum fange ich an zu heulen? Das ändert doch nichts. Nein, das ändert nichts… Vorsichtig schiebe ich Shin von mir weg, wische mir meine Tränen aus meinem Gesicht. Das ist doch Shinya. Mein bester Freund seit Jahren. Ich werde ihm einfach alles erklären. Er muss mich einfach verstehen, das hat er doch immer. Ja, nur Shin weiß davon und das muss so bleiben und dann können wir zusammen bleiben. Aber wie soll ich anfangen? Er sieht mich noch immer so mitleidig an. Aber das muss er nicht. Mir geht es doch gut. Ich hab dich und du wirst bei mir bleiben, wenn ich nur meinen Mund aufbekomme, Shinya klar machen werde, dass ich dich brauche, dass ich ohne dich nicht sein will. Dass ich dich liebe… “Kyo, ich glaube, dass unser Direktor mit dir sprechen will” Nein… Lächelnd sehe ich dir kurz nach, ehe ich meinen Wagen wieder in Bewegung setze. Zwar hab ich noch ein bisschen Zeit, aber besser man ist eher da, als zu spät. Ich kann es mir wirklich nicht erlauben, schon wieder nicht pünktlich zu sein. Ich glaube, mein Chef ist noch immer sauer, dass ich am ersten Tag zu spät an meinem Arbeitsplatz erschienen bin. Mit einem leichten Schmunzeln auf den Lippen, erinnere ich mich an meinen ersten Tag. Dem Tag, an dem ich dir zum ersten Mal begegnet bin, mein kleiner Engel. Ich glaube, dass dies wirklich der schönste Tag in meinem Leben war. Nein, eigentlich ist jeder Tag, den wir zusammen verbringen können, einfach nur wunderschön. Mal sehen, ob wir es hinbekommen, dass wir das Wochenende wieder teilen können. Aber erstmal muss ich den Schultag über mich bringen, auch nicht wirklich schlimm, da ich den Job ziemlich gern mache und dich kann ich auch gleich wieder sehen, immerhin unterrichte ich dich, zwar nur eine Stunde heute, aber das reicht mir schon. Jede Minute, in der wir irgendwie zusammen sein können ist kostbar. Ich werfe einen letzten Blick auf die Uhr, dir mir verrät, dass ich noch ziemlich gut in der Zeit liege, ehe ich aus meinem Wagen steige, diesen abschließe und mit meiner Tasche auf das Schulgebäude zuschlendere. Lächelnd setze ich mich einfach in das Gemeinschaftslehrerzimmer, zwar haben wir alle unser eigenes Büro, aber man muss ja nicht in jeder freien Minute arbeiten, oder? Und es sind ja auch nur noch ein paar Minuten, bis der Unterricht beginnt, es würde sich also gar nicht lohnen, jetzt noch etwas anzufangen. Zwar hatte ich gestern nicht wirklich Zeit mich auf den heutigen Tag vorzubereiten, aber ein wenig Improvisation wird schon nicht schaden. Mit einem “Morgen” schnappe ich mir eine Tasse Kaffe und lasse mich einfach auf einen der freien Stühle fallen. Mittlerweile verstehe ich mich ganz gut mit meinen Kollegen. Ich hab wirklich Spaß an dieser Schule, besser hätte es eigentlich gar nicht laufen können. “Kaoru? Der Chef will dich sprechen…” Mich? Was will der denn von mir? Und warum sieht mich mein Kollege so skeptisch an. Irgendwas ist merkwürdig. Naja, vielleicht erfahre ich ja gleich, was los ist. Ich nickte leicht und erhebe mich, nehme meine Tasche vorsichtshalber mit, falls das länger dauern sollte. Mit einem komischen Gefühl im Bauch, verlasse ich das Lehrerzimmer, mache mich auf dem Weg zum Büro des Direktor dieser Schule. Was kann er nur wollen? Vorsichtig klopfe ich an die Tür, ehe ich diese öffne und nach kurzem Zögern das Zimmer betrete. Er sitz an seinem Schreibtisch. Der Computer, der vom steht, ist eingeschaltet, flimmert vor sich hin. Sogleich sieht er zu mir, bittet mich, die Tür zu schließen. Ich nicke, komme seiner Aufforderung nach. Ein weiters Mal bitte er mich, mich zu setzen. Auch dieses Mal tue ich, was er von mir verlangt. Ich spüre, wie ich selbst immer nervöser werde. Irgendwas stimmt doch nicht. Er soll endlich sagen, was er von mir will. Ich halte das nicht aus. Ungewissheit. Fragend sehe ich ihn an, deute sogar ein Lächeln an. Ich hab nichts zu befürchten, oder? Er sieht mich durchdringen an, als würde er versuchen durch meine Augen direkt in meinen Kopf zu schauen, als würde er versuchen meine Gedanken zu lesen. Verdammt, was ist hier los? Kein Lächeln liegt auf seinen Lippen. Er ist vollkommen ernst, als er sich einfach zurücklehnt uns so langsam erstirbt auch das Lächeln, das bis eben noch auf meinen Lippen gelegen hatte. “Uns liegen Informationen vor, demnach sie ein Verhältnis mit ihrem Schüler Nishimura Tooru haben.” Noch immer dieser durchdringende Blick. Meine Augen weiten sich, starren den Mann, der vor mir sitz fassungslos an. Nein! Er kann das nicht wissen. Wie sollte er das erfahren haben? Und nun? Was soll ich sagen? Wie soll ich mich verhalten? Tausende Fragen auf einmal schießen mir durch den Kopf. Was wird aus uns? Ich will dich nicht verlieren. Niemals. Ich liebe dich. Ich spüre, wie mein Herz schnell gegen meine Brust schlägt, beinahe schmerzhaft. Jetzt ist alles aus! Ich kann keinen klaren Gedanken fassen. Immer wieder hallen seine Worte durch meinen Kopf. Bilder von dir, Bilder von unserem Kuss schießen mir durch meinen Kopf. Bilder von letzter Nacht… Ruhig bleiben. Er hat keine Beweise. Er hat nichts gegen mich in der Hand. Gegen uns. Nein, er wird uns nicht auseinander bringen. Das wird keiner tun. Keiner wird das schaffen, mein kleiner Engel. “Wer verbreitet so etwas? Das ist Rufmord.” Ich versuche sicher zu wirken, sehe den Mann vor mir an, wende meinen Blick nicht ab, auch wenn ich es kaum ertrage, dass er mich so anschaut, als würde er genau wissen, was gerade in mir vorgeht. Er weiß es nicht. Er kann es nicht wissen. Ich bin sicher. “Ich werde keine Namen nennen. Und wenn das so ist, dann haben sie mir einiges zu erklären.” Keine Namen. Ich will wissen, wer ihm das erzählt hat. Ihm den Hals umdrehen. Ich werde ihn umbringen, wenn das schief geht und er uns auseinander bringt. Ihn zum Schweigen bringen. Verdammt… “Was genau muss ich erklären?” Warum ich dich berührt habe? Warum ich dich geküsst habe? Warum wir miteinander geschlafen haben? Weil ich dich liebe. Mehr als alles andere auf der Welt. Das kann er nicht wissen und das wird er niemals erfahren. Nie! “Sie haben ihm Nachhilfe gegeben, nicht?” Was fragt er so komisch nach? Ist es verkehrt sich um seinen Schüler zu kümmern, wenn er Probleme hat? Was kann ich denn dafür, wenn alle anderen zu unfähig sind, dir Mathe beizubringen? Ich habe es selbst nicht geschafft, aber darum geht es doch gerade nicht. Verdammt, was schaut der so? Ich will doch einfach nur glücklich mit dir sein. Was habe ich getan, dass man uns nicht einfach in Ruhe lässt? Weil es verdammt noch mal verboten ist? Seit wann kann man Gefühle unter Strafe stellen, sie verbieten? Als hätte ich das unter Kontrolle. Vielleicht hätte ich sie haben müssen. Sanktionen für den fatalen Kontrollverlust? Aber es spielt keine Rolle, jetzt. Konzentration. Ich muss darauf achten, was er fragt, wie er fragt. Was er hören will, was er erwartet. Ich muss aufpassen, was ich sage, wie ich es sage… “Habe ich.” Was ist daran verwerflich? Zweifeln sieht er mich an, wartet auf ein Geständnis. Ich werde nichts sagen. Niemals werde ich zugeben, dass sein Verdacht stimmt. Ich werde darum kämpfen, dich weiter lieben zu dürfen. Ich werde gewinnen. Er hat nichts in der Hand. Nichts. Er darf nichts in der Hand haben. “Warum haben sie ihm das angeboten? So etwas ist nicht üblich.” Warum? Weil ich auch sein richtiger Lehrer bin? Darf ich mich nicht für deine Leistungen interessieren, wenn sie den Unterricht nicht mehr betreffen? Darf ich nicht wollen, dass du gute Noten hast? Darf ich dir nicht helfen, wenn du den Stoff nicht sofort verstehst? Warum? Warum sind die Leute nicht einfach froh, dass ich so engagiert gehandelt habe? Dir helfen wollte? Warum versuchen sie hinter jeder Tat irgendeine Absicht zu sehen? In dem Moment, in dem ich dir meine Hilfe angeboten habe, wusste ich doch selbst noch nicht, wie das mit uns enden wird. Hatte nie damit gerechnet, dass wir ein Paar werden und sicher nicht geplant! “Ich habe zu Beginn einen kleinen Test schreiben lassen, indem er nicht wirklich erfolgreich war. Scheinbar hatten keine bisherigen Nachhilfestunden Erfolg, also habe ich ihm das angeboten.” Ich habe nichts getan… nichts, was du nicht wolltest. Schon wieder dieser skeptische Blick. Der wird ihm nicht helfen. Gefällt ihm nicht, was ich ihm zur Antwort gebe? Findet er keine Anzeichen? Keine Widersprüche? Keine Beweise! Innerlich triumphiere ich, grinse ihn an. Nach außen wirke ich immer noch geschockt… gleichzeitig gefasst. Geschockt, darüber, dass so ein Verdacht aufkommt… gefasst… ich weiß, dass er nichts gegen mich in der Hand hat. Immer noch nicht. Und das wird er auch nie haben! “Hat es denn was gebracht, dass sie ihm geholfen haben?” Wie er mir die Wörter entgegen spuckt. Ja, er ist sauer. Wütend, dass er nichts finden kann, was er mir vorhalten kann. Er sucht krampfhaft nach Beweisen. Ich bin mir sicher, werde immer sicherer. “Sie haben doch die Noten der Klausuren gesehen. Er hat sich verbessert.” Ich weiß, dass die ganzen Noten und auch alles andere im Schulrechner gespeichert werden, dass er Zugriff darauf hat. Er wird sich deine Noten angesehen haben. Wahrscheinlich wird er daraus neue Vorwürfe ziehen… “Das habe ich durchaus gesehen. Von einer sechs auf eine glatte drei. Das ist wirklich beachtlich.” Ja, das ist es. Wie konnte ich nur so dumm sein? Das ist mehr als auffällig, aber es wird nicht ausreichen, um mir irgendwas anzukreiden. Du bist intelligent, immerhin stehst du in fast allen anderen Fächern eins. Es ist zwar erstaunlich, aber nicht unmöglich, sich so zu verbessern. “Mag sein. Aber ihm ist das doch zuzutrauen. Er gehört zu den besten in seinem Jahrgang. Mathematik einmal ausgeschlossen. Er steht in jedem anderen Fach eins.” Wenn du wüsstest, dass deine guten Leistungen mich hier gerade retten. Dafür sollte ich mich noch mal bei dir bedanken. “So? Darf ich fragen, woher sie die übrigen Noten des Schülers kennen?” Überfordert sehe ich den Mann, der noch immer hinter seinem Schreibtisch sitz, an, sehe, wie er auf eine Antwort wartet, die meine Lippen einfach nicht verlassen will. Habe ich mich gerade verraten? Nein… Woher soll ich das auch wissen? Was interessieren mich die anderen Fächer. Das ergibt keinen wirklichen Sinn, egal, was ich sage… Oder doch? Nur komm ich nicht, auf eine passende Antwort. Wenn ich einfach zugebe, dass ich die Akte genommen habe? Die Akte, die noch immer in meiner Tasche ist. Mein Blick wandert zu dem Regal, das links von mir steht. Deine fehlt noch immer. “Wie ich sehe, wissen sie von der fehlenden Akte.” Ja, natürlich weiß ich davon… “Ja. Ich habe sie mir angesehen. Ich wollte wissen, wie seine übrigen Noten aussehen, um zu wissen, ob nur Mathe ein Problemfach ist oder ob er generell Probleme in der Schule hat.” Ich weiß, eine schwache Ausrede. Als hätte ich dich das nicht einfach fragen können. Aber irgendwie muss ich das doch erklären. Was soll ich denn sonst sagen? Dass ich deine Adresse brauchte, um dich zu finden und dir unseren Kuss zu erklären? Wohl kaum… Mein Herz pocht wieder schneller in meiner Brust. Der erste Fehler. Ich muss aufpassen, was ich von mir gebe. Das war dumm! Verdammt dumm. Es geht um uns und ich erlaube mir so etwas. Aber meine Gedanken lassen sich einfach nicht mehr ordnen. Ich hab mich viel zu sicher gefühlt. Kann er nicht endlich aufhören, mir solche Fragen zu stellen? Warum lass ich das überhaupt mit mir machen? “Gibt es irgendwelche Beweise, für ihre Annahmen? Ansonsten würde ich gern in meinen Unterricht.” Ja, es hat soeben geklingelt und ich will einfach nur weg hier. Er soll mich gehen lassen, uns beide. Lass uns gehen und einfach glücklich zusammen sein… “Wie gesagt haben wir Informationen, die diesen Verdacht rechtfertigen und deswegen kann ich sie nicht gehen lassen, so lange diese nicht widerlegt sind.” Natürlich nicht. Und jetzt verdächtig er mich noch mehr. Und daran bin ich selbst Schuld. Wie kann ich nur so dumm sein? Wie, so unvorsichtig? Und dennoch reicht das nicht aus, um mir irgendwas nachzuweisen… “Also kann es sein, dass sie ihm gute Noten versprochen haben, nachdem sie wussten, dass ihm diese wichtig sind, wenn er etwas dafür tut?” “Nein!” Ich habe nie etwas getan, was du nicht wolltest. Vielleicht der erste Kuss. Aber ansonsten niemals. So etwas würde ich nicht tun. Ich glaube es einfach nicht, dass er mich das gerade gefragt hat. Ich bin doch kein Perverser, der darauf steht, seine Schüler zu erpressen. Das habe ich doch nur getan, weil ich dich liebe. Weil ich dich über alles liebe… “Nun sie waren mit Toorus Stufe auf Klassenfahrt, nicht wahr?” Ja, war ich. Worauf will er nun hinaus? Oder ist es wieder nicht üblich, dass man einspringt, wenn einer der Lehrer, die mitfahren wollten, krank wird? “Ja.” Was hat das damit zu tun? Was soll das beweisen? Worauf hinweisen? Das ist alles so absurd. Alles ist okay, bis sich jemand etwas ausdenkt. Und nun ist es nicht mehr okay, alles wird hinterfragt. Für alles muss ich mich nun rechtfertigen. Warum ich dir Nachhilfe gegeben habe, warum ausgerechnet ich eingesprungen bin… Ich habe doch nichts gegen deinen Willen getan. “Als er sich verletzt hat, haben sie ihn nach Hause gefahren.” “Ja.” Woher auch immer er das weiß. Hätte ich dich in deinem Zelt liegen lassen sollen? Was wollt ihr von mir? Ich habe nichts unrechtes getan. Ich war nett zu dir, hilfsbereit. War das jetzt ein Fehler, weil das zu viele Leute mitbekommen haben? “Das war Mittwoch. Tooru ist aber erst am Donnerstag zu Hause angekommen. Mal abgesehen davon, dass er am Morgen in ihrem Zelt geschlafen hat.” Deine Lehrerin, die uns gesehen hat. Ich erinnere mich… Beschämt wende ich meinen Blick ab, was soll ich dazu noch sagen? Woher weiß er, wann du zu Hause angekommen bist? Wieso weiß er das alles überhaupt? Ich hatte gedacht, dass wir aufgepasst haben, dass uns keiner was anhaben kann, wenn wir darauf achten, was wir wo tun. Habe ich mich so getäuscht? “Woher wissen sie das alles?” Angriff als beste Verteidigung, weil mir die Argumente und Ausreden ausgehen? Besser als aufzugeben, oder? “Wir haben seine Eltern benachrichtigt. Tooru war diese Nacht nicht zu Hause.” Nein, war er nicht. Er war bei mir, hat bei mir geschlafen, mit mir. Kurz vergrabe ich mein Gesicht einfach in meinen Händen, kralle meine Finger in mein Haar. Was soll ich dazu noch sagen? Es spricht doch alles gegen mich, oder? Indizien. Kein einziger Beweis. Erneut schaue ich auf, sehe den Mann, der vor mir sitzt an. “Ich habe kein Verhältnis zu meinem Schüler. Ich habe nichts getan.” Fest sehe ich ihm dabei in die Augen. Ich habe keine Angst. Er kann nichts tun. Gar nichts. Er wird uns nicht auseinander bringen. “Das kann ich leider nicht beurteilen. Das wird wohl die Staatsanwaltschaft übernehmen müssen. Dennoch steht es ihnen frei, ob sie selbst kündigen. Arbeiten können sie hier selbstverständlich nicht mehr. Holen sie ihre Sachen aus ihrem Büro und verschwinden sie.” Leicht nickte ich, als ich mich erhebe. Ich will hier nur noch weg. Ist mir scheiß egal, ob ich eine Klage am Hals hab oder nicht. Ich will hier raus. Nachdenken. Wie es weiter geht. Was ich tun soll. Erstmal raus, so schnell wie es geht. Einfach weg. “Kaoru?” Was will er denn noch? Kann er mich nicht endlich in Ruhe lassen? Seine verdammte Fresse halten? Ich will seine Worte nicht mehr hören. Die Worte, die gerade alles zum Einstürzen bringen, was da zwischen uns ist. Ich muss mich beherrschen meine Tränen zu unterdrücken, beiße fest auf meine Unterlippe, bleibe stehen. “Sie wissen, dass man Tooru genauso ausfragen und er wahrscheinlich untersucht werden wird?” Und sie werden die Spuren von letzter Nacht finden. Warum wollen sich dich weiter quälen, wenn sie davon ausgehen, dass ich es schon getan habe? Warum lassen sie dich nicht