Die Chroniken von Khad-Arza - Die Herrscher der Geisterwinde von Linchan ================================================================================ Kapitel 30: Das Flüstern der Windkinder --------------------------------------- In der folgenden Nacht kehrten die Träume und das Himmelsfeuer mit ungeahnter Heftigkeit zurück. Obwohl er es schon seit Jahren und unzählige Male gesehen hatte, erschreckte Puran das grauenhaft blendende, bösartige Feuer der Zerstörung, das vom Himmel regnete, ebenso wie die zischenden und raunenden Stimmen im Wind und in der Finsternis. Bevor der Traum über ihm mitsamt dem bluttriefenden Himmel zerplatzte und sich ein Schwall von Grauen über ihn ergoss, sah er erneut die weiße Spirale, die in den Schatten stürzte, gefolgt von entsetzlichen Schreien von bekannten Stimmen, die er aber trotzdem nicht einordnen konnte… „Nein!“ japste er und fuhr keuchend aus dem Schlaf hoch. Einen Moment saß er heftig atmend in seinem Bett und starrte in die menschenleere Dunkelheit seines großen Zimmers. Cholena schlief an jenem Tag in ihrer eigenen Hütte – sie konnten schließlich nicht von früh bis spät wie Kletten aneinander hängen. Wobei er sich plötzlich nach seiner schönen Freundin sehnte und sich wünschte, sie wäre jetzt bei ihm, um mit ihm zu reden und ihm klar zu machen, dass der Traum vorbei war. Sein Herz pochte noch immer, als er sich aus dem Bett rollte und unruhig ins Badezimmer ging, um etwas zu trinken zu holen. Er hatte so oft denselben Traum geträumt, und dennoch beschlich ihn nach jedem davon dieselbe, kalte Angst, das grauenhafte Gefühl, das ihm einen Schauer über den Rücken jagte, wenn er an die weiße Spirale dachte. Finsternis… so viel davon. Und Feuer. „Sprecht doch deutlich, Himmelsgeister,“ stöhnte er ermüdet, als er im Badezimmer stand und Wasser in seinen Rachen kippte, um wieder klar denken zu können. Ihm schwindelte und für einen Moment wurde das Flüstern in seinem Kopf lauter… es wurde so laut, dass er plötzlich glaubte, jemand wäre bei ihm im Raum. Von einer unerklärlichen Panik ergriffen wirbelte er herum. „Sprecht doch!“ schrie er verzweifelt, „Zeigt mir doch deutlich, was ihr zu sagen habt, und hört auf zu spielen! SPRECHT!“ Vor seinen Augen flammte für den Bruchteil eines kurzen Moments das Bild seiner süßen Cholena auf, lächelnd, aber mit leblosen, leeren Augen wie die einer Puppe, dann wurde ihm unversehens schwarz vor Augen. „Bist du gesund?“ Puran öffnete stöhnend die Augen und fand sich am Boden des Badezimmers liegen. Sein Kopf lag auf einem Paar Oberschenkeln und als er das Gesicht benommen drehte, sah er erstaunlicherweise nicht seine Mutter, wie er erwartet hätte, sondern Alona, seine Cousine. „Wie lange war ich weg…?“ murmelte er und versuchte, sich hinzusetzen. Sie verbot es ihm. „Liegen bleiben,“ sagte sie. „Keine Ahnung, ich habe den Bumms gehört, als du umgekippt bist, ich kam her und du lagst auf dem Boden. Dein Kopf tut sicher weh… was ist passiert?“ „Cholena…“ stöhnte er verwirrt und erhob sich gegen ihren Willen doch, „I-ich, ich habe sie gesehen, es war – es war kein guter Traum! Ich muss nach ihr sehen, jetzt gleich, ich-…“ Alona schnaufte. „Du wirst schön hier bleiben!“ Sie hielt ihn am Hosenbein fest. „Du hast nach dem Sturz sicher eine Gehirnerschütterung, du gehst auf keinen Fall mitten in der Nacht nach Rathuk! Dass ich als Zwölfjährige dir sowas sagen muss, wirklich…“ Wie sie erwartet hatte hielt er inne und errötete kurz. Ihm wurde wieder schwindelig, als er länger schweigend da stand, und er stützte sich stöhnend an der Wand ab. „Es ist übel, was auf uns zukommt, Alona…“ murmelte er, als sich das Mädchen auch erhob. „Ich weiß nicht, warum und was es ist, aber ich… ich habe seit Monden… ein schlechtes Gefühl, als würde uns allen… ein grauenhafter Tod aus Feuer und Schatten bevorstehen.“ Seine Cousine sah ihn einen Moment schweigend an. „Ich spüre es auch…“ murmelte sie, „Ich glaube, die Unruhe von Himmel und Erde ist so stark, dass selbst Nichtmagier sie spüren können… es ist wirklich unheimlich…“ Sie wirkte für einen Moment zerbrechlich und schutzlos, seine sonst so tapfere, freche Cousine, die so klug war und kein Blatt vor den Mund nahm… Puran verwirrte ihre Angst ebenso sehr wie ihn seine eigene verwirrte. Wo war die kratzbürstige Alona, die er kannte? Nein… sie war Alona… sie wurde nur langsam erwachsen. „Was mich wundert…“ murmelte er dann, als ihm immer noch komisch war und er sich fester abstützen musste, um nicht wieder umzukippen, „Du bist gekommen… warum ist Mutter nicht gekommen? Sonst ist sie doch immer die Erste, die instinktiv auf den Beinen ist…“ Als Tabari zurück nach Vikhara kehrte, war der Herbst halb vorüber. Statt zuerst zum Schloss zu fahren, fuhr er nach Tuhuli, um seine Arbeit zu machen. Er war gleichermaßen froh und erstaunt darüber, vor dem Ratsgebäude Meoran anzutreffen. „Nanu?“ begrüßte der Herr der Geister seinen Kollegen und Meoran neigte höflich vor dem Älteren den Kopf. „Willkommen daheim, mein Freund,“ sagte er förmlich. „Ruja hat gesehen, du würdest heute kommen. Du siehst furchtbar aus, die Reise war sicher anstrengend.“ „In der Tat,“ meinte der Blonde erschöpft und fuhr sich ein paar Mal durch die krausen Haare. „Die Leute in Vialla sind überaus anstrengend – hast du mal probiert, die Hochsprache zu sprechen?! Versuch das bitte mal und beweise mir, dass auch du es nicht kannst – ich kann es nämlich definitiv nicht, wie schaffen die da unten das, unsere Einheitssprache so anders zu sprechen?“ „Nein, nein, wir sind die Landeier, die es anders sprechen,“ grinste Meoran beschwichtigend, „Die Hochsprache ist die Einheitssprache in ihrer reinen Form, wir hier im Norden sprechen unseren eigenen Dialekt, genau wie sicher jede Region Tharrs ihren Dialekt und Akzent hat. Aber falls es dich beruhigt, mir fällt es auch sehr schwer. Mein Onkel konnte die Hochsprache perfekt aussprechen, er hat sich schon als Kind geweigert, unseren Bauerndialekt zu sprechen, hat mein Vater mal erzählt. Ich glaube, Onkel Zoras war ganz schön eingebildet, haha…“ „Und ein weiser Mann, wenn er das konnte…“ seufzte Tabari. Der Jüngere klopfte ihm auf die Schulter. „Gehen wir einen trinken und du erzählst mir vom Senat in Vialla… was ist passiert mit den Verhandlungen mit Zuyya und Ela-Ri?“ Es sah nicht gut aus. „Diese Vollpfosten!“ stöhnte der Herr der Geister niedergeschlagen und orderte eine neue Teekanne an den kleinen Tisch, an dem er mit seinem Freund in der Teestube Tuhulis saß, „Natürlich kriechen wir nicht vor den Zuyyanern, die uns technisch nicht nur haushoch, sondern so hoch wie das D’anbahr-Gebirge überlegen sind, beleidigen den komischen neuen Kaiser und so… richtig so, genau!