Requiem von Glasschmetterling (Wichtelstory 2008 für Wombat) ================================================================================ Kapitel 7: Suche ---------------- Requiem – Kapitel 7: Suche „Verdammt.“ Malfoys Stimme klang fast mild, der Schock hatte ihn wohl noch nicht in vollem Ausmaß getroffen, und abwesend starrte er auf das kleine Kaffeetischchen, schien nicht wirklich zu realisieren, was Hermine ihm gerade gesagt hatte. Sie war schon dabei, ihre Hand auszustrecken, um ihn zu packen und hochzuziehen, als ein Klopfen an der Fensterscheibe sie innehalten ließ und sie sich hastig umwandte. Eine Eule des Ministeriums schwebte vor der Scheibe und sie hastete hinüber, ließ sie herein und riss ihr den Brief vom Bein, ohne das Tier eines weiteren Blickes zu würdigen. Gehetzt überflog sie die Zeilen und unterdrückte einen Fluch, schickte dann die Eule weg – Briefe waren nun eindeutig zu langsam. „Kommen Sie.“ Hermine mochte den Unterton von kalter Angst nicht, der sich in ihre Stimme geschlichen hatte, während sie las, und bemühte sich, ihre Ungeduld zu bezähmen, während sie auf Malfoy hinuntersah. „Was stand drin?“ Die unnatürliche Ruhe seines Tonfalls behagte ihr gar nicht, aber sie zwang sich, zu antworten, seinen fragenden Blick zu erwidern. „Dass die Auroren Asoria Carrow nicht in ihrer Studentenwohnung in Edinburgh gefunden haben und ihre Mitbewohnerin sagt, sie wollte 'in Hogsmeade etwas erledigen – gemeinsam mit ihren Freunden'.“ Er schloss für einen Moment die Augen, schien die Gewissheit – oder das, was Gewissheit in ihrer Situation am nächsten kam – in sich aufzusaugen, nur um einen Moment später aufzuspringen. „Dann müssen wir nach Hogsmeade.“ Hermine hatte gerade noch Zeit, nach ihrem Umhang zu greifen, bevor sie Malfoy hinterherhastete, er rannte, als wäre der Dunkle Lord hinter ihm her und an den Biegungen des Treppenhauses verlor sie ihn aus den Augen, hörte nur noch das klackende Echo seiner Schritte, dem sie folgte. Erst in dem kleinen Hof erreichte sie ihn, sie spürte, wie ihre Seite stach und für einen Moment verfluchte sie, jegliche sportliche Betätigung so sträflich vernachlässigt zu haben, bis der Botschafter nach ihrem Arm griff. „Kommen Sie.“ Er klang nicht einmal ein wenig außer Atem, doch sie hatte kaum Zeit, darüber nachzudenken, als sie auch schon spürte, wie ihr Körper zusammengepresst wurde, fester als sonst durch die lange Strecke, und sie apparierten. Das ploppende Geräusch, als sie auf der Hauptstraße von Hogsmeade auftauchten, war eindeutig lauter als sonst und Hermine griff hastig nach ihrem Zauberstab. „Expecto Patronum“, murmelte sie leise und ihr silberner Otter brach aus der Spitze hervor, sprang schneller als jedes wirkliche Tier über die Felder davon, und für einen Moment folgte sie ihm mit den Augen, bevor sie sich abwandte und ihre Aufmerksamkeit auf ihre Umgebung richtete. „Wen haben Sie benachrichtigt?“ Malfoy gönnte ihr keinen Blick, während er sprach, sondern schien sich zu bemühen, in den Schülermassen in ihren schwarzen Umhängen den weißblonden Haarschopf seines Sohnes auszumachen, und auch Hermine schloss sich seinem Beispiel an. „Harry“, entgegnete sie abwesend. „Das Gerede über Asorias Freunde macht mir ein wenig Sorgen – wir könnten Verstärkung aus dem Aurorenbüro benötigen.