Sed de Sangre von Nievaris (Blutdurst) ================================================================================ Kapitel 8: ----------- „Sparrow?“ Governeur Swanns Stimme war einwenig schriller und klang aufgeregter, als Elizabeth ihren Vater je gehört hatte. Allerdings konnte sie ihm auch keinen Vorwurf machen bei der Bitte, die sie ihm eben vorgetragen hatte. Sie hatte noch ein Wort mit Jack selbst gewechselt, ehe sie sich auf den Weg in die Villa gemacht hatte, die jahrelang ihr zu Hause gewesen war. „Ja, Vater. Captain Jack Sparrow würde sich über eine Begnadigung und einem Kaperbrief freuen, falls du es ihm ermöglichst, selbst vorzusprechen...“, wiederholte die junge Frau ihre Worte und rührte noch einmal in ihrer Tasse herum, ehe sie sie an ihre Lippen hob und an dem Tee nippte. „Wieso sollte er das wollen?“ Die Stimme des älteren Mannes klang nun wieder gewohnt, nachdem er sich beruhigt hatte, wobei ihm der Gedanke, dass Jack Sparrow einen Kaperbrief wollte, immer noch befremdlich „Das wirst du ihn schon selbst fragen müssen...“ Elizabeth vermied es, ihren Vater direkt in die Augen zu sehen. Es war wohl vom ersten Augenblick an klar gewesen, dass Jack an sie herangetreten war, damit sie diese Bitte an ihren Vater richten konnte, aber der Gouverneur konnte eher schlecht seiner eigenen Tochter die Marine ins Haus schicken, um den notorischen Piraten gefangen nehmen zu lassen, zumal der Mann sich nach Norringtons Rettung ohnehin einen Tag in Port Royal gewünscht hatte, an dem er nicht ins Fort gesperrt werden würde. Sollte er diesen einen Tag etwa für diese Bitte benützen? Die junge Frau spitzte ihre Lippen. Vielleicht hätte sie diese Situation doch auch in ihren Gedanken ein wenig durchgehen sollen, denn auch wenn sie es schaffte, ihren Vater um den Finger zu wickeln, wenn es um Sparrow ging, war sie sich dieser Sache nicht ganz so gewiss. Dieser Mann schaffte es einfach, alles aus den Fugen zu bringen, auch wenn er nicht einmal anwesend ist. „Es wäre ja auch zu schön gewesen, wenn dieser Mensch die Chance, einen Tag auf Begnadigung hier in die Stadt zu kommen, es nicht sofort für irgendwelche gewissenlose Zwecke nutzen würde...“, entrüstete sich der ältere Mann erneut und schnaubte kurz, um seiner Wut Luft zu machen. „Sollte Jack wirklich einen Kaperbrief wollen, Vater, was hätten wir dann zu verlieren? Er ist dann an unser Gesetz gebunden und darf nicht länger britische Schiffe überfallen. Und der Commodore hätte auch etwas weniger Arbeit, wenn er ihn nicht mehr fangen muss, sondern sich auf andere Dinge konzentrieren kann.“ Für eine kurze Zeit herrschte Stille zwischen den Beiden, lediglich das Klappern ihres Geschirrs war zu hören und Elizabeth konnte die Falten auf der Stirn ihres Vaters erkennen, die ein deutliches Zeichen dafür waren, dass er nachdachte und womöglich Vorteile und Nachteile abwog. „Ja, aber das bedeutet auch, dass er sofort Zugang zu allen britischen Städten hat und wer weiß, zu was er sich dann verleiten lässt?“ „Ich denke nicht, dass er etwas Dummes anstellen wird. Wozu sollte er sich sonst die Mühe machen, einen Kaperbrief anzunehmen und sich damit unseren Gesetzen zu unterwerfen?“ „Hm...