“ Meoran seufzte ob des Sarkasmus’ in Tabaris Stimme. Das war zu erwarten gewesen. „Solange die Zuyyaner samt ihrem mordenden Kaiser auf ihrer Zuyya bleiben, können sie mich gerne kreuzweise,“ sagte er dann, „Das bedeutet, der Senat in Vialla hat dir nicht zugehört und sie wollen nicht wahrhaben, dass wir alle hier schlechte Zeichen sehen? Pff… es ist so bedauernswert. Früher, als die Menschen noch in Stämmen lebten, war der Zauberer des Stammes der wichtigste Mann überhaupt, auf den haben alle gehört… welch ein Desaster das doch heutzutage ist.“ „Hmm,“ machte Tabari dazu zustimmend und nippte an seiner fast leeren Teetasse. „Wo bleibt der neue Tee, verdammt? – Ja, es ist überall auf der Welt anders. Der Anteil der Bevölkerung Tharrs, der Schamane ist, ist nicht klein Und dennoch sitzen wir so weit unten in der Fresskette. Man traut sich zwar nicht, uns öffentlich anzugreifen, aber in der Politik haben Schamanen nichts zu suchen, so war es schon immer.“ Die Bedienung brachte neuen Tee. Die Männer bedankten sich und während Tabari ihnen beiden einschenkte, fuhr Meoran fort. „Was passiert mit dem Schattenland im Osten? Meine Träume haben mir nichts Gutes gesagt. In Vialla nehmen… sie das Wort Ela-Ri nicht erst in den Mund. Wir müssten mit dem regierenden Clan von Tejal sprechen, aber an den kommen wir nur heran, wenn wir das Schlangenmeer überqueren – das tut doch keiner freiwillig, ich schon gar nicht!“ Er lachte nervös. Tabari nickte. „Die Geister sind launisch,“ sagte er. „Ich habe auf der Rückfahrt zwei Tage und zwei Nächste damit verbracht, sie anzurufen und zu fragen, welcher Bedrohung wir uns dringender zuwenden sollen… sie antworten mir nicht, Meoran. Ich bin am Ende meines Verstandes, so fürchte ich. Du bist klüger als ich… was sollen wir tun?“ Meoran lachte. „Ich? Klüger? Ich bitte dich, Tabari… du bist von uns beiden der Herr der Geister.“ Der Blonde schnaubte. „Aber was, verdammt noch mal, soll ich tun?! Herr der Geister, das ist nur ein Amtstitel, so wie König oder Gouverneur einer ist! Ich bin Vorsteher eines Rates, mehr nicht. Das heißt nicht, dass ich klüger wäre als alle anderen. Was… sollen wir machen, Meoran?“ Meoran nippte seelenruhig an seinem Tee, ehe er den Kopf wieder hob und zufrieden grinste. „Das musst du deine Nalani fragen, so denke ich.“ Die Frau sah sich selbst im Schatten stehen, hinter ihr brannte das Land. Vor sich sah sie den Schatten eines Mannes, in seiner Hand tanzte die knöcherne Spirale. Sie erkannte sein Gesicht nicht, weil es von Finsternis verhüllt war. Aber sie hörte eine sehr wohl bekannte und verhasste Stimme in ihren Ohren zischen, die sprach: „Hast du Angst, Königin der Königinnen?“ „Nein!“ rief sie und fuhr herum, um mit dem Schattenschwert Kadhúrem nach dem Spiralenmann vor sich zu schlagen. Der Schatten verflog und sie spürte den eisigen Atem eines grausamen Todes in ihrem Nacken, der mit der Stimme ihres Schwiegervaters zischte. „Du kannst nicht davonlaufen, Nalani… ich werde es verhindern. Ich bin der König von Lyrien! Und du wirst… schon bald auf dem Boden zu meinen Füßen kriechen und dir wünschen, alles wäre anders gekommen!“ Als Nalani aus ihrem Tagtraum erwachte, war sie in ihrem Sessel in sich zusammengesackt und die Schriftrolle war ihr zu Füßen gefallen. War da nicht ein Geräusch gewesen? „Was machst du denn hier oben?“ wurde ihr Verdacht in dem Moment verdutzt bestätigt und sie richtete sich hüstelnd wieder in ihrem Sessel auf. Tabari war zur Stubentür hereingekommen. Wie lange hatte sie geschlafen…? Draußen dämmerte es. „Du bist wieder da,“ stellte sie schlau fest und erhob sich, „Willkommen daheim.“ „Wo hast du Kiuk gelassen?“ fragte ihr Mann glucksend, während er sich bückte und ihr half, die heruntergefallenen Schriftrollen und Pergamente aufzusammeln. „Sonst macht ihr euren Stammbaum-Kram doch immer zu zweit?“ „Nein, dieses hier nicht…“ murmelte sie, „Ich suche… immerzu nach Antworten auf eine Frage, die ich nicht mal kenne…“ Er sah sie verwundert an, als sie sich erschöpft mit den Händen über das Gesicht fuhr. Sie sah gerädert aus, anders als er sie kannte. Ihre Augen waren offenbar vor Schlaflosigkeit unterlaufen und ihr Gesicht aschfahl. „Lass mich dir doch helfen, du sture Frau,“ seufzte er, „Was kann ich tun, Nalani, um dich zu entlasten? Ich weiß auch nicht, was geschehen wird… die Zukunft unseres Landes liegt in Schleiern aus Schatten und Furcht…“ Er legte die ganzen Papiere achtlos auf den Stubetisch und warf dabei das Tintenfass um, das dort gestanden hatte, weil seine Frau offenbar Dinge notiert hatte. „Ach, verdammt!“ fluchte er empört, als sich die schwarze Tinte über die Pergamente ergoss und Nalani stürzte keuchend hinzu. „Du Vollidiot!“ keifte sie, „Jetzt ist alles hin! Alles voller Tinte, du bist so ein-…! Argh! Hole sofort das Mädchen, sie soll kommen und wischen!“ Er seufzte und tat wie ihm geheißen, während sie empört die Papiere betrachtete und sich wünschte, sie könnte die fließende Tinte mit bloßen Gedanken am Fließen hindern, während sie die mühevoll beschrifteten Lyra-Stammbäume einschwärzte, dass die Namen nicht mehr zu lesen waren. Die gesamten oberen Generationen waren dahin; kurz vor dem Namen Ulan Lyra hörte die Tinte zu fließen auf, als fürchtete selbst die Flüssigkeit sich vor dem Namen. Nalani stutzte einen Moment, als sie auf den Namen des Ahnen sah, der vor vielen Jahrhunderten gelebt und nur Unheil gebracht hatte. Ulan. Woher kannte sie den Namen? Er kam ihr vertraut vor, auf eine seltsame Weise, die ihr übel aufzustoßen schien… Ehe sie dazu gekommen wäre, darüber nachzudenken, kam Tabari mit dem Hausmädchen zurück und unterbrach sie. Mit dem Winter kam die Finsternis über Dokahsan. Die Zeit der langen Dunkelheit brach an und schürte wie jedes Jahr die Furcht in den Herzen der Menschen. Mit dem Winter kamen Schnee, Frost und Hunger. Dank der allgemeinen Überbevölkerung auf Tharr gab es viele Tote, die auf den Straßen in Städten erfroren oder verhungerten. Es gab von nichts genug auf der Welt. In der kalten Jahreszeit machten sich die Räte der Schamanen zum ersten Mal gemeinsam daran, mit den Menschen in den hohen Positionen zu verkehren, um die drohenden Übel Zuyya und Ela-Ri abzuwägen und aufzuhalten. Während Tabari zusammen mit Meoran, einem der Telepathen und einem der Heiler nach Janami reiste, um sich über die Lage in D’anbahr und dem dahinter liegenden Ostreich zu informieren, wollte Nalani sich mit Kiuk, Henac Emo und noch einem Heiler um Vialla und den König von Kisara kümmern. Dabei widerstrebte es der Frau, ausgerechnet mit Minar Emos arrogantem Enkel zusammenarbeiten zu müssen. Er war eigenartig und grinste sie auf eine Art an, die ihr absolut nicht gefallen wollte. Aber er war als Mitglied des Emo-Clans bestens dafür geeignet, unbemerkt Informationen zu beschaffen, ebenso wie Meoran mit seinen Vögeln und Federn. Für Tabari war das Misstrauen Henac Emo gegenüber nicht so einfach zu handhaben wie für seine Frau. „Ich mag auch nicht, wie er dich ansieht,“ gestand er ihr, als er mit seinem Trupp gen Osten aufbrach und vor dem Tor des Lyra-Schlosses stand. Dazu waren die Telepathen gut; der Mann aus dem Rat würde sie mit Leichtigkeit nach Janami teleportieren können und sparte damit allen die Reisezeit. „Aber er ist Mitglied unseres Rates, Nalani. Ich als Vorstand dieses Rates kann nicht einfach so mein Misstrauen ihm gegenüber aussprechen, letzten Endes steht er auf unserer Seite, Nalani. Du hast ja Kiuk, wenn Emo dir an die Wäsche geht, verhaue ich ihn definitiv…“ Er grinste aufmunternd und Nalanis Visage verbiesterte sich noch mehr. „Nein, Irrtum,“ schnarrte sie, „Wenn er es wagt, mich anzurühren auf eine Weise, die nicht seiner würdig ist, wird er sterben.