Chroniken des gefallenen Engels von uron (Der Exodus) ================================================================================ Kapitel 3: I. Kapitel - Erinnerungen (3. Teil) ---------------------------------------------- Östlich der Wüste von Iriniham, 32 Tage nach dem Fall Lenuis Die Glut des Lagerfeuers war bereits seit einigen Stunden erloschen und seine wohltuende Wärme war ebenfalls vergangen. Nur noch verkohle Holzstücken in der kleinen Einlassung im Boden zeugten von dem kleinen Feuer, auf dem letzte Nacht eine Speise zubereitet und der kleine Raum erhellt, sowie gewärmt worden war. Doch die Hitze des Feuers wurde nicht länger benötigt, denn im Osten erhob sich langsam die goldene Sonne und schickte ihre Lichtstrahlen über das Land. Ein einziger von ihnen traf die kleine Öffnung unmittelbar unter der Decke des Raumes und erhellte die Behausung ein wenig. Durch die gerade einmal buchgroße Öffnung fiel eine Lichtsäule schräg von der Wand direkt ins Zentrum des Raumes. In ihrem Licht tanzten zahllose Staubpartikel umher, drehten Pirouetten und vollführten andere Kunststücke. Doch diese exotische Darbietung wurde neugierig beobachtet. Der kleine Räuber saß im einzigen Eingang des Zimmers und seine schuppige Haut schimmerte beigefarben im Halbdunkel. Lautlos setzte er einen Fuß vor den anderen, den Blick dabei auf seine Beute gerichtet. Die kleinen gelben Augen folgten aufmerksam jeder Bewegung des feinen Staubes, welcher so faszinierend im Sonnenlicht hin und her tanzte. Geräuschlos verlagerte das kleine Reptil sein Gewicht auf die Hinterläufe und stütze seinen Schwanz fest auf den Boden. Dann sprang es. Doch es vermochte nicht die vermeintliche leichte Beute zu packen sondern flog unvermittelt weiter als geplant und stürzte schließlich in einen eisernen Topf, der daraufhin laut scheppernd zu Boden ging und durch den Raum rollte. Eine übel riechende Flüssigkeit und kleine graugrüne Fleischbrocken verteilten sich auf dem Boden. Durch den Lärm geweckt schreckte der bis dahin Schlafende auf und tastete aufgeregt nach einer Waffe, doch er fand keine. Das kleine Reptil kroch derweil schwankend aus dem Topf. Die Irrfahrt in dem Kochgefäß hatte es offensichtlich ziemlich durchgeschüttelt. Mit einem einfachen Kopfschütteln versuchte es die Benommenheit abzuschütteln. Stattdessen verspritze es die übel riechende Brühe in der es gelandet war, weiter im Raum. Sehr zum Leidwesen des Mannes, der sich dem kleinen Tier nun fluchend näherte. Der Räuber erkannte die Gefahr rechtzeitig, packte einen kleinen Fleischbrocken und rannte so schnell ihn seine Füße tragen konnten wieder zum Ausgang. Vargas rieb sich müde den Schlaf aus den Augen. Diese Art unsanft geweckt zu werden, kannte er bisher noch nicht. Wenn man seinen Schlaf bisher unterbrochen hatte, waren es meist angreifende Feinde gewesen, die gehofft hatten, den Sendboten überraschen zu können. Bisher hatte sie Vargas stets abwehren können, denn nie hatte er seine Waffe weit von seinem Nachtlager positioniert. Doch dieser kleine Überfall hatte ihn schmerzhaft daran erinnert, dass er seinen geliebten Dûrn-Speer verloren hatte. Wie so vieles war auch sie in der Schlacht gegen Lenui verloren gegangen. Die gleiche Energiekugel, die auch ihn in den Abgrund gestoßen hatte, ließ auch die