Die Chroniken von Khad-Arza - Die Herrscher der Geisterwinde von Linchan ================================================================================ Kapitel 37: In die Dämmerung ---------------------------- Die Stimmen der Windgeister waren leise und dennoch energisch, als sie zischten und wisperten. Das Feuer fiel aus dem Himmel direkt auf das Dorf zu, und über die brennende Welt strömten die Zuyyaner wie Ameisen. Für einen Moment erkannte Puran das Gesicht des vordersten Mannes der Armada, und die hellblauen Augen starrten ihn an mit einer Bestimmtheit, dass er in dem Moment, in dem er aus dem Schlaf und seinem unruhigen Traum gerissen wurde, wusste, dass der Zuyyaner ihn direkt angesehen und gemeint hatte. „Puran, schnell, steh auf!“ hörte er dann eine Stimme, die viel realer war als das Zischen in seinem Traum, und sie gehörte Leyya. Vor Schreck fuhr er aus dem Bett hoch und sprang auf die Füße, als er das Mädchen im Türrahmen stehen sah, völlig außer Atem. Hinter ihm setzte sich ebenso verblüfft seine Liebhaberin auf und bedeckte ihren Körper schnell mit der Decke. „Was ist passiert?!“ fragte sie alarmiert bei dem entsetzten Gesicht der kleinen Heilerin, diese hatte aber vergessen, was sie sagen wollte, und hatte plötzlich nur noch Augen für den jungen Mann, der bei allem Schrecken übersehen hatte, als er aus dem Bett gesprungen war, dass er nackt war – als Puran reichlich langsam auch registrierte, was Leyya plötzlich sehr neugierig anstarrte, errötete er und schnappte ein Kissen, das er sich räuspernd vor seinen Unterkörper hielt. „Ähm – genau, was ist passiert?“ erinnerte er sie peinlich berührt wieder an den Ernst der Lage, und das Mädchen errötete jetzt auch, schüttelte das aber schnell wieder ab. „Puran, Herrin, schnell, ihr müsst kommen! Rujas Baby kommt!“ Das war in der Tat eine wichtige Meldung. In Windeseile zogen beide sich an, und Puran hielt es für das Weiseste, so zu tun, als wäre dieser peinliche Moment zuvor niemals gewesen; hoffentlich war die arme Leyya jetzt nicht traumatisiert. Sie machte aber einen sehr fidelen Eindruck und erzählte ununterbrochen, wie aufgeregt sie doch war. „Die anderen sind schon alle wach, sogar Tabari!“ erzählte sie, „Der wollte Schnee schippen, oder wollte nicht, sondern sollte, und als plötzlich die ältere Schwester der Hausherrin heraus schneite und rief, Ruja hätte Wehen bekommen, hat dein Vater dem armen Neron den Schneeschieber über die Rübe gezogen vor Schreck! Nalani und Keisha sind jetzt bei Ruja und helfen ihr, aber ich wollte euch unbedingt auch holen, das ist so aufregend!“ „Langsam, hol mal Luft, Kleine.“, keuchte die Tochter des Dorfchefs nervös, indem sie zu dritt das Haus verließen und sich zum Nachbarhaus aufmachten. Der Winter war schnell gekommen. Bald wäre das Jahr vorüber, es wurde auch Zeit, dass Rujas Baby endlich ihren Bauch verließ, hatten sich alle gedacht. Puran dachte zerknirscht an seine beunruhigenden Träume und die Zuyyaner – was, wenn sie wieder kämen? Das alles waren keine guten Zeichen… aber dafür war jetzt keine Zeit. Im Nachbarhaus erwartete die drei eine versammelte Mannschaft in der Wohnstube. Die halbe Familie des Dorfchefs war da, die da schließlich wohnte, und außerdem Meoran und Tabari. „Aha, guten Morgen.“, begrüßte der Blonde seinen Sohn amüsiert, als die drei herein kamen, und Puran zog die Brauen hoch. „Was hast du mit Neron gemacht? Liegt der jetzt tot im Schnee, nachdem du ihm den Schieber über den Schädel gebraten hast?“ „Nein, dem geht es gut, ich habe ihm Frühstück im Gasthof spendiert zum Trost, Leyya hat die Beule kuriert. Welch Glück, dass wir zwei Heiler haben!“ Der Jüngere sah die Kleine verdutzt an. „Du hast das ganz alleine gemacht?“ fragte er sie verdutzt. Das Mädchen erstrahlte erst vor Stolz darüber, ihn beeindruckt zu haben, tat dann aber patzig: „Ach, du bist nicht der Einzige, der etwas auf dem Kasten hat hier!“ Er räusperte sich verlegen. So hatte er das doch gar nicht gemeint… Ein lauter, schmerzerfüllter Schrei ließ alle zusammen fahren, bis auf Meoran, der auch schrie und aufsprang. „Sie kommt doch dabei um!“ jammerte er, als Tabari ihn energisch am Arm packte und festhielt, „Las mich los, Tabari, bitte!“ „Du bleibst schön hier, mein Freund!“ seufzte der Blonde, „Komm, Puran, gut, dass du hier bist, hilf mir mal, ihn festzuhalten! Jedes mal, wenn Ruja im Schlafzimmer schreit, will er zu ihr hin rennen, der paranoide Sack, er würde die armen Frauen ja nur noch mehr verrückt machen…“ Der Sohn lachte dämlich; ja, das verstand er irgendwie… wobei er seinen Meister auch verstehen konnte, es klang nach den grauenhaftesten Schmerzen der Welt… „Bin ich froh, keine Frau zu sein!“ versetzte er dabei und setzte sich auf Meorans andere Seite auf die Bank. Leyya verschwand inzwischen mit der Hausherrin zum Schlafzimmer. „Ich meine, das muss doch furchtbar sein.“ „Tja.“, Tabari lachte schelmisch, „Was uns Kerlen solche Freude macht, bringt den Frauen neun Monde später nur Schmerz und Leid… schäm dich, Meoran…“ Sein Freund errötete und jammerte weiter. „Ach, hör aber auf, du warst auch nicht besser, der Beweis sitzt neben mir!“ „War doch nur ein Witz, entspann dich mal. Das wird schon gut gehen! Ruja ist eine starke Frau und sie ist gesund. Sie wird ein starkes, gutes Baby zur Welt bringen, und nachher wirst du vor Stolz weinen, wenn du deinen ersten Sprössling auf dem Arm halten darfst. Freue dich darauf, es ist das schönste Gefühl der Welt.“ „Was denn, bist du auch so abgegangen, als ich geboren wurde?“ fragte sein Sohn, „Hätte ich ja gerne gesehen…“ „Ging ja nicht, du hattest dieses schleimige Zeug auf dem Kopf und konntest gar nicht gucken, habe ich mir sagen lassen.“ „Schleimige Zeug, das war die Fruchtblase, und ich dachte, das bringt mir Glück… rede nicht so abfällig über mein Glück, Vater!“ „Ach, ich freue mich ja schon, wenn du mal eine Frau hast und Vater wirst, Puran, dann wirst du dich sicher genauso anstellen wie Meoran und jeder andere Kerl, der Vater wird…“ „Von wegen, da stehe ich drüber.“ „Los jetzt, streng dich an! Pressen!“ Nalanis Stimme war scharf und befehlend, während sie vor Ruja kniete und mit den Händen ihren prallen Babybauch betastete. Die Jüngere keuchte erschöpft. „Was denkst du, tue ich den ganzen Tag?“ fragte sie, „Es ist anstrengend, ich… muss mich ausruhen…“ Keisha und die ältere Tochter des Dorfvorstehers, die die Frau an den Oberarmen festhielten, rüttelten sie, damit sie nicht in sich zusammen sank. „Nicht aufgeben!“ machte ihre Schwiegermutter energisch, „Du hast es bald geschafft, Rujachen.“ „Ich möchte liegen…“ seufzte die Schwarzhaarige und atmete heftig ein und aus, „I-in Dokahsan bekommt man Kinder im Liegen, oder nicht?“ „Glaub mir, im Hocken geht es leichter.“, erklärte die Frau aus Iter zuversichtlich, „Wenn die Mutter aufrecht gebärt, hilft die Schwerkraft des Planeten dabei, das Baby nach unten zu ziehen. Als wollte Mutter Erde dir helfen, also hab Vertrauen.“ Die Telepathin stöhnte, ehe sie eine weitere Wehe überkam wie eine Welle aus furchtbaren Schmerzen. Doch Nalani machte ihr Hoffnung: „Komm, Ruja! Ich kann das Köpfchen schon sehen, du hast es bald! – Leyya, sei so lieb und hole eine Schüssel mit warmem Wasser, und wir brauchen Tücher!“ Die kleine Heilerin, die aufgeregt daneben gehockt und gespannt zugesehen hatte, ebenso wie die zweite Tochter des Dorfchefs, erhob sich rasch. „Ja, mache ich! Sei tapfer, Ruja!“ Angesprochene schloss zitternd die Augen. Ja, tapfer sein musste sie… die Luft im Zimmer erschien ihr stickig. Wie lange hockte sie nun schon so da und hatte Schmerzen? Sie war müde und glaubte nicht, die Kraft zu finden, das zu beenden… obwohl die anderen Frauen sie immer wieder motivierten und sie antrieben, weiter zu machen, schwand ihre Energie immer mehr. Geister von Mutter Erde, Geister der Geburt… wie lange wollt ihr dieses Kind noch in meinem Bauch festhalten? Es muss jetzt geboren werden! Keuchend klammerte sie sich an Keishas Hand, um ihre letzten Kraftreserven zu mobilisieren und erneut zu pressen. „Bitte… Mutter Erde, zieh das Kind aus meinem Leib…“ stöhnte sie dabei, dann ging das Stöhnen in ein schmerzerfülltes Schreien über. Nalani legte eine Hand auf den Bauch, die andere griff zwischen die Schenkel der Jüngeren, um nach dem Köpfchen des Kindes zu fassen. „Komm, Kind von Ruja!“ befahl sie dem noch ungeborenen Baby deutlich, „Komm, wir alle rufen und warte auf dich! – Reiß dich zusammen, Ruja, einmal noch! Jetzt!“ Ruja schrie. „Jetzt ist aber gut!“ schrie Meoran derweil auch, als er das hörte, und Puran und Tabari ergriffen ihn mit einem Ruck, um ihn davon abzuhalten, doch noch zu seiner Frau zu rennen. „Lasst mich auf der Stelle los, ich warne euch, Puran, Tabari! Himmel und Erde, lasst mich los!“ Er zappelte verzweifelt und mit sanfter Gewalt beförderten die anderen ihn wieder auf die Bank. „Ruhe, Himmel!“ schnaufte der Herr der Geister, „Bleib hier sitzen, da sind genug Leute im Raum, du mit deinen nicht vorhandenen Nerven bist sicher der Letzte, der da hilfreich ist!“ „Aber meine Frau hat Schmerzen, verflucht, ich will zu ihr und sie trösten…“ „Du bist Schuld an ihren Schmerzen, das ist wenig tröstlich.“, sagte Tabari unsensibel und Puran schnaubte. „Jetzt reicht es aber, Vater, der arme Kerl ist doch schon fertig genug!“ Meoran konnte nichts erwidern, denn plötzlich flog die Tür des kleinen Hauses auf und herein kamen Kohdars, Neron Shai und seine stumme Begleiterin Saja. „Aha, da ist ja schon die Hälfte!“ grinste Barak Kohdar als Erster, „Wir haben von Neron in der Taverne gehört, hier gäbe es ein freudiges Ereignis, da dachten wir, wir kommen alle vorbei und gratulieren!“ „Das ist aber aufmerksam.“ Der Blonde grinste sie fröhlich an, „Gibt’s was zu trinken?!“ „Was viel Besseres.“, entgegnete der jüngere der Kohdar-Brüder und zog mit einer Hand ein kleines Kästchen hervor, „Die haben hier Tabak, diese Hinterwäldler!“ Meoran jammerte und der Herr der Geister und sein Sohn neben ihm starrten auf den Mann mit dem Tabak mit einer plötzlichen Gier in den Gesichtern, als wäre Tare Kohdar eine nackte, vollbusige Frau. Der Braunhaarige räusperte sich auch bereits verhalten, ehe Puran zuerst aufsprang. „Her damit, du Arsch, auf der Stelle!“ „Na, nicht so vorlaut, junger Mann, du hast noch kein Pentagramm, mein Guter!“ „Himmel und Erde, ich will eine rauchen, jetzt sofort!“ „Ihr seid ja Helden!“ schrie Meoran entsetzt und versuchte jetzt abermals, sich loszureißen, „Meine Frau bekommt ein Baby und ihr wollt rauchen! Unverantwort-…“ Er unterbrach sich und erbleichte, als er genannte Frau einen Schrei ausstoßen hörte, der noch lauter und markerschütternder war als alle vorigen. „Ich nehme alles zurück, gib mir auch was, Tare, vielleicht beruhigt das…“ Aber Tare Kohdar war noch gar nicht fertig damit, für alle Zigaretten zu drehen, da unterbrach ein neues Geräusch das angespannte Murmeln der Männer im Flur; es war das Schreien eines Neugeborenen. Meoran vergaß sofort sämtliche Zigaretten, ebenso quasi alle anderen, außer Puran, der seinen Kollegen Tare ungeduldig anstieß, er solle sich beeilen, obwohl auch er jetzt erschrocken den Kopf hob beim Schreien des Babys. „D-das ist mein Kind!“ rief sein Lehrmeister dann und er wurde noch blasser, als Tabari ihn endlich aufspringen ließ, und gefolgt von jenem und den anderen stürzte er zum Schlafzimmer des Hauses. Die Tür wurde ihnen geöffnet und die Meute stand einer glücklich strahlenden Nalani gegenüber. „Herzlichen Glückwunsch, stolzer Vater!“ begrüßte sie Meoran zuerst und umarmte ihn freundschaftlich, „Ruja hat dir gerade eine kerngesunde, wunderschöne Tochter geschenkt!“ „Mein Kind!“ jammerte der Jüngere und erwiderte gerührt ihre Umarmung, „I-ich habe ein Kind! Ich habe ein Töchterlein! Rujachen, geht es dir gut?!“ „Dumme Frage, sie ist völlig fertig!“ kam es von Keisha hinten aus dem stickigen Zimmer, und sie lachte dabei, während eine Freudenträne über ihre Wange rann. „Komm, rasch, sieh sie dir an!“ Das Schreien des Babys erfüllte jetzt das ganze Haus, und Nalani ließ Meoran an ihr vorbei zu Ruja taumeln, die erschöpft, aber überglücklich auf dem Schlaflager lag, provisorisch mit einem Laken bedeckt. In ihren Armen strampelte das Baby und schrie aus vollen Lungen. „Das ist so wunderbar…“ seufzte Tabari gerührt in der Tür, dann wurde er von seiner Frau zurück geschoben. „Bleibt alle draußen, nur Meoran darf rein!“ erklärte sie, „So eine Meute hier, wie soll die arme Ruja da zur Ruhe kommen? Ihr könnt gucken, sobald wir sie und die Kleine gewaschen und angezogen haben.