“ Sie begriff erst, was sie da gesagt hatte, als die Gesichtszüge der Männer vor ihr entgleisten und Meoran sie vor allem mit einem Ausdruck anblickte, den sie von ihm nicht kannte… Angst? „Ich-…!“ wollte sie erschrocken über ihre eigenen Worte und deren Wirkung einwerfen, aber ihr Mann hielt es für das Beste, das jetzt zu beenden. „Wir gehen!“ befahl er laut, „Ich wünsche auch dir eine gute Reise, Nalani. Und, Puran?“ Er sah zu seinem Sohn, der neben der Mutter stand und etwas verwirrt war von der ernsten Stimmung im Hof, „Da wir jetzt alle wegfahren, kümmere du dich um das Anwesen, insbesondere um Alona. Wenn irgendetwas ist, geht ihr nach Tuhuli zu Ruja und Keisha, sie werden schon für euch sorgen. Verstanden? Ich verlasse mich auf dich, Sohn.“ Puran neigte artig den Kopf. „Ich werde mein bestes geben, deinen Wünschen gerecht zu werden, Vater.“ Als Tabari und seine Gruppe verschwanden und sich im violetten Leuchten des Teleports auflösten, sah er zu Nalani, die noch neben ihm stand und im wehenden Wind wie erstarrt auf die Stelle blickte, an der Tabari verschwunden war. „Mutter?“ wagte er sie vorsichtig anzusprechen. Nalani schloss zitternd die Augen. Das war der Moment, in dem Puran zum ersten Mal das Gefühl bekam, dass seine so stolze und mächtige Mutter, die Königin der Geisterjäger, genau wie jeder andere Sterbliche von Unruhe geplagt wurde und dass die kalte Fassade, die sie zu wahren pflegte, auf Messers Schneide stand. Plötzlich machte sie den Eindruck eines verschüchterten alten Waschweibs, von der majestätischen Haltung war nichts mehr übrig. Sie atmete leise ein und aus. „Der Wind seufzt,“ murmelte sie mit geschlossenen Augen, „Und wir werden es in Kürze mit ihm tun.“ Sukutai war in Yiara wegen des Senats. So waren die beiden Kinder, die eigentlich keine mehr waren, mit den Angestellten alleine im großen Schloss. Cholena war gekommen und auf der einen Seite fühlte es sich lustig an, einmal ohne Aufsicht daheim zu sein. „Hauptsache, du kommst nicht auf die Idee, während der Abwesenheit deiner Eltern deine Blutung zu kriegen,“ brummte Puran seine Cousine an, während er auf der Couch in der Stube lag und Cholena kichernd an deren Kopfende saß, um den Kopf ihres Freundes auf dem Schoß zu halten und seine Haare zu streicheln. „Das wäre nämlich echt ungünstig, Alona,“ fuhr der da fort. Die Cousine schnaubte. „Als ob ich mir den Zeitpunkt aussuchen könnte,“ grummelte sie. „Mir ist langweilig, warum gehen wir nicht irgendwo hin?“ „Du willst nur nach Gahti zu Kannar,“ stöhnte Puran und angelte vom Couchtisch eine Zigarette, die er sich in den Mund schob und ansteckte. Den Rauch auspustend gluckste er dann. „Tja, Pech… ich habe keine Lust, deinen Aufpasser zu spielen, du wirst da bleiben müssen, wo ich bin, also hier. Abgesehen davon soll ich das Schloss hüten und kann deswegen schlecht mit dir feiern gehen!“ „Und ich soll mich jetzt tagelang langweilen?“ nölte sie und rümpfte ob des beißenden Rauchs die kleine Nase. Er machte eine abwinkende Handbewegung. „Zieh Leine, ja? Wir diskutieren später weiter, Alonachen, ich habe Besuch und muss mich doch gebührend um ihn kümmern…“ Bei diesen Worten grinste er seine blonde Freundin blöd an, worauf diese zurückgrinste, ihm die Zigarette aus den Fingern zog und selbst einen Zug nahm. Alona war zutiefst empört. „Nichtsda!“ schmollte sie und sprang auf, „Du bist zwar ein Mann, aber deswegen kannst du mich nicht herumscheuchen, Puran! Geht in deinem Zimmer ficken, wenn ihr so rattig seid, aber nicht auf der Couch!“ „Wer sagt, dass wir ficken…? Wirklich, so ein unartiges Hirn hast du?“ Alona verdrehte die Augen. Er fuhr unbeeindruckt fort: „Und, hmm, wer sagt, dass wir es auf dem Sofa tun…?“ Damit setzte er sich auf, nahm Cholena die Kippe wieder ab und küsste sie verlangend auf die Lippen. Sie kicherte in den Kuss und Alona trottete jetzt von selbst aufgebend zur Tür. „Ihr seid so pervers,“ brummte sie, „Ich erzähle es deinen Eltern, wenn sie kommen, Puran! Dann sage ich ihnen, dass du mich geärgert und Cholena auf dem teuren Sofa flachgelegt hast!“ Mit dieser Drohung knallte sie die Tür zu und stampfte die Treppe hinauf. „Ach,“ machte der Cousin, sobald sie weg war, und stand auf, „Das wäre auch nicht das erste Mal – was sie ja nicht weiß – außerdem soll sie nicht so brav tun…“ „Du solltest vielleicht wirklich nicht so gemein sein und sie abschieben,“ machte Cholena lächelnd, „Sie hat dich sehr lieb und möchte eben nicht alleine sein… ich kann sie verstehen.“ Er drückte den Rest der Zigarette auf dem kleinen Unterteller aus, den er dafür mitgenommen hatte, und stand von der Couch auf, worauf sie es ihm gleichtat. „Ach was, darum geht es nicht,“ lachte er nervös, „Oder wolltest du etwa, dass sie uns dabei zusieht, wenn wir Sex haben?“ Er legte seine Hände auf ihre Hüften und strich sanft daran auf und ab, ehe er neckisch begann, ihren Hals herab zu küssen. Seine Zunge glitt über ihre Haut und sie seufzte leise, die Arme um ihn legend. Als sie ein Knie anzog und es spielerisch gegen seinen Schritt rieb, stöhnte er kurz und unterbrach seine Tätigkeit. „Flittchen…“ tadelte er sie und packte ihre Hüften fester, drehte sie herum und drückte sie sanft gegen die Wand neben ihnen. Cholena grinste diebisch. „Ach, jetzt bin ich das Flittchen, weil ich dir gebe, was du verlangst…? Du bist so böse…“ Er beugte sich dunkel über sie und verschloss ihren Mund mit seinem. Seine Hände zupften nervös an ihrer Bluse, zogen sie auseinander und ihr von den Schultern, ehe sie sanft und dennoch energisch ihre Brüste erfassten. Leise keuchend löste sie sich aus dem Kuss und zog ihr Bein abermals an. Er war bereits hart vor Verlangen, Cholena kicherte sanft, als ihre Finger geschickt seine Hose öffneten und sie ihren Körper gegen seinen drückte. Dann streckte sie sich zu seinem Ohr und flüsterte: „Aber ich mag es, wenn du böse bist, Puran… ich will… dass du mich berührst…“ Er stöhnte erneut, als ihre Hände ihn sanft berührten und er die Hitze in sich wie eine Flamme empor schießen spürte. „Ich will… dass du mich ausfüllst…“ fuhr sie wispernd fort und steigerte damit seine und ihre Erregung, bis er sie plötzlich in wildem Begehren an sich heran zerrte, sie abermals küsste und mit der Hand ungeduldig ihren Rock hinauf schob, um sie zwischen ihre Schenkel zu legen. „Ja, gib’s mir! – Tiefer, ja, oh, schneller, ah, ja!