in Ruhe, wenn das alles so schrecklich und furchtbar für dich sein muss? Ich will nicht, dass sie dir das antun, das hast du nicht verdient. Sie sollen dir nicht wehtun. Ich liebe dich… “Ich werde gestehen.” Jetzt ist alles aus. Vorbei. Für immer zu Ende. Mutlos verlasse ich den Raum, will eigentlich nur noch weg. Wohin auch immer, ich soll. Dennoch schlage ich den Weg zu meinem ehemaligen Büro ein, schlage die Tür hinter mir einfach zu, lege deine Akte auf meinem ehemaligen Schreibtisch nieder. Die wirst du noch brauchen… Ich will aber nicht mit ihm sprechen. Ich will mit niemanden mehr reden. Ich will einfach nur zu dir, mich in deine Arme schmeißen und mich ganz fest an dich kuscheln. Ich will, dass du mich einfach festhältst, mich ganz nah an die drückst, mir deine Wärme und Liebe schenkst. Ich will nicht, dass das alles einfach so zu Ende geht. Das darf nicht sein. Und dennoch werde ich nichts mehr dagegen tun können… Sie wissen es alle. Shinya hat mit unserer Lehrerin gesprochen, weil er allein nicht weiter wusste. Ich weiß, dass er nichts dazu kann. Ebenso weiß ich nicht, wie ich selbst reagiert hätte, wenn ihm so was passiert wäre. Und dennoch hasse ich ihn diesem Moment, hasse den Augenblick, die Situation, diese verdammte Schule und ihre endlosen Korridore, die ich entlang laufe. Immer wieder muss ich die Tränen, die sich in meinen Augenwinkel ansammeln wegwischen, um überhaupt noch was sehen zu können. Immer wieder verwischt der Raum um mich. Nur entfernt höre, ich wie eine Tür hinter mir zugeknallt wird. Es ist mir egal. Ich muss zu ihm, ich muss ihm sagen, dass ich das so wollte, dass ich dich liebe. Ich will dich nicht verlieren. Die können mir dich doch nicht einfach wegnehmen. Ihr habt doch gar nichts gegen uns. Shinya lügt! Es ist einfach alles nicht wahr. Lasst uns doch alle in Ruhe. Wir waren doch so glücklich. Und ihr macht alles kaputt, weil wir nicht in euer Scheiß System passen. Allmählich kocht die Wut in mir hoch oder ist es doch nur die Verzweiflung, die ich einfach nicht mehr unter Kontrolle bekomme? Wie sollte ich auch… Keuchend reiße ich die Tür zum Büro meines Direktors auf. Ich hasse Sport und ich glaube, so schnell bin ich noch nie in meinem Leben gelaufen. Gleich der nächste Schock. Warum ist er nicht allein? Was wollen die hier? Vollkommen irritiert sehe ich in die Gesichter meine Eltern. Meine Mutter hat geweint. Ihre Wangen glühen förmlich. Mein Vater sieht mich ausdruckslos an. Ist er sauer? Was wissen die beiden? Warum fühle ich mich plötzlich so verdammt unwohl in ihrer Nähe? “Tooru, schließ die Tür bitte.” Ich will sie nicht schließen. Ich will nicht hier bleiben. Ich will nicht über uns reden. Das einzige, was ich doch will, ist bei dir zu sein. Warum lasst ihr uns nicht einfach zusammen sein. Wir schaden doch niemandem. Tun niemanden etwas. Und dennoch komme ich seiner Aufforderung nach, schiebe die Tür zurück, starre einfach auf den Boden. Ich will nicht wieder weinen. Lass das alles hier einfach schnell vorbei sein. Bitte… Ich spüre, wie mich jemand in seine Arme zieht, mich nahe an sich drückt. Meine Mutter. Es fühlt sich so fremd an, geradezu kalt, obwohl sie mir doch Halt geben will, oder? Nichts dergleichen kommt bei mir an. Ich fühle mich so allein, ohne dich. Selbst meine Familie ist gegen mich. Sie werden es sein, sobald sie die Wahrheit erfahren. Die Wahrheit, die einfach nicht über meine Lippen kommt. Wie sollte ich auch anfangen? Aber ich muss doch sagen, wie es wirklich war. Dich trifft keine Schuld. Was auch immer sie versuchen dir anzuhängen. Ich wollte das alles. Ich war einverstanden und bin es immer noch. Ich muss das klar stellen. Die Wahrheit… und wenn die Wahrheit falsch ist? Wenn du dir etwas ausgedacht hast, wie wir hier wieder rauskommen? Wenn ich alles kaputt mache, wenn ich sage, wie es wirklich war? Damit würde ich doch zugeben, was wir getan haben. Darf ich das überhaupt? Soll ich lügen? Mein ganzer Kopf brennt, scheint gleich zu explodieren. Ich will aus diesem Raum. Weg. Verschwinden. “Wo ist er?” Wo bist du? Ich will endlich zu dir. Mit dir reden. Ich will, dass du meine Hand nimmst, sie fest drückst und dann laufen wir einfach los. Egal wohin, so lange wir zusammen sein können. Erneut spüre ich, wie einzelne kleine Tränen über meine sowieso schon geröteten Wangen perlen. Dabei wollte ich doch nicht mehr weinen. Ich kann nichts dagegen tun. Bin machtlos gegenüber meinen Gefühle, gegenüber dieser Situation. Ich brauche dich doch. Du warst doch immer da, wenn ich deine Hilfe gebraucht habe und nun bin ich allein… “Tooru. Er wird dir nicht mehr zu Nahe kommen. Keine Angst. Dennoch musst du verstehen, dass wir dir ein paar Fragen stellen müssen.” Ich weiß, dass er nicht in meiner Nähe ist, dass er das nie wieder sein wird. Ich will das nicht hören. Ich will wissen, wo du bist. Denn dort will ich auch sein. In deinen Armen liegen, deinen wunderschönen Duft einatmen, meine Augen schließen… Mein Augen vor all dem hier verschließen. Wieder wach werden, geweckt von einem sanften Kuss deinerseits… Ein Traum, der für immer vorbei sein wird… Schnell schüttele ich meinen Kopf, sehe meinen Direktor an. Meine Mutter hängt noch immer an mir, hält mich fest. Nein! “Wo ist er?” Erneu verlässt dieselbe Frage meine Lippen. Ich will zu dir, verdammt. Warum können sie mir nicht einfach sagen, wo du bist? Immer weiter gleiten die einzelnen Wasserperlen mein Gesicht entlang, hinterlassen die hässlichen, roten Bahnen auf meinen Wangen, die du sicher noch schön an mir gefunden hättest, könntest du sie sehen… Meine Stimme ist nur ein leises Hauchen. Ich traue mich einfach nicht, lauter zu sprechen. Vielleicht, weil wir wirklich etwas verbotenes getan haben? Aber wie kann Liebe denn falsch sein? “Er hat gekündigt. Ihr werdet euch nicht mehr begegnen.” Verdammt! Ich will nicht wissen, wo du nicht bist, sondern wo du bist. Ich will zu dir. Scheiß drauf! Na und? Dann tun wir was falsches? Es fühlt sich toll an, besser als alles andere zuvor. Ich lasse dich nicht einfach gehen. “Ich will endlich wissen, wo er ist! Ist das so schwer?” Ich erschrecke mich selbst, vor meiner Stimme, die plötzlich so laut ist, so aggressiv. “Jetzt sagen sie ihm endlich, wo dieser Niikura ist. Er hat Angst, sehen sie das nicht?” Meine Mutter kennt mich nicht. Kein bisschen. Aber in dem Moment bin ihr dankbar, dass sie meinen Direktor so anfährt. Er hat es doch nicht besser verdient. Sagt mir endlich, wo ich dich finden kann. Ich will zu dir. Ich habe sicher keine Angst, aber das kann euch egal sein. “Er hat gekündigt. Vielleicht ist er weg, vielleicht ist er noch dabei, seine Sachen zu packen.” Deine Sachen, die du in deinem Büro hast. Sie vielleicht dort hattest. Ohne weiter nachzudenken, reiße ich mich von meiner Mutter los, renne einfach aus diesem furchtbaren Raum. Ich muss zu dir, schicke stille Gebete in den Himmel. Du musst noch da sein. Du kannst mich nicht allein lassen. Bitte, lass mich dich ein letztes Mal sehen… Kapitel 14: ------------ Kaoru Wütend schmeiße ich deine Akte auf den Tisch. Verdammt, wie konntest du nur… Und wie konnte ich nur so dumm sein? Hast du das geplant? Hast du dein Spiel gespielt und am Ende gewonnen? Aber was hast du davon? Verdammt… Was bringt dir das? Verzweifelt wische ich mir die aufkommenden Tränen aus meinem Gesicht, kann einfach nicht fassen, was gerade passiert ist, was dabei ist, zu passieren. Aber eigentlich bin ich selbst Schuld. Warum hab ich mich auch darauf eingelassen? Immerhin gibt es extra Gesetzte, die so etwas verbieten, aber mich hält so was ja nicht auf. Für mich gelten die normalen Regeln ja nicht. Geschieht mir ganz Recht. Ehrlich gesagt, will ich hier nur noch weg. Weg von dieser Schule und ebenso weg von dir. Aber ob ich das wirklich will? Dich nie wieder sehen? Dich nie wieder berühren? Natürlich will ich das nicht. Weil ich dich liebte und es immer noch tue. Und ich habe wirklich geglaubt, dass du genauso für mich empfindest. Tja, Irren ist menschlich, nicht? Trotzdem werde ich wohl nie wirklich verstehen können, was du dir dabei gedacht hast, warum du so handelst, wie du es tust. Vielleicht war ich wirklich einfach nur blind, weil ich nicht gemerkt habe, was du tust, was du die ganze Zeit getan hast. Ein Lächeln schleicht sich auf meine Lippen. Nein, nicht, weil ich glücklich bin, endlich die Wahrheit erkannt zu haben. Pure Verzweiflung. Oder lache ich vielleicht doch? Über mich? Über meine Naivität? Was sollst du schon mit mir wollen? Immerhin bist du ganze neun Jahre jünger als ich. Bist hübsch, gut in der Schule. Du hattest es doch eigentlich gar nicht nötig, warum also? Ich dachte, dass ich dich kenne, dass ich alles von dir weiß und nun wird mir so schlagartig bewusst, dass du anders bist, als ich dich kennen gelernt, dass ich dich komplett falsch eingeschätzt habe. Wolltest du dich vielleicht doch nur ausprobieren? Immerhin hast du doch gesagt, dass du noch nie jemanden gehabt hattest, so war es doch! Und es war dir verdammt peinlich, mir das zu gestehen. Also wolltest du wirklich nur deine Erfahrungen sammeln… Aber wieso lässt du es so enden? Hättest du mich nicht einfach verlassen können? Was mache ich mir eigentlich vor? Als ob das besser gewesen wäre… Es geht doch nur um dich, es geht doch nur darum, dass ich dich nicht mehr sehen darf, dass ich nie wieder bei dir sein kann. Was wäre also anders, wenn du mich einfach verlassen hättest? Dass ich hier weiter arbeiten darf? Es ist mir egal… Das ist nicht das, was ich will… Aber was spielt das noch für eine Rolle? Nun hab ich nichts mehr. Ich hab meine Liebe verloren… Hab ich das? Dann würde ich dich nicht mehr so lieben können, wie ich es tue. Du bist doch der, der es so enden lässt, du bist derjenige, der seine Liebe zu mir verloren hat. Sollte sie jemals bestanden haben… Seufzend schüttele ich meinen Kopf, nehme einige meiner Habseligkeiten, die auf meinem Schreibtisch stehen und packe sie in meine Tasche. Hierhin werde ich sowieso nicht mehr zurückkehren. Was bringt es noch, weiter darüber nachzudenken? Ich kann eh nichts mehr an dieser Situation ändern. Und eigentlich ist es mir vollkommen egal. Der Job hier und mein Beruf sind mir plötzlich unwichtig. Ich wünschte einfach, dass das alles nicht passiert wäre… wünsche ich mir das? Nein… Ich will die Zeit mit dir auch nicht einfach vergessen, auch wenn sie einfach nur falsch war. Die letzten Sachen landen in meiner Tasche, bevor ich sie wieder verschließe. Ich hab hier nichts mehr zu suchen, sollte einfach gehen. Noch einmal wische ich über meine Augenlider, auch wenn sowieso jeder sehen wird, dass ich geweint habe. Eigentlich ist es einfach nur lächerlich, dass ich wegen die rumheule. Ich sollte sauer auf dich sein, dich dafür hassen, aber das kann ich nicht und das werde ich auch niemals können. Ich hoffe einfach, dass dich das glücklich macht, dass du das erreicht hast, was du damit bezwecken wolltest. Ich unterstelle dir nicht einmal, dass du mich mit Absicht so verletzt hast. Vielleicht war das ja sogar nur eine von den dummen Wetten, die Leute in deinem Alter nun einmal eingehen. Wer weiß? Und eigentlich möchte ich es auch nicht wissen. Es ist vorbei und damit werde ich mich irgendwie abfinden müssen. Wir werden uns nicht mehr sehen. War auch ziemlich naiv von mir zu denken, dass das mit uns eine Zukunft hätte. Leise schließe ich die Tür hinter mir, hab keine Lust drauf, dass mich jetzt noch jemand hört und mir womöglich irgendwelche Fragen stellt oder mir noch mehr Vorwürfe macht. Ich mache mir selbst genug. Ich will einfach nach Hause, heiß duschen oder baden und mich einfach nur verkriechen. Versuchen zu vergessen, auch wenn ich weiß, dass ich das niemals schaffen werde. Schleichend husche ich durch die Gänge der Schule, wie ein Verbrecher, der nicht entdeckt werden will, laufe herüber zu dem kleinen Lehrerparkplatz. Welch Ironie, steh ich nicht eigentlich schon wieder im absoluten Halteverbot? Immerhin bin ich eben suspendiert worden… Kyo Du bist nicht mehr hier. Ohne zu wissen, was ich tun soll, stehe ich nun hier in deinem Büro. Deinem ehemaligen. Du wirst auch nicht mehr wieder hier herkommen. Wirst nie wieder bei mir sein. Leere. Das einzige, was du auf deinem Schreibtisch zurück gelassen hast, ist eine der vielen Akten, die hier in der Schule liegen. Ich weiß, dass es meine ist, ohne einen Blick herein zu geworfen zu haben. Du hast mir davon erzählt, dass du sie mitgenommen hast, um meine Adresse herauszufinden, das war der Tag, an dem du mir gesagt hast, dass du mich liebst… Und ich, der es zunächst nicht verstanden hat, was du mir sagen wolltest. Immer wieder hallen deine Worte, die du mir in mein Ohr geflüstert hast, in meinem Kopf wieder. ‘Du wirst geliebt!’ Ich wurde geliebt, zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich wirklich das Gefühl, nicht mehr allein zu sein, jemanden an meiner Seite zu haben, der für mich da ist, dem ich wichtig bin. Jemandem, dem ich vertrauen konnte, meine Liebe zu geben ohne enttäuscht zu werden. Und nun ist alles vorbei. Ich merke, wie mir die Tränen in die Augen schießen und wie mir schwindelig wird. Eine Hand, die sich auf meine Schulter legt. Meine Eltern. Wieso folgen sie mir? Lasst mich doch einfach in Ruhe. Ich will allein sein, niemandem mehr um mich haben, wenn es nicht du bist, der mich in seinen Armen hält und mich fest an sich drückt. Aber du warst doch eben noch hier, ich hab doch noch in deinem Auto gesessen, in deinem Bett geschlafen und bin in deinen Armen aufgewacht. Du musst doch noch hier sein. Du musst… Tapfer wische ich mir die Tränen aus meinen Augenwinkeln, verdränge das Gerede meiner Eltern. Ich weiß, dass sie auf mich einreden, höre ihre Stimmen als verzerrte Laute in meinen Ohren. Seid still! Ich will es nicht hören, schüttele immer wieder meinen Kopf, bis ich es endlich schaffe, mich loszureißen, mit geschlossenen Augen durch die Gänge stürme und endlich durch die Ausgangstür laufe, direkt auf den Lehrerparkplatz zu. Endlich bin ich raus aus diesem Bau, weg von den Leuten, die versuchen mir zu helfen. Das können sie nicht. Sie haben doch keine Ahnung, was los ist. Was mit mir ist, was ich habe. Seufzend atme ich die frische Luft ein, fülle meine Lungen wieder mit Sauerstoff, öffne meine Augen. Warum muss diese verdammte Sonne ausgerechnet heute so strahlen? Welch Ironie! Erneut schüttele ich meinen Kopf. Es wäre egal, ob es regnen oder ein Orkan über uns toben würde, es ändert nichts. Gar nichts… Irritiert blicke ich auf, als ich plötzlich das Starten eines Motors höre, geschockt auf dein Auto starre, das etwas weiter weg von mir parkt und gerade dabei ist loszufahren. Nein! Nein, warte doch auf mich. Lauf nicht weg. Komm zurück. Siehst du mich nicht? Willst du mich vielleicht gar nicht sehen? Es tut weh, zu sehen, wie sich dein Wagen langsam auf den Ausgang zubewegt. Nein. Bitte… ein letztes Mal. Ohne weiter nachzudenken renne ich einfach los, renne dir hinterher. Du darfst mich nicht allein lassen. Nimm mich mit. Das ist doch das einzige, was ich will, einfach nur bei dir sein. Wieso hältst du nicht an? Warte doch auf mich… Ich spüre, wie schon wieder Tränen rote Bahnen über meine Wangen ziehen, ich beginne verzweifelt deinen Namen zu schreien. Immer wieder rufe ich nach dir, laufe dir weiter hinter her. Du wirst nicht langsamer, rollst immer schneller davon, als würdest du vor mir fliehen. Ich liebe dich doch, will bei dir, nicht ohne dich sein. Denkst du nicht genauso? Lass mich hier nicht stehen. Ich brauche dich doch… Immer wieder wische ich mir die aufkommenden Tränen aus meinem Gesicht, um überhaupt noch etwas sehen zu können, auch wenn ich am liebsten meine Augen verschließen würde. Ja, einfach meine Augen schließen und