“ Der Blonde seufzte enttäuscht und auch die übrigen blickten unzufrieden drein, immerhin wollten alle einen Blick auf das kleine Baby erhaschen. „Haut schon ab, Tür zu!“ befahl die Geisterjägerin ihnen empört, und widerwillig gehorchten ihre Kollegen. Ruja und das Baby waren wohlauf. Während Nalani mit Hilfe von Keisha deren Schwiegertochter gewaschen und die Tücher und Kissen des Schlaflagers ausgetauscht hatten gegen frische und saubere, hatten Leyya und die Töchter des Dorfchefs sich um das Kleine gekümmert, es ebenfalls gewaschen und angezogen. Jetzt hielt Meoran seine Tochter zum ersten Mal stolz auf dem Arm und strahlte über das ganze Gesicht beim Anblick des Kindes. Seine Frau lag ermüdet auf dem Lager und lächelte, mit einer Hand das Bein ihres Mannes streichelnd, der neben dem Lager stand. „Was sagst du…? Sie ist… sie ist kein Sohn, Meoran… aber sie wird ein gutes und starkes Kind sein, ich kann es spüren…“ „Ruja…“ seufzte er und hockte sich samt Kind zu ihr herab, um sie direkt anzusehen, „Mach dir doch über sowas keine Gedanken. Es ist mir egal, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist… es ist unser Kind! Es ist unser gemeinsames Kind, und ich bin jetzt der glücklichste Mann auf der ganzen Welt! Sie ist wunderschön, unsere Tochter…“ Er strahlte das quengelnde Baby an und der Frau kamen vor Glück die Tränen. „Ich liebe dich… euch beide… so sehr…“ wisperte sie, und er seufzte ebenfalls gerührt und küsste sie liebevoll. Inzwischen durften alle anderen wieder herein kommen, unter der Voraussetzung, leise zu sein, und bildeten jetzt eine große Traube um Rujas Wochenbett. Leyya hing glücklich an Purans Hand und war ganz aus dem Häuschen vor Freude. „Das ist so ein schöner Tag!“ versetzte sie freudestrahlend, „Ein kleiner Mensch ist geboren worden! Puran, sieh sie dir an, sie ist das niedlichste kleine Mädchen der Welt!“ Puran grinste ebenfalls und beugte sich vor, um die Kleine zum ersten Mal aus der Nähe ansehen zu können. „Ja, stimmt… noch niedlicher als du, nicht zu fassen!“ Sie errötete empört, als er ihr neckisch den Kopf tätschelte. Sein Vater tätschelte indessen Meorans Schulter und grinste bis zu den Ohren. „Alles Gute euch dreien!“ wünschte er fröhlich, „Leyya hat recht, es ist ein guter Tag!... Hach, darf ich sie auch mal knuddeln, Meoran, alter Freund?“ Der Angesprochene lachte vergnügt. Jetzt war ihm gar nicht mehr anzusehen, wie angespannt und nervös er zuvor gewesen war… er war wirklich der glücklichste Mann der Welt, der Jüngere glaubte ihm das sofort, wenn er ihn sich so ansah. „Sei aber vorsichtig!“ murmelte der Lehrmeister jetzt und gab Tabari vertrauensvoll das Baby in die Arme, worauf der Blonde das Kind anstrahlte, „Willkommen auf der Welt, Kleine!“ begrüßte er sie förmlich. Das Kind machte jetzt einmal die Runde, sodass jeder der Anwesenden sie einmal kurz und sehr behutsam auf den Armen gehalten hatte. Vor allem Leyya war so entzückt von der Kleinen, dass sie sie fast ungern wieder abgegeben hatte. Als das Baby am Ende in Rujas Armen lag, begann es, zu jammern, und wissend öffnete die Frau ihr Nachthemd und ließ ihre Tochter an ihrer Brust trinken. Puran hüstelte und wandte errötend das Gesicht davon ab, um ihr nicht ungewollt auf die nackte Brust zu starren. Wenn er jetzt daran dachte, wie überaus lange er als Kind gerne an der Brust seiner Mutter genuckelt hatte, wurde ihm irgendwie übel; er war schon ein sehr verzogenes Kind gewesen, hatte er das vage Gefühl. Nalani riss die Aufmerksamkeit auf sich. „Eure Tochter hat noch keinen Namen, Meoran.“, stellte sie sachlich fest, „Einen Lebensgeist.“ Der Mann sah auf seine Frau und das Kind, ehe er sich räusperte und dennoch erst nach einer Weile sprach. „Dieses Mädchen ist nicht nur irgendein Mädchen, es ist das erste Kind seiner Generation im Chimalis-Clan… und damit, sofern ihr nicht noch ein kleiner Bruder folgt, die Stammhalterin. Sie verdient einen Namen mit Ehre.“ Er machte eine kurze Pause. „Ich werde… meine Tochter Saidah nennen, nach einer großen Frau und Führerin des Chimalis-Clans vor vielen Jahrhunderten, nach der Tochter des Yamir. Damit nehme ich das Leben meiner Tochter an.“ „Saidah!“ rief Leyya als Erste das Baby beim Namen, und es machte ein undefinierbares Geräusch an Rujas Brust, „Das ist ein schöner Name, Meoran.“ Der Mann strahlte und setzte sich an den Rand des Schlaflagers zu seiner Frau, indem er ihr zärtlich über die schwarzen Haare strich. Das Baby Saidah hatte die Haare seiner Mutter geerbt, ein schwarzer Flaum bedeckte ihren kleinen Kopf. „Ja.“, pflichtete Ruja der Heilerin lächelnd bei und wiegte das Kind in ihren Armen, „Sie ist Schwarzmagierin… sie wird sicher einmal talentiert und weise sein wie ihre Vorfahren..“ Die meisten vergaßen über die Freude ob der gut verlaufenen Geburt und ob des kleinen Babys Saidah, dass die Welt weiterhin ein gefährlicher und bösartiger Ort blieb dank der Zuyyaner. Eine der wenigen Ausnahmen derer war Nalani, und ihre Unruhe, die sie verspürte, sobald sie nach Westen blickte, wuchs mit jedem Tag, den sie länger in Iter waren. „Wir haben etwas vereinbart, Tabari Lyra.“, sprach sie ihren Mann ernst an an einem Tag im Hungermond. Der Schnee war in großen Flocken gefallen und das ganze Dorf und die Umgebung glänzten weiß. Der Herr der Geister saß, in alle Kleider gehüllt die er besaß, mit seinem Sohn vor der Taverne des Dorfes auf einer eingeschneiten Bank und rauchte. Seine Frau verfluchte Tare Kohdar und den Tabak mitunter, der wieder aufgetaucht war – jetzt hatten die Männer alle nichts Besseres zu tun als zu rauchen, dabei gab es ernstere Dinge! „Sobald der Hungermond vorüber ist, ist Rujas Wochenbett vorbei, sie wird gehen können, sie und Saidah sind kerngesund. Es gibt für uns keine Ausrede, länger hier zu sein wie Parasiten.“ „Ich weiß doch, Nalani.“, war die Antwort ihres Mannes, er zog an seiner Zigarette und pustete grübelnd den Rauch in die eiskalte Winterluft. „Ich habe das nicht vergessen… es ist nur, wohin wollen wir? Nach Osten, möglichst weit weg vom Krieg?“ „Wäre am sinnvollsten, oder?“ wunderte Puran sich neben ihm, wusste aber nicht ganz, ob er tatsächlich dieser Meinung war oder es nur so daher sagte, weil ihm nichts Gescheiteres einfiel… seine Mutter senkte schweigend den Kopf, wandte sich dann zum Gehen, wobei ihre jetzt wieder recht langen Haare im Wind flogen. „Ich werde die Geister nach Antworten fragen.“, erklärte sie kalt. „Mit jedem Tag, den wir hier sind, gefährden wir Iter mehr, als wir ihm nützen. Wenn ich nichts anderes gesagt bekomme, brechen wir mit dem Neumond auf. Verabschiedet euch also schon mal von denen, die ihr lieb gewonnen habt.“ „Ich verstehe schon.“, machte die jüngere Tochter des Dorfvorstehers in der Nacht, als ihr Liebhaber ihr berichtet hatte, dass sie den Ort über kurz oder lang verlassen würden. Als es Zeit zum Schlafen geworden war und alle sich in ihr Zimmer zurückgezogen hatten, war Puran zu ihr ins Schlafzimmer gekommen und lag jetzt neben ihr. Sie trug ihr dünnes Nachtkleidchen, das halbwegs durchsichtig war, sich auf die Seite drehend und sich mit einem Ellenbogen am Bett abstützend betrachtete er sie ausgiebig. Sein Blick blieb eine Weile auf ihren durch das Hemdchen schimmernden Brüsten hängen; ihre Brustwarzen hatten sich aufgestellt und wären selbst mit einem nicht durchsichtigen Gewand ohne Probleme zu sehen gewesen. Der Anblick erregte ihn und er räusperte sich verhalten, ehe er den Blick auf ihre Schenkel gleiten ließ. „Es war schon klar, dass ihr nicht auf ewig bleibt… ich werde dich aber vermissen, Puran.“ „Ich komme mir schäbig vor, jetzt noch fröhlich mit dir ins Bett zu hopsen, obwohl ich quasi gerade mit dir Schluss gemacht habe…“ brummte er verlegen; seinen eigenen Worten unabsichtlich widersprechend hob er die freie Hand und begann, über ihre runden Hüften zu streicheln und langsam das dünne Leibchen hoch zu ziehen. Darunter war sie nackt und er sog scharf die Luft zwischen den Zähnen ein, als er ihr unweigerlich zwischen die Beine starrte und seine Erregung immer schwerer unterdrücken konnte. Die Frau merkte natürlich, was in ihm vorging, so setzte sie sich langsam im Bett auf und streifte sich mit einer eleganten Bewegung das Nachthemd über den Kopf. „Eigentlich waren wir doch nicht wirklich ein Paar, oder?“ entgegnete sie, „Ich komme klar. Ich habe von Beginn an nicht erwartet, dass du bei mir bleiben würdest. Ich habe dich gern und ins Herz geschlossen, aber seien wir ehrlich… war es mehr als Sex?“ Puran räusperte sich und setzte sich auch auf, um sie sanft herunter ins Bett zu drücken und sich über sie zu rollen. Inzwischen drückte sein Glied hart gegen seine Unterwäsche vor Erregung und er keuchte leise, als sie wissend an der Wäsche zu ziehen begann. „Also… es ist nicht so, dass ich mich nur deshalb mit dir abgegeben hätte!“ empörte er sich, „Wenn du so einen Eindruck von mir behältst als Erinnerung, wäre mir das sehr peinlich! I-ich… ich bin doch kein notgeiler Perverser!“ Die Ältere lachte leise. „Nein… das weiß ich doch. Jetzt lass uns nicht mehr daran denken… wir einigen uns stumm, denke ich. Ich möchte die letzten paar Nächte mit dir genießen, also liebe mich jetzt, ich hab’s nötig. Und du auch, wie ich das sehe…“ Sie gluckste amüsiert über sein jetzt doch errötetes Gesicht. Dabei ließ sie ihre Hände wie zufällig zwischen seine Beine wandern, worauf er sich leise stöhnend über sie beugte und sie dann verlangend küsste. Als die Frau seinen heftigen Kuss mit derselben Intensität erwiderte, erhob er sich mit dem Unterkörper leicht, damit sie sich unter ihm zurecht rücken konnte. Und dann schlang sie laut seufzend die Arme um seinen Nacken, als er mit einer Hand ihren rechten Oberschenkel ergriff, ihn hoch zog und sich wieder auf sie legte, um sich mit ihr zu vereinen. Es war ihm peinlich, daran zu denken, erst recht, während er mit ihr schlief, aber ihm grauste irgendwie vor dem Gedanken daran, wieder mondelang durch die Einöde zu ziehen ohne eine Frau an seiner Seite, an der er sich ab und zu mal erleichtern konnte; er musste sich eingestehen, es im Dorf hier mit seiner Liebelei mit der Dorfchefstochter etwas übertrieben zu haben, so nötig hatte er es dann normalerweise nicht… aber die Vorstellung, jetzt ewig nicht bei einer Frau liegen zu können, ernüchterte ihn extrem. Wer wusste, wohin sie kämen und wann sie wieder Menschen trafen? Murrend verdrängte er die dämlichen Gedanken, als die Frau unter ihm laut aufstöhnte vor Verlangen, während er sich in ihr bewegte und ihr das Feuer brachte, das er ihr in den vergangenen Monden fast jede Nacht gebracht hatte… und sich selbst. Es tat gut, sie zu berühren, es mit ihr zu tun, und er hielt sich auch nicht zurück, als er rasch das Tempo anzog und sich schneller als gewöhnlich auf den Höhepunkt hinarbeitete. Noch hatte er in seinem Geist Platz für andere Gedanken, die nicht mit der bevorstehenden Unruhe zusammenhingen… Leyya schmollte im anderen Schlafzimmer. „Und schon wieder ist er fort!“ jammerte sie theatralisch ohne die Erwartung, dass Nalani oder Tabari ihr zuhören würde. Letzterer schlief sowieso schon wie ein Stein und die Frau war auch kurz davor, einzunicken. Die Heilerin war hellwach und saß mit unterschlagenen Beinen auf ihrem Schlafplatz. „Puran hat die andere Frau viel lieber als uns, das ist nicht gerecht, oder?“ „Ich habe es dir doch schon mal erklärt.“, war Nalanis Antwort, „Er ist erwachsen und tut mit ihr Erwachsenensachen. Lass ihn, und stelle dich darauf ein, dass er nach dem Aufbruch schlechte Laune haben wird, weil er auf diese Dinge dann verzichten muss.“ „Dafür muss ich die ganze Zeit darauf verzichten, dass er was mit mir macht!