“ Er nickte knapp, wenn auch ein wenig widerwillig, und begann, sich einen Weg durch die Kinder und Jugendlichen zu bahnen, die die Straßen des Dorfes säumten, die allerdings so mit sich selbst beschäftigt schienen, dass zwei absolut durchschnittlich aussehende Erwachsene in Umhängen keine weitere Aufmerksamkeit erregten, wofür Hermine ausgesprochen dankbar war. „Haben Sie eine Vorstellung, wo Scorpius sein könnte? Irgendwelche Lieblingsgeschäfte...?“ Malfoy schüttelte langsam den Kopf. „Sehe ich aus wie ein Vater, der besonders viel über...“ „Mum!“ Hermine zuckte zusammen, als sie ihre Tochter Rose auf sich zufliegen sah, das Mädchen lachte und warf sich in ihre Arme, während sie für einen Augenblick nicht wusste, was sie tun sollte, bevor sie sie fast erschrocken an sich drückte. „Rose... was machst du hier?“ „Ich bin in Hogsmeade, Mum – wie alle anderen Drittklässler, die etwas auf sich halten. Albus muss sich auch hier irgendwo herumtreiben...“ Suchend sah sie sich um, doch Hermine packte sie am Arm und hielt sie fest, ein wenig zu unsanft, wie sie vermutete. „Rose... weißt du, wo Scorpius Malfoy ist?“ „Scorpius? Wieso möchtest du wissen, was der macht...“ Ihre Tochter sah sie mit einem verwirrten Blick an, bis Draco Malfoy in ihr Gesichtsfeld glitt und die Verwirrung sich zu Fassungslosigkeit steigerte. „Und was macht er...?“ „Erklär ich dir später, Liebling. Hast du ihn jetzt gesehen oder nicht?“ Rose kniff die Augen zusammen, doch plötzlich hellte sich ihr Gesicht auf und sie nickte. „Ja... er ging mit irgend so einem älteren Mädchen, vielleicht aus der Siebten, 'rüber zur Heulenden Hütte. Ich hab mir nicht viel dabei gedacht, immerhin kennt sein Dad einen Haufen Leute... was ist den passiert, Mum?“ Hermine hörte die letzten Worte nicht einmal mehr, denn sie musste sich bemühen, mit Malfoy Schritt zu halten, der schon vor ihr losgestürmt war, in Richtung des Ortsrandes, die Angst um seinen Sohn schien ihm zusätzliche Kraft zu verleihen, etwas, das sie nachvollziehen konnte. „Hey! Hey, Malfoy!“ Er hielt für einen Moment inne, was es Hermine erlaubte, die letzten Meter des kleinen Hügels, auf dem die Heulende Hütte stand, zu ihm hochzuhasten. „Was ist?“ „Wir sollten auf... Verstärkung warten...“, keuchte sie, doch im nächsten Augenblick drang ein gellender Schrei aus dem Gebäude, der die vernagelten Fenster erzittern ließ, und Hermine zog ihren Zauberstab. „Vergessen Sie die Verstärkung.“ Die Tür der Hütte war verbarrikadiert, doch Malfoy schwang seinen Zauberstab und zersplittertes Holz flog mit einem lauten Krachen davon, Hermine spürte, wie die Späne auf ihren Rücken hinunterregneten, als sie sich durch die so geschaffene Öffnung duckte. Die Luft in der Hütte war muffig und abgestanden, schien sich regelrecht in ihre Lungen zu fressen, während sie versuchte, durch den Staub, den die kleine Explosion aufgewirbelt hatte, irgend etwas zu erkennen. Mehr spürte sie, als dass sie sah, wie Malfoy dicht hinter ihr folgte – genauso, wie sie den Angriff mehr instinktiv vorausahnte, als dass sie wirklich etwas bemerkt hätte. „Avada Kedavra!