Asche und Rosen von abgemeldet (Luzifer x Rosiel) ================================================================================ Kapitel 1: Alles, was blieb --------------------------- Wunderschön. Lächelnd betrachtete Rosiel sein Spiegelbild. Wahrlich makellos. Sein Spiegelbild lächelte zurück und beinahe hätte er aufgelacht. "Willst du mir etwa das Wasser reichen?", sprach er affektiert und blinzelte charmant. Nein, wohl kaum - nicht einmal sein eigenes Spiegelbild übertraf ihn in seiner Schönheit. Zweifelsohne, heute war sogar er für seine Verhältnisse herausgeputzt, denn dieser Tag war ein besonderer. Das lange, lapislazulifarbene Haar war zur Hälfte hochgesteckt, wobei es von verschiedensten Schmuckstücken zusammengehalten wurde, während sich eine rubinbesetzte Silberkette um den geschmeidigen Hals wand. Die Oberbekleidung bestand aus einem halblangen schwarzen Mantel aus Satin, unter dem sich ein weißes Hemd aus demselben Stoff befand. Die enge Hose aus feinstem Leder mochte zwar nicht ganz so sehr in das noble Bild passen, doch war Rosiel schon immer für seinen etwas exzentrischen Kleidungsstil bekannt gewesen und da er jedes Mal einen Wutanfall bekam, sprach man ihn darauf an, hatte man sich inzwischen damit abgefunden. Der Geburtstag der Zwillinge. Schon Monate zuvor hatte man von nichts anderem gesprochen und die Vorbereitungen waren mindestens genauso lang in Gange. Immerhin war jeder, der etwas bedeuten mochte, geladen und man musste solch hohen Gästen, Würdenträgern zum großen Teil, schon etwas besonderes bieten. Manche munkelten sogar, dass Adam Kadamon sich persönlich mit seinem Erscheinen die Ehre geben wollte, doch da waren Rosiel und seine Schwester Alexiel sich wohl gewiss und einig - die Ehre, den Gottesengel zu sehen war ausschließlich ihnen beiden vorbestimmt. Und hier schieden sich auch die Geister schon wieder. Denn, was Rosiel wohl unverkennbar als höchstes Privileg ansah, wurde von seinem Zwilling eher als lästige Pflicht betrachtet, das wusste er, doch bedauern tat er es nicht. Solange er nicht unter den Eskapaden seiner Schwester leiden musste, scherte es ihn herzlich wenig. Sie würde schon irgendwann sehen, was sie davon hatte. "Katan", sagte der Engel und sein Blick wanderte zu einer Gestalt, welche die ganze Zeit ungerührt und in respektvollem Abstand neben der Tür gewartet hatte. "Rosiel-sama?" "Sag mir ... bin ich schön...?" "Ihr seid schön. Mehr als das", kam es ohne zu Zögern zurück und Rosiel scherte sich nicht um die erschöpfte Routine, die in diesem Tonfall lag. Es war alles perfekt. Er war perfekt. Mit einem selbstbewussten und mehr als einnehmenden Lächeln betrat der anorganische Engel, eskortiert von einigen Bediensteten und Untergebenen, kaum eine halbe Stunde später den Empfangssaal, den man eigens für diesen Anlass hergerichtet hatte, genauso wie die anderen Räume, die den Festlichkeiten zugedacht waren. Sofort richteten sich nahezu alle Blicke auf ihn. Gewiss rührten nicht alle Blicke von Freude und harmloser Neugier her, gab es doch so einige, welche mehr verstohlen, wenn nicht gar feindselig waren. Rosiel rührten sie nicht, er wusste um seine Macht und um seine Position. Nichts und niemand, so wähnte er sich, konnte ihm etwas anhaben. Geduldig nahm er die Beglückwünschungen und die Hände die sich ihm darboten an - natürlich trug er feine Handschuhe, der hohe Engel hegte einen regelrechten Ekel vor Körperkontakt