“ äffte Alona beleidigt das Paar nach, während sie im Schloss herum stampfte auf der Suche nach einer sinnvollen Beschäftigung. Sie schnaufte und drehte empört ein paar ihrer langen Haarsträhnen um ihre Finger. Immer Cholena, Cholena hier, Cholena da, manchmal fragte sie sich, ob ihr Cousin, den sie eigentlich sehr schätzte, auch mal etwas anderes im Kopf hatte als Tabak oder Sex. Und das war nicht übertrieben, denn jedes Mal, wenn sie nachts ins Bad gegangen war und dabei an seinem Zimmer vorbei gekommen war, hatte sie ihn stöhnen gehört, ihn und seine Cholena, während sie sich mit einem Eifer geliebt hatten, als gäbe es kein Morgen. Vielleicht wird es keins geben, sagten die Stimmen in ihrem Kopf, die sie mitunter hörte. Sie blieb stehen und sah sich um – außer ihr war niemand im Flur. „Warum sollte es keins geben?“ fragte sie entrüstet und stampfte weiter, wohin ihre Füße sie trugen, bis sie im Schlafzimmer ihrer Großeltern gelandet war. Kelars und Salihahs Schlafzimmer benutzte niemand. Tabari sorgte dafür, dass die Angestellten es sauber hielten, aber alle Möbel waren so gelassen worden, wie seine Mutter sie bei ihrem Tod vor jetzt sechs Jahren zurückgelassen hatte. Alona kam öfter hierher; das Zimmer war wie eine geheime Schatzkammer, in der es spannende, alte Sachen zu entdecken gab, die längst vergessen worden waren. Sie hatte auch noch mehr Stammbäume entdeckt, die sie ihrem Vater gebracht hatte, damit der seine Sammlung vervollständigen konnte. Alona half ihm oft dabei, oder Tante Nalani, wenn sie daran saß. Die Stammbäume waren interessant. Es hatte viele Tabaris und Kiuks gegeben unter den Lyras, ihr Vater und ihr Onkel waren beide Träger der größten und häufigsten Namen der Liste, so weit sie es einschätzen konnte. In dem alten Schrank im Schlafzimmer waren unten Schubladen, in denen sie schon oft spannende Dinge gefunden hatte. Als sie jetzt wieder davor saß und froh war, das Stöhnen aus der Stube nicht bis hier herauf hören zu können, fand sie ein abgenutztes offenbar uraltes Buch mit ledernem Umschlag, das sie bis jetzt noch nicht näher betrachtet hatte. „Das sieht ja aus, als hätte es schon mehrere Jahrhundertwenden überlebt,“ seufzte sie und schlug es auf, worauf ihr eine Staubwolke entgegen flog. Hustend blätterte sie durch die mit sehr ordentlicher, gestochener Handschrift beschriebenen Seiten. Sie erkannte nach einem Denken die Schrift ihrer Großmutter wieder. Was sie aber viel mehr verblüffte als die Schrift war der Inhalt der Worte. Das Monster schied dahin im Hungermond 965. Haben ihn in des Undims Wasser geworfen. Etwas fehlt, kann nicht sagen was es sein möge. Eigenartiges Bauernkind aufgelesen, verwundet. Schatten kommen mit flammendem Regen, können nicht fort. Meine unwürdigen Augen erblinden. Alona blinzelte. Es mussten Aufzeichnungen über den Tod des Großvaters sein – nicht nur über seinen Tod, über sein ganzes Leben, kam dem Mädchen, als sie weiter nach vorne blätterte. Auf der ersten Seite stand: Dies sind Schriften über die Bestie von Dokahsan. Mögen der Buchstaben kundige Gelehrte sich in fernen Jahren nach meinem Scheiden daran erinnern, wer – oder was – den mächtigen, großen Clan der Lyraden zu Fall brachte. „Ist ja spannend, ei!“ machte das Mädchen entzückt über das Tagebuch ihrer Großmutter, kauerte sich vor dem Schrank auf den Boden und blätterte wieder herum. „Ich erfahre Dinge über Großvater, die ich nicht wusste, da niemand wagt, sie auszusprechen…“ Sommer 939. Spüre das Monster noch immer. Er beherrscht einen grauenhaften Fluch, er nennt es das Schmerzmal. Funktioniert durch die Zähne, bindet an ihn durch ein Mal an der Bissstelle. Er kann damit durch seinen Willen Schmerzen zufügen. Kein Gegenmittel, haben es bei Yatoret an einem Kader aus Anthurien getestet. Mann tot, zu viel getestet. Er nennt es ultimative Waffe und sich selbst unbesiegbar. Mein Bauch wird rund, Leben bewegt sich manchmal… Fasziniert schüttelte Alona den Kopf und las nicht weiter über Salihahs erste Schwangerschaft, die zu jener Zeit gewesen war – was war das gewesen, ein Fluch, der ein Schmerzmal hinterließ? Das klang ganz nach dem, was von Kelar erzählt wurde… er war furchtbar gewesen und ein mächtiger Schamane. Alona fragte sich, ob sie ihn fürchten sollte, würde er noch leben. Der Scharlatan hat mich betrogen. Stimmen sprechen und zeigen mir die Hure. Vermutlich ist ihre Tochter von ihm. Werde meine Finger nicht damit beschmutzen. Unter diesem nächsten Eintrag hatte die Großmutter etwas hinzugefügt, das sehr klein darunter geschrieben stand: Ungutes Gefühl. Eigenartiges Bauernkind? ULAN MANHA. Alona wusste damit nichts anzufangen. Die Träume kehrten schnell wieder. Puran beobachtete den brennenden Regen, der von einem blutigen Himmel herab fiel und das Land in Brand steckte. Zischend zogen die Feuergeister einen Kreis um ihn und lachten ihn aus. „Du kannst nicht davonlaufen,“ wiederholten sie die Worte, die Puran so hasste. Er verfluchte die Geister und wollte nach ihnen schlagen, aber die Flammen wichen vor ihm zurück und versanken in einer bösartigen, nicht enden wollenden Finsternis. Er hatte das Gefühl, kopfüber in ein gähnendes Loch zu fallen, um ihn herum war nichts als der Wind der Himmelsgeister. Er sah die weißen Spiralen und hörte das kehlige Lachen seines Großvaters aus dem Nichts erschallen. „Nein, lasst mich!“ entrüstete er sich, „Ich werde nicht euer Sklave sein, Geister!“ „Du bist ein Mann des Geistes, es ist deine Bestimmung. Bleib stehen…“ Er wusste nicht, ob er es wirklich tat oder ob die fallende Finsternis um ihn herum plötzlich still hielt. Plötzlich stand er mitten in der Dunkelheit, das Flüstern im Wind war verstummt. In der Ferne tanzte die weiße Spirale, er konnte sie nur anstarren und nicht verstehen, was sie von ihm wollte. Doch als er die Hand nach dem Ding ausstreckte, um es zu fangen, zerbrach die Finsternis um ihn herum in Scherben wie ein Glas. Der blutige Himmel stürzte wieder brennend über ihm zusammen und die rissige, gespannte Haut von Mutter Erde platzte auf, gefolgt von einem tiefen, grauenhaften Brüllen aus der Tiefe. In der Ferne erkannte er die Umrisse eines kleinen Menschen. „Verschwinde!“ rief er dem Kind zu und verspürte plötzlich in sich eine seltsame Panik, das kleine Mädchen könnte in die aufbrechende Erde stürzen. „Renn weg, Kleine!“ Doch als das dunkelhaarige Mädchen erschrocken den Kopf zu ihm herum drehte und ihn aus großen, braunen Augen anstarrte, endete der Traum so abrupt, wie er begonnen hatte. Er fuhr aus dem Schlaf hoch. „Puran…?“ Als nächstes nahm er Cholenas verwirrtes Gesicht über sich wahr. Er lag keuchend in seinem Bett, während das Mädchen sich über ihn beugte, ihre blonden Haare hingen ihr zerzaust über die nackten Schultern. „Alles in Ordnung?