deine Nähe wieder spüren können. Ich will diese Realität nicht sehen, will nicht in dieser leben. Ich will überhaupt nicht ohne dich existieren. Ich werde nicht einfach so aufgeben, werde nicht zulassen, dass sie uns auseinander reißen. Das können sie nicht! Erneut wandert mein Handrücken über meine Augenlider, streift die letzten Tränen fort. Unermüdlich laufe ich deinem Auto hinterher, kann es kaum fassen, als dein Wagen langsamer wird, kurz vor der Ausfahrt zum Stehen kommt. Hast du mich gesehen? Willst du mich mitnehmen, mich ebenso wieder bei dir haben, wie ich es will? Mich wieder lieben, so, wie ich dich liebe? Auch meine Schritte werden langsamer, ehe ich gänzlich hinter deinem Auto stehen bleibe, durch die Rückscheibe deines Wagens schaue. Ein kleines, überglückliches Lächeln schleicht sich auf meine Lippen, als ich erkenne, dass du mich endlich gesehen hast. Schon wieder sind da die Tränen. Tränen der Freude. Nimm mich mit, lass uns fliehen, woanders hingehen. Ich kann es immer noch nicht wirklich glauben, starre dich weiter durch den Rückspiegel an, ebenso, wie du es tust. Doch dein Blick ist kalt, durchdringend, löst in mir ein Gefühl von Unbehagen aus und allmählich erstirbt das Lächeln, das bis eben auf meinen Lippen gelegen hat. Keine Freude in deinen Augen, keine Hoffnung, pure Enttäuschung und Wut und Leere… Du hast deinen Blick abgewendet, siehst mich nicht mehr an und mit einem Mal heult der Motor wieder auf, lässt die Reifen durchdrehen, ehe sie dich und dein Gefährt davon tragen, du einfach wegrast, mich hier stehen lässt. Fassungslos starre ich dir hinterher, lasse meinen Blick auf deinem Auto ruhen, das immer kleiner wird, bis es irgendwann verschwunden ist. Du kommst doch wieder. Du musst mich doch mitnehmen. Du hast mich gesehen. Mich angesehen. Warum? Ohne mich zu regen, stehe ich einfach an der Stelle, blicke weiter geradeaus, warte darauf, dass du wieder auftauchst, dass du mir sagst, dass das ein Scherz ist, dass mein Gesichtsausdruck gerade zu komisch ist, dass du mich wieder in deine Arme ziehst und mich küsst. Und all das bleibt naive Hoffnung und das wird mir bewusst, als ich hinter mir wieder die vertrauten Stimmen hören, die plötzlich einfach nur noch fremd wirken. Kraftlos lass ich mich auf meine Knie sinken, schaue weiter auf den einen Punkt, an dem der Horizont dich verschluckt hat. Dich nicht mehr hergibt… Bis auch diese Sicht wieder unter meinen Tränen verschwindet, in dem salzigen Wasser untergeht, ertrinkt. Unaufhörlich kullern Wasserperlen über meine Wangen, während ich deinen Namen leise vor mich herflüstere, meine Arme um mich selbst schlinge, Halt suche, den mir kein anderer geben kann. Irgendwann gleiten meine Augenlider einfach nach unten, versuche Schlaf zu finden, auch, wenn ich noch immer auf dem harten Asphalt des Parkplatzes kauere. Ich will vergessen, mich wegträumen und verdrängen… Noch ehe ich die ersten süßen Bilder eines idyllischen Traumes sehe, spüre ich, wie mich jemand an meinem Oberteil packt, ich hochgezogen werde. Ich lasse es einfach geschehen, sehe sowieso keinen Sinn darin, mich zu wehren. Mit mir macht doch eh jeder, was er will… Dennoch öffne ich meine Augen wieder, sehe in die hasserfüllten Augen meines Vaters, der mir gleich darauf eine Ohrfeige verpasst, mich weiter voller Wut ansieht. Ich wende meinen Blick ab, gebe keinen Laut von mir, seufze nur leise. Haben sie endlich erkannt, was los ist? Sind sie endlich hinter die Wahrheit gekommen? Und dennoch verstehen sie mich nicht, werden es niemals tun. Ich habe Hausarrest bekommen, nachdem mein Vater mich angeschrien hat, sich immer wieder beherrschen musste, um mir nicht noch eine zu knallen. Er hat mir tausende von Fragen gestellt, wie ich auf die Idee komme, etwas mit meinem Lehrer anzufangen. Warum ich so was abscheuliches freiwillig getan habe. Warum ich so ein verdammter Psycho bin, der nichts mit Mädchen anfangen kann. Tatsachen. Was für ein kleines Flittchen ich doch bin, für gute Noten meine Beine breit machen würde. Bis ihm eingefallen ist, dass ich dich wirklich geliebt habe, dass es nicht um irgendwelche Zensuren ging. Ein abwertender Blick. Weitere Kommentare, Vorwürfe, Beleidigungen. Ich weiß nicht mehr genau, was er mir alles an den Kopf geworfen hatte. Seither redet er kein Wort mehr mit mir, hat mich auf mein Zimmer geschickt, mir gesagt, dass ich nicht mehr rausgehen darf. Verbote. Er lässt mich nicht mehr allein zur Schule gehen, will so jeden Kontakt, der zwischen uns entstehen könnte, unterbinden. Er hat mir verboten, mit jemandem darüber zu sprechen. Er will nicht, dass das rauskommt, will nicht, dass er seinen guten Ruf verliert, den er was weiß ich woher hat. Wenn mich jemand drauf anspricht, muss ich lügen, das hat er deutlich gemacht. Ich muss sagen, dass es deine Schuld war. Dass ich das alles nicht wollte, dass du mir wehgetan hast… Mein Handy hat er mir auch weggenommen, damit ich ja nicht auf die Idee komme, dich anzurufen oder dich irgendwie zu kontaktieren. Aber das hätte ich eh nicht gemacht, immerhin wolltest du mich nicht mehr sehen, bist einfach davon gerast, hast mich allein dort stehen lassen… Meine Mutter kann ich nicht einschätzen. Ich weiß nicht, ob sie zu mir hält oder gegen mich ist. Ich weiß, dass sie geweint hat, dass sie das noch immer tut, abends. Manchmal höre ich ihr Schluchzen durch die Wände unseres Hauses und sofort zieht sich alles in mir zusammen. Ich wollte doch niemandem verletzen, ich wollte doch nur einmal in meinem Leben glücklich sein. Wie sollte ich denn ahnen, dass es so endet? Aber auch sie spricht nicht mehr viel mit mir, nicht so, wie sie es sonst immer getan hat, das muss ich erfahren, als sie mich nach dem Wochenende zur Schule fährt, so wie mein Vater es mir angedroht hat, werde ich jetzt jeden Tag weggebracht und wieder abgeholt. Schweigend lausche ich der Musik, die im Radio gespielt wird, die einem morgens gute Laune verschaffen soll, aber irgendwie schlägt dieser Versuch, wie so viele zuvor fehl. Nicht einmal mein Schokomüsli hat mir geschmeckt, obwohl ich doch sonst für Süßigkeiten hätte sterben können. Ich hab nicht einmal mehr Hunger. Vielleicht auch nur, weil ich meine Eltern nicht sehen will und das muss ich ja, wenn ich runter komme, um in der Küche mit ihnen zu frühstücken oder zu Abend zu essen. Müde lege ich meinen Kopf an die kalte Fensterscheibe, bin froh, wenn ich endlich in der Schule ankomme, um zumindest ein wenig abgelenkt zu werden. Zu Hause hocke ich nur noch in meinem Zimmer herum, liege auf meinem Bett und starre an die weiße Decke des Raumes. Ich weiß einfach nicht, was ich mit der Zeit anfangen soll. Ich hab sogar versucht zu lernen. Mathe. Doch jedes Mal, wenn ich mein Buch aus meiner Tasche hervor ziehe, laufen wieder endlose Tränen über meine Wangen, lassen sich einfach nicht aufhalten. Immer wieder denke ich nur an dich, an unser Kennenlernen, an unsere schöne Zeit miteinander. Ich will es einfach immer noch nicht wirklich wahrhaben, was am Freitag passiert ist. Vielleicht versuche ich das alles auch nur zu verdrängen, mir langsam meine kleine Fantasiewelt aufzubauen, in der doch alles wieder ist, wie noch vor einer Woche. Doch so wird es nie mehr sein… “Tooru? Wir sind da. Dass du nachher auch ja wieder hier stehst!” Das ist das erste, was sie heute zu mir gesagt hat. Leicht beginne ich zu nicken, klettere schnell aus ihrem Wagen. Das letzte Mal, als sie mich zur Schule gefahren hat, war am Tag unseres Ausfluges, an dem du mich überrascht hast. Nur für mich bist du mitgekommen, damit ich nicht so allein bin. Ein kleines Lächelnd schleicht sie auf meine Lippen, als ich die noch kühle Sommerluft in meine Lungen eintreten lasse, meine Augen schließe und die ersten Sonnenstrahlen dieses Tages auf meiner Haut genieße. Sogleich wandern meine Gedanken wieder zu unserem gemeinsam Nachmittag, den wir auf dem Dach der Schule verbracht haben, anstatt Mathe zu lernen. Die Sonne schien ebenso, nur viel stärker, kitzelte meine Haut, als ich auf deinem Bauch lag, deine Hand in meiner spüren konnte. Seufzend wende ich mich wieder von der Sonne ab, gehe einfach weiter auf das Schulgebäude zu. Ohne dich kann ich nicht einmal die Wärme des Sommers genießen, will das auch gar nicht. Es fühlt sich falsch an, so zu tun, als wäre nichts gewesen. Aber was bleibt mir anderes übrig? Meine Familie zwingt mich so zu tun, als ob alles in Ordnung sei, redet nicht mit mir. Es ist ihnen egal, wie es mir geht, wie ich mich fühle, versuchen einfach nur ihr angeblich so gutes Image zu schützen. Und vor den anderen? Ich hab doch nur Shinya und der ist immerhin der Auslöser für die derzeitige Situation, auch, wenn er mir nur helfen wollte. Ich weiß nicht, wie ich ihm gegenüber treten und ob ich ihm die Wahrheit erzählen soll oder einfach nur das Opfer spielen, für das mich alle nun halten? Tausende Gedanken wandern durch meinen Kopf und dennoch finde ich keine Lösung, weiß noch immer nicht, was ich tun, wie ich reagieren soll. Von Weitem höre ich schon den Lärm, der aus meinem Klassenraum dringt. Wie ich mich wieder auf die dummen Sprüche freue, die sie mir gleich wieder an den Kopf knallen werden… Schwuchtel. Schlampe. Bitch. Und irgendwie haben sie sogar Recht damit. Vielleicht haben sie einfach schon viel früher gemerkt, als ich selbst, was für eine Person ich bin. Was für ein widerlicher Mensch ich sein muss, wenn sogar du mich verlassen hast, obwohl du mir so oft gesagt hast, dass du mich liebst… Doch entgegen all meinen Erwartungen fliegen keine Beschimpfungen durch den Raum, nur absolute Stille, als ich das Klassenzimmer betrete. Irritiert bleibe ich im Türrahmen stehen, erkenne, wie mich alle anstarren ohne das auch nur ein Laut über ihre Lippen kommt. ‘Sie wissen es’, schießt mir sofort durch den Kopf. Sie müssen es wissen, sonst würden sie niemals so reagieren. Ich frage mich, ob mich das wirklich wundern soll. So etwas bleibt doch nie geheim, wird immer weiter getratscht. Die Frage ist nur wer das wieder getan hat. Mein Blick fällt zu Shinya, der mich eben so ansieht, wie die anderen. Derselbe mitleidige Ausdruck, wie am Freitag, als er mir sagte, dass er alles weiß. Schnell schreite ich durch den Raum, lasse mich auf meinem Platz nieder. Ich will nicht auch noch vorne, wie auf dem Präsentierteller stehen und mich angaffen lassen. Bringt natürlich nichts, ihre Blicke folgen, liegen weiter auf mir. Und dann beginnt das Getuschel, das Gerede, als ob ich es nicht hören würde, als wüsste ich nicht, dass es um mich geht. Seufzend packe ich die Sachen aus meiner Tasche aus, lege sie vor mir auf meinen Tisch, gehe meine Hausaufgaben für den Tag noch mal durch. Das hab ich gestern schon einige Male getan, um mich abzulenken, um einfach nicht an dich denken zu müssen, geholfen hat es nicht. Immer wieder habe ich aufs Neue angefangen zu weinen. Die verschwommene Tinte auf dem Papier zeigt es, verrät mich. Und auch jetzt, versuche ich einfach irgendwas zu tun, das mich davon abhält, mich mit Shinya unterhalten zu müssen. Ich bin so verdammt wütend auf ihn, obwohl er das nicht verdient hat, obwohl er mir am Freitag gezeigt hat, dass er ein wirklich guter Freund ist, hasse ich ihn dafür. Ich will es nicht an ihm auslassen, das wäre einfach nicht fair. Ich kann fast spüren, wie er verwirrt zu mir rüber schaut und wahrscheinlich versteht, dass ich nicht reden möchte. Wer würde das in so einer Situation schon wollen? Es wäre so oder so erzwungen. Mir geht es einfach nicht gut und das weiß er, auch wenn er den wahren Grund dafür nicht kennt und wahrscheinlich auch nie erfahren wird. So ist es vielleicht am einfachsten… Am einfachsten für mich und du stehst als perverser, notgeiler Verbrecher da, nur weil ich mich nicht traue, meine Stimme zu erheben, ihnen allen zu sagen, wie es wirklich war. Und so starre ich einfach weiter auf die tränenverschmierten Zeilen in meinem Heft, lese mir alles noch mal durch ohne den Inhalt wirklich aufzunehmen. Wirklich verwunderlich, dass ich es überhaupt geschafft habe, Texte zu verfassen, die dem Thema einigermaßen entsprechen. Selbst, als die Schulglocke ertönt, sehe ich nicht auf. Erst als ich die Stimme unserer Stufenleiterin höre, hebe ich meinen Kopf an, sehe zu ihr herüber. Auch sie sieht mich für den Bruchteil einer Sekunde an und ich kann mir denken, warum sie vor uns steht, anstatt unserem Geschichtslehrer. Die ganze Aufmerksamkeit der Klasse liegt auf ihr, als sie sich kurz räuspert, beginnt den Zettel, den sie sicher vom Direktor bekommen hat zu verlesen. Erklärt uns allen, warum du nicht mehr an unserer Schule unterrichten wirst. Vom ‘bestätigtem Verdacht’ und ‘sexuellem Missbrauch’ ist die Rede. Immer mal wieder drehen sich einige Köpfe zu mir um. Meinen Blick habe ich schon längst wieder abgewendet, kann sie einfach nicht ansehen, denn schon wieder spüre ich die Tränen, die sich in meinen Augenwinkeln ansammeln. Du hast nichts getan, was ich nicht wollte und nun denken alle, dass du so ein verdammtes Arschloch bist, dass du mir wehgetan hast, wünschen dir sonst was an den Hals. Meine Hände ballen sich zu Fäusten, als sie immer weiter fortfährt, beginnt von mir zu erzählen natürlich ohne einen Namen zu nennen. Es wäre sowieso überflüssig, jeder weiß, dass ich gemeint bin, als sie mich nur als “Opfer” betitelt. Ich bin kein Opfer, immerhin durfte ich deine Liebe spüren und das war das schönste, das ich in meinem Leben erfahren durfte, auch wenn es so enden musste. Die Zeit war wunderschön, auch wenn sie nun vorbei ist… Du hast dich darauf eingelassen, obwohl du wusstest, dass alles rauskommen kann, hast deinen Job riskiert, deine Freiheit, denn wer weiß, was nun mit dir passieren wird? Du hast das alles für mich aufs Spiel gesetzt, auch wenn du am Freitag einfach davon gefahren bist. Ich weiß, dass du mich noch immer liebst. Ich weiß es. Und das bin ich dir schuldig. Mit einem Lächeln auf meinen Lippen erhebe ich mich von meinem Platz, sehe auf, als meine Lehrerin verstummt, mich irritiert ansieht. Sie will mich fragen, was ich habe, doch noch ehe ein Laut ihre Lippen verlässt, schneide ich ihr das Wort ab. “Das ist nicht wahr. Es ist alles gelogen. Kaoru hat mich nicht vergewaltigt, noch mich zu irgend etwas gezwungen oder genötigt. Alles, was passiert ist, war freiwillig. Ich wollte das alles. Ich liebe ihn.” Ja, ich liebe dich und ich glaube, es war richtig, das alles zu sagen, dich zu verteidigen und dich nicht als schlechten Menschen dastehen zu lassen. Ich lächele einfach weiter, als ich mich wieder auf meinen Platz setze, höre, wie das Getuschel von Neuem losbricht. Sollen sie doch reden, zumindest zerreißen sie sich jetzt ihre Mäuler über die Wahrheit und nicht über irgendwelche Lügen. Unsere Stufenleiterin steht einfach nur fassungslos vorn, sieht mich an. Ja, ich hab sie aus dem Konzept gebracht, so wie auf unserer Klassenfahrt, als sie uns in deinem Zelt erwischt hat. Leicht schüttele ich meinen Kopf. Wir waren so verdammt unvorsichtig. Und trotzdem trage ich noch immer ein Lächeln auf meinen Lippen. Ich bin glücklich, dass ich den Mut gefunden habe, ihnen allen zu sagen, wie es wirklich war. Auch wenn es einfacher für mich hätte sein können. Ich musste das tun und es fühlt sich gut an, dir meine Liebe so ein letztes Mal beweisen zu können. Meine Lehrerin hat dazu einfach nichts mehr gesagt, hat unseren Klassenraum daraufhin ziemlich bald verlassen und der normale Unterricht wurde fortgesetzt, so als wäre nie etwas gewesen. In den Pausen bin ich Shinya und seinen Fragen die ganze Zeit ausgewichen, immer wieder wollte er wissen, ob du mich dazu gezwungen hast, das zu sagen, bis ich ihm endlich gesagt habe, dass ich das wirklich alles freiwillig gemacht habe, dass ich es genossen