“ empörte das Mädchen sich. Dann kam sie sich schäbig vor, so zu reden, als wäre Puran ein schlechter Mensch. Sie bewunderte und verehrte ihn doch so… aber sie vermisste ihn, wenn er nachts bei der Frau im Bett schlief und herum stöhnte – sie hatte alles gehört, viele Nächte lang. Sie kannte dieses Gehabe der Männer sehr gut aus ihrer Zeit in Makar; Onkel Turoni war ein noch sehr viel schlimmerer Rammler gewesen als Puran es war, und es war ihm völlig egal gewesen, wer ihn dabei beobachtet oder gehört hatte, sogar dann, wenn es seine kleine Nichte betraf, die verstört vom Tod ihres Vaters, seines Bruders, und trauernd nutzlos herum gesessen hatte. Gegen Onkel Turoni verhielt Puran sich überaus gesittet und anständig, fand die Kleine, und sie beschloss verstimmt, ihm noch einmal zu vergeben und sich auf die Zeit zu freuen, in der sie wieder nachts mit ihm kuschelnd einschlafen konnte. Nalani konnte nicht schlafen. Es war mehr ein unruhiges Zwischending aus Schlaf und Wachsein, als sie sich auf dem Schlaflager, das sie mit ihrem Mann teilte, von einer Seite auf die andere rollte und die zischenden Stimmen der Geister ihr Unbehagen bereiteten. Sie träumte von Zuyyanern, die über das brennende Land unter dem Donner marschierten, mit Schritten kaum weniger laut als das bösartige Grollen des Himmels. Und sie erkannte in ihrem Traum den Befehlshaber der Kompanie, dem sie bereits einmal gegenüber gestanden hatte. Irrsinnigerweise grinste er sie an und sein grinsen erinnerte sie an Henac Emo, obwohl der völlig anders grinste. Der Himmel wurde schwarz über ihr, als sie herumfuhr und in der Ferne ein brennendes Dorf erkannte. Ein Dorf wie Iter… nein. Sie sah den Wachturm im Südwesten, es sah nicht nur aus wie Iter, es war das Dorf, in dem sie seit Monden lebten. „Die Zuyyaner…“ keuchte sie tonlos und drehte mechanisch den Kopf wieder nach Westen, „Dann sind sie auf dem Wege hierher?“ Ihre eigene Stimme hallte hohl in ihrem Kopf nach wie in einer geräumigen Höhle und sie schloss bebend die Augen, als sie das Grauen, die Flammen und die Todesschreie des Krieges über sich hereinbrechen spürte wie eine Springflut. Mit ihnen kamen auch Fluten von Bildern. Sie sah brennende Himmel und Länder, in der Ferne des Westens die gigantischen Berge, die das Land vom westlichen Meer trennten. Der Himmel grollte zornig, ehe er die Welt mit einem Beben der Erde in Finsternis ertränkte. Das letzte, was Nalani sah, war die Knochenspirale, die im Schatten tanzte, dazu ertönte ein ihr scheußlich bekanntes, kehliges Lachen… Als sie heftig atmend die Augen aufschlug, sah sie als erstes in Tabaris Gesicht. Und der Morgen graute allmählich. „Du bist unruhig…“ flüsterte er und hob eine Hand, um über ihr bebendes Gesicht zu streichen, „Was hast du gesehen, Nalani…?“ Sie schloss die Lider wieder und keuchte leise, indem sie zuließ, dass er sie berührte. „Schatten…“ murmelte sie, „Die Zuyyaner kommen hierher, wie ich es geahnt habe… wir müssen noch heute aufbrechen, fürchte ich.“ Die Vorbereitungen für den Aufbruch waren schnell getroffen. Draußen fiel Schnee, als die versammelten Geisterjäger mit dem Dorfoberhaupt und einigen anderen Dorfbewohnern auf dem Marktplatz im Zentrum standen. „Ihr brecht jetzt gleich auf?“ fragte der Chef besorgt, „W-warum so plötzlich? Es wird bald Nacht und… bitte, lasst Euch gesagt sein, Ihr seid herzlich willkommen, zu bleiben! Niemand wird belastet durch Eure Anwesenheit…“ „Das ist leider nicht möglich.“, entgegnete Tabari, „Wir werden unsere letzten Habseligkeiten packen und aufbrechen… zumindest meine Familie und-…“ Hakopa Kohdar unterbrach ihn. „Wir gehen alle gemeinsam. Wir drei, Neron, Saja und Henac begleiten euch, Tabari.“ Der Blonde sah verblüfft herüber und auch die anderen blinzelten. Hinter Barak Kohdar standen schon seine Frau Pinhi und die vier Kinder mit gepackten Rückentragen. „Aber wer beschützt das Dorf, wenn Ihr fort seid?“ fragte ein kleines Bauernkind bedröppelt, worauf alle Erwachsenen es tadelnd anstarrten – wie konnte es es wagen, das laut auszusprechen? Tabari sah hilflos zu Meoran, er sich am Kopf kratzte. Sie alle plagte die Ahnung, warum die Zuyyaner tatsächlich nach Iter gekommen waren, und Nalani war es, die es jetzt aussprach. „Das Dorf wird sicherer sein, wenn wir weg sind… die Zuyyaner sind jetzt hinter uns her, nicht hinter euch. Wir sind die Einzigen, vermute ich, die ihnen jemals Kontra geboten haben, deswegen haben sie uns auf dem Kieker. Das lassen die sich doch nicht gefallen, da rennen sie durch das halbe Land und niemand hält sie auf, und plötzlich kommen da ein Dutzend Magier und machen ihnen ihren Feldzug streitig… wenn sie kommen, kommen sie unsertwegen. Es ist deshalb unsere einzige Möglichkeit, wegzugehen…“ Jetzt blickte sie dumpf auf Tabari, der das Wort wieder ergriff. „Ihnen entgegen nach Westen.“ Die Nachricht versetzte die Bürger von Iter in Schweigen. „Ihnen entgegen?“ keuchte dann die jüngere Tochter des Dorfvorstehers entsetzt, „D-das ist… das ist nicht Euer Ernst… Ihr werdet umkommen! Das damals am Turm war nur eine kleine Kompanie, sie werden doch jetzt mehr Leute haben!“ „Haben wir auch.“, behauptete Tabari und zeigte auf Neron, „Der war letztes Mal nicht da. Wir haben keine Wahl als den Weg nach Westen zu nehmen, so halten wir sie von Iter fern. Ein großes Lager der Zuyyaner ist bei der Bergenge von Aughot, wie die Späher berichtet haben. Wir werden da hingehen und denen mal zeigen, von wo hier der Wind kommt, und sie werden sich nicht trauen, Anthurien weiter zu zermalmen.“ In seinen Worten lag kein Zweifel an ihrer Wahrheit – so, wie er es sagte, würde es geschehen, hatte man automatisch das Gefühl, wenn man ihm ins Gesicht blickte, dem sonst so verpeilten Herrn der Geister. Purans Liebhaberin ließ sich nicht so leicht beeindrucken. „Aber bis nach Aughot ist es ein weiter Weg quer durch die ganze Provinz, soweit ich weiß, Verzeihung, Herr. Und ich dachte, diese Bastarde besetzten das ganze Land nördlich der Berge?“ „Vielleicht tun sie das, in ausgebrannten Dörfern werden sie nur ihre Zeit verschwenden. Um uns sorgt euch nicht. Wir haben euch für eure Gastfreundschaft zu danken… für vieles haben wir zu danken. Und gerade deswegen… sollten wir die Zuyyaner fernhalten vom Osten.“ Der Dorfvorsteher schwieg. Seine Tochter sah ihn schweigend an, als erwartete sie, dass er widersprach… aber der Mann verneigte sich tief und beugte sich damit dem Willen des Rates. „Ich kann Euch ja nicht hier gefangen halten.“, murmelte er, „Dann habt Ihr Dank für das, was Ihr für unser Dorf Iter getan habt und geht reinen Gewissens. Wir werden Euch in Ehren halten, Tabari Lyra, Euch, Eure Familie und Euren Rat.“ Die Geisterjäger verneigten sich ebenfalls, einige tiefer, wie Tabari, und andere, wie Henac Emo, so gut wie nicht bemerkbar. „Diese Ehre gebührt diesem Dorf, Herr.“, sagte der Ratsführer höflich, „Es wird dann Zeit für den Aufbruch. Seid unbesorgt… niemand wird diesen Ort anrühren, das schwöre ich.“ Die Versammlung löste sich auf und die Aufbrechenden holten noch ihr letztes Gepäck, bevor sie das Dorf verlassen würden. Henac Emo ging keckernd an Tabari vorbei und grinste ihn blöd an dabei. „Sei umsichtig, was du schwörst, großer Herr der Geister.“, schnarrte er dabei lauernd, „Die Geister nehmen Schwüre sehr genau… brichst du deinen Schwur, können sie dich dafür töten. Ganz schön leichtsinnig, und das für ein armseliges Bauerndörfchen.“ „Dieses armselige Bauerndörfchen hat dich überwintern lassen, du Schmarotzer, sei dankbar… die Geister strafen ebenso Ehrlosigkeit, Emo.“ „Was denn, so genervt heute?“ grinste der Schwarzhaarige und blieb stehen, Tabari zerrte seinen Umhang zurecht und rümpfte die Nase, während um sie herum die Menschen wieder ins Warme verschwanden. Nur wenige blieben auf der Straße, um ihnen gleich beim Gehen zuzusehen und zu winken. „Wo ist denn deine gute Laune, Tabari…?“ Die Antwort kam abrupter, als der Jüngere gedacht hätte. „Halt deine Zunge fest… ich warne dich nur ein einziges Mal, Henac. Und deine Augen, sie sehen in Richtungen, die mir nicht gefallen wollen…“ Der andere Mann lachte hohl. „Himmel, jemine, habe ich Frauchen etwa einen Moment zu lange angesehen? Sie ist schön, nicht wahr, die kaltblütige, grausame Königin der Kandayas? Du weißt das sicher detaillierter als ich…“ Tabari zischte ungewohnt grantig. „Wage ja nicht, so über meine Frau zu sprechen. Ich sage es ungern zweimal.“ „Ist ja gut, keine Sorge…“ Emo grinste und verneigte sich theatralisch vor dem Blonden, „Keine Sorge, ich liege dir zu Füßen, Tabari! Aber sei achtsam… du magst der Herr der Geister und der Erbe der Lyraden sein, des mächtigen Stammes der Geisterrufer, aber auch du bist ein Mensch aus Fleisch und Blut.“ Der Blonde blieb ruhig, senkte aber zornig die Brauen. „Ebenso wie du, Henac.“, versetzte er kalt. „Geh nicht zu weit, Junge.“ „Nicht doch… ich sorge mich doch nur um dein Wohlergehen. Wer soll den Rat führen, wenn du fällst in deinem Hochmut? Etwa deine Frau? Eine Frau als Herrin der Geister, ist das überhaupt erlaubt? – Oder Meoran, deine rechte Hand, dein hauseigener Papagei? Dann ginge unser Rat definitiv den Bach hinunter…“ Er lachte noch, aber nicht mehr lange, denn jetzt platzte dem Älteren der Kragen, er machte einen großen Schritt nach vorne und packte ihn unsanft am Schlafittchen, zerrte ihn zu sich heran und stierte ihm in die schwarzen Augen. „Ich warne dich, Emo… das ist kein Witz mehr. Ich kenne meinen Platz im Angesicht der Mächte der Schöpfung! Du solltest deinen auch kennen.“ Damit ließ er ihn wieder los und stieß ihn ein wenig zurück, ehe er ihn noch mit einem grimmigen Blick bedachte und davon schritt. Der Abschied von Iter fiel den meisten nicht richtig leicht. Sie alle hatten das Dorf in dem halben Jahr lieb gewonnen, ebenso wie die Bewohner, und dennoch führte kein Weg an diesem Abschied vorbei. So folgten die Magier der Abenddämmerung nach Westen und winkten dabei hin und wieder zurück zum Dorf. Am Zaun standen einige der Bewohner und winkten ebenfalls. Als das Dorf nicht mehr zu sehen war hinter den Hügel von Kerhi-Uhl, zog die Nacht herauf und brachte einen eisigen Wind mit sich. „Ach, Himmel!“ meckerte Tabari und sah hinauf, „Das wird eine kalte Reise, Freunde!“ „Im Hungermond durch das verschneite Land zu stapfen war wirklich eine überaus weitsichtige Idee.“, brummte Henac Emo und fing sich darauf schon wieder grimmige Blicke von allen Seiten. Zur Überraschung aller war es Ruja, die ihm kleinlaut zustimmte. „Ich zweifle nicht an der Richtigkeit der Entscheidung… aber für die Kleinen und mein Baby ist es gewiss nicht leicht…“ Sie drückte die kleine Saidah an sich, die sie in so viele Felldecken und Stoffe wie nur vorhanden gewesen waren gehüllt hatte und die sie in einer Trage vor ihrem Bauch trug. Das kleine Mädchen jammerte mit dem pfeifenden Wind, der neue Schneewehen brachte. Tabari blieb stehen und drehte den Kopf. Barak Kohdars vier Kinder und Leyya sahen sich nicht sonderlich glücklich aus. Der kleine Junge maulte. „Die Frostgeister werden meine Füße essen, Vati, oder? U-und meine Finger sind schon gefroren, glaube ich!“ „Pinhi, nimm das Kind auf den Rücken.“, war Baraks Kommentar dazu und er sah die drei älteren Töchter an. „Seid ihr drei in Ordnung, Mädels?“ „Wir müssen da jetzt durch!“ behauptete die Älteste, die etwa im gleichen Alter war wie Nerons Begleiterin Saja. „Hab keine Sorge, Vati!“ Puran sah auf Leyya, die an seiner Hand hing. „Was ist mir dir?“ fragte er sie, „Frierst du? Wenn ja, sag mir Bescheid.“ Die Heilerin schüttelte den Kopf. Sie hatte einen Fellmantel mit großer Kapuze an und war dadurch gut geschützt vor dem Schnee. „Mir ist warm, sorge dich nicht. Ich bin schon neun einhalb! Ich bin kein kleines Baby mehr und ich werde euch nicht belasten!“ Puran grinste darüber nur und sagte nichts. Ja, sie war ein stolzes kleines Mädchen. „Ja, das mit der Reise im Hungermond ist keine leichte Sache!“ bestätigte Tabari Ruja dann und alle sahen erst ihn, dann Meorans Frau an, die ihr Baby wiegte, das zu weinen begonnen hatte. „Ich weiß, das ist ungünstig, Ruja, haltet noch etwas aus! Wenn wir die Berge erreicht haben, finden wir Schutz vor dem Schneesturm. Bleibt dicht zusammen, dann ist es nur halb so kalt, und denkt an einen heißen Ofen, das hilft.“ „In einen Ofen würde ich mich jetzt gern setzen!“ maulte Barak Kohdars kleiner Sohn und kuschelte sich fröstelnd an seine Mutter, die ihn trug. Die Nacht war fast vorüber, als die Menschen müde die Berge erreichten und sich in einer überdachten Nische zwischen den hohen, grauen Felsen niederließen. Es war einigermaßen windgeschützt und dank der Kohdars, die Feuermagier waren, hatten sie eine kleine Schale mit Talg, die sie anzündeten und sich daran wärmen konnten. Vor allem die Kinder wurden von ihren Eltern oder Verwandten vor dem eisigen Wind geschützt und dicht an die Schale gesetzt. Puran hatte Leyya auf seinen Schoß gesetzt und sie lehnte sich vertrauensvoll an seine Brust, während sie Ruja und das Baby beobachtete, das jetzt etwas umständlich durch die viele Kleidung der Frau gestillt wurde. Es war nicht ganz einfach, das Baby an die Brust zu legen, da es viel zu kalt war, um die Brust groß zu entblößen, abgesehen davon, dass die Männer der Gemeinschaft die Telepathin allesamt neugierig anguckten, jedoch ohne etwas zu sagen. Saidah quengelte aber nicht mehr, als sie satt war und der Schein des Feuers sowie die Umarmung ihrer Mutter sie wärmten. „Und jetzt?