mit Fremden oder anderen Wesen im Allgemeinen. Einzig und allein Adam Kadamon, Alexiel und Katan bildeten da eine Ausnahme. Abwesend ließ er seinen Blick durch den Raum schweifen - er war gut gefüllt und es gelang ihm nicht auf Anhieb, sie auszumachen. Schließlich jedoch erblickte er sie gedankenverloren an einem der riesigen, offenen Fenster stehend, den Blick nach draußen in die weite Dunkelheit gerichtet. Mit einer höflichen Entschuldigung wimmelte er einen hochgestellten Offizier ab, welcher das mit einem Kopfnicken hinnahm und ging schnellen Schrittes auf sie zu, seine Schwester, die wie er ahnte, sich einmal wieder aus dem Mittelpunkt des Geschehens heraushalten wollte. Während des Laufens ergriff er von einem der Kellner, welche hier stets emsig mit ihren Tabletts herumliefen um die Gäste zu bewirten, zwei Rotweingläser. “Na, träumst du schon wieder von einer besseren Welt?”, ließ Alexiel die Stimme ihres Bruders aus den Gedanken schrecken - sie sah auf und ergriff mit einem schwachen Lächeln das Rotweinglas, welches er ihr hinhielt. Während er sich zu ihr auf das ausladende Fenstersims gesellte, welches man zum Sitzen ausstaffiert hatte, antwortete sie, seinen Bewegungen mit den Augen folgend, “Was wären wir nur ohne unsere Träume?” Sie stießen leicht die Gläser an, ein leises Klingen ertönte, welches in der Geräuschkulisse des Raumes fast gänzlich unterging. “Du siehst sehr hübsch aus”, sagte sie schließlich, einen liebevollen Blick auf ihren Bruder gewandt. “Ich bin sehr froh darüber, dass dich die Leute mehr beachten als mich, so komme ich wenigstens nicht in die Verlegenheit mich für irgendwelche übertriebenen Geschenke bedanken zu müssen, das kann ich alles dir überlassen.” Rosiel schnaubte leise, “Und ich meinte schon, niemals einen Sinn hinter deinem Mauerblümchen Dasein entdecken zu können, aber du hast ihn mir ja gerade selbst offenbart.” “Charmant, wie eh und je”, kommentierte der organische Engel das mit einem schiefen Lächeln. Im Gegensatz zu ihrem Bruder hatte sie darauf verzichtet sich besonders aufzutakeln und war in ein eher schlichtes, dennoch sehr vornehmes Kostüm gekleidet, das Haar zu einer kunstvollen Frisur hochgesteckt und balancieren tat sie auf silbernen Pumps. “Alles Gute zum Geburtstag”, sagte sie leise und küsste ihn unvermittelt auf die Wange, was er wohlwollend hinnahm. “Auch dir meine Segenswünsche, geliebte Schwester”, entgegnete er nicht minder leise und für einen Moment herrschte eine innige Vertrautheit zwischen den Geschwistern. Das war nicht immer so gewesen. Eine ganze Weile lang war Rosiel seiner Schwester mit nichts als Feindseligkeit begegnet, hatte er doch stets seine Position bedroht gesehen, hatte angenommen, sie wäre von einem genau solchen Machthunger beseelt, wie er selbst. Und als wie falsch sich das herausgestellt hatte, musste er schmerzlich und fast mit einem schlechten Gewissen feststellen, als sie zu seinen Gunsten auf die Teilherrschaft verzichtet hatte. Dass sie das nur getan hatte, damit sie besser miteinander auskamen, der Gedanke war ihm kein einziges Mal gekommen. Aber es war gut so wie es jetzt war. Zumindest von seiner Seite aus. Alexiel bedachte ihn mit einem undefinierbaren Blick, wandte selbigen dann wieder aus dem Fenster und betrachtete das sachte, künstliche Schneetreiben, welches eingesetzt hatte. Rosiel nahm einen Schluck von dem Rotwein. Köstlich süß schmeckte er. "Du bist in