hab, von dir berührt zu werden und dass ich jeder Zeit wieder mit dir schlafen würde. Danach war er erst einmal ziemlich sprachlos, so wie meine anderen Klassenkameraden, die sich mit ihren Kommentaren und Beleidigungen wirklich zurückgehalten und mich einfach in Ruhe gelassen haben. Deswegen waren die Pausen auch nicht allzu schlimm, wie sie sonst immer waren, da mussten Shin und ich uns nämlich jedes Mal verstecken, wenn wir nicht wieder blöd angemacht werden wollten. Zumindest kann ich nun einfach auf dem Schulhof sitzen, die nun stärker werdende Sonne genießen, die ihre Wärme strahlenförmig zu mir schickt, meine Haut leicht kitzelt. Ich bin allein. Ich weiß auch nicht, wo Shin ist, aber ich verstehe, dass er nicht bei mir sein will. Ich würde es sogar verstehen, dass er mich nie wieder sehen will, dass er mich widerlich findet und abstoßend, dass er einfach nichts mehr mit mir zu tun haben möchte. Vielleicht macht er sich nun auch Vorwürfe… Daran habe ich vorhin nämlich nicht gedacht, dass Shinya dann auch weiß, wie es wirklich war und dass er nun weiß, was er damit angerichtet hat. Aber er soll sich nicht wegen mir schlecht fühlen. Wie schaffe ich es nur immer wieder den Leuten wehzutun, die mir so wichtig sind? Sofort erhebe ich mich von meinem Sonnenplatz. Ich muss ihn finden und ihm sagen, dass er sich deswegen nicht fertig machen soll, dass es auf irgendeine Weise okay ist… Tatsächlich finde ich ihn endlich gegen Ende der Pause in unserem Klassenraum an seinem Platz sitzen. Sein Kopf liegt auf seinen Armen, die er auf dem Tisch vor sich liegen hat. “Hey.” Ich versuche irgendwie die Stille zu brechen, aber bekomme keine Antwort. Erst als ich mich neben ihn setze und seinen Namen leise flüstere, sieht er mich an, als hätte er gar nicht gemerkt, dass jemand im Raum ist. Sofort fällt er mir um den Hals, drückt mich nahe an sich und schluchzt leise auf. “Tooru. Es tut mir so Leid.” Er hat mich sicher schon seit dem Kindergarten nicht mehr bei meinem richtigen Namen genannt. Es ist komisch, das von ihm zu hören, aber es ist in Ordnung so. Ich versuche ihn irgendwie zu beruhigen, sage ihm immer wieder, dass ich nicht sauer auf ihn bin, dass ich wahrscheinlich genauso gehandelt hätte, dass ich selbst Schuld bin, weil ich es vor ihm verheimlich habe und weil wir so verdammt unvorsichtig waren. Nach einer gewissen Zeit lässt er sich so auch beruhigen, nickt nur noch. Doch schon seine nächste Frage, bringt mein Inneres dazu, sich krampfartig zusammen zu ziehen. “Seht ihr euch noch?” “Die letzten Tage nicht.” Ich versuche der Frage einfach irgendwie auszuweichen, will nicht aussprechen, dass wir uns nicht mehr gesehen haben, dass wir und nicht mehr sehen werden, so als würde das die Realität verändern, als würde es noch ein kleines Hintertürchen offen lassen, als würde dadurch eine neue Chance erkennbar, dass wir uns doch noch einmal wieder sehen. “Shin? Findest du mich… jetzt kein bisschen widerlich oder ekelhaft, weil ich…” Doch noch bevor ich meinen Satz zu Ende sprechen kann, erkenne ich wie er schnell seinen Kopf schüttelt, mir ins Wort fällt. “Nein. Du bist doch mein bester Freund.” Ich kann nicht anders, als einfach nur zu lächeln, ihn noch ein bisschen näher an mich zu drücken und ihm leise zu danken. Es tut einfach gut zu wissen, dass da doch noch jemand ist, dem ich vertrauen kann, dass es ihn gibt und er für mich da sein wird. Sogar die anderen sind still, als sie nach dem Klingeln erneut in die Klasse treten, uns sehen müssen, wie wir uns in den Armen liegen, dennoch folgt kein Kommentar und ich bin auch ihnen dafür dankbar. Es ist schon ironisch zu sehen, dass die Leute, die einen so gehasst haben, einem das Leben so zur Hölle gemacht haben, plötzlich Rücksicht nehmen. Ebenso tut es weh, zu wissen, dass die Menschen, die nun für einen da sein sollten, einen verachten. Erst als ich das leise Räuspern eines Lehrers höre, lasse ich Shinya los, schaue schnell nach vorne, blicke in das unbekannte Gesicht eines älteren Mannes. Erneut zieht sich alles in mir zusammen, schnürt mir die Luft ab. Mathematik. Und du bist nicht hier. Starr richte ich meinen Blick auf das Heft vor mir, fixiere dieses, will den verdammten, neuen Lehrer hier nicht sehen, will ihm nicht zuhören, als er sich vorstellt, ignoriere ihn, beginne kleine Zeichnungen in meine Arbeitsunterlagen zu kritzeln, will mich einfach nur wieder ablenken, nicht wieder daran denken müssen, dass wir uns nicht einmal mehr hier sehen können. “Kyo?” Ich schrecke auf, als Shinya meinen Namen flüstert, mich zusätzlich in meine Seite pickst und nach vorne deutet. Der strenge Blick des neuen Lehrers, dessen Namen ich leider verpasst habe, ruht auf mir. Fragend sehe ich zu meinem besten Freund, der mir leise zuflüstert, dass ich an die Tafel soll. Ich kann das doch alles nicht. Du hättest das nie mit mir gemacht… Was bleibt mir anderes übrig? Seufzend erhebe ich mich, schlendere nach vorne und der Gedanke, dass er nicht weiß, was passiert ist, schießt mir durch den Kopf. Oder er gehört zu den Arschlöchern, denen es egal ist! Fragend besehe ich mir die Aufgabe, die an der Tafel geschrieben steht. Sinnlose Zahlen, die keinen Sinn ergeben. Für den kurzen Zeitraum, in dem wir zusammen waren, waren sie in sofern wichtig, dass wir uns dadurch kennen gelernt haben, dass ich Mathematik nicht verstanden habe, dass wir uns deswegen näher gekommen sind. Aber nun? Was soll ich mit den Ziffern? Und dennoch beginne ich zu rechnen, meine Lösung an die Tafel zu schreiben, ehe ich meinen neuen Lehrer fragend ansehe. “Wie kommst du auf das Ergebnis?” Indem ich rechne? Was sollen die blöden Fragen? Warum schaut er so arrogant, so voller Hass? Ich vermisse deinen liebevollen Blick, deine freundliche Art… “… weil man aus Summen nicht kürzen darf.” Das hast du mir so oft gesagt und das ist auch das einzige, was ich noch weiß, von all dem, was du mir über die Mathematik, Formeln und Rechengesetzte gesagt hast. “Die Regel stimmt zwar, aber das Ergebnis ist trotzdem falsch. Da hat dir dein Lehrer aber nicht viel beigebracht… was Mathematik angeht. ” Er weiß es. Elender Bastard. Meine Hände ballen sich zu Fäusten, als ich mich einfach umdrehe zu meinem Platz zurückgehe, mir meine Tasche schnappe und einfach aus dem Raum stürme. Der kann mich mal. Die können mich alle mal. Ich höre noch die Stimme des neuen Lehrers, der meinen Namen brüllt, doch ich laufe einfach weiter, lasse mich nicht aufhalten. Wie kann er nur? Wie schon am Freitag renne ich heulend durch die Korridore der Schule, bis ich den Ausgang endlich erreiche, einfach davon laufe. Irgendwann lasse ich mich einfach erschöpft auf den Boden sinken, schaue gen strahlend blauen Himmel. Wie konnte er das nur sagen? Vor allem konnte er doch gar nicht wissen, dass ich damit einverstanden war, was wir getan haben, wie kann er also solch einen Kommentar mir gegenüber fallen lassen? Oder hat unsere Stufenleiterin schön gepetzt, so dass es jetzt alle wissen? Es ist doch egal. Ich frage mich, was ich nun tun soll. Zurück in den Unterricht werde ich heute sicher nicht mehr gehen, aber was dann? Es sind noch knapp zwei Schulstunden, bis meine Mutter mich wieder abholen wird. Allein nach Hause gehen kann ich nicht, sie würden mir gleich unterstellen, dass ich den ganzen Tag geschwänzt habe mir vorwerfen, dass ich mich mit dir treffen wollte. Vielleicht ist es genau das, was ich nun tun sollte, vielleicht ist das hier die letzte Gelegenheit, dich noch mal zu sehen. Schnell richte ich mich auf, will nicht noch mehr Zeit verlieren und renne zu der nächsten Bushaltestelle, schaue nach, wann der früheste Bus kommt, der mich zu deinem Haus bringen wird, immerhin weiß ich zum Glück, wo du wohnst. Knapp zwanzig Minuten später entlässt mich der Bus aus seinem Inneren und ich gehe die paar Straßen, die mich zu deinem Haus führen zu Fuß weiter, bis ich dein Grundstück endlich erreiche. Zögerlich gehe ich auf die Eingangstür zu, weiß nicht, wie du reagieren wirst und ob du mich überhaupt sehen willst. Ich spüre, wie schnell und hart mein Herz gegen meinen Brustkorb schlägt mit jedem Schritt, den ich auf dein Haus zugehe, stärker wird. Ich hab wirklich Angst davor, von dir abgewiesen zu werden, aber dann könnte ich vielleicht einfacher abschließen und noch mal von vorne anfangen, es vielleicht wirklich schaffen, dich zu vergessen. Aber ein letztes Mal will ich dich noch sehen, will dich noch ein einziges Mal bei mir spüren. Nur langsam überwinde ich die letzten Meter, bis ich an deiner Tür ankomme, deinen Namen auf der Türklingel unzählige Male lese, bevor ich sie doch endlich durchdrücke und das Klingegeräusch von innen nach außen dringt. Erst jetzt fällt mir auf, dass ich sie zum ersten Mal höre. Du warst immer dabei, hast mir die Tür geöffnet, mich sogar über die Schwelle getragen. Ungeduldig und mit klopfendem Herzen, warte ich darauf, dass du mir endlich öffnest, dass du mich wieder in deine Arme ziehst und mich küsst. Doch nichts geschieht. Die Tür bleibt vor mir verschlossen, du mir verwehrt. Nochmals betätige ich die Klingel, warte erneut, noch länger und auch jetzt passiert nichts. Das kann doch nicht wahr sein! Warum bist du nicht hier? Völlig verzweifelt laufe ich zu dem nebenstehendem Fenster, durch das ich in dein Wohnzimmer schauen kann, doch du bist nicht zu finden. Ich laufe weiter, schaue durch die Glasscheiben, die mir den Blick in dein Haus gewähren und mich immer wieder enttäuschen, weil ich dich dahinter einfach nicht entdecken kann. Das letzte Fenster. Dein Schlafzimmer. Sogleich schweift mein Blick herüber zu deinem Bett, meine Gedanken wandern zurück zu unserer gemeinsamen Nacht, die so wunderschön war. Irgendwie bin ich froh, dass wir sie zusammen verbracht haben, auch wenn wir nun nie wieder zusammen sein werden. Aber wo bist du nur hin? Dein Auto steht doch auch in der Einfahrt, nur du willst dich mir einfach nicht zeigen. Vielleicht sollte ich lieber wieder gehen, damit ich rechtzeitig zurück an meiner Schule bin und so tun kann, als wäre ich die ganze Zeit dort gewesen, aber ich kann meinen Blick einfach nicht von deinem Schlafzimmer nehmen und auch meine Gedanken hängen fest an diesem einen Abend, dieser einen Nacht und dem Morgen… “Was willst du hier?” Erschrocken zucke ich zusammen, als ich deine Stimme höre, drehe mich sofort um und kann es kaum glauben, dass du dort am Straßenrand stehst und zu mir herüber siehst. Mein Herz beginnt wieder zu rasen und ich spüre, wie ich beginne zu lächeln, zu strahlen, einfach weil ich dich wieder sehe, weil ich dich so sehr vermisst habe. Ohne weiter nachzudenken, laufe ich einfach auf dich los, rufe deinen Namen und ich spüre wie mir wieder Tränen aus meinen Augenwinkeln perlen. Freudentränen. Zum ersten Mal seit diesem Wochenende weine ich, weil ich einfach nur überglücklich bin, weil ich mich so sehr freue, dich ernuet zu sehen, auch wenn wir uns vielleicht nur kurz wiedersehen können. “Bleib stehen!” Deine Stimme klingt kalt und völlig emotionslos und ich gehorche deinem Befehl, werde langsamer und komme in einigen Metern Entfernung vor dir zum Stehen, schaue dich irritiert, fragend an. Da ist kein Lächeln auf deinem Gesicht und keine Freude in deinen Augen. Nichts. Einfach nur Leere. Du wirkst blass, deine Augen gerötet und ich erkenne sogar die dunklen Schatten, die unter deinen Augenlidern liegen. Du siehst nicht gut aus, müde. Natürlich auf deine Gesundheit bezogen, denn du selbst siehst immer noch verdammt gut aus, so wie immer. Trotzdem tut es weh zu hören, dass du nicht willst, dass ich mich dir nähere. Was hab ich dir denn getan, dass du plötzlich so kalt zu mir bist? “Ich hab auf dich gewartet.” Ich versuche erneut dich anzulächeln, doch wieder kommt nichts zurück, außer einem gefühlslosem Ausdruck auf deinem Gesicht. “Ich darf mich dir bis auf 200m nicht mehr nähern, aber ich würde gern trotzdem noch mein Grundstück betreten dürfen, also geh jetzt bitte.” Geschockt sehe ich dich an, hab genau verstanden, was du gerade gesagt hast, aber ich verstehe nicht, warum du das von mir verlangst. Was hab ich dir denn getan? Ich will dich fragen, aber kein Laut verlässt meine Lippen, spüre den Klos, der in meinem Hals steckt, mich zwingt zu schweigen. Du willst mich nicht mehr sehen, mich nicht mehr bei dir haben und das werde ich akzeptieren müssen, oder? Die Tränen, die eben noch aus Freude über meine Wangen gekullert sind, ziehen weiter rote Bahnen über meine Haut, zeigen meine Enttäuschung deutlich auf meinem Gesicht, meine Traurigkeit, die nun in meinen Augen liegt. Ich wollte nicht, dass es so zu Ende geht, dass uns andere auseinander reißen, aber nun bist du der jenige, der es tut, der es auf so unschöne Weise für immer enden lässt. Schniefend wische ich mir die salzige Flüssigkeit aus meinen Augenwinkeln, gehe langsam weiter, an dir vorbei. Ich werde nicht darum betteln, dass du mich noch ein Mal in deine Arme schließt, werde einfach gehen und versuchen das alles zu vergessen. Werde versuchen zu verstehen, was plötzlich in dich gefahren ist. Gibst du mir die Schuld dafür, dass du alles verloren hast? Ich kann und will einfach nicht glauben, dass du so plötzlich nichts mehr für mich empfindest, dass ich dir plötzlich egal bin. Ich schließe meine Augen, als ich an die vorbei gehe, spüre, wie mein Herz quälend beginnt wieder schneller zu schlagen, nur weil ich weiß, dass du für diesen einen Moment wieder so nah bei mir bist und weil ich weiß, dass du es nie wieder sein wirst. Mit diesem schmerzenden Gefühl in meiner Brust, setzte ich meinen Weg fort, bis ich plötzlich etwas warmes auf meiner Schulter spüre, schnell erhebe ich meinen Blick, erkenne deine Hand, die auf meiner Schulter liegt, höre dein leises Flüstern, das zu mir vordringt. "Kyo!" Kapitel 15: ------------ "Kyo." Deine leise Stimme dringt an mein Ohr, als du mich einfach zu dir in deine Arme ziehst, mich an deinen warmen Körper drückst. Ich spüre, wie deine Finger sich fest in den Stoff meines Oberteils graben, deinen Kopf auf meine Schulter legst, leise gegen die Haut meines Halses atmest. Ohne weiter darüber nachzudenken, wie du eben noch zu mir gewesen bist, dass du mich einfach hast stehen lassen, schlinge ich meine Arme um deine Taille, lehne mich sofort gegen dich, kralle meine Finger in deinen Rücken. Lass mich nie wieder los. Nie wieder. Schon wieder rollen kleine Perlen aus salzigen Wasser über meine Wangen. Weiß nicht, ob das Freudentränen sind, die aus meinem Augenwinkel quellen oder doch nur wieder Tränen der Verzweiflung, der Angst ihre hässlichen Bahnen über mein Gesicht ziehen. “Kyo.” Erneut spüre ich deinen heißen Atem an meinem Hals. Hör auf zu reden, küss mich endlich, berühr mich und liebe mich wieder. Doch du hältst mich einfach weiter in deinen Armen fest, drückst mich immer näher an deinen Körper. Ich wehre mich nicht, will dir noch näher sein, niemals nah genug… Meine Tränen verebben in dem Stoff deines Shirts, verschwinden einfach, bleiben gefangen in den verarbeiteten Baumwohlfäden. Halt mich ebenso bei dir fest, lass mich nicht mehr los, fang mich ein, lass mich für immer deins sein. Nein, schieb mich nicht wieder von dir, lass mich bei dir sein… bitte. Mit tränenden Augen sehe ich zu dir hoch, verstehe einfach nicht, was in dir vorgeht, warum du mich in deine Arme ziehst, mir deine Wärme schenkst und mich wieder von dir wegdrückst, mich die Kälte des Sommerwindes fühlen lässt, fern von deinem angenehm warmen Körper. Ich will nicht mehr weinen, aber das Gefühl erneut von dir abgewiesen zu werden, treibt mir die Tränen in meine Augen, lässt sie unaufhaltsam über meine geröteten Wangen laufen. Tu mir das nicht an. Bitte, schick mich nicht wieder weg. “Kyo. Warum hast du das getan?” Deine