göttliche Waffe wie ein einfaches Stück Holz zersplittern. Seit dem er in den Ruinen des Zwergenreichs zu sich gekommen war, hatte er sich nicht neu bewaffnet, einen Fehler, den er sobald wie möglich gut machen sollte. Doch wo konnte er hier, in dieser unbekannten Welt, eine Waffe wie den Dûrn-Speer finden? Er fand sich mit dem Gedanken ab, dass er wohl keinen Ersatz finden und sich stattdessen auf eine einfache Lanze verlassen musste, wenn er denn eine fand. Langsam ging er auf den Ausgang des Raumes zu. Mit seiner Hand stütze er sich dabei stets an der Wand ab, noch war er schwach, der Marsch gen Osten hatte mehr an ihm gezehrt als er bisher bemerkt hatte. Die letzte Nacht, hatte seinen Körper wieder daran erinnert, dass er ebenso Ruhe benötigte wie jeder andere auch. Der Sendbote war wieder einmal an seine Grenzen gegangen und hatte sie überschritten. Entwickelte er eine gewisse Überheblichkeit? Eine solche Veränderung seines Charakters missfiel ihm sehr. Es würde ihn unweigerlich in Schwierigkeiten bringen. Aber andererseits. Überlegte er. War es nicht ohnehin mein Ziel meinen eigenen Untergang zu finden? Wollte ich mich mit dieser Reise ins Unbekannte nicht nur selbst zerstören? Während er weiter überlegte, tastete er sich den Gang entlang, in den er gekommen war, nachdem er sein Zimmer verlassen hatte. Der Flur war aus schlichtem Sandstein gebaut und lediglich die gewölbte Decke bildete einen optischen Kontrast zu den sonst farblosen Wänden. Selbst die roten Malereien waren hier nicht zu finden. Nach dem er dem Gang nach rechts gefolgt war, kam Vargas in eine größere Halle, deren kuppelartige Decke fast zwanzig Fuß hoch war. An vier Stellen der Decke waren ähnliche Öffnungen eingelassen, wie in jenem Raum in dem Vargas erwacht war. Der Raum selbst hatte eine runde Grundfläche und war mit bunten Teppichen, Kissen und zahllosen Dingen, die der Sendbote noch nie gesehen hatte, gefüllt. Sein besonderes Interesse wurde von einem Glasbehälter geweckt, der im Zentrum einer größeren Ansammlung von Kissen stand. Der unbekannte Gegenstand war etwa Hüfthoch und seine Form erinnerte entfernt an eine gewöhnliche Birne. Welchen Zweck die vier davon abgehenden Schläuche mit den komischen Enden hatten, konnte Vargas sich nicht vorstellen. Unzufrieden darüber, nicht zu wissen, zu welchem Zweck all die Gerätschaften dienten, folgte er der einzigen Treppe nach oben. Mit jeder Stufe, die er nahm, schien die Intensität der Lichts zuzunehmen. Am Ende der Treppe musste Vargas seine linke Hand als Sonnenschutz vor die Augen halten, um nicht geblendet zu werden. Er gab sich selbst einige Augenblicke, um sich das helle Tageslicht zu gewöhnen, blinzelte ein paar Mal und langsam gewöhnte er sich an die Helligkeit. Was er dann jedoch sah ließ ihn erschrocken zurückweichen. Ein gewaltiges echsenartiges Wesen stand vor ihm und beschnüffelte ihn neugierig. Die gewaltigen Nüstern zogen seinen Geruch tief ein und das Biest gab einige klickende Geräusche von sich. Die schuppige Haut hatte in etwa die Farbe des Sandes und über den Kopf zogen sich zahlreiche kleine Dornen. Die gelben Augen mit den schlangenartigen schwarzen Pupillen fixierten ihn neugierig. Dann gab das Unter einen schrillen Schrei von sich und öffnete die gewaltigen Kiefer. Vargas konnte einen