“ machte Keisha und sah hinaus in den tobenden Schneesturm, „Tu doch etwas, Tabari, dass dieser Wind aufhört, Himmel! Wie sollen wir morgen weiter gehen?“ „Über die Berge, da sind wir windgeschützter.“, meinte Neron Shai blinzelnd. Meoran war anderer Meinung. „Aber in den Bergen können wir von Schneelawinen erschlagen werden. Nein, wir müssen die Berge morgen wieder verlassen und die Enge über den Wiesen durchqueren. Am besten halten wir auf die Stadt Nuiq zu, allerdings fernab der Straßen, das ist zu riskant.“ „Dann gehen wir ja beinahe den Weg zurück, den wir einst nach Kerhi-Uhl gekommen sind!“ bemerkte Puran empört, „So eine Zeitverschwendung.“ „Sei dankbar, ohne diese Zeitverschwendung hätten wir nicht eineinhalb Jahre in Frieden gelebt!“ entgegnete sein Vater trocken. „Meoran hat recht, wir werden quer feldein gehen, um so schnell wie möglich nach Aughot zu gelangen. Diese Reise wird einige Tage in Anspruch nehmen, wir haben kleine Kinder dabei und sind deshalb langsamer als auf dem Hinweg. Meoran, sorge dafür, dass deine Geier alles erkunden, vor allem, was die Provinzhauptstadt Pinhu angeht. Da haben die Zuyyaner unter Garantie ein Nest mittlerweile, eines, das sich bis nach Aughot herüber zieht und die Bergenge zum Hochland blockiert. Und genau dieses Nest… werden wir zerschlagen.“ Die anderen schwiegen beunruhigt, während Meoran sich erhob, Ruja flüchtig über die Haare streichelte und dann gehorsam die Nische verließ, um nach seinen Spähern zu rufen. „Das ist Wahnsinn, Tabari.“, bemerkte Tare Kohdar benommen, der seine älteste Nichte auf dem Schoß hatte. „Das sind Massen von Kriegern, denen wir da gegenüber stehen… und wir sind acht Männer und eine Frau. Wir sind nicht mal ein Dutzend, oh mein Himmel…“ „Ja, wir sind in deren Augen eine kleine Stecknadel… und sie sind ein Vorschlaghammer.“ Der Herr der Geister richtete den Kragen seines schwarzen Umhanges und sah in die Runde. „Aber sie sind in einem fremden Land, sie sind hierher gekommen ohne das geringste Wissen über Tharr, über Kisara oder über uns Schamanen. Wir… haben die Geister der Natur. Vater Himmel und Mutter Erde werden dieses Eindringen in ihr Land nicht dulden. Sie werden uns unterstützen… und die Natur ist ein Gegner, den selbst zehntausend Mann nicht besiegen können. Wenn wir uns diesen Vorteil zu Nutze machen, Freunde, dann haben wir vielleicht eine Chance.“ „Vielleicht, sagt er.“, grummelte Henac Emo. Nalani brummte. „Wenn du zu feige bist, lauf doch davon und verkleinere diese Chance noch mehr!“ Er schwieg darauf. Tabari senkte seinen Kopf. „Ihr dürft keine Furcht haben.“, murmelte er dabei, „Furcht ist… jetzt das Einzige, was uns wirklich zum Scheitern verurteilen könnte.“ Die Reise über das Land war anstrengend und gefährlich. Der Schneesturm ließ einen Tag später nach, aber er ließ eine klirrende Kälte zurück über Anthurien, das die Schamanen jetzt durchquerten. Sie waren langsam und nicht nur die Kälte zehrte sie aus, als sie nach Westen wanderten; die Vorräte waren auch knapp bemessen, der Hungermond machte seinem Namen alle Ehre. Es gab kaum Wild, das die Männer erlegen konnten, und wenn sie doch welches fanden, war es mager. Der Schnee war so hoch, dass er den Männern bis zu den Knien reichte, die kleineren Frauen und die Kinder hatten es nicht leicht, darin zu gehen; oft benutzten sie den Feuerzauber Vaira, um sich den Weg frei zu schmelzen, wenn es nicht weiter ging. Wenn der so gewaltsam geschmolzene Schnee wieder überfror, wurden die Wege spiegelglatt, die sie passierten, und das Gehen wurde dadurch auch nicht weniger mühsam. An der Glätte wiederum fanden die Kinder Spaß. „Man kann wie auf dem See mit Eisschuhen rutschen!“ johlten die beiden kleineren Mädchen von Barak Kohdar, „Wir haben zwar keine Eisschuhe mit Kufen unten dran, aber das geht auch ohne. Wenn wir alle rutschen, sind wir sicher schneller!“ „Passt auf, dass ihr nicht fallt!“ sorgte sich die Mutter der Mädchen nur, als diese kichernd über die glatten Wege schlitterten. Leyya kicherte auch und sah ihnen zu, wie sie spielten; einerseits hatte sie plötzlich auch Lust, mit den Mädchen herum zu rutschen, aber sie blieb artig an Purans Hand und spielte erwachsen. „Ich bin für solche Spiele schon zu groß!“ behauptete sie energisch, und Keisha, die neben ihr und Puran wanderte, lachte los. „Ja, du bist schon sehr erwachsen, Leyyachen! Du bist ja auch unsere Nachwuchsheilerin, es ist sehr wichtig, dass du groß und vernünftig wirst.“ Die Kleine errötete etwas verlegen, aber auch stolz. Sie war stolz darauf, Keishas Schülerin sein zu dürfen; die blonde Frau brachte ihr viel bei in Sachen Heilkunde, sie machte aus ihr eine tolle Medizinfrau, das wusste sie. Und Keisha wusste, dass das Mädchen aus Makar ein wahnsinnig großes Potential hatte… Leyya könnte eine sehr viel größere Heilerin werden als sie, Keisha, es jemals gewesen war. Es war sehr wichtig, dass sie sie gut ausbildete und ihr alles beibrachte, was sie wusste… sie war eine alte Frau. Wer wusste schon, wie lange sie die Gelegenheit hatte, der Kleinen etwas beizubringen…? Das Passieren der Kleinstadt Nuiq wurde ein kleines Abenteuer für die Gruppe. Schon aus dem Schutz eines nahen Waldes heraus sahen sie, dass die Zuyyaner die Stadt eingenommen hatten und als Lager benutzten. Unbemerkt über den Fluss Oeni zu kommen, an dem die Stadt lag, würde nicht leicht. Sie ließen Meorans Spitzel, die Krähen, die Wachposten des Lagers in Nuiq beobachten, um dann ein Stück Flussabwärts einer nach dem anderen über den zugefrorenen Fluss zu kriechen, so schnell wie möglich im schützenden Wald westlich der Oeni verschwindend. Jedes Kind wurde von jemandem über den Fluss getragen; Hakopa Kohdar und seine jüngste Enkelin wären beinahe entdeckt worden von den Zuyyanern in Nuiq, aber durch ein geschicktes Ablenkungsmanöver Meorans und der Krähen über der Stadt geschah nichts weiter. Als Tabari als letzter den Fluss überquert hatte und alle in Sicherheit im Wald waren, suchten sie sich eine Raststelle, um zu übernachten, möglichst ein gutes Stück südlich von Nuiq. Sie fanden ein dichtes Gestrüpp, dessen immergrüne Zweige ihnen ein kleines Dach boten. Sie machten kein Feuer, es war einfach zu riskant, dass sie von Patrouillen aus der Stadt gesehen würden. Demzufolge war es kälter als sonst in dieser Nacht; und das war nicht alles. „Wir werden nur kurz ausruhen und dann sofort weiter gehen, bis die Sonne am Himmel steht.“, entschied Nalani nämlich, „Wir sind jetzt nicht mehr weit weg von Pinhu und der Bergenge, viel dichter gibt es keine weitere Möglichkeit, zu schlafen… das wird der letzte Schlaf sein, den wir finden, bevor wir es morgen mit der Armee zu tun bekommen.“ Die Kinder drückten sich etwas beunruhigt an ihre Eltern oder auf wessen Schoß sie sonst gerade saßen; selbst Leyya konnte jetzt nicht mehr erwachsen tun und schüttelte sich unwillkürlich. „Es wird gefährlich, oder, Puranchen?“ nuschelte sie gedämpft, und er seufzte. „Ja, das wird es. Vertrau mir… oder meinem Vater, besser gesagt. Ich sorge dafür, dass du nicht stirbst, Leyya.“ Sie schwieg bedrückt. „Und all die anderen?“ „Wir passen auf uns auf, sorge dich nicht.“ Er hob den Kopf und sah zu Ruja. „Was ist mit dir? Bist du schon wieder fit genug, um deine Barriere zu machen? Irgendwie müssen wir die Kinder durch die Enge schleusen, oder?“ Die Telepathin nickte. „Ich werde mein Bestes geben.“ „Natürlich werden wir… den Krieg nicht beenden können mit diesem einen Streich.“, warf Tabari ernst ein und hob den Kopf, „Aber wir können ihnen mit Glück einen großen Denkzettel verpassen. Sie sollen nicht glauben, die Geister von Tharr und ihre Vertreter würde zulassen, dass sie so über uns herfallen… und sie werden bluten und sich denken… Ah, diese Welt hat ihren eigenen Geist. Obacht, Leute, wenn wir einen Schritt in die falsche Richtung tun… sind wir tot. “ „Dass die das denken ist sehr… optimistisch.“, bemerkte Henac Emo. „Dass sie überhaupt denken ist optimistisch genug, finde ich.“, war Meorans Kommentar dazu, „Nahezu utopisch.“ „Hört zu!“ riss der Blonde das Wort wieder an sich, „Wir haben den Vorteil des Überraschungsangriffes – wenn nicht irgendetwas schief gelaufen ist in unserer Planung ahnen die nichts davon und rechnen noch weniger damit, dass es jemand wagt, sie anzugreifen. Sie werden uns entgegen kommen, da sie nach Kerhi-Uhl wollten, um uns zu erschlagen, wie ich denke… am besten, wir laufen ab durch die Mitte. Das wird ein anstrengender Tag, Freunde, also schlaft euch gut aus, ihr werdet es brauchen; ehe wir dort sind, trennen uns noch einige Meilen von der Bergenge bei Aughot.“ Es wurde still im Gestrüpp, als die meisten sich schlafen legten oder es zumindest versuchten. Nalani hockte am Rand der kleinen Gruppe mit dem Rücken zu den anderen und sah in den finsteren Westen. Ihre Arme umschlangen ihre angezogenen Knie, auf die sie seufzend den Kopf legte, ehe sie spürte, wie jemand mit der Hand durch ihre schwarzen Haare strich und sich dicht neben sie setzte. Sie hatte sie wieder geschnitten und mehr schlecht als recht zusammengebunden, damit sie ihr bei der Wanderung und im bevorstehenden Kampf nicht im Weg waren. Die Frau erzitterte, während Tabari sich leise räusperte und ihr einen Arm um den Rücken legte. „Du schaust besorgt… wie eigentlich immer, aber dennoch anders.“, bemerkte er scharfsinnig, „Was bedrückt dich?“ Sie seufzte erneut und schwieg eine Weile, während sie fühlte, wie er sie behutsam streichelte. In Tagen wie diesen mochte sie es gern, wenn er zärtlich mit ihr war, und das kam nicht oft vor. Tabari wusste das genauso gut wie sie und es war immer beunruhigend, wenn Nalani Zärtlichkeit wollte. „Die Erde ist nervös, genau wie ich, Tabari. Es wird nicht leicht werden… meine Träume bringen mir Schatten und Tod…“ Sie erzählte nichts weiter von der Knochenspirale, die sie in der letzten Zeit öfter gesehen hatte und die sie beunruhigte. „Das tun sie oft, oder?“ murmelte ihr Mann neben ihr und zog sie zärtlich an sich heran, bevor er den Kopf zur Seite beugte und ihr einen Kuss auf die Wange setzte. „Denkst du wirklich, die Zuyyaner haben nach dem morgigen Tag Angst vor uns, Tabari?“ „Hm? Was meinst du?“ „Du hast gesagt, wir würden ihnen einen Denkzettel verpassen… ich denke nicht, dass sie tatsächlich Respekt vor unseren Geistern bekommen werden danach. Diese Zuyyaner denken nicht, sie sind Maschinen. Sie tun, was man ihnen sagt, und nichts anderes. Und es werden mehr kommen, fürchte ich… wir können sie nicht schlagen.“ „Nicht alle… aber wir werden sie genug erschüttern, glaub mir, Nalani. Natürlich können wir nicht alle erledigen, dieses Lager bei Aughot ist ja nicht das einzige, das sie haben… die Zuyyaner sind Menschen aus Fleisch und Blut, genau wie wir. Sie können fallen und sie werden, Nalani.“ „Das bezweifle ich nicht… ich zweifle nur daran, dass sie dann aufgeben. Sie werden weiter machen und nichts wird sich ändern, außer dass es vielleicht fünfhundert von ihnen weniger gibt, wenn wir gut sind.“ „Fünfhundert? Hach, ich setze auf eintausend.“ „Mach keine Witze.“ „Mache ich nicht, ich meine das ernst… eintausend, und wenn ich die alle selbst erledige. Vielleicht wettet Meoran mit mir.“ Seine Frau seufzte und lehnte sich jetzt an seine Schulter. Eine Weile schwiegen sie. „Denkst du, wir sterben morgen?“ Der Blonde musste leise glucksen. „Oh, nein. Aber falls ich mich irre…“ Er hob den kopf und sah sie an, bevor er ihr mit einer Hand über die Wange strich und sich dann zu ihr beugte, um sie kurz, aber zärtlich zu küssen. „Ich liebe dich, Nalani, Schattenkönigin. Für immer…“ Er grinste sie zuversichtlich an und sie konnte nicht anders als zu lächeln, den Kopf senkend. „Scherzkeks…“ murmelte sie, ehe sie sich etwas dichter an seinen warmen Körper kuschelte und mit der Hand gedankenverloren über seine Brust zu streicheln begann. „Ich dich nicht, kein Stück.“ Dass ihre Worte nicht im Entferntesten ernst gemeint waren, hätte ein Blinder gesehen, und Tabari kicherte auch nur. „Wer ist hier der Scherzkeks?