“, war alles, was der Gouverneur von sich gab und trank seinen Tee aus. Er müsste lügen, wenn einige Argumente nicht für den Piraten sprechen würden. Und auch wenn besagter Pirat wohl daran beteiligt gewesen war, dass seine Tochter gerettet und diese verdammte Piratencrew gefangen werden konnte, er war und blieb nun einmal ein Pirat. Man hatte ihn wohl nicht umsonst als solchen gebrandmarkt... „Hätte mich ja auch wirklich überrascht, wenn er mir Blumen gestreut hätte...“, konnte Jack sich dann nicht verkneifen, als Elizabeth ihm Auskunft darüber gab, wie das Treffen mit ihrem Vater verlaufen war. Natürlich konnte niemand erwarten, dass man den Piraten mit offenen Armen empfangen würde, aber es wäre ein Deal, von dem beide Seiten etwas hätten. Jack, weil er dann zumindest vor der britischen Marine keine Furcht mehr haben bräuchte und ihre Leute, weil Jack keine britischen Schiffe mehr überfallen durfte und sich auch in den Städten, die der englischen Krone unterstanden, kein Leid zufügen durfte, wenn man es so ausdrücken wollte. „Vielleicht nicht unbedingt Blumen, aber er hat zugesagt, dich heute Nachmittag zu empfangen und mit dir darüber zu reden, ich finde, das ist durchaus ein Anfang...“ „Abgesehen von schwierigen Anfäng'n, Liebes...ich hatte noch nie einen solchen Freifahrtsschein...kann'ch mir den gleich heute abholen?“ „Das kommt wohl ganz drauf an, wie schnell die bist, meinen Vater und den Commodore selbst zu überzeugen, dass es keine schlechte Idee sein würde, dir einen Kaperbrief auszuhändigen...“, entgegnete die junge Frau mit einem kecken Unterton und hob ihr Kinn durchaus etwas herausfordernd an. Ein pochender Kopfschmerz begleitete ihn nun schon seit einigen Stunden. Um genauer darauf einzugehen: seitdem der Gouverneur ihn in seinen Gedankengang eingeweiht hatte, dass es eventuell vernünftig wäre, dem Piraten einen Kaperbrief auszuschreiben und ihn somit an ihre Gesetze zu binden. Damit könnte er zwar ansonsten seinen freibeuterischen Neigungen weiterhin nachgehen, unterstand aber der britischen Krone und musste ihnen auch einen gewissen Sold von der Beute zahlen, die er in seinen Besitz bringen würde. An und für sich wäre das kein allzu schlechter Gedanke. Es würde bestimmt auch wesentlich weniger Arbeit mit sich bringen, sollte Sparrow für die Krone und nicht gegen sie arbeiten und dennoch sträubte sich etwas in dem jungen Briten gewaltig. Wer wusste schon, was Sparrow tun würde, wenn er dieses Dokument einmal sein Eigen nennen konnte? Und konnten sie ihm wirklich soweit glauben und auch vertrauen, sich an ihre Regeln zu halten? Nein, bestimmt nicht! Und doch musste er sich dem Wunsch des Gouverneurs beugen, auch wenn er seine Bedenken offen geäußert hatte. Swann hatte sie eingesehen und auch gemeint, dass er selbst erst diese Gedanken gehabt hätte, hätte dann aber doch die Richtung gewechselt und durchaus auch Punkte aufgezählt, die dafür sprachen, den Piraten zu einem offiziellen Freibeuter zu machen. Norrington hatte keine Zweifel daran, woher der Wind kam und weswegen der ältere Mann nun seine Meinung geändert hatte - nicht, dass an diesen Argumenten nichts dran gewesen wäre und doch nagte die Skepsis an ihm. Einem Mann wie Sparrow sollte man besser nicht einfach so über den Weg trauen, egal was für Anliegen er hatte oder welcher Berufung er nun auf einmal nachging. So bereitete er sein Büro im Fort vor, hier waren mehr Soldaten und es war James bei weitem lieber, als wenn sie in das Haus des Gouverneurs gehen mussten. Bisher hatte er noch nicht bei einem solchen Ereignis beigewohnt, auch