“ fragte sie besorgt, „Du hast mitten im Schlaf angefangen, zu murmeln, ich hab dich nicht verstanden-… du sahst so… verkrampft aus-…“ Er atmete heftig ein und aus. Als er sich ruckartig aufsetzte, stieß er sie beinahe um und fuhr sich stöhnend mit den Händen über das Gesicht. „War nur ein Traum…“ tat er es murmelnd ab, sich die Haare raufend. Das panische Gefühl aus dem Traum griff noch immer nach ihm, als er schon eine Weile wach saß. Cholena umarmte ihn zärtlich von hinten und schmiegte ihren Körper an seinen. Nach einer langen Pause sah er sich gezwungen, fortzufahren. „Ein Traum… den ich seit Jahren immer wieder habe… immer kommen neue Dinge hinzu, die mich mehr verwirren…“ Seine Freundin lehnte zärtlich ihren Kopf an seine Schulter. „Du sorgst dich so viel…“ nuschelte sie dann und fuhr sanft mit den Händen über seine nackte Haut. „Gräm dich nicht, mein Schatz…“ Er seufzte nur und starrte zum Fenster. Durch den Spalt, den die Vorhänge frei gaben, schien das Mondlicht grell herein. Es schneite offenbar. „Ich wünschte, ich könnte mich weniger sorgen…“ gab er dumpf zu hören, ehe er sich vorsichtig zu ihr herum drehte und einen Kuss auf ihren Mundwinkel setzte. „Vergib mir, dass ich dich beunruhige, Cholena…“ „Ich liebe dich,“ flüsterte sie sanft und er sah sie groß an, als sie lächelte und mit den Fingern hauchzart über seine Brust und eine Seiten streichelte. Ihr Blick sprach Bände. „Du brauchst dich für gar nichts zu entschuldigen…“ Ihr Lächeln wurde zu einem Grinsen, als sie ihn hinab ins Bett drückte und sich über ihn rollte. Mit geübten Bewegungen glitten ihre schlanken Hände über seinen Bauch und weiter nach unten zwischen seine Beine. „Entspann dich… lass die Träume dich nicht zerfressen, Puran.“ Als er keuchend die Augen schloss und zuließ, dass sie ihn berührte und erregte, wie sie es fast jede Nacht und überall tat, wünschte er sich, er könnte ihrem Rat besser folgen. Er und Cholena wurden im Morgengrauen geweckt, weil Alona heftig an der Zimmertür klopfte und brüllte. „Aufwachen! Unsere Eltern sind wieder da!“ „Tatsache…?“ stöhnte ihr Cousin ermüdet und drehte im Bett liegend den Kopf zum Fenster. Es war taghell. Er lag auf dem Rücken und halb auf ihm Cholena, nackt und glücklich ob der vergangenen Nacht. Die Tage waren schnell vergangen – wenn er mit Cholena zusammen war, fiel es ihm oft nicht auf… Sonderlichen Erfolg schienen die Älteren nicht gehabt zu haben bei ihren Erkundungsreisen, ihre Gesichter waren düster und versprachen keine guten Nachrichten. „Das Schlangenmeer verschluckt alles, was es zu fassen bekommt, sei es aus dem Wasser oder aus der Luft,“ empörte Tabari sich ohne gefragt zu werden. „Meorans Vögel konnten den schwarzen Nebel nicht durchdringen – der, der am weitesten gekommen ist, zeigte uns mehr Schatten, Düsternis und Feuer des Krieges. Also nichts, was wir nicht auch vorher gewusst hätten! Dhimoriens Häfen werden von früh bis spät beobachtet, im Südwesten scheint alles friedlich zu sein. Wir sind nicht klüger als zuvor, Himmel!“ „Das ist nicht gut,“ bemerkte Puran sachlich, der neben Cholena und Alona rasch angezogen auf der Treppe stand. „Die Geister schweigen eisern und antworten nicht, wenn ich sie frage… dann haben sie euch also auch nichts gesagt.“ „Sagen tun sie vieles,“ murmelte Nalani finster, ging an ihm vorbei und hinauf, den anderen nur flüchtig zunickend, „Nur nicht das, was wir hören wollen.“ Ihr Sohn sah ihr verblüfft über die Kälte in ihrer Stimme nach und blickte dann zu seinem Onkel Kiuk, der mit Nalani unterwegs gewesen war. Der Telepath seufzte. „Ich sorge mich, Bruder,“ gestand er Tabari kleinlaut. „Die Zeichen sind schlecht, das sehen wir alle. Dennoch können wir die Bedrohung nicht orten. Vielleicht hat es auch an Henac Emo und seinem süffisanten Grinsen gelegen… aber ich kenne Nalani seit wir Kinder waren und was sie sagt und tut erfüllt mein Herz mit tiefster Unruhe… sprich mit ihr. Wenn du ihr nicht demnächst Seelenfrieden schenken kannst, vermag es vermutlich niemand. Etwas frisst sie von innen auf, ich weiß nur nicht, was es ist…“ Tabari schenkte seinem jüngeren Bruder darauf nur einen verzweifelten Blick. Er fand seine Frau wie er erwartet hatte im Schlafzimmer vor, wo sie unruhig auf und ab ging und sich die Haare raufte. Sie hatte ihre kompliziert hochgesteckte Frisur gelöst und ihre langen, schwarzen Haare fielen ihr in krausen Wellen über die Schultern und ihren Rücken herab. Als sie ihn hereinkommen sah, hielt sie inne und hörte wie auf Knopfdruck auf, herum zu gehen, stellte sich schweigend ans Fenster und starrte hinaus. „Ah,“ machte Tabari langsam und schloss die Tür, „Das bedeutet wohl, du möchtest nicht mit mir sprechen?“ Sie antwortete nicht – das hatte er ebenfalls erwartet. „Du weißt, warum ich zu dir komme, Nalani,“ fuhr er ernst fort, ohne die Spur eines Scherzes, derer er sonst massig verwendete, wenn er redete. Sie lachte kalt. „Weißt du was? Du erinnerst mich an die Zeit vor Purans Geburt, du klingst, als würdest du gleich sagen, dass du endlich einen Erben für deinen Vater zeugen willst…“ Tabari trat hinter sie und gab keinen Kommentar zu ihrer fragwürdigen Aussage. „Was verheimlichst du mir?“ presste er mit Mühe hervor und hob eine Hand, um sie an der Schulter zu fassen – kurz davor stoppte er jedoch und ließ es bleiben. Sie war apathisch. Etwas beunruhigte sie und es machte ihm Sorgen. Er wollte sie in den Arm nehmen und trösten wie ein verheultes Kind… dabei wusste er, dass Nalani das nicht helfen würde. „Sprich, Frau,“ kam dann etwas energischer, „Selbst Kiuk merkt, dass du komisch bist! Was ist geschehen damals im Ratssaal… als du… vor Emo zurückgewichen bist?“ Er keuchte. „Hat er dir etwas angetan?! Hat er-…?!“ Sie fiel ihm barsch ins Wort. „Es ist nichts mit Emo!“ Sie drehte sich zu ihm herum und ihre von Unruhe getriebenen Augen trafen seine. „Er hat nichts getan, ich schwöre es dir. Außer blöd gegrinst, aber das tut er immer. Nein…“ Und bitter lächelnd senkte sie ihren Kopf, schob ihren Mann von sich weg und begann wieder, auf und ab zu hetzen. „Nein, ich selbst bin es, die mir Sorgen macht!“ Tabari sah ihr beim Gehen zu und war erstaunt. „Wie – wieso das?“ fragte er verdattert. Noch verdatterter wurde er aber, als sie plötzlich aufgelöst heftiger zu atmen begann und sich verzweifelt die Haare raufte, für einen kurzen Moment glaubte er tatsächlich, sie schluchzte – Nalani weinte nie! Sie war die Königin, die war kaltherzig, sie hatte ihn im Kampf besiegt, was außer ihr niemand vermocht hatte, seit er vor nunmehr zehn Jahren Herr der Geister geworden war. Die Entscheidung des Vorstehers des Geisterjägerrates fand alle fünf Jahre statt – wenn jemand des Rates es schaffte, den amtierenden Vorstand zu besiegen, würde er ihn ablösen. Zweimal waren die fünf Jahre schon verstrichen und selbst seine stolze Frau Nalani hatte es beide Male nicht vermocht, ihn zu schlagen. Er hatte sich gefragt, ob sie absichtlich verloren hätte, um ihren Gatten nicht mit der Schande zu beschämen, dass sie als Frau mächtiger war als er – wobei es ihn als vermutlich einzigen Mann der Welt niemals beschämt hätte. Die Geister ließen denjenigen gewinnen, den sie für würdig erachteten, sie zu vertreten… Nalani konnte nicht mit Absicht verlieren, die Geister würden es nie zulassen. „Was ist geschehen…?