“ Am Morgen ging eine blutrote Sonne auf im Osten. Die Menschen waren schon vor dem Sonnenaufgang losgezogen und kehrten der Blutsonne den Rücken, als sie auf die Bergenge von Aughot zuhielten. Einen weiten Teil des Weges trugen sie die Kinder, um schneller durch den Schnee zu kommen, erst, als sie am Nachmittag den Wald von Madah knapp nördlich von Pinhu und Aughot fast durchquert hatten, ließen sie sie herunter. Hier war der Schnee nicht so hoch wie er es in Kerhi-Uhl gewesen war. Am Rande des Waldes konnten sie das Nest der Eindringlinge bereits erkennen. „Südlich von uns liegt Aughot.“, sagte Tabari trocken, als sie im Wald hockten und hinaus spähten auf die Stadt, die jetzt direkt vor ihnen lag. Das Lager der Zuyyaner war nicht nur groß, es war gewaltig. „Ruja, bleib mit Pinhi, Keisha und den Kindern hier. Wenn nötig, flüchtet nach Westen in den Schutz der Ausläufer der Berge. Wenn der Weg frei genug ist, kommt durch die Bergenge, wir werden euch ein Zeichen geben.“ Die Telepathin nickte, indem sie Keisha ihre Enkelin Saidah in die Arme legte und ihre Hände ausschüttelte, bereit, die Barriere um sie alle zu bauen. „Sie werden fliegen, Tabari, du weißt, was du zu tun hast.“, meinte Meoran und erhob sich ebenfalls, „Dann ist jetzt der Tag gekommen, vor dem wir uns lange gefürchtet haben.“ „Die Zuyyaner werden gleich mehr Grund haben, sich zu fürchten.“, grinste Neron, dem seine treue Begleiterin zur Seite stand. „Was ist mit der denn, die kann doch nicht mit in den Kampf…“ machte Puran verdutzt, „Sie ist doch noch ein Kind!“ „Keine Angst, Saja hält was aus.“, erklärte sein Kollege und tätschelte der Blonden den Kopf, „Du würdest es bedauern, wenn sie nicht mitkäme.“ „Seid ihr soweit?“ fragte Nalani von vorne, die sich jetzt auch erhob und der Reihe nach alle ansah, zuletzt fiel ihr Blick auf ihren Mann, der die Arme ausstreckte. „Staub und Schatten, Tabari… mehr lassen wir nicht übrig von ihnen!“ Der Herr der Geister schloss für einen Moment die Augen. Als er sie wieder öffnete, brannte darin das Feuer der Magie, das Feuer seiner Macht über den Wind, und er riss die Arme empor in den Himmel. „Staub und Schatten, Freunde!“ Als er die Arme ganz hoch riss, hob Nalani ihre Hand mit Kadhúrem ebenfalls, und mit einem Krachen färbte sich der Himmel über ihnen schwarz. Vor dem großen Lager bei Aughot, das die Bergenge zum Hochland blockierte, erwarteten die Zuyyaner die Gruppe bereits, als sie mit gezogenen Waffen aus dem Wald kamen. Allen voran stand der Befehlshaber vom letzten Mal, Nalani erkannte ihn wieder. Hinter ihm stand die Armada – es war nicht annähernd das, worüber Tabari in der Nacht noch gewitzelt hatte… wenn sie hier heil durchkommen wollten, wären es am Ende nicht eintausend tote Zuyyaner, sondern für jeden von ihnen eintausend. „Du hast die Lage… leicht unterschätzt, oder?“ fragte Meoran seinen Freund sarkastisch, „Das wird Arbeit.“ „Vertrauen.“, war die Antwort des Älteren, „Hab Vertrauen, Meoran.“ Er drehte den Kopf nach vorne und sah seinem Feind ins Gesicht. Der andere Mann hatte seinen Helm abgenommen und seine strohblonden Haare offenbart, die ihn irgendwie weniger gefährlich aussehen ließen als er war. „Ich warte schon auf Euch, Schamanen.“, sagte er auf der Einheitssprache, „Eigentlich wollte ich ein Bataillon in den Osten senden, um euch zu erledigen, aber dass ihr freiwillig auf den Servierteller spaziert macht natürlich alles leichter. Ich bewundere Euren Mut… Ihr seid der Herr der Geister, das Oberhaupt des Rates der Schwarzmagier, nicht wahr?“ Tabari nickte. „Das ist richtig, ich sehe, Ihr habt Euch schlau gemacht, lesen könnt Ihr also. Hervorragend, wird Euch leider nichts nützen.“ „Keine Sorge, habe ich nicht erwartet. Ich habe mich nach der Niederlage bei Iters Turm etwas schlau gemacht, ja. Eure Existenz passt seiner Majestät, dem Kaiser, nicht, und ich wurde vertrauensvoll damit beauftragt, dem ein Ende zu bereiten.“ Er neigte seinen Kopf und setzte den Helm wieder auf, ehe er eine Hand hob und die Soldaten hinter ihm vor rückten, die Waffen und zum Teil die bloßen Hände hebend. „Dann wollen wir mal nicht weiter Tee trinken, hier ist er verdammt noch mal kalt.“ Tabari hob die Arme erneut, als der Befehlshaber seine senkte. „Tötet sie, Männer, und lasst keinen von ihnen am Leben!“ Den Versuch, zu fliegen, starteten die Zuyyaner gar nicht erst, sie stürzten sich zu Fuß frontal auf die kleine Gruppe der Geisterjäger. „Staub und Schatten.“, keuchte Nalani noch einmal, bevor sie ihren Dolch Kadhúrem in die Luft riss und es aus dem schwarzen Himmel grollte. Wie gigantische Wellen krachten die Fronten der Zauber von beiden Seiten aufeinander. Die Welt versank in Finsternis und nur das grelle Blitzen des Feuers der Kohdars und der Zuyyaner erhellte sie. Das Kampfgetümmel, das Schreien und das Grollen des Himmels vereinten sich zu einem dauerhaften Brummen in Purans Ohren. Er wusste nicht genau, ob er das, was er tat, bewusst oder mehr unbewusst machte, während er mit simplen Handbewegungen und ein paar Windmessern versuchte, sich einen Weg nach vorne durchzuschlagen. Er sah irgendwo weiter links Nerons Schlangenschwert blitzen, rechts brannte das Feuer, aus dem Himmel kam der Schatten von Kadhúrem gefolgt von Meorans Geistervögeln herab gestoßen wie ein bösartiger Pfeilhagel. Er fuhr herum, als sich plötzlich ein weiterer Soldat auf ihn stürzte, und zischend riss er seine rechte Hand hoch und schmetterte den Mann mit einem Krachen und einem gleißenden Blitz aus seinen Fingern zurück und zu Boden. Ein Krachen ertönte, gefolgt von einem hellen Blitzen unmittelbar neben ihm, und Puran hechtete zur Seite und wich dem Feuerschlag eines weiteren Zuyyaners aus, der mit seinem mächtigen Zauber das Land erschütterte und die Erde in Brand steckte. Dann erwischte ihn ein Schlag von hinten und schleuderte ihn zu Boden, er überschlug sich hustend und war zu seinem Glück schnell genug wieder auf den Beinen, um den nächsten Angriff seines Gegenübers mit einer Katura abwehren und zurückschmettern zu können. Als er sich keuchend ganz aufrappelte, erkannte er in seinem Gegenüber den Befehlshaber persönlich. Und nicht nur das… „Ich habe dich in meinen Träumen gesehen…“ murmelte der Jüngere dumpf und erinnerte sich an die Fratze, die ihn in seinen Visionen angesehen hatte, an die blauen Augen, in die er jetzt auch sah. Er keuchte und ballte die rechte Hand zur Faust, zu nervös, um sich richtig auf die Waffe zu konzentrieren, die er beschwören wollte. Er ignorierte das grölende Getümmel um sich herum, denn die Soldaten schienen um ihren Anführer und ihn jetzt einen Bogen zu machen, während besagter Befehlshaber sein Schwert zog und begann, wie ein Raubtier um seine Beute um Puran herum zu gehen, ihn dabei nicht aus den Augen lassend. „Ich habe auch von dir geträumt… du bist das Nesthäkchen, du bist des Ratsführers einziger Sohn.“, sagte er dabei lauernd, „Ich habe mich gewundert, was an dir wohl so speziell sein mag, dass Katari es für nötig hält, dich mir zu zeigen…“ Puran schnaubte und behielt den Älteren im Auge, seine Hände warnend empor reißend. „Dann komm und finde es heraus!“ „Na, so stürmisch? Ich habe mir sagen lassen, ihr Schamanen seid so fixiert auf den Schutz der… Lebensgeister, so nannte es sich? Töten wäre in eurem Volk eine Schande, oder so…?“ Der Schamane spuckte ihm vor die Füße. „Das gilt nicht für euch, ihr seid Maschinen! Ihr tut nur das, was man euch befiehlt, habe ich nicht recht? Das hat nichts mehr mit Lebensgeistern zu tun.“ „Ah, verstehe. Ja, ich folge meinen Befehlen… aber das tust du doch auch… nur, dass es in deinem Falle Geister sind, die dir befehlen, und keine Menschen…“ Er grinste amüsiert, und Puran stierte ihn wütend an, die Arme herum reißend, und seine grünen Augen blitzten zornig. „Ich bin keine seelenlose Marionette wie ihr verfluchten Zuyyaner es alle seid, ich kenne meine Grenzen! Und deine zeige ich dir!“ Ehe er hätte zaubern können, war der blonde Mann ruckzuck über ihm und er keuchte, als er das Schwert des Älteren noch auf sich zugerast kommen sah; reflexartig riss er den Arm hoch und durch den Selbstschützungsinstinkt, der ihm innewohnte, erschien mit einem grellen Blitzen das Geisterschwert in seiner Hand, das die Waffe des anderen mit einem lauten Krachen abblockte. Nalani schnappte nach Luft und wirbelte herum, ehe sie den Kerl, der sich auf sie hatte stürzen wollen, skrupellos mit ihrem Dolch abstach, sodass er röchelnd zu Boden sank. Schon kam der nächste von der anderen Seite und sie riss beide Arme hoch, um mit einem Schwall aus Finsternis aus ihren Armen das Eis verschwinden zu lassen, das man auf sie schmetterte. „Tabari, ich bringe dich um, wenn wir das überleben!“ fauchte sie dabei ihren Mann an, der nur knapp von ihr entfernt mit seiner Windkontrolle beschäftigt war. Zwischendurch fand er die Ruhe, eine Hand nach vorne zu reißen und eine Gruppe von Soldaten mit einem messerscharfen Windzug niederzustrecken. „Warum, weil die eintausend nicht stimmten?“ brüllte er zu ihr herüber gegen den Lärm der Schlacht an, „Jammere nicht, Nalani! – Pass auf, hinter dir!“ Sie fuhr noch herum, aber Tabari war schneller und hatte den heimlichen Angreifer mit einem weiteren Schwenker seiner Hand mit einer Windböe enthauptet. Seine Frau schnaufte. „Ich habe alles unter Kontrolle, hör auf, mich zu retten!“ „Oh, jetzt wird sie bissig!“ feixte der Blonde albern und Nalani sprang in die Luft und parierte den Schwerthieb eines weiteren Gegners, stieß ihn mit Kadhúrem zurück und parierte wieder, als er irrsinnig schnell wieder auf sie zu preschte. „Nur die Ruhe, Königin…“ „Ruhe?!“ blaffte die Magierin ihn an und beendete den fleißigen Schlagabtausch mit dem Zuyyaner prompt, indem sie die freie Hand hoch riss und ihn mit einem Wasserzauber unerwartet viele Fuß zurück schmetterte, sodass er auf den Boden aufschlug und sich das Genick brach. „Ich gebe dir gleich Ruhe, Tabari Lyra! Wo ist Puran, siehst du ihn irgendwo?! Mir gefällt das hier nicht, Himmel!“ „Ich sehe nichts, der wird schon klar kommen, ich sehe nur Feuer und Qualm!“ Der Mann drehte den Kopf seinerseits nach rechts und schlug einem neuen Feind mit bloßer Faust so kräftig ins Gesicht, dass der zu Boden ging, wo ihn dann ein einfacher Windzauber niederwarf. Nalani fluchte ungehalten, als jetzt zwei auf einmal auf sie zu stürzten, und sie riss ihr zweites Kurzschwert aus dem Gürtel und parierte beide Angriffe zugleich, was nicht einfach war; Tabari keuchte entsetzt, als der eine der Männer zur Seite sprang, ihrem Hieb auswich und seinerseits beinahe ihren Kopf abgeschlagen hätte, hätte ihn nicht plötzlich ein herumfliegender Flammenwurf erfasst und ihn in Brand gesteckt. Nalani erschlug den zweiten Soldaten mit dem Dolch und fuhr wutentbrannt herum. „Du sollst mich nicht retten! “ keifte sie, und Tabari stöhnte. „Ich war das nicht, das war Feuer, das war sicher einer der Kohdars! Mann, du bist erregend, wenn du so herum brüllst, wären wir nicht mitten in einer Schlacht, würde ich dich jetzt auf der Stelle lieben…“ „Holen wir nach, wenn wir Ruhe haben!“ feixte sie bissig und wandte sich wieder den Soldaten zu, die sich auf sie stürzten. Die Welt lag im Schatten. Das Feuer des Lagers warf bizarre Lichter in den düsteren, vom Qualm schwieligen Himmel. Meoran sah hinauf und drehte sich dann herum, dabei mit einer heftigen Armbewegung und einem Schwenk der Krähenfeder in seiner Hand einen weiteren Soldaten niederschlagend. „Barak!“ rief er durch das Getöse des Infernos und fuhr abermals keuchend herum, dieses Mal in die andere Richtung, „Es wird Zeit, dass wir die Frauen und Kinder durch die Bergenge schleusen, wie sieht es aus?!“ „Wir brennen den Weg frei!“ Der Ältere fuhr herum und riss das verbliebene Auge auf, das nicht hinter der Binde versteckt war: „Himmel, Meoran, dreh dich um!“ Meoran fuhr nach hinten und im nächsten Moment wurde er von einem der Angreifer gepackt und von irgendetwas grauenhaft Schmerzhaftem zu Boden gestoßen. Er riss seinen Arm herum und schaffte es mit einem eher weniger gezielten Blitz aus seiner bloßen Hand, dem Zuyyaner über sich den Unterarm abzutrennen, während er am Boden lag. Der Mann über ihm schrie auf, verzerrte vor Wut das Gesicht unter dem Helm und holte aber blitzschnell mit dem verbleibenden Arm aus, um einen neuen Eiszapfen auf ihn zu schmettern. In dem Moment erfasste ihn ein Flammenwirbel von der Seite und er stolperte abermals schreiend zurück, Meoran rappelte sich schwer keuchend auf und strauchelte. „Ist ja grauenhaft!“ empörte er sich, hob die Hand mit der Feder und warf sie auf den brennenden Mann. Als sie ihn traf, zuckte er kurz und stürzte dann zu Boden, ohne sich jemals wieder zu rühren. Barak Kohdar erreichte seinen Kollegen hustend. „Bist du verletzt?! – Du liebe Güte, du hast ein Eis am Stiel im Bein…“ „Zieh das da jetzt ja nicht heraus, so blutet es wenigstens nicht.