wenn er sich nicht vorstellen konnte, dass es sonderlich aufregend war. Als Gouverneur brauchte Swann eigentlich nicht mehr machen, als einfach seine Unterschrift unter dein Dokument zu setzen, dass vom König bereits unterzeichnet worden war. Dann wurde noch Sparrows Name eingetragen und damit wäre die Sache erledigt. Mehr oder weniger... Nur wenige Stunden später wurde der vermeintliche noch-Pirat von zwei Soldaten in das Büro des Commodores gebracht, wo er vor dem Schreibtisch stehen blieb. Norrington selbst stand hinter dem Tisch, die Arme hinter seinem Rücken verschränkt, um sich selbst so doch ein wenig von seinem Gegenüber zu distanzieren. Neben ihm stand der Gouverneur und James hatte durchaus das Gefühl, auch wenn der ältere Mann sich dafür ausgesprochen hatte, dem Piraten einen Kaperbrief zu geben, ihm nicht ganz wohl bei der Sache war. Es fühlte sich widernatürlich an, einem solchen Mann derartige Vorteile einzuräumen oder sogar noch auf eine gewisse Art und Weise entgegen zu kommen. Für was denn? Er hatte weder etwas Großartiges für diese Stadt geleistet, noch schien er Intentionen zu besitzen, einer solchen Tat nachzukommen. Sparrow seinerseits schien mit sich und der Welt im Einklang zu sein. Grinsend wie eh und je blieb er vor dem Tisch stehen, besah sich die anwesenden Männer in gewohnter Manier und faltete seine Hände vor seinem Körper, während er ein wenig vor und zurück wippte und offensichtlich auf etwas wartete. Der Pirat wusste, dass man ihn jetzt nicht einfach so wieder in eine Zelle sperren konnte und so wartete er mit gespielter Geduld, bis das Trara beginnen würde...und er die Urkunde endlich in seinen Händen würde halten können. Ein wahrlich glorreicher Augenblick, wenn man es so sehen wollte. Zwar war Sparrow sich gewiss, dass er den Kaperbrief nicht unbedingt brauchte, aber irgendwas in ihm sagte ihm, dass es womöglich ein kluger Schachzug wäre. Es konnte bestimmt nicht schaden und schon alleine der Gesichtsausdruck des Commodores war es wert, hier zu stehen und zu warten... „Und jetzt? Was hat deine Crew hierzu gesagt?“, es war ehrliche Neugierde, die der junge Schmied seinem vormals piratischem Freund entgegenbrachte. Doch anstatt zu antworten, grinste Jack ihn erstmal an, bevor er das Dokument wegpackte und an seiner Rumflasche nippte. „Geteilte Meinung, aber ich denke, sie sind wirklich davon überzeugt, dass es durchaus Vorteile haben kann, für die Krone zu arbeiten. Ich mein', wir müss'n diesem König ja dennoch nich' den Hinter küssen und ich wünschte ihr hättet Norringtons Gesicht heute sehen können...unbezahlbar, wirklich...“, in seiner typischen Manier gestikulierend, nahm Sparrow noch einen Schluck von dem Rum, stellte die Flasche dann aber doch zur Seite. Irgendwie hatte dieses Getränk für ihn nicht sonderlich mehr Geschmack bekommen, so ungern er es sich auch eingestehen wollte. „Captain Jack Sparrow...Freibeuter unter britischer Krone – klingt doch warhaftig nicht so schlecht, aye?“, zwar musste er sich an diese Titulierung noch etwas gewöhnen, aber es war nichts, was er nicht doch auch irgendwie freiwillig eingegangen war. „Leider sind sonderlich viele Gäste bei solchen Vertragsbindungen nicht erwünscht, aber ich kann mir schon vorstellen, dass der Commodore nicht gerade begeistert von dieser Entscheidung war...