Blick auf das beeindruckende Gebiss der Kreatur werfen, zahllose Reißzähne von der Länge eines menschlichen Finger, die offensichtlich nur einem Zweck dienten, zu töten. Schützend hob der Sendbote die Hände vor seinen Oberkörper und wich langsam die Treppe zurück, mit etwas Glück, so hoffte er, könnte er der Bestie entkommen, ehe sie einen Angriff gegen ihn startete. Und so groß wie sie war, würde sie ihn wohl nicht durch die engen Gänge der Behausung folgen können - wenn er Glück hatte. Doch der Angriff erfolgte blitzartig, so dass Vargas keine Chance hatte ihm auszuweichen. Der Kopf des riesige reptilenartige Wesen schnellte unvermittelt nach vorn, stupste Vargas gegen die Brust und schleckte ihm anschließend mit der spitz zulaufenden Zunge übers Gesicht, wie ein übergroßer Hund im Körper einer Echse. „Was im Namen des Allvaters…?“, wunderte sich Vargas über das ungewöhnliche Benehmen der Kreatur, bis er das lauthalse Gelächter eines Mannes vernahm. Als Vargas sah, dass Khalish da in einem Sattel auf dem Rücken der Echse saß, wuchs Vargas Verwunderung immer weiter. Der Mann trug ein weißes Gewand mit feinen goldenen Verziehrungen, sowie einen schwarzen Turban. An seiner Seite hing ein Krummsäbel in einer kunstvoll verzierten Scheide. „Das ist Skarr.“, erklärte der Mensch lachend. „Und wie mir scheint, hat er Euch ins Herz geschlossen.“ Der Sendbote trat langsam aus dem Gang und nahm etwas Abstand von Khalish und seinem äußerst ungewöhnlichen Reittier. Nach dem er ausreichend Platz zwischen sich und den beiden gebracht hatte, wand er sich langsam um und ließ seinen Blick über die Gegend schweifen. Was er sah war… Nichts. Er befand sich inmitten der Wüste, außer Sand weit und breit nichts. Keine Berge, keine Wälder, keine Seen und Flüsse. Auch fand er beim ersten Blick keine Spur von Zivilisation, erst bei genauerer Betrachtung konnte er zahlreiche halbrunde Gebilde ausmachen, die sich aus dem Wüstenboden erhoben. Vermutlich ähnliche Behausungen, wie die in der ich erwacht bin. Entschied der Sendbote. „Das ist Olisha’Kai, meine Heimat.“, erklärte der dunkelhäutige Mann, der mit seinem Reittier neben Vargas trabte. „Wir leben unter der Erde, dort ist es tagsüber kühler und bietet unseren Behausungen besseren Schutz gegen die Sandstürme, die hier allgegenwärtig sind. Unser Wasser gewinnen wir aus unterirdischen Quellen, die wir mithilfe von Brunnen anzapfen. Kommt ich zeige Euch noch mehr.“ Als Khalish Vargas die Hand entgegenstreckte, weiteten sich die Auge des Halbgöttlichen erstaunt. „Ihr wollte, dass ich mit Euch auf dieser Kreatur reite?“ „Diese Kreaturen nennt man Asza.“, erklärte der Reiter. „Sie mögen wild und brutal sein, doch wenn es einem gelingt sie zu zähmen, sind sie äußerst verlässliche Reittiere und Gefährten. Diesem hier könnt Ihr vertrauern, immerhin hat er Euch gerettet, denkt daran.“ Zur Bestätigung tätschelte er den Hals des Aszas, das daraufhin zufriedene klickende Geräusche von sich gab. Mit einem unguten Gefühl nahm der Sendbote, die ihm angebotene Hand an und wurde auf den Rücken des Tiers gehievt. Vargas erinnerte sich, dass Khalish am Abend zuvor berichtet hatte, dass sie bald Asza zu essen haben würden. Seine Befürchtungen hatten sich also mehr oder weniger bestätigt. Er würde Echse essen müssen. Langsam trabten sie los. „Dort drüben.