“, seufzte Meoran und tippte den doch beachtlich großen Eiszapfen in seinem Oberschenkel an. Es schmerzte aasig, aber er ignorierte die Wunde und zog aus seiner Tasche eine neue Feder. „Meine Mutter wird das schon machen!“ beruhigte er Barak dann, der ihn skeptisch anstarrte. „Rasch jetzt, halt mir den Rücken frei, wenn ich Ruja und die anderen hole. An uns liegt es jetzt, dass unsere Familien hier heil durchkommen! Ich hoffe für Tabari, dass er seinen Wind im Griff hat!“ Mit diesen Worten und einem Blitzen aus dem Himmel riss er den Arm mit der neuen Feder empor und sprang dann in die Luft; Barak zog aus seinem Gürtel sein Schwert und wehrte tapfer ein paar Feinde ab, während sein Kollege hinter ihm in die Luft flog, rasch und als würde die eine Feder sein Gewicht problemlos tragen können. Die Mitglieder des Chimalis-Clans, des Clans der Kondorgeister, hatten das Privileg, mit einer bestimmten Technik fliegen zu können, wie die Zuyyaner es konnten. Und es ersparte einige Zeit und Mühe, da Meoran sich so über die entsetzten Krieger der fremden Welt hinweg bewegen und zu Ruja und den anderen gelangen konnte, die am Rande der Bergenge geschützt von der Barriere hinter einer Felswand warteten. „Du bist da!“ rief die Telepathin erleichtert, ihren Mann unversehrt zu sehen – bis auf den Eiszapfen, den aber alle ignorierten. „Dann gehen wir einfach da durch?“ „Rasch, und bleib dicht hinter mir, und lass ja die Barriere oben.“, war Meorans Ansage, und er sah hinter Ruja Leyya, seine Mutter, Baraks Frau und deren Kinder hervor lugen. „Das ist wie mit einem Regenschirm, er schützt vor Wasser, so schützt die Barriere euch vor den Angriffen, so hoffe ich. Bleibt auf alle Fälle so dicht wie möglich zusammen und rennt, so schnell wie ihr könnt! Seht nicht zurück, rennt einfach. Denkt an das Ziel, die andere Seite dieses Feuers… die andere Seite des Lagers! Ihr habt nur dieses Ziel vor Augen – Ruja, sieh mich an!“ Er fuhr sie scharf an und sie nickte heftig. Sie war nervös… sie war die einzige, die diese Barriere erhalten konnte… wenn sie versagte, wären sie alle verloren. In ihren Händen lagen jetzt die Leben von Pinhi, Keisha und den Kindern. Ihrer eigenen kleinen Tochter, die auf den Armen der Großmutter zu jammern anfing. „Ruja, hast du mich verstanden?“ herrschte Meoran seine Gemahlin streng an, „Von dir hängt das ab, egal, was du siehst, egal, was passiert mit Barak, mir oder sonst wem, du musst hier durch! Du musst weiter rennen! Verstanden? Sei ein gutes Mädchen, meine Hübsche.“ Die Schwarzhaarige keuchte und zitterte. Dann nickte sie abermals, heftiger als zuvor. „Geh! Ich werde dir folgen! Rennt, Leute!“ Sie rannten. Meoran wich nicht von der Seite der schützenden, schwach leuchtenden Blase, in der die Frauen und Kinder waren, als führte er ein Pferd durch das Schlachtfeld. Von der anderen Seite stieß Barak Kohdar später dazu, und sie rannten quer durch das zerstörte, brennende Lager. Ein ohrenbetäubendes Krachen direkt neben ihnen und ein grelles Aufflammen des Infernos ließen sie zusammenfahren, als das Feuer der Zuyyaner auf das von Tare und Hakopa Kohdar traf. Die beiden Fronten aus purer Magie explodierten mit einem Donnern und einem Beben der Erde. „Nicht umdrehen! Weiterlaufen!“ fuhr Barak die Frauen an, als seine Frau Pinhi sich besorgt weinend nach ihrem Schwager und ihrem Schwiegervater umsah, ihren kleinen Sohn auf dem Rücken tragend. Das Kind fand die Aufregung amüsant. „Macht sie fertig, Opa und Onkel!“ „Rennt weiter, nicht einschlafen! Rennen!“ schrie Barak empört und seine Frau heulte verzweifelt vor Panik. Ruja keuchte. Feuer, überall! Die ganze Welt schien zu brennen… es war wie damals, als Tuhuli überrannt worden war. Sie hörte die Schreie von Menschen aus der Ferne – waren es Soldaten von Zuyya oder ihre Kameraden? Sie konnte es nicht ausmachen… sie hörte Pinhi hinter sich heulen und die kleine Saidah wie am Spieß plärren, und sie rannte und rannte, bis ihre Füße zu schmerzen begannen und die Luft sich aus ihren Lungen wrang wie Wasser aus einem Wischlappen. Sie hasste Feuer. Sie verabscheute es so dermaßen… Feuer brachte böse Erinnerungen. Nicht nur an das Inferno von Tuhuli… mit Schmerzen dachte sie hysterisch an den Tod von Meorans Cousine Enola, nach dem halb Sinami in Brand gestanden hatte… und noch schlimmer erinnerte es sie an den Tod ihres Schwiegervaters Nomboh. Nomboh, der sie aus dem brennenden Haus gestoßen hatte, der sie gerettet hatte und für sie gestorben war. Ein peitschendes Knallen unmittelbar neben ihr riss die Frau aus ihren hysterischen Gedanken und sie sah, wie ein zuyyanischer Feuerzauber an der Barriere abprallte und erlosch. „Ruja, lauf!“ schrie Meoran sie neben der Blase an, „Lauf, denk an nichts! Ich bin bei dir, ich lasse dich nicht alleine! Pass auf die Barriere auf, verdammt!“ Die Frau fuhr herum, als das peitschende Knallen erneut ertönte und sie jetzt von mehreren Seiten zugleich angegriffen wurden. Sie sah aus dem Augenwinkel ihren Mann und Barak Kohdar ein paar Angreifer niederstechen, bis mit einem Mal direkt neben der Blase aus Licht, in der sie und die anderen Frauen und Kinder waren, eine Flammenwand empor schoss wie aus angezündetem Öl. Und durch die Barriere hindurch spürte sie die Hitze und den Tod der Flammen, die ihren Mann plötzlich von ihr trennten, sodass sie ihn nicht mehr sehen konnte. Und sie hielt an und stieß einen gellenden Schrei aus, als die Panik sie übermannte. Sie hörte Keisha noch „Nein, nicht, Ruja!“ kreischen, aber es war zu spät; wie eine Seifenblase zerplatzte die Barriere, als die Telepathin blind vor Panik herumfuhr, und hätte Barak sie nicht plötzlich von der anderen Seite gepackt und mit sich gezerrt, wäre sie direkt in die Flammenwand gehechtet. „Meoran, wo ist Meoran?!“ schrie sie außer sich, „Ich kann nicht rennen, Barak! Meine Füße sind tot, mein ganzer Körper ist tot! I-ich habe diese Kraft nicht…!“ „Rasch, rennt!“ fuhr Barak sie an, hievte sie auf seinen Rücken, als sie in seinem Griff zusammenzuklappen drohte, mit einem Arm schnappte er noch seine jüngste Tochter, die er hoch nahm. Keisha gab Leyya das Baby und nahm stattdessen die zweitjüngste Tochter von Barak auf den Rücken, und ungeachtet der Tatsache, dass sie völlig schutzlos mitten durch das Schlachtfeld liefen, rannten sie weiter, gen Südwesten. „Lauft, lauft und seht nicht zurück!“ befahl Barak Kohdar den Frauen, bevor plötzlich wieder ein Regen aus Feuer über sie fiel. Sie rannten schneller. Ein kleines Feuerklümpchen traf die älteste der Kohdar-Töchter am Arm, und mit einer freien Hand schlug Keisha so lange auf den kleinen Brandherd ein, bis er erloschen war und das Mädchen nur eine übel schmerzende Wunde zurück behielt. „Verdammt, schneller! Rasch!“ keuchte Barak und scheuchte die Frauen wie eine Schar Hühner vor sich her, Ruja und seine Tochter immer noch tragend. Ein Blick über die Schulter sagte ihm, dass ihnen eine ganze Horde von Männern folgte, die die Arme gen Himmel rissen. „Oh nein… das nächste Feuer! Lauft doch!“ Und das Zischen der Feuerbälle im Himmel ertönte über ihnen; dieser Regen würde sie nicht so leicht verfehlen wie der letzte, dachte der Mann verzweifelt – doch dazu kam es gar nicht. Der Himmel verdunkelte sich und ein bösartiger, gieriger Schatten verschlang die Magie der Zuyyaner wie Krümel eines Kuchens. Plötzlich waren sie weg, und Leyya, die über ihre Schulter blickte, sah von der Seite einen grellen Blitz quer durch die Reihen der Verfolger schießen, der diese um die Hälfte reduzierte. Dann stolperte Meoran aus der kleiner gewordenen Flammenwand, etwas malträtiert, aber augenscheinlich lebendig, in seiner Hand eine weitere Feder. Auf einem eingestürzten Zelt neben den Frauen und Barak Kohdar tauchte Henac Emo auf, der den Schatten geschickt hatte. „Pff, ihr schafft aber auch nichts alleine.“, spottete er, „Da lassen wir euch zwei Familienpapas schon die Weiber eskortieren, und ihr vermasselt es beinahe. Du schuldest mir was, Meoran, und du auch, Barak!“ „Du erntest meinen Respekt später, Emo!“ japste Meoran erschöpft, „Jetzt tu, was du tun musst, und Barak, rennt!“ Er beeilte sich, die Gruppe wieder einzuholen, und Ruja stöhnte auf Baraks Rücken vor Erleichterung, ihren Mann lebend zu sehen. Die Panik stand immer noch in ihren Augen; dass sie noch fähig wäre, jetzt eine Barriere zu bauen, bezweifelte eben dieser, und er ließ sie in Ruhe und nahm seinem Kollegen stattdessen die jüngste Tochter ab, die sich heulend an seinen Hals klammerte. „Die verfolgen uns immer noch, Himmel!“ keuchte Keisha, und ein Schrei von Leyya vor ihr ließ sie erbleichen; als sie nach vorne sah, war ein Soldat direkt in ihre Bahn gesprungen und hätte Leyya samt Baby Saidah beinahe aufgespießt, hätte die kleine Heilerin sich nicht instinktiv geduckt, das Baby schützend an sich pressend. Und ehe der Soldat sich versah, schlug das kleine Mädchen ihm mit der bloßen Faust gegen den Unterarm, schob ihn damit unverhofft zur Seite und rannte weiter. Die Erwachsenen starrten nur verblüfft auf das, was dann geschah, als der Mann keuchend nach seinem Arm fasste, als hätte ihn nicht ein kleines Mädchen, sondern ein Boxer geschlagen. Und während Meoran ihm mit einem Schwerthieb die Kehle aufschnitt, sah er den übel herausstehenden Knochen im Unterarm des Kerls, verzog angewidert und verblüfft zugleich das Gesicht und rannte weiter. Eine Feuerkugel schoss von hinten direkt an Keishas Ohr vorbei und sie schrie entsetzt. Die beiden Männer fuhren herum, als die Verfolger plötzlich aufgeholt hatten und jetzt zum Angriff übergingen. „Da vorne!“ schrie die älteste Tochter von Barak, „D-da ist das Ende, das Feuer ist weg! Wir schaffen es, lauf, Mutti!“ „Verdammt, rascher!“ schrie Meoran die Frauen an und schob seine stolpernde Mutter energisch vor sich her, „Verdammt, schneller!“ In dem Augenblick, in dem sie das letzte, brennende Zelt des Lagers passierten, ertönte unmittelbar hinter ihnen ein lautes, tosendes Grollen. Die Erde erzitterte in einer Heftigkeit, dass sie die Gruppe beinahe von den Beinen geworfen hätte. Als sie die Bergenge passiert hatten und hinter dem Inferno im Schnee standen, drehten sie sich keuchend und japsend um, um zu sehen, was passiert war. „Das ist… nicht möglich!“ machte Barak Kohdar und ließ Ruja von seinem Rücken klettern. Es hatte ein kleines Erdbeben gegeben und der Boden war genau unter den Verfolgern zusammengebrochen, an ihrer Stelle türmte sich jetzt ein kleiner Steinwall auf. Und daneben hockte Nerons kleine Begleiterin Saja, die Hände auf die Erde gelegt. Neron Shai stand hinter ihr und fing einen entflohenen Soldaten mit seinem Schlangenschwert. Die sich schlängelnde Klinge wickelte sich um das Bein des Mannes, riss ihn in die Luft und schleuderte ihn in hohem Bogen weg, wobei er schrie und strampelte, ehe er gegen die Berge knallte. „Das hätten wir.“, meinte der junge Mann zufrieden. „Saja, bleib bei den Frauen und Kindern jetzt, gut gemacht. Meoran, was ist mit dir, du siehst so fertig aus?“ Meoran atmete röchelnd ein und aus. Die Wunde in seinem Bein war nicht das Einzige, was ihn schwächte, die Luft war auch überall, nur nicht in seiner Lunge, und er strauchelte. „Ich bin in Ordnung! Rasch jetzt, wir m-müssen zurück…“ „Bleib du hier.“, meinte Barak auch besorgt, „Du bist aschfahl, bevor du da drinnen umkommst, lass dich lieber von Keisha aufpäppeln. Neron! Geh, rasch!“ Mit einem letzten Blick auf seine Frau und seine Kinder rannte Barak Kohdar mit Neron zusammen wieder ins Inferno. Meoran keuchte heftig und sank unwillkürlich zu Boden, fassungslos zurück starrend, wohin die zwei verschwanden. Was war das denn? So alt war er doch wirklich nicht…? Was war er bloß für eine Schande für seine Ahnen, wenn er jetzt schon müde wurde? Aber ein einziger Versuch, wieder aufzustehen, hätte ihn, so glaubte er, beinahe das Leben gekostet, als plötzlich ein so grauenhafter Schmerz durch seinen Körper fuhr, dass er dachte, er würde tot umfallen – und zu seiner Verblüffung stammte der Schmerz nicht aus seiner Wunde am Bein, sondern aus seiner Brust. Puran parierte keuchend einen weiteren Schwerthieb seines Gegners mit seinem eigenen, obwohl das Geisterschwert gar nicht materiell in seiner Hand lag; es war seltsam, so nur mit einem Schwert aus purer Magie, das nur aus zuckenden Blitzen bestand, zu kämpfen, aber zu seinem Glück gewöhnte er sich rasch daran. Mit einem lauten Krachen knallte die blitzende Klinge gegen die reale des Feindes, und der Befehlshaber riss den Kopf zurück, als der grelle Blitz des Geisterschwertes seinem Gesicht gefährlich nahe kam. „Eine interessante Waffe hast du, das muss ich dir lassen.