“ keuchte er fassungslos über ihre Aufgelöstheit. Sie japste. „Du hast es selbst schon gesagt… viele haben es gesagt…“ murmelte sie wie betrunken und hob den Kopf wieder, um ihn aus entsetzt aufgerissenen Augen anzustarren. „Ich… habe deinen Vater so verachtet und gehasst… und dennoch werde ich immer mehr wie er… ist es nicht so?“ Er starrte sie an. Er konnte nicht antworten, während sie weiter auf und ab ging und fluchte. Sie verfluchte Kelar, sie verfluchte die Geister und wurde immer lauter, bis sie ihren Mann mehr oder weniger absichtlich anschrie. „Die Geister lügen mich an! Sie befehlen mir Dinge, die sie nicht befehlen würden, wenn ich normal wäre! Ich werde genauso wahnsinnig wie dein verfluchter Vater, dieser elende Bastard, der Menschen gemordet hat und das als recht empfand! Ich höre Stimmen in meinem Kopf, die von Töten sprechen, ich spüren ständig so ein… grausames Verlangen in mir, ihnen zu folgen, ich sage Dinge, ohne meine Zunge zu kontrollieren, Dinge, die ich nicht sagen will!“ Sie fuhr abermals herum und stierte ihren völlig erstarrten Mann an. „Schlag mich, Tabari!“ verlangte sie dann zischend und drehte sich komplett zu ihm um, das Kinn reckend. „Schlag diese abartige Bosheit aus mir raus, du Nichtsnutz!“ „Wovon redest du?!“ machte er konfus – ja, er hatte sie bisweilen mit seinem herrischen Vater verglichen… aber so schlimm wie er war sie wirklich nicht. Sie war völlig in Rage und kam zu ihm herüber, zerrte an seinem Kragen und verfluchte ihn auch. „Tu es, du Memme!“ schrie sie, „Schlag mich, ich will das nicht! Das bin ich nicht, ich will, dass das aufhört und dass diese bösen Dämonen in meiner Seele schweigen! Du bist doch hier der Herr der Geister! Tu es, Tabari!“ Er schlug ihr ohne Vorwarnung mit solcher Wucht ins Gesicht, dass sie zu Boden ging. „Tut mir leid!“ keuchte er entsetzt über sich selbst und hockte sich zur ihr, während Nalani sich benommen nach dem Schlag aufrichtete und nach ihrer blutenden Nase fasste. Der Schmerz war so heftig, dass er sie für einen Moment blendete; nachdem sie den Heilzauber Lira an sich selbst angewendet hatte, hörte zwar die Blutung auf, nicht aber der Schmerz – dieser Idiot musste ihr die Nase gebrochen haben… „I-ich, ich wollte das nicht so doll!“ machte Tabari bekümmert und fasste nach ihrem Gesicht, „Ich kann das nie einschätzen, wie doll ich zuschlagen kann, bitte vergib mir, Nalani… aber du wolltest es so!“ „Habe ich mich beschwert?!“ blaffte sie ihn an und stockte dann, als der Schmerz ihr schwindelig werden ließ. Ihr Mann legte behutsam einen Arm um ihre Schultern. „Hat es denn geholfen?“ fragte er dumpf, „Geht es… dir besser?“ Sie atmete gebrochen ein und aus und schloss für einen Moment die Augen. In ihrem Inneren war es still. Weder Geister noch Dämonen sprachen ein Wort… der Zorn, den sie in sich gespürt hatte seit Tagen, war mit einem Mal verschwunden, als hätte Tabari ihn tatsächlich weggeschlagen. Sie wusste vermutlich besser als er selbst, was für ein mächtiger Mann er eigentlich war… ein mächtiger Zauberer, der Zorngeister mit einem einzigen Schlag vertreiben konnte. Das hatte er schon oft bei ihr geschafft, sogar ohne Schläge. Er hatte gemacht, dass sie sich in ihn verliebt hatte… nachdem sie ihn zu Beginn nur gehasst und verabscheut hatte… Sie musste nicht auf seine Frage antworten, das wusste sie. Deshalb drehte sie sich schweigend zu seinem Gesicht und schenkte ihm einen kurzen Blick, ehe sich ihre Lippen in einem stürmischen, verlangenden Kuss vereinten. Nalani seufzte leise, als sie ihre Arme um den Hals ihres Mannes schlang und er ohne zu fackeln begann, an ihrem Kleid zu schnüren. „Nicht auf dem Boden!“ schnaufte sie, den Kuss beendend, und schlug seine Hände weg. Sie stand auf und Tabari sah sie bereits erhitzt durch den einen Kuss an wie ein hungriges Tier, als sie ihr Kleid selbst aufschnürte. Ehe sie dazu gekommen wäre, es sich auszuziehen, war er nach oben geschnellt, tat es für sie und warf sie mit Gewalt um auf das Bett neben ihr. Ihre Hände fuhren über seine Schenkel, als er sich murrend über sie setzte und sich herabbeugte zu ihrem Gesicht. „Du hast mir gefehlt…“ gab er murmelnd zu. Nalani schloss die Augen. „Shhh…“ machte sie leise und legte einen Finger auf seine Lippen, „Sprich nicht immer so viel. Ich brauche im Moment keine Worte, um dir zu zeigen, was ich empfinde, Tabari.“ Den Finger von seinem Mund nehmend zog sie ihn energisch am Kragen herab zu sich und küsste ihn wieder. Ein Schauer überkam sie, als sein Mund über ihr Kinn und ihren Hals hinab auf ihren Oberkörper wanderte. Er berührte und erregte sie auf diese vertraute Weise, bis sie unter ihm vor Verlangen stöhnte, als seine Hände über ihre nackten Beine strichen. Wie Feuer brannte ihre Haut unter seinen Berührungen, als seine Finger ihre Brüste umkreisten und wieder hinunter glitten. Feuer wie bei dem flammenden Regen in ihrem Traum. „Nicht!“ stöhnte sie enthusiastisch, als er sich wieder aufsetzte, um sich selbst auszuziehen. Die Geister wisperten in ihrem Kopf, doch Nalani verdrängte sie kopfschüttelnd. Es gab nur die Hitze in ihr und die Lust, sich mit ihrem Mann zu vereinen. Es gab keine Geister und das Feuer in ihr war gut… „nein, komm…!“ widersprach sie sich selbst und rutschte unter ihm etwas zurück, um mehr Platz zu haben, bevor sie zuließ, dass er sie ganz auszog und sie sich ihm keuchend und mit dem Begehren einer Frau für ihren Mann öffnete. „Tu es, Tabari!“ Er tat es und mit keiner Faser seines Körpers hielt er sich zurück, als er sie heftig nahm, mit einem Eifer, als hätte er sie seit Monden nicht gesehen. Dabei waren es nur einige Tage gewesen, die sie getrennt gewesen waren. Sie klammerte sich schreiend an seinen heißen Körper, als sie sich vereinten und sich miteinander im Rhythmus bewegten. „Glaub mir… Nalani…“ keuchte er und lehnte den Kopf erregt zurück, während er tief eindrang und sich schnell auf den Höhepunkt hin arbeitete. Ja, verdammt, er hatte sich wirklich nach ihr gesehnt. „Wärst du tatsächlich meinem Vater so ähnlich, würde ich… keine Freude dabei empfinden, mit dir zu schlafen!“ „Das hoffe ich auch für dich,“ stöhnte sie und schloss bebend die Augen, als seine Arme sich um sie legten und er sie heftig an sich heran zerrte in dem Moment, in dem er sich in ihr ergoss. Es war ein tiefer, heftiger Höhepunkt und Tabari stöhnte ihren Namen, als sie ihren Unterleib gegen seinen presste. Das Feuer brannte so heiß in ihrem Körper, dass sie immer noch schrie, als er sich zurückzog. Der Frühling kam. Mit den letzten Wintertagen verschwand die Kälte aus Dokahsan, aber nicht die allgemeine Unruhe, die sich verbreitete und die keiner benennen konnte. Und je näher der Sommer kam, desto stärker wurde die Nervosität der Menschen. Die Schamanen spürten das Zittern der Geister viel intensiver als die Nichtmagier und waren deswegen noch mehr beunruhigt. Das ewige, nächtliche Flüstern der Windgeister verstummte, als der Sommer kam. Ihm folgte eine entsetzliche, Tod bringende Stille, die alle noch mehr beunruhigte als es das Flüstern getan hatte… „Irgendetwas wird geschehen. Wir wissen nicht, was es ist, und gerade deswegen macht es unsere Angst größer. Was immer kommen mag, Cholena… ich will, dass du an das denkst, was ich dir einmal gesagt habe… deine Sicherheit ist mir das Wichtigste!