Stimme dringt nur als ein leises Flüstern an mein Ohr, vernehme sie kaum, so leise sprichst du. Dennoch habe ich dich verstanden, auch wenn nicht den Sinn. Was soll ich getan haben? Was erwartest du für eine Antwort? Nimm mich einfach wieder in deine Arme ohne Worte, will ich deinen Körper an meinem spüren, die letzten Momente genießen, die ich vielleicht mit dir haben werde. Vorsichtig trete ich wieder näher an dich, lehne mich einfach gegen deinen starken Körper. Halt mich fest, wie vorhin auch, so wie du es immer getan hast. Halt mich fest und pass auf mich auf… Du hörst mich nicht, verstehst mein Flehen nicht, drückst mich einfach wieder von dir weg, doch diesmal siehst du mich an, schaust direkt in meine von den Tränen geröteten Augen. Verlangst weiter stumm nach einer Antwort. Ich weiß doch nicht, was du hören willst, was ich sagen soll, was ich tun muss… “Was meinst du?” Meine Stimme klingt so schwach und fremd in meinen eigenen Ohren. Seit du nicht mehr da bist, rede ich einfach viel weniger als sonst noch… “Warum hast du uns verraten? Warum hast du allen von uns erzählst? Warum tust du mir das an?” Unaufhaltsam löcherst du mich mit den Fragen, die dir auf der Zunge liegen und so langsam begreife ich, was du denken musst, was du damit meinst, warum du so reagiert hast, wie du es eben getan hast. Aber warum denkst du so von mir? Wieso hältst du mich für einen Verräter? Warum zweifelst du an meiner Liebe zu dir? Warum… Und bevor irgendeine Antwort meine Lippen verlässt, drängen sich schon wieder neue Tränen aus meinen Augenwinkeln, bahnen sich ihren Weg über mein warmes Gesicht, über meine geröteten Wangen. Ich bekomme einfach kein Wort heraus, versuche weiter Antworten zu finden. Antworten, die rechtfertigen, dass du so von mir denkst. Mit enttäuschtem Blick siehst du mich weiter an, wartest weiter darauf, dass ich mich endlich erkläre. Oh bitte, deute meine Tränen nicht falsch. Glaub mir doch einfach, auch wenn ich noch kein Wort gesprochen habe. Vertrau mir doch. Wie soll das gehen, wenn du denkst, dass ich so was getan habe? Und so schüttele ich einfach schnell meinen Kopf, greife nach deinen Händen und halte sie fest in meinen, schaue zu dir auf. Du sollst nicht so von mir denken, du sollst mich lieben, mir vertrauen und mir glauben können. Es soll wieder so sein, wie es war. Nichts soll zwischen uns stehen, auch wenn sich unsere Wege heute und hier für immer trennen. “Ich habe ihnen nicht verraten. Nichts.” Ich klinge noch leiser als zuvor, hauche dir die Worte nur entgegen, sehe dich weiter an und mit einem Mal kehrt der liebevolle, warmherzige Blick zurück. Ja, du weißt, dass ich die Wahrheit spreche, auch wenn das Lächeln noch immer nicht zurück auf dein Gesicht kehrt. Du bist erleichtert, auch wenn du es noch immer nicht zeigst und du liebst mich. Ich weiß es einfach. Dennoch schleicht sich dieser skeptische Ausdruck auf deine Gesichtzüge, siehst mich weiter durchdringend an, aber es ist okay. Es fühlt sich gut an, angenehm. Ich weiß, dass du mir glaubst, auch wenn du nach weiteren Erklärungen fordern wirst. “Wer hat es dann getan? Du hast gesagt, dass du niemanden von uns erzählt hast und ich ebenso wenig.” Du hast es Daisuke, deinem besten Freund erzählt. Aber du hast Recht, er wird wohl kaum zu meinem Direktor gelaufen sein um zu petzen. Hätte ich nur auch so viel Vertrauen zu Shinya gehabt… Es wäre alles niemals so weit gekommen. Im Grunde ist es doch meine Schuld. “Shin hat’s herausgefunden. Er dachte, dass du mir wehtust.” Reicht das nicht als Erklärung? Es ändert doch nichts mehr. Wie er es herausgefunden hat und wann und warum. Es ist einfach so und es wird so bleiben. Alle wissen von uns, verbieten uns, uns zu lieben. Lass uns zumindest im Guten auseinander gehen. Ich schließe einfach meine Augen, als du mich wieder nahe an dich ziehst, deine Arme um meinen Körper legst und mich fest an deinen drückst. Zum ersten Mal verspüre ich keine Tränen, die ich vergießen will, genieße einfach nur deine Nähe und das Gefühl, dich wieder zu haben. Dein Vertrauen, deine Nähe, deine Wärme und deine Liebe. Es fühlt sich so verdammt gut an, lässt mich die letzten Tage vergessen, als wäre es immer so gewesen, als hätte sich nichts verändert. Ich weiß, dass es nicht so ist. “Es tut mir Leid, dass ich so von dir gedacht habe.” Deine leise gehauchten Worte holen mich mit einem Mal zurück in die kalte, bittere Realität, die sich einfach nicht ändern lässt, die uns so herzlos auseinander reißt, obwohl wir uns in den Armen liegen, obwohl ich mich so fest an dich kralle, sind wir machtlos. Und dennoch genieße ich diesen Moment, will gar nicht daran denken, dass es bald zu Ende sein könnte. Dass es vorbei ist, sobald ich mich umdrehe und zurück zu meiner Schule schlendere. Und so will ich diese letzten Augenblicke mit dir nutzen, so viel von dir bekommen, mir alles merken, mir deinen Duft einprägen, wissen wie sich dein Körper anfühlt, wenn auch nur noch in Erinnerungen. Deine Stimme, deine wunderschöne, tiefe Stimme. “Kaoru. Rede mit mir.” Bitte schenke mir nur noch ein paar deiner liebenswürdigen Worte, lasse deine Stimme für mich erklingen, für ein letztes Mal. “Ich liebe dich.” Sogleich, da diese Worte deine Lippen verlassen, beginnt mein Herz schnell gegen meinen Brustkorb zu springen, treibt die Hitze durch meinen Körper und ich spüre, wie meine Wangen erneut wärmer werden, sich leicht rötlich färben. Dieser eine Satz löst in mir noch immer dasselbe aus, wie das erste Mal, als du ihn mir in mein Ohr geflüstert hast. “Ich dich auch.” Ja, ich liebe dich auch. Mein Herz gehört nur dir, wird für immer nur deins sein. Aber bitte schweig nicht wieder. Rede mit mir! “Kao? Und wenn ich einfach allen klar mache, dass ich das wollte. Dass ich dich liebe und dass ich bei dir sein will. Vielleicht können wir dann zusammen bleiben.” Wenn du schon nicht redest, dann werde ich es tun. Sag etwas! Sag mir, dass ich das machen soll, dass sie uns dann in Ruhe lassen, dass sie uns erlauben, zusammen sein zu dürften. Bitte sag es mir einfach. Schenk mir ein paar von meinen naiven Hoffnungen. Halt mich fest und sag mir, dass es eine Lösung geben wird. Sag es mir… “Kyo, Ich hab bald eine Klage wegen des Missbrauchs Schutzbefohlener am Hals. Das ist nicht so einfach, wie du dir das vorstellst.” Ein leises Seufzen verlässt deine Lippen und ich kann heraushören, dass du Angst hast. Fest drücke ich dich an mich, halte dich ebenso, wie du mich. Versuche auch dir irgendwie Halt zu geben, dich zu trösten, dir Mut zu machen. Du hast so viel für mich riskiert, für mich, für unsere Liebe, warum also bist du nun der einzige der die Konsequenzen dafür tragen muss? Lass mir doch meine naive Utopie… “Und wenn wir zum Direktor gehen? Ich sage ihm das alles und ich werde den auch anflehen, dass er das mit der Anzeige lässt.” Das muss doch gehen. Irgendwas muss ich doch machen können. Ich kann doch nicht zusehen, wie sie dich beschuldigen, verurteilen, dich mir wegnehmen ohne etwas zu tun. Irgendwas… muss es doch geben. Es muss. “Er muss das zur Anzeige bringen. Vor allem wissen deine Eltern auch davon, nicht? Ich glaube kaum, dass sie das einfach so hinnehmen werden.” Werden sie nicht. Ich darf dich ja nicht einmal mehr sehen. Sie tun alles dafür, dass dies auch nicht mehr geschieht. Und dennoch reicht das nicht aus. Wir finden immer wieder zusammen. Ja, immer wieder! “Ach Kyo.” Und erneut verlässt ein leises, verzweifeltes Seufzen deine Lippen, als du meinen Namen flüsterst, mich einfach weiter fest in deinen Armen hältst. “Ich bin mir sicher, dass er das schon längst gemacht hat. Deswegen bin ich auch hier, wollte schauen, ob ich schon was im Briefkasten habe.” Jedes einzelne deiner Worte scheint so, als würde es mir die Luft zum Atmen rauben, mir meine Kehle zuschnüren. Es tut weh dich so mutlos zu hören. Wir müssen nur daran glauben. Ganz fest glauben… Ich weiß nicht, wie lange wir so da gestanden und uns einfach gegenseitig festgehalten haben. Wir haben uns über dies und das unterhalten, über alltägliche Dinge, die nichts mit uns und unserer Situation zu tun haben einfach nur, um uns abzulenken, um nicht daran denken zu müssen, was nun kommen wird und um deine Stimme hören zu können. Und nun drückst du mich wieder von dir weg, siehst mich lächelnd an, auch wenn du noch immer überfordert und müde wirkst. “Was machst du denn eigentlich hier?” Was ich hier mache? Ich wollte zu dir. Was denkst du denn? Fast beginne ich sogar zu lachen, aber unserer Situation ist einfach nichts lustiges abzugewinnen, es würde sich einfach falsch anfühlen, wenn ich nun anfangen würde zu kichern, schon allein, weil es dir nicht gut geht, auch wenn du versuchst dies zu verbergen. “Ich wollte dich sehen.” Und das habe ich. Es hat sich gelohnt herzukommen. Irgendwie war es doch Schicksal, dass wir uns hier und heute getroffen haben, immerhin hast du mir vorhin erzählt, dass du nun bei deinem besten Freund wohnst und du nur hier warst, um nach deiner Post zu sehen. “Hast du denn gar keine Schule um diese Zeit?” Natürlich hab ich die. Aber das ist mir doch egal, ich wollte dich einfach sehen und dann noch die Sache mit dem neuen Lehrer, aber davon werde ich dir nicht erzählen. Du sollst dir nicht noch mehr Sorgen um mich machen und ich komm damit schon klar und… “Wie spät ist es denn?” Verdammt! Ich muss doch pünktlich zum Schulschluss wieder am Schultor stehen und dort auf meine Mutter warten, die mich mal wieder abholen wird, damit wir uns ja nicht sehen. Du wirfst einen kurzen Blick auf deine Armbanduhr, ehe du mir auch schon verrätst, wie viel Uhr wir haben. “Gleich haben wir eins.” So spät schon? Das heißt, dass ich in knapp zehn Minuten wieder an meiner Schule sein muss. Aber das schaff ich doch nie! Der Bus allein braucht doch fast 20 Minuten, bis ich an der Bushaltestelle an meiner Schule ankomme. Verzweiflung und Panik breiten sich in mir aus. “Ich muss los.” Ich will gar nicht gehen, aber mir bleibt nichts anderes übrig. Vielleicht schaffe ich es, wenn ich renne ohne Pause. Dann muss ich das schaffen. Ich muss… “Jetzt schon?” Ich hätte gar nicht hier sein dürfen. Wenn uns jemand sieht, wenn das jemand wieder herausfinden. Das gibt doch nur wieder Ärger. Für mich und noch viel mehr für dich. Ich will nicht, dass es noch schlimmer wird, als es eh schon ist. Ich hab Angst um dich… “Ich muss zum Schulschluss wieder an meiner Schule sein.” Lass mich doch endlich los. Ich komme zu spät! Das darf ich nicht. Das darf einfach nicht passieren. Wahrscheinlich verstehst du meine Panik nicht, meine Verzweiflung, aber es würde jetzt einfach zu lange dauern, dir das zu erklären. Irgendwann nickst du einfach, fragst auch gar nicht weiter nach, schaust einfach noch mal auf deine Uhr. “Das wird aber knapp.” Ja, wird es. Also lass mich endlich gehen. Versteh das doch. Flehend sehe ich dich an, erkenne wie du nachzudenken scheinst. “Dai fährt dich!” Dai? Daisuke? Dein bester Freund? Warum sollte er mich denn fahren und der ist doch auch nicht hier, oder? Und tatsächlich steht hinter dir ein kleiner, roter Fiat in dem ein nicht ganz so vergnügt schauender Kerl mit roten Haaren sitzt. War der die ganze Zeit schon da? Ich habe ihn wirklich nicht bemerkt, habe einfach nur noch dich gesehen, nur noch dich bei mir gespürt und plötzlich war alles andere egal. Ich will dich nicht verlieren… Sogleich schnappst du nach meiner Hand ziehst mich zu dem Wagen herüber und öffnest mir die Tür, erklärst deinem besten Freund kurz, was er zu tun hat. Aber ich will ihm doch keine Umstände machen… Und schon richtest du dein Wort wieder an mich, siehst mich mit einem kleinen, traurigen Lächeln an. “Dai bringt dich zu deiner Schule. So wie er fährt, schaffst du das auch pünktlich. Ich schreibe dir, okay?” Ich nicke einfach nur, ehe ich hastig meinen Kopf schüttele. “Mein Dad hat mir mein Handy weggenommen und ich hab kein Internet und gar nichts.” Ich sehe dich verzweifelt an, kann einfach nicht fassen, dass mein Vater wirklich das erreicht hatte, was er wollte, als er mir mein Telefon weggenommen hatte. Schon wieder spüre ich, wie mir Tränen in die Augen treten. Tränen, die sich einfach nicht unterdrücken lassen. Doch mit einem Mal halte ich dein Mobiltelefon in meinen Händen, sehe dich fragend an. “Ich besorg mir ein Neues und dann schreibe ich dir. Lösch die anderen Nummern einfach und pass gut drauf auf. Ich liebe dich.” Und schon schließt du die Autotür, lässt mich nicht einmal mehr antworten, als dein bester Freund den Motor auch schon anschmeißt und wie langsam losrollen. Stumm formuliere ich die drei Worte, die auch du mir eben entgegen gebracht hast, schaue aus dem Fenster, bis wir um eine Kurve biegen und ich dich nicht mehr sehen kann. Hoffentlich sehen wir uns noch mal wieder… Ich weiß ja, dass du nun nicht mitkommen kannst. Es wäre einfach zu gefährlich, immerhin werde ich gerade zu meiner Schule gefahren und mittlerweile weiß ja eh jeder was vorgefallen ist. Jeder starrt mich an, wenn sie mich sehen und wenn du jetzt noch dabei wärest… Das ist einfach zu riskant. Du darfst dich mir ja nicht mehr nähern, damit würden wir alles nur noch schlimmer machen. Und du hattest Recht. Daisuke fährt wirklich… viel zu schnell. War das gerade eine rote Ampel? Geschockt sehe ich zu dem Rothaarigen. Der soll mich pünktlich zu meiner Schule bringen, aber bitte lebendig! “Guck nicht so.” Sein lautes Lachen ertönt und ich schaue einfach nur noch verwirrt. Warum hat er denn so gute Laune? Hat der gar keine Angst um dich, immerhin seid ihr doch beste Freunde. Schnell schaue ich einfach wieder nach vorne auf die Straße, beobachte die Häuser, die an uns vorbeiziehen. Wie verdammt schnell fährt er in einem Wohngebiet? “Gleich bist du deinen Führerschein los.” Das kann mir ja eigentlich egal sein, aber wenn er wegen mir so rast, dann ist es das eben nicht, denn dann ist es meine Schuld und das möchte ich nicht. Ich hab schon genug angestellt. “Was für ein Führerschein?” Schon wieder dieses atomare Grinsen. Das meinte er gerade aber nicht ernst, oder? Erneut wandert mein geschockter Blick zu ihm herüber. Ich hätte doch laufen sollen. Ohne Pause ganz, ganz schnell! “Schau nicht immer gleich so. Als würde Kao dich mir anvertrauen, wenn ich nicht wüsste, wie ich Auto zu fahren hätte!” Ja, da ist was dran. Das würde er wirklich niemals zu lassen. “Tut mir Leid.” Meine Stimme dringt nur als ein leises Flüstern über meine Lippen. Ich weiß nicht einmal für was genau ich mich entschuldige, tue es einfach. Vielleicht weil ich dir schon wieder nicht vertraut habe? Weil ich auch noch Ansprüche an Daisukes Fahrkünste stelle, obwohl ich doch der jenige bin, der nicht auf die Uhrzeit geachtet hat, der zu spät gekommen wäre und sich wieder irgendwelche Ausreden einfallen lassen müsste, die man mir sowieso nicht glauben würde. “Hör mal auf dich zu entschuldigen. Ist schon okay.” Ich nicke einfach nur, auch wenn es für mich nicht einfach so ‘okay’ ist. Ich sollte dir endlich anfangen zu vertrauen, drücke das Handy, das du mir eben gegeben hast fest in meiner Handfläche. Wir werden wieder Kontakt haben, wenn auch nur über Kurzmitteilungen oder heimliche Telefonate. Unbewusst schleicht sich ein kleines Lächeln auf meine Lippen. Jetzt muss ich nur noch warten, dass du dir ein Neues besorgst und mir schreibst, damit ich auch deine Nummer haben werde. “Ich würde das Handy aber an deiner Stelle wegpacken.” Ja, da hat er Recht. Schnell verstaue ich das kleine Ding in meiner Tasche, nachdem ich es auf ‘lautlos’ gestellt habe. Du musst mir unbedingt die PIN-Nummer schicken, falls es ausgeht und ich muss mir ein passendes Akkuladegerät zu diesem Modell besorgen oder du gibst mir einfach deines, wenn wir uns irgendwann mal wieder sehen… Irgendwann