“ Hermine warf sich zu Boden, zog Malfoy mit sich, sie hörte, wie der Fluch in der Wand über ihr einschlug und große Stücke aus der Backsteinmauer riss, Putz von der Decke rieselte auf sie herab und sie musste husten. „Avad-“ „Stupor!“ Der Fluch kam von Malfoy, war in die Dunkelheit des Durchgangs gezielt, der hinunter in den Geheimgang zur Peitschenden Weide führte, und ein dumpfes Poltern, das Geräusch eines menschlichen Körpers, der zu Boden schlug, zeigte ihr, dass er getroffen hatte. Sofort erhob sie sich aus ihrer geduckten Position, spürte, wie kleine Mauerreste und Staub von ihrem Umhang rieselten, während sie sich in den Flur warf, ein ungezielter Fluch vom oberen Treppenabsatz rauschte an ihr vorbei, bevor sie wieder in Deckung ging. Der Angreifer, den Malfoy aufgehalten hatte, war jung, er trug eine Schuluniform von Hogwarts mit einem Slytherin-Abzeichen und einen Augenblick später begriff Hermine, dass es noch einen anderen Grund gab, warum Asoria Carrow ein Hogsmeadewochenende für ihren Angriff ausgewählt hatte. Trotzdem nahm sie sich die Zeit, ihn zu fesseln, bevor sie sich umwandte – Malfoy war verschwunden. Polternde Schritte auf der Treppe zeigten ihr, dass er nach oben gestürmt war, und sie beeilte sich, ihm zu folgen, heisere Schreie drangen von oben herauf. Doch wenigstens schienen die Entführer durch ihren Angriff so weit abgelenkt, dass sie Scorpius nicht mehr folterten, denn es waren keine der gellenden Schreie mehr zu hören, die ihr zuvor so tief ins Mark gedrungen waren. „Malfoy!“ Sie konnte seine schweren Schritte nicht mehr auf der Treppe hören und bezwang den Drang, inne zu halten und ihren keuchenden Atem und das Stechen in ihrer Brust zu beruhigen, hastete weiter, doch im nächsten Augenblick polterte ein Körper – sie wusste nicht, ob lebendig oder tot – die Stufen hinab. Rein instinktiv presste sie sich an die Wand, ließ zu, dass er an ihr vorbeifiel, und hörte das scharfe Geräusch von brechenden Knochen, während sie weiter nach oben hastete. Sie hatte keine Zeit. „Malfoy!“ Fast automatisch wurden ihre Schritte in das kleine, abgewohnte Schlafzimmer getragen, in dem sie damals Sirius Black gegenübergestanden hatte, doch sie verdrängte das Gefühl des Déjà-Vus, verdrängte die Erinnerung, verdrängte die schwarzen Punkte, die vor ihren Augen tanzten und sich jeden Augenblick zu großen Flecken auszuweiten drohten, und konzentrierte sich auf die Situation. Scorpius Malfoy hing schlaff in den Armen einer jungen Hexe, deren Ähnlichkeit mit Alecto Carrow so unmissverständlich war, dass sie sie sofort als Asoria erkannte, und die ihn wie einen Schutzschild vor sich hielt. Zwei weitere Komplizen standen hinter ihr, halb in der Deckung, die sie bot, ein Mädchen, das ebenfalls eine Hogwartsuniform trug, und ein Zauberer, vielleicht ein Student. Doch ihre Gesichtsausdrücke waren identisch, abweisend, fatalistisch, und Hermine brauchte all ihre Selbstbeherrschung, um Malfoy anzusehen, der vor ihr stand, den Zauberstab auf Asorias Kopf gerichtet. Wut funkelte in seinen grauen Augen, unbändige Wut, wo sie gedacht hatte, seinen Zorn zu kennen, und er zitterte – nicht vor Angst, sondern aus Rage. „Lass ihn gehen.“ „Warum sollte ich?