“ Cholena lächelte beschwichtigend, als ihr Freund sich so ereiferte, während er nervös an seiner Zigarette zog und mit der freien Hand sein Schwert sinnlos herum drehte. Der Hochsommer war gekommen. „Ja, ja,“ lachte sie, „Ich werde nicht versuchen, irgendwen zu retten, wenn etwas passiert, sondern auf mich selbst aufpassen, zu Befehl, Prinz Lyra…“ „Das ist sehr ernst,“ empörte er sich ein wenig verärgert darüber, dass sie das so leichtfertig hinnahm. Vor längerer Zeit hatte er ihr ein Schwert aus dem Schloss gegeben, damit sie sich zur Not wehren könnte – sobald er ihr beigebracht hätte, wie man damit umging, hieß das. Und eigentlich war sie eine sehr aufmerksame Schülerin gewesen, aber seit neuestem war sie oft unaufmerksam und gab ihm das Gefühl, ihn nicht ernst zu nehmen. „Hörst du mir zu, Cholena?“ Sie lächelte und neigte den Kopf. In den Händen hielt sie das geschenkte Schwert, auf das sie sehr stolz war. „Ja, verzeih mir… ich höre dir zu! Ich wollte dich nicht verärgern, ich… ich habe nur gute Laune und es fällt mir schwer, nicht über deinen griesgrämigen Gesichtsausdruck zu lachen…“ Griesgrämig, die war gut… er sorgte sich um sie! Griesgrämig sagte sie… „Es freut mich, wenn du gute Laune hast,“ machte er verwirrt, „Aber kannst du nicht trotzdem mit Ernsthaftigkeit da rangehen? Cholena, mir ist doch nur wichtig, dass ich dich in Sicherheit wissen kann-…“ „Solange wir zusammen sind, bin ich das ohnehin, oder?“ lächelte sie optimistisch und ging zu ihm herüber über die Wiese neben der Schlossmauer, auf der sie trainiert hatten, „Ich fürchte mich nicht… nicht bei dir.“ Er schnaufte. „Aber ich bin nicht jeden Tag von früh bis spät bei dir, Cholena!“ versuchte er weiter, sie zu überzeugen, „Du kannst dich nicht voll und ganz auf mich verlassen… ich habe nur Angst…“ Er ließ das Schwert sinken und zog abermals an seiner Kippe, als sie bei ihm ankam und sich glücklich an ihn schmiegte. Seufzend strich er ihr über den Rücken und vermochte nicht weiterzusprechen. Er liebte sie so sehr… aber Nacht für Nacht sah er sie im Schatten verschwinden und nicht wiederkehren, hörte er sie seinen Namen schreien vor Angst, ohne dass er sie finden oder ihr helfen konnte… bei jedem Aufwachen versuchte er, die Angst zu verdrängen, die jeden Tag größer und schmerzlicher wurde, und mit jedem Sonnenaufgang fiel es ihm schwerer. Es tat ihm leid, ihr seine üble Laune so aufbürden zu müssen… „Entschuldige,“ murmelte er beklommen, als sie sich kichernd streckte und ihn sanft auf den Mundwinkel küsste. „Sei mir nicht böse, dass ich in letzter Zeit so aufgekratzt bin…“ Er ließ sie los und steckte das Schwert ein, ehe er wieder an dem Rest der Kippe zog und an ihr vorbei ging. „Hören wir auf und setzen uns in den Schatten, sonst bin ich gleich gar.“ Sie lächelte liebevoll, als er sie an der Hand nahm und sie sich zusammen in den kühlen Schatten eines großen Baumes setzten. Als er ihr großzügig den Zigarettenstummel anbot, ehe er alle war, lehnte sie kichernd ab und Puran fuhr sich durch die Haare. „Ach ja, du magst ja nicht mehr, entschuldige, vergesse ich immer wieder.“ „Ist doch in Ordnung,“ machte sie, während er seinen Stummel selbst aufrauchte und den nicht mehr brauchbaren Rest im Gras ausdrückte. Vor wenigen Monaten hatte Cholena feierlich beschlossen, nie wieder zu rauchen oder Alkohol zu trinken. Er bewunderte ihren tapferen Entschluss, wo ihm ein Leben ohne Tabak reichlich abstrus vorkam. Er fragte sich aber mitunter, wie es dazu gekommen war – sicher war Travis Geburtstagsfeier im Kälbermond Schuld, hatte er sich mitunter gesagt. Travidan hatte seinen siebzehnten Geburtstag sehr ausgelassen gefeiert im Frühling. Puran und Cholena waren natürlich da gewesen, ebenso wie Kannar und Alona, aber außer ihnen noch drei Dutzend anderer Leute. Puran hatte so diverse Menschen getroffen, die er seit Ewigkeiten nicht gesehen hatte, viele aus seiner ehemaligen Schulklasse. Selbst Mabi war da gewesen – Travi hatte den eingebildeten Sohn von Gahtis Bürgermeister immer noch nicht gern, er hatte ihn nur dabei sein lassen, um ihn abfüllen zu können und sich über die peinlichen Dinge zu amüsieren, die er betrunken machen würde. Diesem Amüsement hatten natürlich alle gern beigewohnt. Die Feier war eine offene Feier gewesen, zu der jeder hatte kommen können, der zufällig vorbei kam, deswegen war es auch eine sehr große Runde geworden. Und wenn es schon Bier umsonst gab… Travi arbeitete seit einiger Zeit in der kleinen Kneipe von Gahti, da konnte er das natürlich billig beschaffen. Und das Bier war nicht das Schlimmste des Abends gewesen. Irgendwann hatten hochprozentige Getränke aus gegorenen Früchten die Runde gemacht und Puran war sich sicher, dass er sich auch nur noch an die Hälfte dessen erinnerte, was danach so geschehen war. Er erinnerte sich, dass Mabi völlig bekifft und betrunken um das Feuer getanzt war, um das sie gesessen hatten, und dass er beinahe reingefallen wäre. Cholena hätte mit einer Zigarette beinahe seine Haare in Brand gesteckt, während sie auf seinem Schoß gesessen hatte; irgendwann hatten Kannar und der kleine Bruder von Ram Derran, der auch da gewesen war, angefangen, den schon kotzenden Mabi noch mehr abzufüllen und fröhlich um die Wette zu trinken, während Alona ebenfalls völlig neben sich auf der Wiese eingeschlafen war – aber nur für eine Weile, denn der Gipfel war erst danach gekommen, als die Hälfte schon wieder lallend davon gezogen war. Puran hüstelte jetzt bei der Erinnerung an seine blonde Freundin, die irgendwann angefangen hatte, sich auf seinem Schoß auf eine nicht ganz angebrachte Weise zu bewegen. Dann hatten sie im Beisein sämtlicher anderen mitten auf der Wiese miteinander geschlafen und sich gar nicht daran gestört. Offenbar hatten sie als gutes Beispiel gedient und aus dem Saufgelage war eine grauenhafte Orgie geworden, bei der sämtliche Anwesenden zunächst ihr Schamgefühl und irgendwann ihr Bewusstsein verloren hatten dank des Alkohols. Aufgewacht waren sie mit höllischen Kopfschmerzen, abgesehen von Kannar, der es irgendwie schaffte, wie ein Loch zu trinken und dann keinen Kater zu haben, und Rams kleinem Bruder, der ein ähnliches Talent zu besitzen schien. Alkohol war furchtbar, stellte Puran ernüchtert fest, als er jetzt im Schatten saß und Cholena im Arm hielt. Er hatte davon noch nie viel vertragen und war vielleicht abgesehen von Mabi sicher der Erste gewesen, der sturzbetrunken nur Müll erzählt hatte. Er entsann sich dunkel, Kannar nach seinem Namen gefragt zu haben… „Ich spüre die Unruhe doch auch…“ riss Cholena ihn aus seinen Gedanken und