kommt der kleine Fiat vor meiner Schule zum Stehen. Noch genau eine Minute, bis die Schulglocke offiziell den Unterricht beenden wird. Ich glaub es gar nicht, dass wir wirklich pünktlich sind und auch noch am leben! Schnell drehe ich mich zu dem Rothaarige, deute eine kleine Verbeugung an, obwohl er nicht sehr viel älter als ich sein wird. Man muss doch trotzdem höflich sein. “Vielen Dank.” “Kein Ding. Geht ja schließlich um meinen besten Freund und seine große Liebe. Aber jetzt sieh zu, dass du schnell raus kommst. Nicht, dass doch noch jemand mitbekommt, dass du geschwänzt hast.” Schon wieder liegt dieses rebellische Grinsen auf seinen Lippen und auf meinen Wangen breitet sich eine leichte Röte aus, als er mich als ’deine große Liebe’ bezeichnet. Es tut gut das zu hören und Daisuke ist auch wirklich nett, auch wenn er ein furchtbarer Autofahrer ist! Schnell nicke ich. Ich sollte mich wirklich beeilen und hier rauskommen, nicht das meine Mutter mich gleich noch sieht und denkt, dass ich schon einen Neuen hätte oder so was. Mit einem Mal öffne ich die Tür, als ich etwas warmes auf meiner Schulter spüre und gleich Daisukes Hand erkenne, die mich sanft zurückhält. “Noch etwas. Wenn es wirklich zu einer gerichtlichen Verhandlung kommt, dann sag die Wahrheit! Lass dir von niemandem drohen, okay? Das ist Kaorus einzige Chance. Wenn du ihn genauso liebst, wie er dich, dann musst du das tun, egal was andere dann von dir denken. Du musst ihn da rausholen, sonst wandert der ohne Umwege direkt in den Knast.” Ich schlucke leicht, als mir bewusst wird was für eine Verantwortung ich trage. Dass ich allein dich da noch rausholen kann. Schnell nicke ich. “Ja, ich liebe ihn. Ich hole ihn daraus.” Schon wieder klingt meine Stimme so leise, ehe ich mich einfach wieder umdrehe aus dem Wagen Daisukes steige, nachdem ich mich verabschiedet habe und schnell zum Schultor laufe. Irgendwann ertönt auch schon die Schulglocke und Massen von Schülern stürmen aus dem großen Schulgebäude, laufen an mir vorbei, werfen mir skeptische Blicke zu. Ich beachte sie einfach nicht, warte bis meine Mutter vorfährt und mich wieder einsammelt. So, wie sie es jeden Tag tut seit das mit uns rausgekommen ist. Aber ich werde nicht zulassen, dass du ins Gefängnis musst, nur weil du mich liebst und weil ich dich liebe. Das werde ich nicht zulassen… Seit dem sind wieder einige Wochen vergangen. Bei mir zu Hause und bei meiner Familie hat sich nichts geändert. Noch immer lassen sie mich nicht allein vor die Tür. Nicht einmal Shinya darf ich besuchen. Ab und zu kommt er vorbei um mit mir zu lernen oder Hausaufgaben zu machen oder um einfach nur zu reden. Er entschuldigt sich jedes Mal aufs Neue und jedes Mal winke ich einfach nur ab. Ich hab ihm das verziehen. Wirklich. Ich habe begriffen, dass er nichts dafür konnte, dass es viel mehr meine Schuld war. Wenn ich meinem besten Freund so vertraut hätte, wie Kaoru Daisuke dann wäre es niemals so weit gekommen. Schon nach einigen Tagen habe ich die erste Sms von dir bekommen. Wir schaffen es tatsächlich uns in einigen meiner Freistunden zu treffen, auch wenn wir dann oftmals nur 20 Minuten oder knapp eine Stunde haben. Kommt drauf an, ob eine Doppel- oder Einzelstunde bei mir ausfällt. Aber zumindest können wir uns sehen, auch wenn es wieder riskant ist. Daisuke holt mich dann immer ab und bringt mich auch wieder weg. Es ist schön dich zumindest für diese kurze Zeit noch sehen zu können. Meistens reden wir einfach nur oder du küsst mich für einen kleinen Augenblick. Mehr passiert aber nicht… Dafür sehen wir uns einfach viel zu kurz und irgendwie wäre es unpassend. Ich glaube kaum, dass einer von uns beiden das genießen könnte. Mittlerweile habe ich auch die PIN-Nummer von deinem Handy und dein Akkuladegerät! Ich hatte wirklich Angst, dass mir das Ding ausgeht und du mich dann doch nicht mehr kontaktieren konntest. Aber das hat ja zum Glück doch geklappt und seither sehen wir uns zumindest einmal in der Woche, dank meiner Freistunde am Mittwoch und dann noch die Stunden, die unregulär ausfallen. Zum Glück musstest du nicht in Untersuchungshaft. Du hast ja sofort angegeben, dass du bei Daisuke unter gekommen bist. Ich glaube, das hätte ich auch gar nicht ertragen, wenn ich gewusste hätte, dass du in deiner Zelle sitzt. Allein. Dann hätten wir uns gar nicht sehen können. Dann hätten wir nicht mal schriftlichen Kontakt. Natürlich ist das hier in meinen Augen noch immer viel zu selten, dass wir uns sehen, aber im Moment können wir es ja nicht ändern. Wir konnten es nicht ändern, weil wir es zu dem Zeitpunkt nicht in der Hand hatten, aber nun kann sich alles ändern. Es muss sich einfach ändern und ich bin der Einzige, der das kann. Das hat dein bester Freund mir bewusst gemacht und ich werde diese Verantwortung wahrnehmen, werde dich da rausholen. Noch immer starre ich gebannt auf dein Handy, lese mir die Nachricht, die du mir geschickt hast immer wieder durch. Du hast einen Brief bekommen. Einladung zu deiner eigenen Gerichtsverhandlung. Welch Ironie. Der Termin steht also fest. Ob ich auch schon so einen Brief in meinem Briefkasten habe? Ob meine Eltern mich überhaupt hinlassen wollen? Erneut lese ich mir deine Kurzmitteilung durch. Immer wieder folgen meine Augen dem letzten Satz, der auf meinem Display blinkt. ‘Ich habe Angst, aber egal was passiert. Ich liebe dich.’ Ich spüre, wie mir Tränen in meine Augen steigen und dennoch unterdrücke ich diese. Nein, ich werde nicht weinen. Du bist immer stark für mich gewesen, hast immer auf mich aufgepasst und nun werde ich für dich da sein. Ich hole dich da raus! Verlass dich auf mich. Ich glaube, dass es das erste Mal ist, dass du zugibst, dass du Angst hast und ich bin dir dankbar für deine Ehrlichkeit, für deine Liebe. Am liebsten würde ich dich anrufen, dir sagen, dass du keine Angst zu haben brauchst, dir sagen, dass ich dich liebe, dass ich nicht zulassen werde, dass sie dich wegsperren, für etwas verurteilen was du nicht getan hast. Doch es geht nicht. Meine Eltern sind daheim. Es ist einfach zu riskant. Sie könnten mich hören und das würde nur noch mehr Ärger geben. Und so schreibe ich dir nur eine kleine Nachricht zurück. Ich weiß, dass sie dich kaum trösten wird. Aber es geht gerade nicht anders. Ich will das was wir nun haben nicht wieder aufs Spiel setzen. Ich brauche dich einfach und wenn es nur die kleinen Textnachrichten sind, die wir austauschen. Ich brauche das einfach. Und ich brauche dich und ich werde dich zu mir zurückholen und dann werden wir endlich zusammen sein können. Egal was die anderen sagen. Schnell verschwindet dein Handy wieder an seinen geheimen Platz hinter meinem Schrank, wo auch das Akkuladegerät liegt. Zwar könnte ich sagen, dass das noch zu meinem alten Handy gehört, aber hinterher finden meine Eltern noch heraus, dass das ein ganz anderes Modell ist. Ich würde es ihnen mittlerweile zutrauen, also verstecke ich das einfach auch. Sicher ist einfach sicher. Weitere Fehler können wir uns einfach nicht mehr erlauben und das werde ich auch nicht. Ich bin gespannt, wann ich meinen Brief erhalten werde, immerhin habe ich noch vor niemandem ausgesagt. Sie brauchen meine Sichtweise, wenn sie mich schon als Opfer darstellen, dann will ich auch zu Wort kommen! Ich muss einfach. Ich muss das alles aufklären und dich da herausholen, zurück zu mir! Tatsächlich habe ich vor einigen Tagen ein Schreiben von dem zuständigen Gericht erhalten. Ich bin als Zeuge geladen. Irgendwie ist es schon merkwürdig. Die ganzen letzten Wochen wurde ich als ‘Opfer’ betitelt, man hatte Mitleid mit mir und so was und vor dem Gericht bin ich nun doch nur ein einfacher Zeuge? Liegt wohl daran, dass nicht ich der jenige war, der dich angezeigt hat und auch meine Eltern nicht, obwohl mein Vater das sicher liebend gern getan hätte. Der freut sich doch schon darauf dich im Knast sitzen zu sehen und noch mehr freut er sich auf das Geld, das er meint zu bekommen, wenn sich herausstellt, was du mir angeblich angetan hast. Aber das kann er vergessen! Ich werde sicher nicht gegen dich aussagen. Niemals. Ich werde ihnen allen erzählen, wie es wirklich war. Dass das alles auf freiwilliger Basis passiert ist. Dass ich dir dankbar bin, für alles was du für mich getan hast und dass du unschuldig bist. Natürlich wollten meine Eltern den Brief sehen, wollten wissen, was dort drin steht. Ich habe mich nicht einmal gewehrt, habe ich ihnen das Schriftstück sofort überlassen, nachdem ich mir alles durchgelesen hatte. Mehr als ein Termin für die Verhandlung steht sowieso nicht drin und ich habe keine Lust auf noch weiteren Ärger mit meinem Vater. Aber der sieht das anders. Gleich nachdem er sich den Brief geschnappt und den Inhalt durchgelesen hatte, hatte er sich an mich gewandt, mich wieder voller Hass und Wut angesehen. Und zum ersten Mal seit ein paar Wochen redet er wieder mit mir. Obwohl, ob man das Reden nennen kann? Er schreit viel mehr. Schreit mich an. Sagt mir, was ich zu tun habe, was ich vor Gericht zu sagen habe. Ich glaube, dass er ahnt, was ich vorhabe. Dass ich allen die Wahrheit sagen werde und das will er verhindern. Aber er kann reden so viel er will. Ich werde mich nicht aufhalten lassen. Das bin ich dir einfach schuldig. Und ich habe es deinem besten Freund versprochen und dir auch und das werde ich halten, egal was mein Vater sagt. Er wird es einfach nie verstehen und es ist mir egal. Es ist mir scheiß egal! In den letzten Wochen ist mir sowieso klar geworden, dass du der einzige bist, den ich brauche und du bist auch der einzige, dem ich vertrauen kann. Alle anderen haben mir ihr wahres Gesicht gezeigt, nachdem sie das herausgefunden hatten. Allen voran natürlich meine Eltern. Naja und Shin hält auch zu mir, aber so langsam verlieren wir den Kontakt, den wir immer hatten. Einfach, weil ich nicht mehr raus darf. Wir sehen uns nur noch in der Schule und manchmal sitzen wir einfach nur da und wissen nicht worüber wir reden sollen. Ich will nicht, dass unsere Freundschaft zerbricht. Wieso passiert das, wenn sie sogar das mit dir ausgehalten hat? Warum schafft mein Vater das jetzt? Oder liegt es vielleicht gar nicht daran… Vielleicht sucht auch er nur einen Grund, um mich nicht mehr sehen zu müssen, um keinen Kontakt mehr zu mir zu haben… Vielleicht bin ich ihm ja doch peinlich. Ich habe doch gar nichts getan, außer dich abgöttisch zu lieben. Und genau deswegen, werden wir auch wieder zusammen sein, weil du einfach der wichtigste Mensch in meinem Leben geworden bist und es auch immer sein wirst. Ich brauche dich und ich hole dich zurück… Zurück zu mir. Das hatte ich so einfach gesagt, dass ich dich da rausholen werde. Ich muss doch einfach nur die Wahrheit sagen, aber ich habe Angst. Verdammte Angst. Heute ist der Tag der Gerichtsverhandlung. Der erste. Wer weiß schon, wie viele es geben wird. Ob das wohl so ablaufen wird, wie in den Gerichtsshows, die den ganzen Tag über im Fernseher laufen? Seit einigen Tagen sehe ich mir diese schon an. Ich wollte einfach wissen, was auf mich zu kommt. Natürlich weiß ich, dass die Shows im TV alle gestellt sind, aber so ungefähr muss es doch ablaufen oder? Ich will nicht dahin. Eigentlich schon, weil ich dich dort wieder sehen werde, aber ich habe auch Angst und ich kann mit niemandem darüber reden. Mit wem denn auch? Shinya ist einfach nicht mehr zu erreichen und mit meinen Eltern? Nein ganz sicher nicht… Was passiert, wenn ich etwas falsches sage oder zu viel? Oder wenn du sie von etwas anderem überzeugen konntest? Wenn ich alles kaputt mache? Wenn sie mir nicht glauben? Dann kommst du dort niemals heraus und das wird alles meine Schuld sein. Alles! Ich spüre, wie meine Beine beginnen zu zittern, als ich vor meinem Kleiderschrank stehe und mir meine Anziehsachen für den heutigen Tag heraussuche. Was trägt man denn bei einer Gerichtsverhandlung? Normale Jeans? Ein Hemd? Ich weiß es doch nicht, vielleicht achten sie ja darauf, machen ihr Urteil von diesem abhängig. Warum hilft mir denn keiner? Warum ist keiner bei mir? Ich will doch einfach nur mit jemandem reden, will, dass mir jemand zuhört und mir sagt, dass ich keine Angst zu haben brauche. Dass alles gut wird. Aber niemand ist hier. Wie schon seit Wochen. Ich entscheide mich letztendlich doch meine normalen Klamotten anzuziehen. Die müssen doch eh darauf achten, was ich sage und nicht was ich anhabe oder so was. Hoffentlich tun sie das auch und hoffentlich glauben sie mir und lassen dich wieder gehen. Ohne dich werde ich diesen verdammten Gerichtssaal nicht verlassen. Ich werde deine Hand nehmen, wenn ich dich sehe und nicht mehr loslassen. Dann sollen sie mit uns machen, was sie wollen, aber ich lasse dich nicht mehr los. Nie wieder! Krampfhaft schließe ich meine Augen, gehe noch mal durch, was ich ihnen alles sagen muss. Was sie wissen müssen, damit sie sich ein Bild von der Wahrheit machen können. Schon wieder laufen heiße Tränen über meine Wangen, die ich erneut nicht unterdrücken kann. Wie denn auch? Wer soll schon mit so einer Anspannung fertig werden? Das ist heute der entscheidende Tag. Entweder dürfen wir uns endgültig wieder sehen oder nicht mehr. Sie müssen dich einfach freisprechen und sie müssen ihren Eilbeschluss zurück nehmen. Ich will näher an dich heran dürfen, als 100 Meter. Erschreckt schaue ich auf, als ich die Stimme meiner Mutter höre, die nach mir ruft. Sie wollen fahren. Ich spüre, wie heftig mein Herz gegen meinen Brustkorb hämmert. Es fühlt sich an, als würde der Muskel gleich aus meiner Brust springen, schmerzhaft. Ich werfe noch einen schnellen Blick in den Spiegel. Ich muss doch gut für dich aussehen… Nur langsam bewege ich mich aus meinem Zimmer heraus, gehe die vielen Stufen ins Erdgeschoss hinab und ich merke, wie mir schwindelig wird, lehne mich gegen die Wand, schließe noch einmal kurz meine Augen. Als ich sie wieder öffne, blicke ich in das besorgte Gesicht meiner Mutter, die mir ein Glas Wasser hinhält, vorsichtig meine Hand nimmt und mir hilft, dass ich die letzten Stufen nicht runterpurzele. Wann war sie das letzte Mal so liebevoll zu mir? Ich kann mich schon gar nicht mehr wirklich dran erinnern. “Setz dich erstmal.” Ihre Stimme klingt sanft und ich tue das, was sie mir gesagt hat, lasse mich auf der Treppe nieder und nehme das Glas Wasser dankend an, trinke hastig einen kleinen Schluck davon. Das ist alles diese verdammte Aufregung. Wirklich überrascht sehe ich auf, als sich meine Mutter einfach neben mich setzt, mich in ihre Arme zieht und vorsichtig beginnt über mein Haar zu streicheln. Was soll das denn jetzt? Ich meine, es ist schön, aber warum tut sie das so plötzlich? Ich verstehe es einfach nicht. Und eigentlich ist es mir egal. Sie soll einfach nur da bleiben und mich weiter festhalten. Ich brauche das jetzt einfach, auch wenn sie die letzten Wochen furchtbar zu mir war. Es ist egal… “Hab keine Angst. Es wird alles gut.” Ich vernehme ihr leises Flüstern an meinem Ohr. Sie weiß doch, wie mein Happy End aussehen würde. Heißt das, dass sie damit einverstanden ist? Überrascht sehe ich sie an. Ob ich sie fragen soll? Sie muss es doch wissen… Sie weiß es! Ohne ein Wort zu verlieren lächele ich sie einfach an, bedanke mich leise, schließe erneut meine Augen und lasse mich wieder gegen sie fallen. Nur noch ein paar Minuten und dann können wir los, nur noch kurz entspannen und wieder runter kommen. Nur noch kurz das Gefühl genießen, dass jemand für mich da ist. Sogleich, da ich das Brüllen meines Vaters höre, zucke ich zusammen, öffne meine Augenlider wieder, sehe in sein wütendes Gesicht. Sein zorniger Ausdruck gilt nicht mir, sondern meiner Mutter. Er beginnt sie zu beschimpfen, wie sie es denn wagen könnte so etwas wie mich in der Arm