“ Asoria klang fast unnatürlich ruhig, so als würde sie mit einem Lehrer sprechen, der sie gerade auf ein kleines Missgeschick hinwies, und Hermine stieß sich von dem Türrahmen ab, an den sie sich gelehnt hatte, und machte einen Schritt auf sie zu. „Weil die Auroren unterwegs sind, ihr hier nicht mehr rauskommt – macht es nicht noch schlimmer, als es ohnehin schon ist.“ Scorpius stöhnte leise, seine Lider flatterten, und Asoria packte ihn fester, zog ihn am Hemdkragen hoch. „Für den Dunklen Lord zu sterben ist die höchste Ehre.“ „Voldemort ist tot.“ Hermines Stimme klang kalt und endgültig, doch die junge Hexe zischte wütend auf. „Wag es nicht, seinen Namen auszusprechen. Er wird kommen... er wird kommen und uns in seine Reihen aufnehmen, wie er damals zurückgekehrt ist, um jene zu strafen, die sich von ihm abwandten, und diejenigen zu preisen, die seine Erwartungen erfüllten.“ Die Spitze ihres Zauberstabes zitterte, während sie auf Scorpius' Kehle wies, den Jungen vor sich hielt wie den Garant ihrer Sicherheit, während sich ein leises Ploppen in Hermines Geist schlich. Auroren – die Auroren waren hier, Harry hatte auf ihren Aufruf reagiert, und sie spürte, wie Erleichterung sie durchströmte, als die Gestsalten in den schwarzen Umhängen in den Raum strömten, aus dem Augenwinkel konnte sie sogar Harrys zerstrubbelten Haarschopf erkennen. Alles würde gut werden. „Wir haben Verstärkung bekommen... lass den Zauberstab fallen und ergib dich, Asoria. Es wird alles gut werden, glaub mir...“ Ihre Stimme klang sanft und weich, und für einen Moment schien das Mädchen wirklich darüber nachzudenken, was sie gesagt hatte... allerdings nur für einen Moment. „Avada Kedavra!“ „Protego!“ Hermines Zauberstab war hochgeschossen, bevor sie einen bewussten Gedanken fassen konnte, und der grüne Blitz prallte wirkungslos von dem Schutzschild ab, den sie um sich und Malfoy geschaffen hatte, während sie ihn gleichzeitig zu Boden riss. Das Himmelbett ging in Flammen auf und das kleine Schlafzimmer wurde zu einem Durcheinander aus Schreien und Flüchen, während sie sich zu Boden drückte und Malfoy festhielt, so gut sie es vermochte. Doch schließlich entglitt er ihrem Griff, während die Auroren gerade damit beschäftigt waren, Asoria und ihre beiden Komplizen zu fesseln, und stürzte sich fast auf seinen Sohn, zog ihn in seine Arme und hielt ihn fest. „Scorpius.“ Seine Stimme war nur ein heiseres Flüstern, während er vorsichtig durch die Haares des Jungen strich, seinen Puls fühlte. „Einen Heiler! Wir brauchen einen Heiler!“ Eine junge Frau mit einem Koffer mit dem Symbol des Aeskulapsstabs auf der Seite drängte sich nach vorne, und Hermine, die sich mittlerweile aufgerappelt hatte, blieb nichts anderes übrig, als Malfoy vorsichtig, aber entschieden von seinem Sohn wegzuziehen. „Es ist gut... ihm ist nichts passiert... es ist gut“, wisperte sie leise, doch er schüttelte langsam den Kopf und richtete sich auf, schien seine gewohnte Selbstbeherrschung wiedergefunden zu haben. „Sie hat auf mich gezielt... nicht auf ihn.“ Für einen Moment war Hermine verwirrt, doch dann nickte sie langsam und lächelte ein wenig. „Nun... ich schätze, dann sollten Sie wenigstens einmal im Leben dankbar sein für Ihr Talent, sich alle Welt zum Feind zu machen, Mr Malfoy.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)