schmiegte sich an seine Seite. Er seufzte und zog sie vorsichtig dichter an sich heran. „Ich verstehe doch, was du fühlst. Glaub mir, auch ich bin nervös mitunter. Du bist es mehr als ich, weil die Geister dir mehr zeigen und sagen als mir. Du bist ein Sohn von Geisterjägern… ich bin ein Niemand. Aber so sehr du dich bemühst, die Geister werden dir erst die Lösung geben, wenn du aufhörst, sie zu verlangen. Du sorgst dich viel zu sehr… mein Schatz…“ Er seufzte wieder nur. Das Mädchen drehte sich etwas mehr zu ihm hin und streichelte zärtlich über seine Brust, hinauf zu seinem Hals und schließlich über seine Wange. „Nein…“ murmelte er dumpf, „Ich sorge mich, weil es meine Aufgabe ist. Da höre ich endlich auf, vor meinem Schicksal und meiner Aufgabe davonzurennen, und du rätst mir, weiterzulaufen. Das ist kontraproduktiv, Cholena…“ Jetzt stahl sich ein Grinsen auf seine Lippen, während sie sich lachend aufsetzte und sich dann breitbeinig auf seinen Schoß pflanzte. Glucksend erfasste er ihre runden Hüften, als sie sich zu seinem Gesicht beugte. Sie teilten einen intensiven, fordernden Kuss. „Ich bin also kontraproduktiv…?“ machte sie raunend, als sie voneinander abließen und ihre Hände sein Hemd zu öffnen begannen. Er lehnte stöhnend den Kopf gegen den Baum. „Verdammt, was machst du da?“ entfuhr es ihm halbherzig empört, „Hier kann uns jeder sehen, der aus dem Schloss geht oder hinein…“ „Sollen sie doch weggucken…“ flüsterte sie, ehe sie ihn erneut küsste, als müsste sie ihn ernsthaft überreden, sie zu lieben. Sie wusste, dass sie das nicht musste… seine Hände fuhren bereits unter ihren Rock, als sie sich sanft gegen seinen Unterleib presste und spürte, wie er vor Erregung noch in der Hose hart wurde. Er verfluchte sich mitunter dafür, ihr so dermaßen verfallen zu sein. Egal, wo sie waren und welche Tageszeit war, wenn sie ihn so berührte und küsste, konnte er nicht anders, als sie zu begehren. Wie oft hatte sie beide unterwegs nach Irgendwo das Verlangen nacheinander überfallen? Sei es in einer Gasse von Gahti gewesen, am Flussufer oder in einem Gestrüpp am Wegrand, da gab es fast keine Grenzen. Sie lehnte sich seufzend zurück, als er sie berührte, wie er es oft tat, wenn sie zusammen waren. Ein Keuchen entfuhr ihr, als er sich sanft mit ihr herum drehte, sie ins Gras legte und sich über sie beugte, seine Hände schoben ihren Rock nach oben und ihre legten sich sehnsüchtig um seinen Nacken. „Ich liebe dich…“ seufzte sie glückselig, während Puran ihren Hals küsste, mit einer Hand an ihrer Unterwäsche zu nesteln begann und zuließ, dass ihre Hände seine Hose öffneten. „Mach dir nicht-… unnötig Sorgen, Puran. Es ist gut…“ Ja, es war gut. Wenn er sich mit ihr vereinte, konnte er seine Angst vergessen, seine düsteren Träume waren ganz weit weg, als sie im Schatten des Baumes miteinander schliefen. Wo sie so ungestüm angefangen hatten, sich gegenseitig zu erregen, taten sie es danach sehr zärtlich, und das Mädchen lag voller innigster Liebe in seinen Armen, streichelte ihn, küsste ihn und liebte ihn. Und Puran gab ihr, wonach sie verlangte, während er über ihr lag und ihr beider Feuer schürte. Es wurde eine kurze, aber innige Vereinigung und als sie zufrieden und von der Hitze noch erschöpfter einander in den Armen im Gras lagen, schmiegte Cholena sich abermals lächelnd an seine Brust. Und als sie ihm zärtlich zuflüsterte, wie glücklich sie mit ihm war und wie sehr sie ihn liebte, kehrte plötzlich ungeahnt heftig die Angst in seinen Geist zurück, sodass er erschrocken hochfuhr und ihr unabsichtlich wehtat, als er sie gezwungenermaßen von sich schubste. Die Geister schwiegen. Das taten sie oft, aber in dem Moment war es ungünstig für die Menschen, die nach Antworten suchten. Dass Tabari, obwohl er Herr der Geister war, ahnungslos war, war man gewohnt, aber auch die anderen hörten nichts mehr. Wenn sie träumten, waren es stumme Träume, voll von schweigsamem Grauen, das ihre Furcht vor dem, was auf sie zukommen mochte, schürte. „Es ist wie ein tiefes Luftholen vor dem Einstürzen der Welt,“ murmelte Puran, als er eines Abends am Fenster der Stube stand und hinaus starrte in den blutroten Sonnenuntergang. Es war eine böse Farbe, die ihm Sorgen machte. Hinter ihm saß die gesamte Familie in der Stube versammelt und jeder hing seiner eigenen Beschäftigung nach. Sukutai stickte Muster auf eine Tischdecke, Alona las ein Buch, das unglaublich zerfleddert aussah und das Puran noch nie gesehen hatte, Kiuk und Nalani waren mit ihren Stammbaumlisten zu Gange und Tabari ging ein Tagesblatt lesend in der Stube herum. Jetzt blieb er kurz stehen und drehte den Kopf zu seinem Sohn. „Ja, so fühlt es sich an,“ sagte er auch murmelnd, „Es ist boshaft…“ Er seufzte, warf das Tagesblatt auf den Couchtisch und orderte an der Tür den Küchenjungen herbei, er solle Tee und Gebäck bringen. Plötzlich ertönte aus weiter Entfernung ein dumpfes, unheimliches Grollen wie ein Knurren des grantigen Himmels, das alle Familienmitglieder inne halten und aufhorchen ließ. „Was war das?!“ fragte Alona entsetzt und sprang auf die Beine. Das Grollen dauerte an und ließ die Menschen erschaudern, als es statt leiser nur lauter wurde. „Himmelsdonner,“ keuchte Tabari erbleichend und Puran fuhr am Fenster zurück, als er genau in die Blutsonne starrte. Plötzlich sah er in der Sonne das Feuer, das kommen würde, das gewaltige Feuer und den Zorn des Himmels, der sich in Blut und Tod über sie ergießen würde. Er stöhnte benommen, als die finsteren Bilder vor seine Augen huschten, so schnell, dass er sie nur flüchtig wahrnehmen konnte. Die weiße Spirale. Der flammende Regen. Cholena, die kopflos in die Finsternis stürzte und nach ihm schrie. Plötzlich zog sich in ihm etwas auf grauenhafte Weise zusammen, als das panische Gefühl mit solcher Heftigkeit in ihn zurückkehrte, dass er unwillkürlich aufschreien musste. Er spürte, wie sein Vater ihn auffing, als er keuchend nach hinten kippte, in dem Moment, in dem er das Gesicht eines Jungen vor sich sah, der ihn aus seltsam vertrauten und gefürchteten grünen Augen anstarrte. In seiner Hand hielt er eine kleine Spirale. Er hatte den Jungen schon mal gesehen… es war Jahre her, aber er erkannte das Gesicht sofort wieder. Das Gesicht mit den grünen Augen verzerrte sich zu einer grinsenden Grimasse. Als er keuchend und hustend mit dem Grollen aus dem Himmel und trotz Tabaris Griff auf dem Boden zusammenbrach, hörte er die Geister wieder wispern und die Stille brechen. „Du kannst nicht davonlaufen… mit Flamme und Schmerz wird der Schatten über Tharr fallen und euch alle begraben.“ __________________________ TEH DRAMA xD Hey ist Karana nicht in Buch 3 auch mal Visionen sehend umgekippt? xD Muss wohl in der Familie liegen xD Und hey, wer in diesen Träumen alles auftaucht... xD und Hey, Salihah hatte ein Tagebuch xD Das Random-Kapi ever, einself, aber nächstes Kapi gehts endlich mal wieder richtig ab xD Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)