Sorge, Schwester", sagte er schließlich leise. Der organische Engel sagte eine Weile nichts. "Findest du nicht, dass es einen Anlass dazu gibt?" "Ich kann dir nicht ganz folgen", entgegnete er und folgte ihrem Blick nach draußen. "Es ist still geworden..." Rosiel setzte zu einer Antwort an, doch ein plötzlicher Schauer überkam den anorganischen Engel, ein Gefühl ... Augen, die sich in seinen Rücken bohrten - schnell fuhr er herum und die Augen flackerten hektisch über die Anwesenden. Nichts. Nahezu alle im Raum hingen einer fröhlichen ausgelassenen Stimmung nach. Es war nicht so, dass er niemals beobachtet wurde, von irgendwelchen Bewunderern oder ihm missgestimmten, aber das war etwas anderes gewesen. Diese Intensität, Augen, die ihn aufspießen wollten, nein, das war regelrechter Hass gewesen. Mit einem Mal schwindelte es den anorganischen Engel, ihm wurde übel. "Ist alles in Ordnung?", drang die besorgte Stimme seiner Schwester in seinen Geist. "Entschuldige mich kurz", murmelte Rosiel, ohne auf die Frage einzugehen. Er brauchte ganz dringend einen Moment nur für sich, um sich wieder zu sammeln. Konnte man es auf den Wein schieben? Normalerweise stieg der ihm ja immer recht schnell zu Kopf. Im nächsten Moment, als er einen angrenzenden Raum betrat, schüttelte er diesen Gedanken sofort wieder ab - das war Unsinn, er hatte noch nicht einmal ein halbes Glas getrunken, davon wurde man noch nicht einmal leicht beduselt. Die Stimmen der anderen Engel verstummten automatisch, als er den Raum betrat, und sich die Tür hinter ihm schloss. Ruhe legte sich wie drückender Nebel über ihn. Eine Strähne hatte sich aus seiner Frisur gelöst und baumelte ihm vorwitzig vor dem Gesich - mit einer unwirschen Geste wischte er sie weg. Was war nur mit ihm los? Der anorganische Engel blinzelte einmal und sah sich dann im Raum um. Es war einer der Gezeiten Räume. Angrenzend an den Festsaal befanden sich symmetrisch vier Räume, die jeweils in den Jahreszeiten der Erde hergerichtet waren. War es nun Zufall, dass er den Herbst erwischt hatte? Leise knisterte Laub unter seinen Sohlen, als er ein paar Schritte hineinging. Blätter fielen dabei lautlos von den Bäumen, leuchtend rot und gelb, teilweise noch ein wenig grünlich. So vergänglich ... Rosiel wusste von seiner Schwester, dass viele Leute sagten, dass der Winter der Todbringer sei, der alles vernichtende und lebensverschlingende Gevatter. Er verstand es nicht. Für ihn war es der Herbst. Der Herbst täuschte einen mit seinen wunderschönen Farben, sodass man geneigt war, zu vergessen, dass im Herbst alles starb. Die Blätter fielen von den Bäumen, verfaulten und wurden zu Erde, während die kleinen Tiere, die nicht in den Winterschlaf fielen, erfroren oder mangels Futter dahingerafft wurden. Im Winter war das nicht so. Der Winter hüllte die Gefallenen in sein sachtes Weiß ein, begrub sie unter sich und machte sie vergessen, dass es da Wesen gab, wie ihn und Alexiel, die dies alles überdauern konnten. Der anorganische Engel schüttelte den Kopf, wozu machte er sich überhaupt Gedanken um so etwas? Das war als organischer Engel die Aufgabe Alexiels. Der Patronin über alles Leben, alles Körperliche. Abermals wischte Rosiel sich über die Augen, einen Moment war seine Sicht verschwommen. Dann sah er sie. Sie stand neben dem Imitat einer riesenhaften Eiche, ganz in Schwarz gehüllt, als trüge sie Trauer. Sogar ihr Gesicht wurde von einem Schleier geborgen, lediglich