“, gestand Will dann zu, doch es kümmerte ihn recht wenig, was genau Norrington davon hielt. Das Gesuch, Sparrow einen Kaperbrief zu geben, hatte Gehör gefunden und auch wenn es damals Barbossa gewesen war, der mit der Black Pearl die Hafenstadt angegriffen hatte, viele Menschen wären vielleicht doch auch froh nun zu wissen, dass dieses Piratenschiff ihnen keinen Schaden mehr zufügen würde. „Ich bin mir sicher, dass sich James auch noch daran gewöhnen wird, solange du dich angemessen verhalten wirst, Jack...“, die Gouverneurstochter streichelte kurz über den Unterarm ihres Mannes und schenkte dem ehemaligen Piraten ein ehrliches Lächeln. „Er ist wirklich kein schlechter Kerl und ich kann mir auch vorstellen, dass nach zwei erfolglosen Versuchen, dich gefangen zu halten und an den Galgen zu bringen, er nicht gerade Freudensprünge machen würde. Allerdings kennt er dich auch nicht ganz so gut, wie wir beide die Chance dazu hätten...“ Jack tat das Gerede mit einem knappen Schulterzucken ab. Eigentlich war es ihm egal, was genau die Menschen von ihm hielten oder über ihn dachten. Diese Gedanken hatte er schon vor Jahren aufgegeben und er würde jetzt nicht wieder damit anfangen. „Nun gut, meine beiden Täubchen...ich werd' mich dann dennoch noch auf den Weg mach'n. Muss meine Mannschaft vielleicht doch noch ein wenig überzeug'n, dass wir hier einen Grund zum Feiern haben...mehr oder weniger. Nun, jedenfalls...feiern...“ Breit grinsend stand er auf und verabschiedete sich knapp von dem Paar, bevor er das Haus durch die Türe verließ. Mit seiner Mannschaft zu feiern war allerdings ein vorgeschobener Grund, denn wie schon einmal zuvor wurde er auf das Trinken des Rums nur noch durstiger und auch wenn er nicht wusste, was das letzte Mal geschehen war, so hatte er im Moment eher das Bedürfnis, sich wie ein verletztes Tier zurück zu ziehen und in Ruhe vor sich hin zu leiden. Kein angenehmer Gedanke, aber er konnte wohl auch schlecht davon berichten, was ihm widerfuhr, zumal er sich selbst keinerlei Reim darauf machen konnte. Die Zeit wollte nicht vergehen und Sparrow wusste auch gar nicht mehr, welche Wege durch die Stadt er genommen hatte. Steinstraßen waren sandigen Wegen gewichen und auch Häuser fand man hier nur mehr selten und wenn, dann waren es eine Art von Bauernhöfe. Es roch nach Tieren und Dreck und nur mehr im Entferntesten nach Meer. Vielleicht hätte er doch Richtung Strand gehen sollen, doch im Moment spielte das keinerlei Rolle für ihn. Der Durst war wesentlich schneller gekommen als beim letzten Mal und erschien ihm auch wesentlich penetranter als davor. Doch war er damals nicht einfach eingeschlafen und war munter und undurstig aufgewacht? Vielleicht hatte er das Glück dieses Mal auch und mit einem Keuchen ließ er sich zu Boden gleiten. Im Moment fühlte er sich dem Wahnsinn näher als sonst, denn auch wenn er unterwegs Brunnen gefunden hatte, das Wasser hatte seinen Durst keineswegs gelöscht, sondern hatte nur dazu geführt, dass sich sein Magen schmerzlich verkrampft hatte. Leise stöhnend rollte er sich auf den Rücken und ignorierte dabei die Tatsache, dass er mitten auf dem Weg lag. Die Chance, dass ihn jemand finden würde war mehr als nur gering. Langsam aber sicher rutschten alle anderen Gedanken zu einem Gefühl des egal-seins. Es war ihm egal, dass er nun Freibeuter war; es war ihm egal, dass Elizabeth es geschafft hatte, den Mann, den sie liebte, zu heiraten; es war ihm