zu nehmen, dass ich so etwas ja nicht verdient hätte und selbst Schuld an meiner Situation bin. Ja, als hätte ich gesagt, dass ich mich in dich verlieben wollte. Aber er soll sie nicht so anschreien, sie hat doch nichts getan. Als hätte er meinen Wunsch gehört, lässt er sie in Ruhe widmet sich nun wieder mir. Seinem Lieblingsopfer. Und schon wieder knallt er mir denselben Mist gegen den Kopf. Denselben Mist wie die Wochen zuvor auch schon. Verdammt ich hab endlich begriffen, was für ein undankbarer kleiner Bastard ich doch bin. Dass ich ihn lächerlich machen würde. Dass er hofft, dass sie dich für immer wegsperren. Aber das werden sie nicht! Niemals. Entschlossen erhebe ich mich, ziehe schnell meine Schuhe über und gehe auf die Tür zu. Können wir nicht endlich fahren? Ich will mir das nicht weiter anhören müssen. Ich kenne seine Worte doch eh schon auswendig und so langsam prallen sie an mir ab. Ja, so was macht einen stärker und das kann ich für heute gebrauchen. Ich will gar nicht wissen, wie mein Vater reagieren wird, wenn er hört, dass ich nicht das sage, was er mir eingetrichtert hat. Ob er wirklich daran glaubt, dass ich das tun werde? Ehrlich gesagt ist es mir egal. Soll er doch denken was er will. Gleich werde ich ja sehen, wie er reagiert. Gleich. Gleich werden wir uns wieder sehen… Kaoru: Aufgeregt sitze ich in dem Gerichtssaal, lasse meinen Blick durch das Publikum schweifen, sofort sticht mir Daisukes rotes Haar ins Auge. Ja, ihn würde man wohl überall wieder finden, wenn er einmal verloren gegangen wäre. Allein dieses Gedanke treibt mir ein kleines Lächelnd auf meine Lippen, auch wenn ich noch immer furchtbare Angst habe, was hier passieren wird. Ich weiß nicht, wie das zu Ende gehen soll. Wie es zu Ende gehen wird, aber immerhin kann ich dich ein letztes Mal sehen, mein kleiner Engel. Ich schaue einfach weiter durch die Reihen, erkenne hier und da einiger meiner ehemaligen Kollegen, die mich abschätzig ansehen und ein leises Seufzen verlässt meine Lippen. Selbst wenn sie die Wahrheit kennen, werden sie mich weiter mit diesem verachtenden Blick ansehen. Ich kenne solche Leute doch. Für sie bin ich bereits ein reuloser Perverser und das werde ich auch immer sein. Deine Eltern sind auch hier. Ich hab deine Mutter erkannt. Sie sieht angespannt aus und dennoch lächelt sie mich kurz an, als sich unsere Blicke für einen Moment berühren. Aber warum? Ehe ich weiter darüber nachdenken kann, ertönt eine Stimme, die die Verhandlung eröffnet. Man bittet mich in den Zeugenstand. Erneut hämmert mein Herz so stark und fest gegen meinen Brustkorb, dass ich Angst habe er zerspringt gleich in tausende von Teilen. Nur langsam begebe ich mich zu dem kleinen Tisch, der vor dem Richter steht. Ich komme mir wirklich wie ein Verbrecher vor oder wie ein schlechter Schauspieler aus einem der Gerichtsshows. Aber das bin ich nicht. Keines von beiden. Ich habe nichts zu befürchten. Ich weiß, dass du die Wahrheit sagen wirst, dass du mich rausholst, dass ich keine Angst haben muss. Ich weiß es. Ich vertraue dir. Und so beantworte ich die Fragen des Richters, die er mir zu meiner Person stellt und stelle ihm meinen Werdegang dar. Ist wohl nicht ungewöhnlich, dass man sich ein Bild von dem Angeklagtem macht, um nachher besser bewerten zu können, nehme ich an. Es ist auch egal. Ich werde das tun, was sie von mir verlangen, so lange ich am Ende als freier Mann gehen darf und dich endlich wieder in meine Arme schließen kann. Eine andere Stimme ergreift das Wort. Der Staatsanwalt, der die Anklageschrift verließt. Ich will das nicht hören. Diese Unwahrheiten, die er dem Gericht präsentiert. Es ist nicht wahr. Nichts davon entspricht der Wahrheit und allmählich ballen sich meine Hände zu Fäusten. Er soll aufhören. Ich bin kein kranker Perverser, der sich an seinem Schüler vergangen hat nur weil ich dich mehr als alles andere auf dieser Welt liebe. Weil ich dich abgöttisch liebe, mein kleiner Engel. Dennoch bleibe ich ruhig. Ich werde mich gleich dazu äußern können, werde ihnen gleich sagen können, dass das so nicht wahr ist. Und tatsächlich beendet er seinen kleinen Vortrag und alle Augen werden auf mich gerichtet. Ich werde gefragt, ob ich etwas aussagen möchte, werde belehrt, dass ich zu den Vorwürfen nichts sagen muss. Ich will. Und ich werde aussagen. Seufzend lasse ich mich wieder auf den Platz nieder, wo ich schon zu Anfang gesessen hatte. Ich glaube kaum, dass mir hier irgendjemand im Saal glaubt. Ich würde mir wahrscheinlich selbst nicht glauben, wenn ich nicht wüsste, dass es wirklich so gewesen war. Mir wurden unzählige Fragen gestellt, nachdem ich mit meinen Ausführungen fertig war und im Grunde waren es dieselben Fragen, die mir mein toller damaliger Chef schon gestellt hatte. Sie spielten auf deine plötzlich besser gewordenen Noten an, auf die Nachhilfestunden. Aber daran ist doch nichts falsches zu finden. Ich habe ihnen doch gesagt, dass ich dich geliebt habe, dass ich es immer noch tue. Dass ich nur deswegen so gehandelt habe und dass du das alles wolltest. Sie glauben mir nicht. Ich weiß es. Ich habe ihren Blick gesehen. Die Blicke der anwesenden Leute. Die einzigen, die wirklich wissen, dass ich nicht gelogen habe sind deine Eltern und Daisuke und du… Ich sehe, dass du zitterst als du den Saal betrittst und dennoch schaust du dich kurz nach mir um, lächelst mich schüchtern an und auch ich schenke dir ein kurzes, warmes Lächeln. Du wirst mich hier rausholen. Nur langsam lässt du dich auf den Platz nieder, wo vor wenigen Moment ich noch gesessen hatte. Sofort beginnen sie dich zu belehren, dass du die Wahrheit sagen musst, dass eine Falschaussage vor Gericht strafbar ist. Du nickst. Du machst dich nicht strafbar. Und so beginnst auch du zu erzählen. Du sagst alles, was wir besprochen hatte, als wir uns das letzte Mal gesehen haben. Eigentlich könntest du ihnen wirklich alles erzählen, weil ich mir in keinem Moment etwas zu Schulden kommen hab lassen. Vielleicht der Augenblick, als ich dich das erste Mal geküsst hatte, aber sonst habe ich nichts unrechtes getan. Und du erzählst es ihnen und ich spüre, dass es dir zunächst schwer fällt und sofort wandert mein Blick zu deinen Elter, das wutverzerrte Gesicht deines Vaters, als du allen hier erzählst, dass du das wolltest, dass du alles freiwillig getan hast und dass du mich liebst. Erneut fängt mein Herz so schnell gegen meine Brust zu schlagen an und es ist so viel angenehmer als zuvor. Ich liebe dich auch, mein Süßer. Nur aus dem Augenwinkel heraus, erkenne ich, wie sich dein Vater erhebt aus dem Gerichtssaal stürmt. Ja, so hat er sich das wahrscheinlich nicht vorgestellt. Er hatte wohl nicht damit gerechnet, dass du dich gegen ihn stellst und für uns aussagst. Aber du tust das richtige. Sie müssen dir nur noch glauben. Erneut siehst du unsicher zu mir herüber, aber du lächelst und auch ich muss lächeln. Es ist schön dich so zu sehen. Du siehst gut aus, wie immer eigentlich. Nach weiteren Fragen wirst du entlassen. Du kannst nach Hause gehen, wenn du das möchtest, aber ich bin mir sicher, dass du warten wirst. Du willst sehen, wie sich das ganze entwickelt und ich habe Recht. Vielleicht kenne ich dich inzwischen ja doch zu gut oder du bist zu durchschaubar. Ich muss ein Kichern unterdrücken. Es ist wirklich nicht zu fassen, wie schnell du es schaffst mich glücklich zu machen und das einfach nur indem du da bist und mich anlächelst. Lächelnd sehe ich dir nach, wie du dich zu deiner Mutter ins Publikum setzt, weiter nur zu mir schaust. Eigentlich wissen sie doch jetzt alles und dennoch geht die Beweisaufnahme weiter. Nach und nach betreten weitere Zeugen den Saal, werden ebenso wie wir beide befragt. Mein ehemaliger Chef ist einer von ihnen. Aber auch er sagt nicht wirklich gegen mich aus, erzählt die Dinge aus seiner Sicht, schweigt wenn er manche Fragen nicht beantworten kann. Weitere Zeugen folgen, auch wenn es nicht mehr viele sind, zieht sich die Verhandlung und so langsam will ich hier nur noch heraus. Weg von hier. Mit dir. Endlich wird die Beweisaufnahme beendet und es kommt zu den Plädoyers beider Anwälte. Ich höre gar nicht mehr wirklich hin, kann nur noch zu dir herübersehen, immer wieder lächeln, wenn auch du zu mir hinschaust, denn anders als ich scheinst du den beiden Vorträgen genauestens zu folgen. Wozu denn? Sie sagen nichts aus, werden nichts an dem Urteil ändern. Ich kann an dieser Stelle doch eh nicht mehr eingreifen. Ich kann nur noch abwarten. Abwarten, wie sie über meine, unsere Zukunft entscheiden werden. Nochmals wird das Wort an mich gerichtet und schließlich mir überlassen. Ach ja. Aber was soll ich sonst noch sagen? Dass ich unschuldig bin? Ich hoffe, dass sie das bereits selbst gemerkt haben. Aber was sagt man denn in so einer Situation? Darüber habe ich mir wirklich keine Gedanken gemacht. Vielleicht sollte ich einfach schweigen und abwarten. Mein Blick fällt zu dir, wenn ich schon nichts sage… Doch dann fällt es mir plötzlich ein. Ja, vielleicht ist es übertrieben und einfach nur dumm, aber ich muss das einfach tun. Lächelnd sehe ich dich an. “Ich liebe dich.” Ich flüstere zwar nur, aber ich bin mir sicher, dass du es gehört hast oder es zumindest von meinen Lippen ablesen konntest. Es ist mir so egal, was die anderen von mir denken. Vielleicht war das wirklich das letzte Mal, dass ich dir das sagen konnte. Wer weiß das schon? Hoffentlich werden sie das Urteil heute schon verkünden. Nicht wie ich so oft in den Nachrichten gezeigt wird, dass Verhandlungen vertagt werden. Das würde ich wirklich nicht mehr aushalten. Weitere Tage voller Ungewissheit und ohne dich. Kyo: Ich bin so verdammt aufgeregt. Und ich habe Angst. Was ist, wenn das alles nichts gebracht hat? Wenn sie dich trotzdem für schuldig erklären? Was sollen wir denn dann machen? Ich will nicht auf dich verzichten müssen. Ich will dich bei mir haben und das für immer und das habe ich denen doch auch gesagt. Hoffentlich reißen sie uns nicht wieder auseinander. Nicht schon wieder… Endlich betreten sie den Saal wieder und ich erhebe mich, so wie alle anderen hier im Raum. Vorsichtig greife ich nach der Hand meiner Mutter, die die ganze Zeit bei mir geblieben ist. Ich weiß, dass sie nun auch für dich ist. Für uns. Und dennoch habe ich noch immer Angst. Sie sollen das Urteil endlich verlesen. Ich will endlich Gewissheit nach so langer Zeit. Wir mussten lange genug warten. Bitte lasst uns wieder zusammen sein. Nach für mich einer halben Ewigkeit beginnen sie vorzutragen, was sie entschieden haben. Warum müssen solche Leute immer so viel reden? Können sie nicht einfach sagen, ob sie uns glauben oder nicht? Ob du den Saal als freier Mann verlässt oder nicht? Ob wir uns wieder lieben dürfen… Endlich, endlich klärt er uns über unserer Zukunft auh und mit einem Mal schießen mir die Tränen in die Augen. Du bist frei. Frei. Freudentränen, die ich mal wieder nicht unterdrücken kann. Schnell presse ich mir meine Hand von meinen Mund, damit nicht noch ein Schluchzer nach außen dringt. Überglücklich sehe ich einfach nur zu dir, begegne deinem erleichterten, überglücklichen Blick. Ich glaube wir hören beide nicht mehr zu, als noch erläutert wird, warum du freigesprochen wirst, warum sie von einer Verurteilung absehen. Und wir dürfen uns wieder näher kommen. Du wirst nicht mehr dafür bestraft, wenn du näher als 100 Meter an mich heran kommst. Pass auf, denn dann lasse ich dich sicher nie wieder gehen. Nie wieder. Die Verhandlung wird geschlossen und wir alle verlassen den Saal. Überglücklich gehe ich mit meiner Mutter mit, lasse auch endlich ihre Hand los und lächele sie an. Ich bin ihr so dankbar, dass sie mich versteht, dass sie das doch noch okay findet und dass sie mich unterstützt. Natürlich kommst du nicht sofort raus. Da gibt sicher noch einiges an Formalitäten zu klären, aber das macht nichts. Ich warte auf dich. Ich konnte diese ganzen letzten Wochen warten, also schaffe ich wohl noch diese paar Minuten. “Du hast lang nicht mehr so glücklich ausgesehen.” Nein, habe ich wirklich nicht. Da hat sie Recht. “Die letzten Wochen waren auch nicht besonders schön.” Sie nickt nur und ich weiß, dass er ihr Leid tut. Dass sie das alles nicht gewollt hatte. Wahrscheinlich hatte sie einfach nur Angst vor meinem Vater, immerhin habe ich mittlerweile gemerkt, wie aufbrausend und wütend er werden kann. Was mich wohl erwarten wird, wenn ich nach Hause komme? Er wird das niemals akzeptieren können. “Tooru? Das mit deinem Dad. Das bekommen wir schon hin. Mach dir da mal keine Sorgen.” Wieso schafft sie es heute eigentlich immer wieder mich zum Lächeln zu bringen? Das ist doch nicht normal. Aber heute ist ja auch kein normaler Tag. Ich kann es immer noch nicht glauben, dass wir zusammen sein dürfen. Für immer… “Danke…” Ich will mich wirklich bei ihr bedanken, ihr sagen, wie froh ich bin, dass sie auf meiner Seite steht, dass sie wieder für mich da ist. Und das werde ich auch noch! Dennoch stürme ich einfach los, als ich endlich sehe, wie du aus dem Saal trittst, dich bereits suchend umschaust. Im nächsten Augenblick liege ich einfach in deinen Armen kuschele mich weiter an dich, atme deinen wunderschönen Duft ein. Lass mich nie wieder los. Die anderen können mit uns machen, was sie wollen, aber bitte lasst uns einfach zusammen sein. “Ich liebe dich auch.” Ja ich musste doch noch drauf antworten. Dazu hatte ich eben keine Gelegenheit mehr, immerhin galt dem Angeklagten das letzte Wort. Lächelnd schaue ich zu dir auf und sofort spüre ich deine herrlich weichen Lippen auf meinen. Es tut so gut, dich endlich wieder so nah bei mir spüren zu können. So verdammt gut… Ich weiß nicht, wie lange wir dort gestanden und uns einfach nur geküsst und festgehalten haben. Und dennoch musstest du den Kuss lösen, sahst mich an. Und mit einem Mal war das Lächeln aus meinem Gesicht verschwunden, als ich in deine traurigen Augen sah. “Kyo. Ich kann nicht hier bleiben.” es handelt sich dabei um ein deutsches Gericht, ebenso die Schulzeiten… Epilog: -------- Kyo: Was? Warum nicht? Habe ich dich überhaupt richtig verstanden? Das kann doch nicht dein Ernst sein? Mit meinen traurigen Augen blicke ich einfach weiter zu dir hoch, warte auf eine Antwort, die einfach nicht kommen will. Was habe ich denn getan, dass du nicht mehr bei mir sein willst? Dass du mich verlässt, obwohl wir uns doch gerade erst wieder gefunden haben. Was soll das? Warum tust du das? Warum tust du mir das an? Uns? Haben wir nicht so sehr darum gekämpft, dass wir zusammen sein dürfen und jetzt willst du einfach abhauen und mich wieder allein lassen? Oder war das geplant? War das extra? Hast du mir nichts gesagt, damit ich schön für dich aussage? Damit ich nicht auf den Gedanken komme, mich doch noch an dir zu rächen? Was spielst du für ein Spiel? Was soll das alles? Hast du wirklich geglaubt, dass ich dann gelogen hätte und dich hätte leiden lassen? Wie denkst du nur von mir… Und nun antwortest du mir noch nicht einmal. Habe ich nicht ein Recht darauf zu erfahren, was du für ein Spiel mit mir treibst? Habe ich nicht ein Recht, endlich die Wahrheit zu erfahren? Ich richte meine heisere Stimme an dich und spüre, wie mir schon wieder Tränen in die Augen treten. Wieso hast du mich in letzter Zeit nur so oft zum Weinen gebracht und das obwohl ich dich so sehr liebe… Oder gerade deshalb? Wie schaffst du das nur immer wieder? Wie? „Warum?