“, murmelte er, „Wir werden ja sehen, ob Kataris Zauber die deiner Himmels- und Erdgeister dominieren kann!“ „Nicht, solange wir auf meiner Mutter Erde stehen unter den Augen meines Vater Himmel, Zuyyaner!“ zischte der Jüngere grantig, holte aus und schlug nach dem Blonden. Er duckte sich abermals, aber Puran erwischte mit einem lauten Grollen aus dem Himmel seinen Helm und riss ihn seinem Gegner mit dem Hieb vom Kopf. Das Metall zerbarst unter der Macht der Geister von Himmel und Erde, und jetzt mit ungeschütztem Kopf sprang der Zuyyaner wieder zurück, wich einem weiteren Angriff aus und parierte einen mit seinem Schwert. „Dafür, dass du noch ein halbes Kind bist, beeindruckend.“, gab der Blonde dann kaltblütig zu hören, „Dann komme ich meinem Ziel wohl näher… herauszufinden, mit wem zum Geier ich es zu tun habe hier.“ „Ein halbes Kind?“ Puran lachte höhnisch, „Wenn du wüsstest, armer Wicht!“ Er riss seinen Arm samt Schwert nach vorne und schlug wieder nach ihm, aber der Mann ließ sich instinktiv zur Seite fallen, sodass das Geisterschwert ihn noch einmal verfehlte. Dann riss er seine freie Hand ebenfalls hoch und jetzt war er es, der sich ducken und zurück springen musste, als plötzlich ein Flammenstoß aus der Hand des Befehlshabers auf ihn zu kam. Reflexartig hob er sein leuchtendes Schwert empor und als der zuyyanische Feuerzauber dagegen prallte, gab es ein unschönes Krachen und eine kleine Erschütterung, die dem Älteren Zeit gab, sich wieder auf die Beine zu rappeln. Zwei treue Soldaten kamen hinter ihn und boten ihre Hilfe an. „General, Euer Helm…“ machte der eine entsetzt, der blonde Mann schnaubte nur. „Rasch, tut eure Arbeit, das ist nicht euer Metier hier!“ Die Männer verneigten sich und machten, dass sie weg kamen, als die Erde aus der Ferne ein weiteres Mal erschüttert wurde und selbst Puran jetzt strauchelte. Als er keuchend herum fuhr, stürzte sich der General der Zuyyaner wieder auf ihn und warf ihn unversehens auf die Erde. Sein Schwert hätte den Jüngeren beinahe geköpft, hätte Puran nicht rechtzeitig den Kopf so weit wie nur möglich zur Seite gerissen, sodass die Klinge in die Erde stach. Zitternd schloss er die Augen für einen winzigen Moment, als er am Boden lag und der General über ihm. Mutter Erde dröhnte unter ihm vom Getöse des Kampfes, und sie brummte bösartig tief im Inneren, als der Zuyyaner sein Schwert aus ihrer Haut zog. Dieser Krieg musste ein Ende finden… und zwar schnell. Die Bilder vom explosionsartigen Feuer des Himmels erschienen vor Purans inneren Augen, und als er keuchte und bereits glaubte, diese Visionen zum definitiv falschesten Zeitpunkt der Welt würden sein Schicksal besiegeln, war es auch schon wieder vorbei. Die Geister wisperten in seinem Kopf. „Das Ende der Welt wird kommen.“ Nein… grummelte der junge Mann innerlich, Das Ende der Welt ist schon da. Er holte Luft und riss dann den Arm mit der Waffe hoch, im selben Moment, in dem der Zuyyaner über ihm sein Schwert in seine Brust hatte rammen wollen. Und mit einem ohrenbetäubenden Krachen schlug das blitzende Geisterschwert gegen die Klinge des Mannes und zerschmetterte sie in tausende Scherben, als wäre sie aus Porzellan gewesen. Der General weitete noch die Augen, dann fuhr Puran unter ihm hoch, schlug ihm mit der bloßen Faust ins Gesicht und ihn damit von sich herunter, um auf die Beine zu springen. Und er riss das Schwert hoch und hielt es seinem Gegner heftig atmend an den Hals, worauf der das Kinn reckte und ihn aus seinen hellblauen Augen lange ansah. „Wahrlich.“, murmelte er, „Ein interessantes Schwert, wie ich sagte. Auch gut, das zu wissen.“ Er tat etwas, was der Jüngere nicht erwartet hatte, denn er grinste feixend, ehe er behände zurück hechtete und damit der Bedrohung der Waffe an seiner Kehle entkam. Ehe Puran sich empören konnte, dass der das so leichtfertig sah, hob der Mann seine leere Hand, den Griff des kaputten Schwertes wegwerfend, und ließ in seiner Handfläche eine grell blitzende Kugel aus Licht erscheinen. „Die Seelenkugel der Zuyyaner…“ erinnerte er sich mit einem Mal an längst vergangene Worte, die seine Großmutter ihn als kleines Kind gelehrt hatte, „Ist ein Teil ihres Geistes und ihre gefährlichste Waffe. Mit dieser Seelenkugel können sie nicht nur hypnotisieren oder die Zukunft sehen… sie können den Willen, das Gedächtnis und das Unterbewusstsein anderer Menschen damit kontrollieren und verändern, wie es ihnen gefällt. Wenn du mich fragst, sind die Zuyyaner von allen Menschenvölkern Khad-Arzas die Gefährlichsten und die Grausamsten… sie sind noch skrupelloser und vor allem klüger als die Barbaren des Ostreiches. Du bist mein Enkelsohn, Puran… du trägst mein Blut in dir, das Blut meiner Familie. Vielleicht hast du gegen so einen Gegner als einer der wenigsten Tharraner eine kleine Chance… wenn dein Wille stärker ist als der deines Gegenübers und der der Kugel. Die Kugel kannst du nicht zerstören… aber ihren Träger, wenn du rasch bist.“ „Seelenkugel…?“ keuchte er jetzt und trat unwillkürlich zurück, als er auf das runde Ding in der Hand des Generals sah, der den Kopf wieder senkte und den Arm nach vorn streckte. „Sieh ihm nicht in die Augen.“, rieten ihm die Geister, „Sieh zu Boden und sei schneller als er.“ Wie soll ich schnell sein, wenn ich ihn nicht ansehen kann?! empörte er sich in Gedanken, da ertönte vor ihm plötzlich ein unschönes Krachen und er riss alarmiert die Waffe empor, ehe ihn plötzlich eine gigantische Druckwelle erfasste und ihn zurück zu Boden schleuderte. Puran hustete und rappelte sich auf, dabei spürte er plötzlich einen stechenden Schmerz in seinem Inneren, der vorher nicht da gewesen war. Was… war das denn für ein komischer Zauber?! Er hustete erneut und erschrak darüber, dass er Blut spuckte. Sich hastig an die Brust fassend erkannte er aber keine äußere Wunde, und japsend fuhr er wieder zu seinem Gegner herum. „So leid mir das um deine interessante Waffe tut, die mir dir verschwinden wird.“, bedauerte der General murmelnd seine Arbeit, „Ich tue hier nur meine Arbeit.“ Damit ließ er seine seltsame Kugel empor schweben und deren Leuchten verstärkte sich, worauf Puran keuchend die Augen aufriss. Er hustete erneut Blut und riss sich mit aller Macht zusammen, um die Schmerzen zu ignorieren. Plötzlich verstummte das Wispern der Geister in seinem Kopf, stattdessen hörte er nur noch Rauschen. Und es wurde lauter, tosender, als schlüge in seinem Inneren eine Brandung gegen die Außenwand. Das Rauschen wurde lauter und lauter und es schmerzte dermaßen, dass er unwillkürlich aufschrie und sich an die Ohren fasste.. Vom Himmel kam plötzlich ein gewaltiger, grauenhafter Druck, der ihn in die Knie zwingen wollte. Fall tot um! sagte der Himmel, wie es Ram Derran getan hatte, und Puran stöhnte. Nein… nicht! Ich muss… i-ich muss einen stärkeren Willen haben als er! Das ist nicht der Himmel, der mich tötet, sondern dieses Dings…! Er keuchte, der Schmerz in seinem Kopf und seiner Brust vereinten sich zu einem einzigen, der noch furchtbarer war. Er schwankte. Als er es wagte, den Blick auf den Gegner zu heben, sah er rasch wieder herunter in der Befürchtung, Blickkontakt könnte alles schlimmer machen. Das laute Rauschen in seinen Ohren wurde immer schlimmer, es lähmte ihn und er versuchte mit aller Macht, dagegen anzukämpfen, bis er es zitternd und Stück für Stück schaffte, seine Schwerthand zu heben. „Versuche nicht, es zu besiegen, Junge.“, riet der General ihm dumpf, „Es bringt dich dann nur schneller um.“ „Ich… lasse… mich nicht von dir zu Boden zwingen, Zuyyaner…!“ stöhnte Puran und schaffte es, einen Schritt zu tun trotz des Drucks, der ihm das Gefühl gab, im nächsten Moment von innen heraus zu explodieren. „Ich… bin Puran Lyra, Sohn einer… der mächtigsten Schamanenfamilien Tharrs! Und die Geister… kriechen vor mir, wenn ich es will… d-du… du wirst… du wirst das ebenso, Bastard!“ Während seine Worte am Anfang noch leise und brüchig gewesen waren, wurden sie bald lauter und fester. Und der zuyyanische General riss die Augen ein weiteres Mal auf, als sein Gegner sich plötzlich mit einem gewaltigen Ruck ganz aufrichtete und aus dem Himmel ein ohrenbetäubendes Krachen ertönte, sobald er sein Geisterschwert in den schwarzen, rußigen Himmel riss. „Vater Himmel! Tu, was ich sage, und gib mir deinen Zorn, um ihn über… jene zu ergießen, die deine Welt angreifen und beherrschen wollen! Komm, Wind der Geisterkinder!“ Und es donnerte über ihnen, der General ließ seine Seelenkugel mit einem kurzen Knall verschwinden und trat zurück, als mit einem Mal ein gleißender Blitz in das erhobene Schwert einschlug und die Macht der Geister darin vermutlich verzehnfachte, wenn nicht mehr. „Unglaublich…“ keuchte er dabei entsetzt, und als Puran sein flammendes Schwert wieder herab riss und den Blitz der Mächte der Schöpfung auf die Erde und seinen Feind zu schmetterte, hechtete der Zuyyaner so rasch er konnte zurück durch das Inferno. In dem Moment war ihm klar, dass der Kampf um das Lager entschieden war, als der Blitzspeer von Vater Himmel samt Geisterschwert in die Erde eindrang und sie mit einem ohrenbetäubenden Brüllen aus den Wolken zerschmetterte, ihre Haut aufriss und das Land in Brand steckte. Die Erde erzitterte, als sie auseinander brach und viele der Soldaten in ihren finsteren Rachen verschlang. Doch der General sprang ein Stück in die Luft und Puran sah ihn weiter davon fliegen. Er keuchte und umklammerte das blitzende Schwert, das in der Erde steckte, und wollte es hoch reißen und den Zorn der Mutter Erde auf den Mann hetzen, nachdem er dem des Himmels wohl zu entkommen schien; aber plötzlich versagten seine Beine und er stütze wieder Blut hustend zu Boden. Das Geisterschwert löste sich in Luft auf. Der junge Mann keuchte und schnappte nach Luft, aber alles, was in seine Lungen kam, war Qualm vom brennenden Feld, auf dem sie kämpften. Er versuchte, sich aufzurappeln, als das Dröhnen aus den Tiefen der Erde lauter und bedrohlicher wurde; die Geister hatten ihn erhört. Sie würden all ihren Zorn über das Land ergießen… wenn er nicht rechtzeitig weg kam, würde er dem ebenso zum Opfer fallen wie die Zuyyaner… „V-verdammt…!“ stöhnte er und startete einen neuen Versuch, aufzustehen, schaffte es aber erst, als ihm plötzlich jemand unter den Arm griff und ihn empor zerrte. Tare Kohdar war neben ihm. „Rasch!“ keuchte er auch, „Vergiss den Anführer, der sucht schon seine restlichen Männer, wir müssen auf die andere Seite zu den anderen! – Kannst du gehen?“ „L-lass, ich, e-es wird gehen!“ hustete der Jüngere und taumelte etwas, ehe er sich endlich fasste und trotz der aufkommenden Übelkeit zusammen mit seinem Kollegen nach Süden rannte. Ihnen kamen fliehende Zuyyaner entgegen, die noch einen letzten Versuch starteten, sie umzubringen, aber nach einem Handschwenk von Tare Kohdar verendeten sie als geröstete Blechbüchsen auf dem Boden. Nach kurzem Rennen trafen die beiden auf Tares Vater, Tabari und Nalani, von der anderen Seite kamen Barak und Neron. „Die laufen weg!“ machte Letzterer empört, „Seht euch das an, die Zuyyaner rennen vor uns davon!“ „Vergesst es, nach Hause lassen wir die Bande heute nicht mehr! Sicher die Hälfte der Armada ist noch am Leben, das lassen wir denen nicht durchgehen!“ zischte Nalani erbost, als auch Henac Emo aus dem Nichts auftauchte. Kurz blieben sie alle stehen, leicht außer Atem und erschöpft von der Schlacht, dann sprach Hakopa Kohdar. „Nein, seht… die laufen nicht weg, die formieren sich und greifen an…“ Er zeigte nach Norden, wo die Masse an Feinden, die noch geblieben war, sich zusammenraffte und auf den Befehl des etwas höher schwebenden Generals, der hinter ihnen war, wieder nach vorn stürmte, auf die Gruppe zu. „Geht zurück, rasch! Die kommen hier nicht durch!“ machte Tabari erstaunlich kalt, riss die Arme beide in den Himmel und erntete ein lautes Donnern von oben, als ein bedrohlicher Blitz aus den Wolken zischte. Er ignorierte die Eiszapfen und Feuerkugeln, die die Soldaten vor ihnen aus der weiten Entfernung auf die Gruppe zu schleudern begannen, und Nalani schob Puran und Tare Kohdar neben sich zurück nach hinten. „Fort mit euch!