der schmale, rote Mund schaute darunter hervor. Und sie starrte ihn an. Nicht, dass er es mit Gewissheit sehen konnte, er hätte noch nicht einmal in ihre Richtung sehen müssen, nein, er spürte ihren Blick auf sich ruhen. Sie hatte ihn erschreckt. Mit wütender Stimme, dass man ihn so hatte überraschen konnte, wandte er sein Wort an sie. "Wer bist du, was hast du hier verloren? Antworte gefälligst!" Die Gestalt, so schien es, ließ sich von seinen Worten nicht einschüchtern, zeigte keine Demut und keine Furcht, sie rührte sich nicht, stand einfach nur da. Rosiel, der sich dadurch öffentlich provoziert fühlte und nebenbei bestrebt war, dass man ihm seinen Schrecken nicht anmerkte, setzte sich in Bewegung und ging mit festen Schritten auf die Gestalt zu. "Ich werde dich töten, wenn du nicht redest", versprach er ihr und hob wie zum Zeichen die Hand, welche mit einem Mal von gleißend heller Energie umzuckt wurde, zarte Blitze, nicht stark genug um jemanden ernsthaft zu verletzen, doch die Drohung war unmissverständlich. Dann jedoch kam Bewegung in die Gestalt. Zuerst verzog sich der rote Mund nur zu einem Lächeln und Rosiel war es, als verhöhnte sie ihn, eine Stimme ertönte und der anorganische Engel konnte nicht sagen, ob sie zu Frau oder Mann gehörte, es hätte beides sein können. "Ich bin gekommen, um Euch zu holen, Rosiel-sama." Für einen Moment wirkte der Engel perplex, dann brach er in glockenhelles Gelächter aus, welches die Gestalt geduldig abwartete. "Mich holen?" es schien ihn sehr zu amüsieren. "Auf wessen Geheiß hin?" Rosiel trat näher, Neugier und Leichtsinn beflügelten ihn. "Auf das Geheiß meines Herrn, dem Herrscher der Hölle." Kalt klang die Stimme mit einem Mal und Rosiel hielt inne, als wie aus dem Nichts ein heftiger Sturm aufzog. Seine Frisur löste sich und die seidengleichen Haare flatterten um seinen Körper, als er zurücktrat, die Füße um einen besseren Halt zu haben, fest im Boden vergrub. "Du wagst es tatsächlich, mich anzugreifen, Unwürdiger", knurrte er und die Energieblitze um seine Hand flammten auf, wuchsen an und spätestens zu jenem Zeitpunkt hätte ein Angreifer gemerkt, mit wem er es hier zu tun hatte. Was Rosiel allerdings nicht wissen konnte war, dass der Fremde (oder die?) es genau wusste, mit wem er es zu tun hatte, so war ein süffisantes Lächeln sein einziger Kommentar dazu. Als ob ihr Herr sie sie ohne sich etwas dabei zu denken mit solch einer Aufgabe betraut und ihr nichts zum Schutz oder zur Hilfe mitgegeben hätte. Da ließ sie den Schmetterling zu ihm herüberschweben, ein filigranes, zerbrechliches Geschöpf und dennoch wohnte ihm die Macht inne, dem schönen Engel Einhalt zu gebieten... Rosiel nahm das kleine Wesen erst wahr, als es direkt vor ihm war und einen Moment hielt er inne, auch wenn er sich nicht erklären konnte warum, ließ er die Energie, welche er gesamelt hatte, fallen. Von dem Schmetterling ging ein eigentümliches Leuchten aus, ein Glitzern und die Muster auf seinen zarten Flügeln schienen niemals still zu stehen. Und da wurde die Welt um ihn herum grau. Nicht schwarz, wie etwa bei einer Ohnmacht, sie wurde grau und trist und der Engel konnte spüren, wie seine Glieder erschlafften. Jedoch schlug er nicht zu Boden, er war auch nicht gelähmt, er war nur nicht mehr im Stande, sich zu bewegen. Auch das Rascheln der Blätter, das Zwitschern vereinzelter Vögel, nichts, als habe jemand den Ton abgedreht. Die Augen