egal, dass er sein Schiff wieder hatte... Auch Rum und der Gedanke an irgendwelche Schätze war ihm egal; zu wissen, dass er nun jederzeit dem Horizont entgegen segeln konnte... Das tapsende Geräusch eines Hundes wurde dem Freibeuter erst bewusst, als das Tier nur mehr wenige Meter neben ihm stand, während er selbst mit geschlossenen Augen auf dem sandigen Weg lag und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Die Augenbrauen etwas angehoben wandte er sein Gesicht dem Geräusch zu und öffnete seine Augen einen Spalt breit. Das Tier, das vor ihm stand, war dunkel, hatte zotteliges Fell und die umgeknickten Ohren soweit aufgerichtet, als das es einen neugierigen Eindruck machte. Wer dann die Kontrolle über seinen Körper ergriff, vermochte Jack im Nachhinein nicht mehr zu sagen. Er wusste nur noch, dass sein Blick ein wenig verschwommen wurde, fast so, als ob der Rest ausgeblendet werden würde. Sein Blick fokussierte sich auf den Hund und mit einer Schnelligkeit, die er sich in diesem Zustand nicht zugetraut hätte, sprang er auf und sprintete auf das Tier zu. Alles ging so schnell, dass der Hund kaum mehr die Möglichkeit zur Flucht gehabt hatte, weswegen er nun seinen Schwanz zwischen die Hinterläufe klemmte, sich offensichtlich bewusst, welcher Gefahr er sich ausgeliefert hatte – wenn auch viel zu spät! Mit aufgerissenen Augen und einem angsterfüllten Winseln versuchte der Hund sich erst aus Jacks Griff zu befreien, doch der hielt ihn am Nacken fest und begann, ihn auf den Boden zu drücken. Auch der Versuch, den Mann mit den Zähnen zu verletzen war vergeudete Mühe und so wurde sowohl das Zappeln, wie auch das Winseln weniger, nachdem Jack seine Zähne in die Kehle des Tieres vergraben hatte und mit einem befriedigenden Gefühl begann, das Blut, das aus den Adern strömte, heraus zu saugen und zu trinken. Mit jedem Schluck, den er tat, bemerkte Jack am Rande seines Verstandes, wie der Durst weniger wurde, je mehr der warmen Flüssigkeit seine Kehle hinab rann, bis er schließlich ganz verebbte. Erst, als der Kadaver des Hundes begann, auszukühlen und es nichts mehr gab, dass er aus seinen Adern hätte trinken können, verschwand der Tunnelblick, sowie er auch wieder Herr seiner Sinne wurde. Erschrocken und geschockt von sich selbst und dem, was er getan hatte, ließ er angewidert von dem Toten ab, rappelte sich schwankend auf und hielt sich nun aus einem anderen Grund stöhnend seinen Bauch. Was hatte er getan?! Der Geschmack des Blutes befand sich immer noch in seinem Mund und angeekelt spuckte er ins nahe Gebüsch, doch auch das konnte es nicht ungeschehen machen. Mit geweiteten Augen blickte er sich um, fand sich aber noch immer in der Dunkelheit der Nacht, in der kein Mensch seines Weges kam und so auch nicht sehen konnte, was passiert war. Ohne lange nachzudenken griff er die Beine des toten Tieres, schleppte es vom Weg und warf es in einen nahen Graben. Wenn er Glück hatte, würden sich andere Tiere darum kümmern, doch im Moment wollte er nur noch weg von dort! Taumelnd wie ein Betrunkener ging er den Weg entlang, den er zuvor entlang gekommen war. Wohin er schlussendlich kam, war genauso unwichtig wie noch einige Minuten zuvor, doch diesmal aus einem anderen Grund. In Gedanken versunken fuhr er sich mit dem Ärmel seines Hemds über die Lippen und konnte auch dort noch Spuren von Blut erkennen. Für einen kurzen Augenblick