“ keuchte sie und riss ihren Arm mit Kadhúrem nach vorne, während sie einen Schritt vortrat. „Sie sind über dieses Land hergefallen und denken, sie könnten sich alles erlauben, diese Bastarde… der Zorn von Vater Himmel… und Mutter Erde wird sie zerschmettern!“ Die anderen taumelten rückwärts und sahen zu, wie Tabari den Kopf in den Nacken warf und seine Frau neben ihm jetzt beide Arme nach vorn streckte, als wollte sie die Erde beschwören, zu ihr herauf zu fliegen. „Vater Himmel! Herr von Tharr, Vater der Windgeister und der Flammentöchter!“ brüllte der Herr der Geister in den dröhnenden und grollenden Himmel hinauf, als es zu regnen begann und ein mächtiger Wind aufbrauste. „Schicke mir deinen Groll! Gib mir deinen Zorn, Himmelsgeist, und den Sturm der Vernichtung!“ Während er da stand und den anderen im Hintergrund bewusst wurde, dass er tatsächlich ein Herr der Geister war, bildete sich aus dem stürmischen Wind im Himmel langsam ein Wirbel, der immer größer und mächtiger wurde, bis er als gigantische Säule aus der Macht des Windes wie ein Finger des Vater Himmel selbst vom Himmel herab ragte. Puran konnte nicht glauben, was er sah, als der gigantisch große Wirbelsturm vor seinem Vater Form annahm; als der Sturm den Boden berührte, gab es ein weiteres, beängstigendes Krachen und der Wind, der aufbrauste, war so gewaltig, dass die Geisterjäger weiter zurück taumelten und Angst bekamen, von dem Wirbel eingesaugt und verschlungen zu werden. Die Erde brach in Stück unter der donnernden, riesenhaften Gewalt des Sturms. „Windgeist, du Kind von Vater Himmel und Mutter Erde!“ brüllte Tabari gegen das Dröhnen des Sturmes an, den er allein zähmte, den er alleine in seinen Händen festhielt wie ein gefährliches Raubtier an einer Kette im Zirkus. Ein Raubtier, das ein ganzes Land in Schutt und Asche legen und Häuser zu Staub zerfetzen konnte. „Gehorche meinem Willen als Herrscher über die Windgeister!“ zischte der blonde Mann, während sein Umhang und seine Haare empor wirbelten mit dem gewaltigen Sturm, „Vernichte die Bastarde, die deine Mutter entehren und deinem Vater Schande gebracht haben!“ Dann entfesselte er seinen Wirbelsturm und das Windkind der Mächte der Schöpfung donnerte mit ohrenbetäubendem Tosen über die Ebene und den angreifenden Zuyyanern entgegen. Sie rannten. Oder sie versuchten es, denn zum Rennen blieb ihnen keine Zeit. Wenige schafften es tatsächlich, sich durch das schnellere Fliegen weitab vom Wirbelsturm zu retten, als dieser durch die Bergenge preschte, die Erde und das Land unter sich komplett zerstörte, die Berge ankratzte und das Wasser des Flusses durch die Luft peitschte. „Lauft zurück!“ fuhr Tabari seine Kollegen an, „Zu den Frauen und Meoran, rasch jetzt! Nalani!“ Das letzte galt natürlich seiner Frau, die genau wie er wie ein Fels in der Brandung im mächtigen Wind stand, der Wirbelsturm direkt vor ihnen, der sich von ihnen entfernte. Und sie riss ihre Hände samt Kadhúrem ebenfalls in den Himmel empor und den Kopf herum, ehe sie gegen den Lärm des gigantischen Windzaubers anschrie. „Und Mutter Erde, die du die lebenden Dinge beherbergst, gebärst und wieder zu dir holst! Kämpfe gegen diejenigen, die dir zu Unrecht schaden, und gib mir deinen Hass, deine schäumende Wut!“ Schäumen tat sie tatsächlich, als aus der vom Wirbelsturm aufgerissenen und zerstörten Erde mit einer heftigen Armbewegung der Frau Massen von Wasser sprudelnd empor schossen. Sie vereinten sich als eine gigantische Springflut aus der Erde mit dem Sturm, der das Wasser so rasend schnell rotieren ließ, dass es durch die Luft peitschte und allein ein Tropfen einen Menschen wie ein Nagel durchbohren konnte. Das krachende Donnern und Blitzen aus dem Himmel tat sich zusammen mit dem Dröhnen aus der aufgeplatzten Erde. Immer mehr Wasser schoss in riesenhaften Wellen herauf und begrub das vom Wind zerfetzte Land unter sich, bis sowohl die Springflut als auch der Wirbelsturm sich langsam auflösten und ein Chaos zurückließen, eine Ebene aus matschbraunem Wasser, das ein malträtiertes Land übersät mit Leichen und Teilen von solchen bedeckte, als müsste es vor der Welt verstecken, was für ein grausamer Kampf hier stattgefunden hatte. Ein Kampf, den die Geister der Natur für sich entschieden hatten. Während Tabari seufzend die Arme sinken ließ und den Mächten der Schöpfung in Gedanken dankte für ihre Unterstützung, beobachtete seine Frau schweigend, wie eine Handvoll Zuyyaner als winzig kleine Punkte in weiter Ferne verschwanden. Eine betäubende Stille legte sich nun über das Land und den Ort der Verwüstung, als die Gruppe sich wieder zusammen fand und sie einander erleichtert umarmten, weil alle am Leben waren und niemand lebensbedrohlich verwundet. Nalanis Flutwelle hatte die meisten Feuer gelöscht, den Rest hatte die Erde verschluckt, und jetzt griff die eisige Kälte des Winters wieder nach ihnen, sodass sich die Menschen in den Schatten der Berge zurückzogen und dort rasteten. Keisha kümmerte sich mit großer Unterstützung ihrer kleinen Schülerin um die Blessuren der Schlacht. Meoran, der bei den Frauen geblieben war während die anderen den Zuyyanern den Rest gegeben hatten, war seinen Eiszapfen im Bein bereits los, zum Glück hatte das Geschoss seine Schlagader knapp verfehlt. Die ominösen Schmerzen in seiner Brust waren auch verschwunden, dafür hatte er jetzt andere Sorgen. Ruja weinte. „Ich bin furchtbar!“ keuchte sie und kauerte unterwürfig vor ihm am Boden, worauf Meoran sich hinhockte und versuchte, sie energisch empor zu ziehen. „I-ich habe dir Schande gebracht, mein Liebster, mit meiner Panik, i-ich bin Schuld, dass wir beinahe gestorben wären… vergib mir, Meoran…“ „Himmel hilf, hör sofort auf, dich vor mir in den Dreck zu werfen!“ Er zog an ihren Armen und schüttelte seine völlig aufgelöste und demütig am Boden kauernde Frau. „Ruja… Ruja, sieh mich an… das war nicht dein Fehler! Das hätte jedem von uns passieren können! Und allen geht es gut, du musst dir doch keine Vorwürfe machen…“ „Na ja, an sich doch.“, bot Henac Emo einen kontraproduktiven Kommentar, und er grinste feixend zu den beiden herüber. „Dass du sie trotzdem noch liebst überrascht keinen, Meoran; als könntest du jemandem böse sein… aber sie hat doch recht mit dem, was sie sagt… durch ihre Gedankenlosigkeit wäre Baraks Familie beinahe krepiert, ebenso deine Mutter, deine Tochter und das Heilermädchen…“ Ruja schluchzte und Meoran funkelte seinen Kollegen wütend an. „Oh, und wie ich jemandem böse sein kann, dir nämlich gerade jetzt, Emo! Misch dich verdammt noch mal nicht in meine Angelegenheiten! Als ob dir etwas an Baraks oder meiner Familie läge! Du findest es nur lustig, Leute zu demütigen!“ „Na, na, wie war das, du wolltest mir doch Dank zollen, oder nicht? Ich habe deiner süßen Frau und den anderen die Haut gerettet, und du pflaumst mich an, tss… ich frage mich ernsthaft, wieso ich eurem komischen Verein beigetreten bin…“ „Das fragen sich alle.“, giftete Meoran ihn an. „Aber du hast recht, ich danke dir für deine Hilfe zuvor. Hast du mir noch irgendetwas zu sagen, du Schlaumeier?“ Henac Emo kicherte süffisant vor sich hin und seine Augen ruhten eine Weile sadistisch auf der geistig doch sehr mitgenommenen Ruja, die den Kopf gesenkt hielt. „Deine Frau ist irgendwie zu wenig nütze, Meoran. Sie kann keinen Teleport, sie gerät in wichtigen Situationen in Panik und sie braucht ewige Jahre, um überhaupt mal schwanger zu werden, und dann ist es nur ein Mädchen… du bist schon ein armer Wicht. Wobei euer Unglück mit dem Kind ja nicht an Ruja liegen muss, vielleicht hast du es einfach nicht drauf.“ Der Ältere brummte. „Ich spare mir darauf mal einen Kommentar, und ich bezeichne meine Tochter nicht als Unglück! Dieses Ich-muss-unbedingt-einen-Sohn-zeugen-Geschwätz ist doch sowieso überbewertet, wer sagt, dass eine Frau einen Clan nicht genauso gut führen kann?! Das gab es in vielen Clans schon mindestens einmal, sogar bei den Lyras, oder etwa nicht?“ „Ja, aber die letzte, die man da aus der Geschichte kennt, war auch völlig bescheuert im Hirn…“ Meoran kam nicht dazu, etwas zu erwidern, weil sein Freund Tabari dazwischen trat. „Hört ihr wohl mit dem Gezanke auf? Ist ja albern hier!“ empörte er sich, „Wir haben Wichtigeres zu tun. Ruja, bist du in Ordnung?“ Die Frau wagte nicht, ihn anzusehen, noch immer beschämt, und setzte sich nur widerwillig wieder aufrecht hin. „I-ich… bin in Ordnung.“, wisperte sie tonlos, und als sie erzitterte, zog Meoran sie seufzend in seine Arme und streichelte sie. „Hör nicht auf Emo, der wurde, so fürchte ich, als Junge zu heiß gebadet, er meckert doch immer an allem und jedem herum… mach dir nichts daraus!“ „Ich verspreche, dass ich mich nächstes Mal zusammenreißen werde!“ stammelte sie unglücklich, „Ich… ich finde, Unrecht hat er nicht! Ich bin keine besonders nützliche Gemahlin… zumindest keine nützliche Magierin, wie es scheint.“ „Ach, hör auf, scheiß auf das, was Emo sagt!“ empörte er sich und erhob sich, Ruja stand darauf ebenfalls auf. Tabari räusperte sich und sah in die Runde seiner erschöpften Kameraden. „Wir haben denen jedenfalls gezeigt, wo hier der Hammer hängt.“, erklärte er, „Wie geht es jetzt weiter? Am besten rasten wir hier eine Weile… nicht zu lang, weil es verdammt kalt wird…“ Er sah zum Himmel. Die Nacht brach herein. Hakopa Kohdar sprach. „Vielleicht ist es das Beste, wenn wir uns auf unbestimmte Zeit wieder trennen.“, meinte er, „Die Zuyyaner sind viele, das hier war nur ein Lager, sie werden mehrere haben und schon weiter nach Süden vorgedrungen sein. Dieser Mann heute, dieser Anführer ihrer Infanterie, der wird zu seinem Kaiser rennen und Verstärkung erbitten. Und wir alle wissen, wem dieser Aufmarsch dann gelten wird… uns nämlich! Wir haben ihnen Kontra geboten, das werden die nicht auf sich sitzen lassen…“ „Er spricht weise.“, war Nalanis Kommentar dazu. „Wohin gehen wir?“ „Am besten bleiben wir im Schutz der Berge, da können sie uns schwerer finden und auch schwerer angreifen.“ Neron zeigte nach Süden und Westen. „Die Gipfel von Kadoh und das Hochland sind an vielen Stellen wahrlich schwer zugänglich.“ „Ja, diese Idee hatte ich auch schon.“, meinte Keisha, die in Iter intensiv die Landkarte studiert hatte, „Kadoh erscheint mir als ein guter Zufluchtsort. Was meinst du, Tabari?“ Der Herr der Geister nickte. „Nalani, Puran und ich werden euch begleiten, wenn ihr nach Kadoh gehen wollt.“ Er sah noch fragend auf seine Frau und seinen Sohn, der gerade noch von Keisha verarztet wurde, und beide stimmten ihm stumm nickend zu. „U-und ich auch!“ warf Leyya schnell ein, bevor sie jemand vergaß. Sie hängte sich an Ruja, die ihre kleine Tochter wieder in den Armen hielt. Die Telepathin lächelte wieder und strich dem Mädchen über den Kopf. „Natürlich du auch, Leyyachen.“ „Einverstanden.“, ergriff der älteste der Geisterjäger wieder das Wort und räusperte sich, „Dann werde ich meine Familie auf die Hochebenen von Taryolland führen. Was ist mit euch, Neron und Henac?“ „Ich gehe, wohin mich meine Füße tragen, möglichst weit ab von den beschissenen Zuyyanern!“ schimpfte der Ältere, Neron Shai kratzte sich am Kopf. „Hättet Ihr etwas dagegen, wenn Saja und ich Euch begleiten, Herr des Kohdar-Clans? Wir kommen aus Noheema, Kadoh ist für uns sowas wie der Rand der Welt und die Berge da sind beängstigend… Taryolland ist nicht so fernab von unserer Heimat.“ „Verstehe. Nein, wir haben nichts dagegen, oder?“ Hakopa sah auf seine Söhne und diese schüttelten synchron die Köpfe. „Vielleicht setzen wir uns dann dort von euch ab und kehren zurück nach Skelrod.“, überlegte Neron weiter, „Was glaubt ihr, wie lange dauert dieser Krieg noch?“ „Solange der König nicht eine fähig Armee aufstellt und die Zuyyaner besiegt… oder die Zuyyaner alles platt rennen… bis zum Ende aller Zeiten.“, meinte Meoran verdutzt. Das war ernüchternd. Tabari seufzte leise und sah nach Osten und über das ins Chaos verwandelte Land. „Dann sollten wir um Mitternacht aufbrechen. Ob wir uns danach wiedersehen mag ungewiss sein… das entscheiden die Himmelsgeister. Ich werde sie um eine unbeschwerliche Reise für jeden von uns bitten.“ _________________________________ Jah. Ein langes Kapitel. Wir haben jetzt etwa Februar 978, schätze ich. Was Tabari da am Ende gemacht hat, heißt heutzutage Tornado, aber dieses Wort wird auf Tharr wohl kaum existieren, die haben kein Spanisch. Und es zieht sich etwas, ich weiß... úu Es zieht sich sehr... uû Ende Part drei. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)