des Engels weiteten sich, als die Gestalt in aller Seelenruhe auf ihn zuschritt. Dabei verlor sie ihren Schleier und obgleich alles sonst grau war, so leuchteten ihre Haare in einem feurigen Rot auf, während die schwarzumrandeten Augen und die roten Lippen einen dramatischen Kontrast zu der weiß geschminkten Haut boten. Anmutig bewegte sie sich, es schien mehr, als schwebte sie. Rosiels Gedanken wandelten sich in nichts, er war nicht mehr fähig auch nur einen einzigen zu greifen, so als habe jemand seinen Verstand ausgelöscht, seine Sinne jedoch am Leben gelassen. Ein Stromschlag durchzuckte ihn, als der Dämon ihn berührte... Das Weinglas zerbrach in ihrer Hand, während sie ein erschrockenes Keuchen von sich gab. Alexiel blickte sich instinktiv um. Ein merkwürdiges Gefühl hatte sie beschlichen, etwas tief in ihr drin, etwas, das ihr sagte, dass etwas geschehen war. Mit ihrem Bruder. 'Rosiel?' "Alexiel-sama, ist alles in Ordnung mit Euch?" Doch der organische Engel beachtete den besorgten Berater nicht, der zu ihr getreten war. Ihrem inneren Gefühl folgend stürmte sie in eine bestimmte Richtung, während man ihr verblüffte und aufgeregte Blicke hinterher warf, einige der engeren Untergebenen schickten sich an ihr zu folgen. Alexiels einziger Gedanke jedoch galt ihrem Bruder. Etwas war passiert. Jemand war bei ihm. oder etwas. Sie machte sich nicht einmal die Mühe, die Tür zu öffnen, sie zerbarst unter der Energie, die sie voraus sandte und noch ehe sie den Raum betreten hatte, hatten sich ihre drei Flügel zu ihrer vollen Größe entfaltet. Da sie ihr Schwert nicht zur Hand hatte, formten sich violette Energiekugeln über den Handflächen. Als sie den Raum jedoch vollends betrat, stockte sie, ihre Augen weiteten sich. Für Alexiel hatte sich die Welt nicht in Grau gewandelt, doch war das Bild, welches sich ihr bot ebenso erschreckend. Ein Dämon - ein Engel war es mitnichten, das spürte sie schon an der bösen Energie - mit flammend rotem Haar, die schwarzen Flügel ausgebreitet, stand da und funkelte sie an. Offenbar war er keineswegs überrascht, sie hier anzutreffen, dennoch sehr verärgert. Der organische Engel könne Schwierigkeiten bereiten hatte ihm sein Meister gesagt, es galt Vorsicht. Was Alexiel jedoch daran hinderte, den Satan, als welchen sie ihn erkannte, sofort anzugreifen, war die Tatsache, dass dieser ihren Bruder in den Armen hielt, mühelos, wobei Letzterer den Eindruck machte, als bekäme er zwar haargenau mit, was hier geschah, sich jedoch nicht daran zu stören schien. Es war, als befände er sich in tiefster Lethargie. Für den Bruchteil einer Sekunde war sie irritiert, wusste nicht, was sie tun sollte, dann sprach sie mit lauter und herrischer Stimme, während sich einige rangniedrigere Engel in einigem Abstand hinter ihr versammelten. "Lasst ihn sofort los, Satan, dann werde ich Gnade walten lassen und Euer Leben verschonen! Es ist schon Frevel genug, Hand an den anorganischen Engel zu legen!" "Huh", antwortete der Satan nur, der mit einem Mal mehr wie eine Frau wirkte, fügte mit heuchlerisch bestürzter Stimme hinzu, "Ist das denn fair, so viele gegen eine schwache Frau, Alexiel-sama?" Der organische Engel blieb ungerührt. Ihr war keinesfalls entgangen, dass dieses Geschöpf, das weder Mann, noch Frau zu sein schien, auf Provokation aus war. Ihr Pech vielleicht, dass sie oder er nicht wusste, dass er damit bei Alexiel keine Erfolge verzeichnen würde. Ihr Geist