wurden seine Schritte langsamer, als er seine Hand anhob und zu seinem Mund führte. Er wusste, dass etwas nicht stimme und konnte es auch förmlich spüren, doch noch war es etwas, was er für ein Hirngespinst hielt. Das Ertasten von etwas, das eigentlich nicht möglich sein sollte, ließ ihn seine Schritte wieder beschleunigen. Es war mehr als offensichtlich nicht normal, dass Zähne, die sonst eigentlich eine Einheitsgröße hatten, mit einem Mal sowohl größer als auch spitzer waren, als die umliegenden. Dies war vielleicht bei Raubtieren normal, die ihre Zähne auch als Waffen benutzten, aber Jack war sich sicher, dass es unter Menschen nicht normal war, auf einmal Fangzähne aufzuweisen... Er hatte bestimmt schon rote Druckstellen auf seinem Nasenrücken, dennoch konnte er sich selbst nicht davon abhalten, sich aus Gründen der Angespanntheit und der durchaus auch unterdrückten Wut, mit Daumen und Zeigefinger besagten Nasenrücken zu massieren. Entspannung folgte allerdings nicht... Das konnte doch wohl nicht wahr sein! Diese Schlange hatte es doch tatsächlich geschafft, sich einen Kaperbrief zu erschleichen! Zwar konnte Norrington nicht nachvollziehen, wie der Gouverneur sich dazu hatte überreden lassen können, aber vermutlich hatte auch Elizabeth ihre Finger im Spiel. So gerne er die Frau auch hatte – sonst hätte er nicht um ihre Hand angehalten – er wusste auch, wie sehr sie ihren Vater um den eigenen Finger wickeln konnte. Und sie hatte durchaus Ambitionen, dass Jack nicht gehängt werden würde... Ähnlich einem Tiger in einem Käfig ging der Brite ruhelos in seinem Wohnzimmer auf und ab. Es war ruhig in dem Haus bis auf das Ticken der großen Standuhr, die in der Ecke des Raumes stand. Seufzend blieb er an der Türe zu seinem Garten stehen und blickte durch das Glas in die Nacht hinaus. Ein Anblick, der ihn im Moment allerdings nicht sonderlich beruhigte. Er wusste, dass er dem Piraten – und jetzigen Privatmann – eigentlich zu Dank verpflichtet war, immerhin hatte er ihn nicht einfach im Meer treiben lassen. Dennoch, eine gute Tat machte all die Gesetzesbrüche dieses Mannes nicht einfach wett, egal, was andere denken mochten. Auch vermochte er nicht zu sagen, ob es wirklich die Person Jack Sparrow war, gegen die er im Moment einen solchen Groll hegte, oder aber es die Tatsache war, dass es in Zukunft nur mehr Hinrichtungen geben würde, anstatt der Aufregung einer Jagd. Stetig hinter einem Ziel her zu sein und auch wenn er es nicht direkt erwischen konnte, er wusste, dass es ein Morgen geben würde; dass er auch am kommenden Tag immer noch dieses Ziel vor Augen haben würde. Vielleicht sollte er noch an den Strand spazieren gehen, das Alleinsein genießen und versuchen, sich abzulenken und den Kopf frei zu bekommen. Jack Sparrow hatte durch dieses Dokument Rechte erlangt, wie sie auf jeden Bürger dieser Stadt zutrafen – hinzu kam, dass er so gesehen nun auch unter Norringtons Schutz stand. Oder eher stehen sollte... Auch dieser Gedanke behagte ihm so gar nicht und so entschloss sich der Brite dann doch statt zu einem Nachtspaziergang zu einem Glas Brandy, bevor er zu Bett ging und sich dort noch einige Male unruhig hin und her wälzte, ehe er in einen traumlosen Schlaf fiel, der ihm nicht viel Erholung bringen sollte. Das entfernte Aufjaulen eines Hundes hörte er nicht mehr … Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)