“ Nur diese eine Frage wandert über meine Lippen, während ich noch immer zu dir hoch schaue, mich dennoch weiter an dir festhalte. Nun sag schon, was los ist. Warum du so handelst. „Kyo…“ Wieso fängst du schon wieder so an? Das hat nie etwas gutes zu bedeuten, wenn man meinen Namen so ausspricht, wenn du mich so ansiehst, wie du es tust. Du erwartest Verständnis. Doch wofür? Sag mir doch, was du hast. Sag es einfach ohne große Umschweife. Ich will endlich wissen, was mit dir los ist. Was passiert ist. Was hat sich denn seitdem verändert, dass du mir gesagt hast, dass du mich so sehr liebst und immer bei mir sein willst? Was ist nun anders, dass du mich einfach so verlässt? „Ich kann nicht hier bleiben. Hast du die anderen gesehen?…“ Seit wann interessieren dich die anderen? Ich dachte es ist egal, was sie denken, so lange wir zusammen sein können. Ich dachte, dass ich dir wichtiger bin, als die anderen Leute. Hast du mir das nicht immer wieder gesagt, dass ich dir so viel mehr bedeute? Und nun nicht mehr? Einfach so? Was ist geschehen? Habe ich dir etwas getan? Ich schüttelte einfach nur meinen Kopf, um auf deine Frage zu antworten und um zu zeigen, dass ich dich einfach nicht verstehe. Was in die vorgeht, was mit dir los ist. Kann ich nicht irgendwas dagegen tun? Ich habe doch nur auf dich geachtet in dem Gerichtssaal, aber du scheinbar ja nicht nur auf mich, wenn dir nun die anderen in den Sinn kommen. Wen auch immer du damit meinst. „Hast du gesehen, wie sich mich angesehen haben?“ Nein, habe ich doch eben schon gesagt oder es dir zumindest gezeigt. Ich weiß nicht, wie sie geschaut haben. Ich erinnere mich nur an die Blicke, die man mir in der Schule zugeworfen hatte, als das alles heraus gekommen ist. Meinst du das? Ist das denn so wichtig? Ich habe das alles doch auch ertragen, nur damit wir wieder zusammen sein können. Es war mir egal. Aber dir scheint das nicht so zu gehen… „Die halten mich doch alle für einen Perversen, obwohl ich frei gesprochen wurde…“ Das weißt du doch gar nicht und das Gericht hat entschieden, dass du nichts Unrechtes getan hast. Ich habe doch für dich ausgesagt, damit sie dir glauben, damit sie uns glauben. Und nun war alles umsonst? „Ich würde hier doch niemals wieder als Lehrer arbeiten dürfen.“ Ich schüttelte einfach nur den Kopf. Ich bin enttäuscht. Du versuchst es doch nicht einmal, willst mich verlassen, nur weil ein paar dir unbekannte Menschen im Saal komisch geschaut haben? Dann muss ich dir ja verdammt viel bedeuten… Wie konnte ich auch nur so blöd sein und glauben, dass du mich willst, dass du mich liebst? Was habe ich denn schon an mir, dass jemand wie du mich haben wollen könnte? Ich bin so verdammt naiv. Aber ich bin selbst Schuld. Ja, nur meine Schuld. Warum hältst du mich dann noch so fest bei dir, wenn du mich nicht willst, wenn du mich sowieso verlässt? „Okay.“ Nein eigentlich ist es gar nicht okay, aber was soll ich sonst dazu sagen? Du hast deine Entscheidung doch schon gefällt. Ich habe dir nichts mehr zu sagen. Vielleicht, dass ich dich liebe und es gewiss immer tun werde, aber das verschweige ich dir. Du weißt es doch ohnehin. Und dennoch werde ich schweigen, mich einfach umdrehen und gehen. Ich hab dir nichts mehr zu sagen. Wie kannst du nur so mit mir spielen und mich so verletzten? Und mich dann einfach allein lassen… Wie kannst du nur? „Kyo…“ Halt den Rand! Ich will es nicht hören. Ich hab deine dummen Ausreden satt und dich auch. Verschwinde doch einfach, wenn du gehen willst, dann hau doch ab und lass mich endlich in Ruhe. Geh weg und mach es nicht noch schmerzhafter, als es eh schon ist. Ich schüttele meinen Kopf, reiße mich von dir los. Ich will es einfach nicht hören. Ich will dir nicht wieder nachgeben und dann wieder der Idiot sein, der alles mit sich machen und sich ausnutzen lässt. So ist es doch. Das ist es, was du mit mir getan hast. Ich drehe mich einfach um und laufe davon. Weg von dir und deinen Lügen, deinem liebevollen Lächeln, das mich getäuscht hat, deinen schleimenden Worten, die du dir sonst wohin stecken kannst. Ich will dich einfach nicht mehr sehen, dich nicht mehr hören und nicht mehr bei mir spüren, also nimm deine Griffel von meinem Arm. Mit tränengetränkten Augen sehe ich zu dir auf, spüre, wie du mich weiter festhältst und mich wieder an dich ziehst, beginnst über meinen Kopf zu streicheln und mich einfach wieder an dich drückst. „Kyo. Komm mit mir.“ Noch immer versuche ich mich aus deinem Griff zu befreien, ehe ich deine leisen Worte an meinem Ohr vernehme, sofort aufhöre mich zu wehren. Ist das dein Ernst? Fragend sehe ich dich an und sogleich spüre ich, wie du mir meine Tränen aus meinem Augenwinkel streichst, mich lächelnd ansiehst. „Lass uns hier weggehen. Irgendwo von vorne anfangen und zusammen sein ohne dass die Blicke der anderen auf uns liegen.“ Aber wie soll das denn gehen? Wie stellst du dir das vor? Ich kann doch nicht einfach gehen. Was wird den aus meinen Eltern und Shinya? Und ich gehe doch noch zur Schule. Wie soll das funktionieren? „Kyo. Komm mit mir mit und lass uns glücklich werden.“ Ich wusste noch immer nicht wirklich, wie du dir das gedacht hast, als du einfach meine Hand genommen und mich zu einem Eis eingeladen hast. Zusammen haben wir in der kleinen Eisdiele gesessen und du hattest mir erklärt, wie du dir das vorstellst. Wir sollen ja auch gar nicht weit weg von hier. Wir bleiben in der Nähe und schauen, dass wir gute Bahnverbindungen finden, damit ich meine Eltern und Shinya regelmäßig besuchen kann. Ich würde schon gern mit dir weggehen, aber ich würde hier einfach zu viel vermissen, auch wenn ich sie besuchen kann. Ich weiß nicht, ob das so einfach gehen würde. Ich weiß nicht, ob ich das schaffe. Und wir kennen uns doch auch noch nicht so lange, dass wir schon zusammen ziehen sollten und das noch in einer fremden Stadt, wo ich niemanden kenn, wo ich allein bin, wenn du nicht da bist. Aber ich weiß ja nun, dass du nicht hier bleiben willst, weil du Angst hast, dass man uns immer so ansehen wird, wie sie es eben tun. Immer wieder werden wir mit irgendwelchen Vorurteilen konfrontiert und das ist eigentlich auch nicht das, was ich möchte. Aber ist es denn richtig einfach zu fliehen und vor den Problemen davon zu laufen? Immer wieder nasche ich ein wenig von meinem Eis, sehe in dein lächelndes Gesicht. Du hast mir gesagt, dass ich mir das überlegen soll und irgendwann meine Entscheidung treffen muss. Und wenn ich nicht will? Wenn ich wirklich nicht will… Bleibst du dann mit mir hier? Ich traue mich gar nicht zu fragen. Ich habe Angst vor deiner Antwort und vor deiner Reaktion und dennoch muss ich wissen, was du tun würdest. Leise richte ich meine Stimme an dich, sehe dich fragend an. „Wenn ich hier bleiben möchte. Was tust du dann?“ Du überlegst nicht einmal, greifst einfach nach meiner Hand und hältst sie fest in deiner, lächelst mich noch immer an. Ich liebe dein liebevolles, warmes Lächeln noch immer. Wunderschön. „Dann bleibe ich hier. Ich werde dich nie wieder allein lassen. Das verspreche ich dir.“ Ich nicke nur leicht, drückte deine Hand ganz leicht. Ich will dich nicht enttäuschen, auch wenn du bei mir bleiben würdest, weiß ich doch, dass du eigentlich weg von hier willst, um ein neues Leben zu beginnen. Und das geht hier einfach nicht. Hier werden wir einfach nicht glücklich, wenn du es nicht bist… Auch wenn wir nicht mehr über dieses Thema gesprochen haben, sondern einfach nur das Eis genossen haben, musste ich die ganze Zeit darüber nachdenken. Selbst jetzt, kreisen meine Gedanken nur um deinen Wunsch, hier wegzugehen. „Hey! Denkst du schon wieder nach?“ Überrascht sehe ich dich an, als du mich grinsend anschaust, den Motor abstellst und mich zu dir ziehst, mich leidenschaftlich küsst. Lächelnd erwidere ich den innigen Kuss, öffne meine Lippen um dich gewähren zu lassen. Spüre wie du deine Zunge sanft gegen meine reibst, deine Finger sich in meinem Haar verfangen und beginnen mich sanft zu kraulen. Und mit einem Mal weiß ich, dass ich mit dir gehen werde. Ich würde alles tun, was du von mir verlangst, wenn ich einfach nur bei dir sein darf und das für immer. Viel zu schnell löst du dich wieder von mir, schaust mich lächelnd an. Ich will gar nicht nach Hause. „Wir sehen uns doch morgen wieder.“ Ich nicke. Wie können uns ab heute jeden Tag sehen, wenn wir das wollen und ich glaube, das wollen wir beide. „Also dann bis morgen.“ Schnell hauchst du mir noch einen kleinen Kuss auf meine Lippen, ehe ich aus deinem Wagen steige und mich auf den Weg nach Hause mache. Es ist doch ganz schön spät geworden, aber dieser Nachmittag hat nun einmal nur uns gehört und es war wunderschön ihn mit dir verbringen zu dürfen ohne sich verstecken zu müssen. Das war doch immer mein Wunsch gewesen, dass wir irgendwo hingehen können. Ins Kino oder in den Park oder eben einfach nur ein Eis essen. Ich bin dir wirklich dankbar dafür, dass du das nicht vergessen hast, dass du mir meinen Wunsch erfüllt hast, sobald es dir möglich war. Glücklich schließe ich die Tür unseres Hauses auf. Hoffentlich hat meine Mutter mit dem Abendessen nicht auf mich gewartet, aber eigentlich bin ich mir ziemlich sicher, dass sie gewusst hat, dass ich heute länger wegbleiben werde. Mit einem Lächeln auf den Lippen schließe ich die Tür hinter mir wieder, schalte das Licht des Flures ein, um mir meine Schuhe auszuziehen. Ich bin so verdammt müde. Der Tag war auch einfach nur anstrengend. Zumindest der Teil des Tages, den wir ihm Gerichtssaal verbracht haben. Ich freue mich einfach nur noch auf mein Bett und eine heiße Dusche. Ich muss mir überlegen, wie ich es meinen Eltern beibringe, dass ich mit dir weggehen möchte und wie sage ich das Shinya? Warum muss das alles auch so kompliziert sein und warum bleiben wir nicht einfach hier? Aber das willst du nicht und ich sollte nicht so egoistisch sein, immerhin hast du mir sogar gesagt, dass wir warten bis mein Schuljahr herum ist, damit die Umstellung nicht ganz so groß wird. Ich hoffe einfach, dass das alles klappt. Es muss einfach klappen… Ich will den Abend einfach nur noch genießen, mich ein wenig entspannen und gar nicht mehr darüber nachdenken. Das kann ich auch noch morgen und vielleicht hast du ja noch eine Idee, wie wir das noch besser lösen können. Leise gähnend tapse ich die Treppe zu meinem Zimmer und dem Bad nach oben, versuche möglichst leise zu sein, um meine Eltern nicht zu wecken. Es ist zwar noch nicht so spät, aber sie müssen beide früh raus und zur Arbeit. Gerade will ich in mein Zimmer gehen, als ich spüre, wie mich jemand am Arm packt mich zurückzieht und mich zu sich dreht. Erschrocken schaue ich in das wütende Gesicht meines Vaters, dessen Augen mich böse anfunkeln. Ich spüre die aufkommende Angst, als er mich einfach gegen die Wand drückt mich wütend anfährt. Wie konnte ich nur so dumm sein? Ich hätte es wissen müssen, dass er das nicht einfach so hinnimmt, dass ich mich ihm widersetzt habe, dass ich zu dir gehalten und die Wahrheit gesagt habe. Immer wieder schreit er mich an, was mir denn einfallen würde, dich in Schutz zu nehmen. Seine Stimme wird immer lauter, sein Griff um meine Handgelenke stärker. Er tut mir weh und entlockt mir ein leises Schluchzen, das ich einfach nicht unterdrücken kann. Ich hab Angst. Verdammte Angst. Er soll mich loslassen, bald ist er mich doch endgültig los. Bitte… Er soll mir nichts tun. Noch immer ist seine laute, aggressive Stimme zu hören, die mich anbrüllt, mir Fragen stellt, was mir denn einfallen würde. Weitere Vorwürfe. Und mit einem Mal liege ich auf dem Boden, auf den er mich so eben geschubst hatte, tritt mit erhobener Faust auf mich zu. Nein, bitte… Ich schließe einfach meine Augen, verstecke mein Gesicht hinter meinen Armen. Ich will keine Schmerzen, ich will nicht, dass er mich schlägt und mir noch mehr weh tut. Seine Worte tun es genug… Zitternd warte ich darauf, dass er mir auch körperliche Schmerzen zufügt, doch nichts geschieht. Vorsichtig hebe ich meinen Blick, folge dem seinigen und erblicke meine Mutter, die aus dem Schlafzimmer gekommen ist, meinen Vater wütend ansieht, bis sie sich vor mich stellt. „Das wagst du nicht, deinen eigenen Sohn zu schlagen.“ Ihre Stimme klingt drohend und dennoch rührt sich mein Vater nicht, verharrt in seiner Position, richtet seine Faust noch immer auf mich. Ich spüre, wie meine Mutter sich zu mir kniet, mich in ihre Arme zieht und mir sanft über meinen Rücken streichelt. „Lass ihn in Ruhe und akzeptiere ihn so wie er ist. Dadurch ändert sich nichts. Und wenn du das nicht kannst, dann kann ich nicht akzeptieren so jemanden geheiratet zu haben.“ Ihre Worte scheinen Wirkung zu zeigen, denn so langsam lässt er seinen Arm sinken, sieht mich dennoch wütend an, ehe er sich einfach umdreht und wieder im Schlafzimmer verschwindet. Schluchzend drücke ich mich an meine Mutter. Ich bin so verdammt froh, dass zumindest sie wieder auf meiner Seite steht, dass sie mich versteht und mich unterstützt. „Danke.“ „Es wird alles gut, okay? Es wird alles gut…“ Ich kann gar nicht glauben, dass meine Mutter mit ihren Worten wirklich Recht behalten hatte. Es ist wirklich alles gut. Alles. Es ist perfekt. Ich habe mir wirklich dazu entschlossen mit dir fortzugehen, um mir mit dir ein neues Leben aufbauen zu können. Du hast dein Versprechen gehalten, als du mir gesagt hattest, dass wir warten, bis mein Schuljahr zu Ende ist. Mein Vater scheint mich auch endlich akzeptiert zu haben und meine Liebe zu dir. Zwar steht er dem noch immer skeptisch entgegen, aber er gibt sich Mühe, redet mit mir und versucht seine Kommentare zurück zu halten und normal mit mir zu sprechen, auch wenn er wahrscheinlich noch immer etwas dagegen hat. Er versucht dies mir gegenüber zu unterdrücken, war sogar einverstanden, dass wir zusammen ziehen und hat mir beim Umzug geholfen. Wir wohnen in einer kleinen Wohnung mit Balkon von dem aus man die riesige Parkanlage der Stadt sehen kann. Auf der anderen Seite liegt der Bahnhof, den man hier zum Glück nicht sieht, aber leider mehr als nur deutlich hört. Aber es ist gut, dass er in der Nähe liegt, da ich die Bahn jeden Tag nutzen muss, um zur Schule zu kommen. Ich fahre jeden Morgen knapp 20 Minuten in eine andere Stadt. Das haben Shinya und ich so ausgemacht, denn auch er hat die Schule gewechselt, da er das ständige Mobbing einfach nur noch Leid war und weil er mich weiterhin sehen wollte. Es ist schön, ihn jeden Tag sehen zu können und die neue Schule, die quasi zwischen den beiden Städten, in denen wir wohnen liegt, ist wirklich schön. Die Lehrer sind nett und unsere Mitschüler ebenso. Sie haben uns sofort in ihre Klassengemeinschaft aufgenommen, waren ziemlich interessiert, als sie erfahren haben, dass Shinya tatsächlich männlich ist und meine Piercings fanden sie ohnehin sofort am ersten Tag cool. Ich bin mir sicher, dass jetzt alles gut wird. Du has auch ziemlich schnell wieder einen Job als Lehrer bekommen, immerhin wissen die Leute hier nichts von dem Vergangenen, da du freigesprochen worden bist, also findet sich auch nichts in deiner Strafakte. Lächelnd schließe ich meine Augen, während ich auf dem Balkon stehe und das leichte Kitzeln der untergehenden Sonne auf meiner Haut genieße, die Luft einatme und den Vögeln bei ihren Gesängen lausche. Ja, es ist wirklich fast perfekt. „Träumst du schon wieder?“ Ohne meine Augen zu öffnen, weiß ich, dass du es bist, der nun hinter mir steht. Deine tiefe brummende Stimme verrät dich, so wie jedes Mal. Mit einem zufriedenem Lächeln auf den Lippen lehne ich mich an dich, als du deine Arme von hinten um mich legst, mich fest an dich drückst und dein Kinn auf meinem blondem Haar bettest, ebenso den Sonnenuntergang genießt. „Ich liebe dich.“ Deine leise gehauchten Worte lassen mein Herz schneller gegen meine Brust schlagen und ich spüre, wie ich schon wieder erröte. Wie jedes Mal, wenn du mir deine Liebe aufs Neue gestehst. Ein kleiner Kuss auf meine Schläfe folgt, ehe du deinen Blick wieder nach vorne richtest. Ja, Ich liebe dich auch... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)