war zu stark. "Ich warne dich", sagte sie noch einmal mit erstaunlich ruhiger Stimme, doch jeder, der sie besser kannte, wusste, dass dies ein durchaus ernstzunehmendes Anzeichen für ihre Wut war. Mit ihren dunklen Augen fixierte sie den Fremden. Es stand außer Frage, in wessen Auftrag er handelte. Doch zu welchem Zweck? Sie bemerkte nicht, wie ein Cherub an ihre Seite kam, mit ausdruckslosen Augen. Nur Einer hätte die Sorge und die Angst in ihnen zu deuten vermocht. "Alexiel-sama", sagte er leise, "Was geht hier vor...?" Doch Alexiel antwortete nicht, wie auch, sie wusste es doch selbst nicht. "Wenn Ihr verzeiht, Alexiel-sama ..." Der Fremde hatte wieder begonnen zu sprechen und einen Moment schwebte der leblose Körper Rosiels vor ihm, als er in die Tasche seiner Kutte griff um eine Art Stundenglas hervorzuholen. "Wir werden erwartet." Die Augen des organischen Engels weiteten sich und mit einem Schrei stürzte sie nach vorne als sie erkannte, was er dort in der Hand hielt, jedoch zu spät. Den Zauber einer Zeitlosen Uhr konnte niemand aufhalten. Höchstens Adam Kadamon persönlich, doch der schwieg still. Ein helles Licht erstrahlte, gleißend hell und hüllte alle Anwesenden ein, raubte jedem für wenige Sekunden das Augenlicht. Alexiel war eine der ersten, die es vermochte, selbige wieder zu öffnen und sie erkannte, dass alles was zurückgeblieben war, einzelne weiße Federn waren, welche lautlos herabregneten. Der Rest der Anwesenden erlangte langsam sein Sehvermögen wieder zurück und wenige Sekunden später brach ein großer Tumult los. Alexiel wurde mit Fragen bestürmt, lautstarke Entsetzensbekundungen wurden ausgetauscht und man rannte eiligst und geschäftig umher, nur um irgendetwas zu tun zu haben, hatte man dies nicht so erweckte man zumindest den Anschein, betroffen oder bestürzt zu wirken. Nur ein Engel schottete sich von der allgemeinen Panik und dem Trubel ab. Mit ernstem Blick und einem unguten Gefühl in der Brust war Katan langsam zu jener Stelle gegangen, an welcher zuvor noch der Höllendämon mit seinem geliebten Herrn in den Armen gestanden hatte. Er bückte sich nieder um etwas aufzuheben, verharrte leicht in der Hocke, wobei sich seine Finger liebevoll und dann krampfhaft um einen Gegenstand schlossen. Eine kostbare Haarspange Rosiels, von unschätzbarem Wert. Rubine und weiße Diamanten funkelten daran, eingerahmt von feinstem Silber. Der Cherub presste sie an seine Brust, ganz so, als könne er das Geschehene rückgängig machen. Man hatte Rosiel-sama entführt und er hatte rein gar nichts tun können. Und niemand wusste, wohin man ihn gebracht hatte, das war das Schlimmste. Oh, Rosiel war stark, daran bestand für Katan keinerlei Zweifel, sehr stark, aber wie konnte man sich nicht um das Wesen sorgen, das man mehr als alles Andere liebte, so sehr, wie es einem Engel eigentlich verwehrt sein sollte? Der Silberhaarige merkte nicht, wie die Kanten der Spange in seine Handflächen einschnitten und sich sachte einige Blutstropfen lösten. Derjenige, der es wagen sollte, Rosiel-sama ein Leid zuzufügen, so schwor er sich, dem würde er eigenhändig das Herz aus der Brust reißen, ganz gleich welche Konsequenzen das bedeuten mochte. Stumm stand der Cherub wieder auf und ließ die Spange in eine seiner Manteltaschen gleiten. Nichts in seiner stoischen Miene ließ auf die bedrohlichen Gedanken in seinem Inneren schließen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)