“ Khalish deutete nach Osten. „Halten wir die Asza in einer Art Grube. Dort sind auch sie vor den Stürmen sicher und können in Ruhe ihre Brut großziehen. Er müsst wissen, wir ehren unsere Asza und würden sie niemals töten. Wir jagen nur die wilden und verarbeiten deren Fleisch.“ Diese Information beruhigte Vargas keinesfalls. Wieder fragte er sich, wo von er sich hier ernähren sollte. Doch mehr und mehr wurde ihm klar, dass er in dieser lebensfeindlichen Welt Kompromisse eingehen musste, wenn er überleben wollte. „Ich benötige eine Waffe, Khalish.“, erklärte er seinem Gastgeber schließlich, nach dem er sich daran erinnerte, dass er auch bei der Wahl seiner Waffe einen Kompromiss eingehen musste. „Das habe ich bereits erwartet. Ihr seid ein Krieger nicht wahr?“ Vargas wand sich von dem Rücken des Menschen ab und sah traurig nach Westen, dort wo hinter meilenweiten Dünen seine alte Heimat, Gartapos, lag. Jenes Land, das ihm seine Freunde und jeglichen Sinn seiner Existenz genommen hatte. „Ich war es.“, bestätige er schließlich. „Doch wie es scheint, werde ich hier nicht lange ohne eine Waffe überleben.“ Khalish musste lachen. „Verzeiht, aber Ihr werdet hier draußen mehr benötigen als nur eine Waffe. Ein Reittier, wie dieses Asza, zum Beispiel. Glaubt mir, ohne ihren scharfen Sinne, wären wir hier draußen alle dem Tode geweiht.“ Als wäre es ein Signal für Skarr gewesen, hob das Asza den Kopf und sah aufgeregt hin und her, ehe es schließlich anhielt. Aufgeregt begann es klickende Geräusche von sich zu geben. Der Blick des Reittiers war gen Nordwesten fixiert, von wo sich eine Staubwolke rasch näherte. Noch ehe Vargas fragen konnte, erklärte Khalish was geschah. „Einer meiner Späher kehrt zurück. Dass er sich so schnell bewegt, gefällt mir ganz und gar nicht.“ Der Mensch gab seinem Reittier einen sanften Stoß in die Seiten und Skarr rannte los, in Richtung der Staubwolke. Die Klauen des Aszas versanken zu Vargas Verwunderung kaum in feinem Sand, so dass das Tier unerwartet schnell vorankam. Schon noch wenigen Augenblicken hatte das riesige Reptil eine beachtliche Strecke zurückgelegt und gab schrille Laute von sich, die von der anderen Staubwolke erwidert wurden. Erst als beide Wolken einander erreicht hatten, erkannte Vargas das zweite Asza und dessen Reiter. Der Mensch trug ein ähnliches Gewand wie Khalish, wenn auch weniger verziert. Mit einer Verbeugung vom Rücken seines Aszas begrüßte er Khalish und nickte Vargas kurz zu. Beide erwiderten die Begrüßung. „Was gibt es, dass dich so zur Eile treibt Ab’niehm?“ „Mein Kahn!“, antwortete der Reiter völlig außer Atem, als hätte er sein Asza getragen und nicht umgekehrt. „Ein Rotte Guhnas, ich schätze mindestens zweihundert, wenn nicht mehr. Sie lagern im Nordwesten, dort wo Ihr vor ein paar Tagen die Staubwolken aufsteigen gesehen habt. Wenn sie weiter in diese Richtung marschieren, werden sie uns heute Nacht erreichen.“ Khalish nickte dem anderen Mann anerkennend zu, der daraufhin zurück zur Siedlung ritt und wand sein Reittier ebenfalls zurück in Richtung Olisha’Kai. „Ihr benötigt Eure Waffe früher als wir gedacht haben, Vargas.“, stellte der Mensch traurig fest und ließ Skarr zurück zur Ortschaft rennen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)