Assurance von _shinya ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Wer kennt es nicht? Das Gefühl zu fallen. Im einen Moment wähnt man sich tief im Traum versunken, schlafend oder zumindest im Halbschlaf, doch schon im nächsten beginnt der Fall in unendliche Tiefen. In eine Dunkelheit, die unendlich scheint. Der Sturz scheint kein Ende zu nehmen, die Finsternis bleibt undurchdringbar. Und wenn man schlussendlich glaubt, dass der Fall tatsächlich so endlos ist, wie befürchtet, wenn man sich sicher ist, dass man nie wieder aufhören wird zu fallen, findet alles ein Ende - so schnell und unvorbereitet, wie es begonnen hat. Mit vor Schreck geweiteten Augen und unregelmäßig atmend starrt man in die Dunkelheit der Nacht, während man sich darüber bewusst wird, dass alles nicht real war. Es gab kein Fallen, so schnell das Herz auch schlug. Alles war nur Täuschung. Von Sekunde zu Sekunde wird man ruhiger, hat vorerst noch Angst weiter zu schlafen. Bald schon ist der Sturz aber vergessen, weit zurückliegend scheint er einem und am nächsten Tag weiß man vielleicht längst nichts mehr davon. Doch was, wenn dieser Fall ein anderes Ende nimmt? Wenn man nicht mitten im Sturz erwacht und mit dem Schrecken davonkommt? Was, wenn es jemand noch schafft, am Boden aufzuschlagen, bevor er sich in die rettende Realität befreien konnte? Lässt sich ein Sturz wie dieser nicht vergleichen mit beinahe blindem, vor allem aber bedingungslosem Vertrauen? Wahrscheinlich war es so, denn es schien mir als fiele ich. Tiefer, immer tiefer. Ich wusste nicht was mich erwartete, wusste nicht, ob ich jemals den Boden erreichen würde oder ob du mich auffangen würdest, bevor es so weit war, bevor es keinen Ausweg mehr gab. Du gingst, ohne ein Wort, nur mit dem stummen Versprechen in den Augen, dass du wiederkommen würdest. Genauso stumm bat ich dich, mich nicht allzu lange warten zu lassen, doch war mir nicht klar, ob du verstandest. Jeden Tag aufs Neue übte ich mich in Geduld, verschloss mein Herz um dich nicht aus ihm entkommen lassen zu können und hoffte. Hoffte darauf, dass du bald wieder zurück sein würdest. Ich vertraute dir - wusste nicht wohin du gegangen warst, noch wozu. Doch ich vertraute dir. Noch nie hatte ich jemandem so bedingungslos mein Vertrauen geschenkt, noch nie hatte es jemand verdient. Ich wusste nicht, ob du es verdient hattest, doch das war mir im Augenblick des Schenkens egal - ich wollte, dass du es verdientest, wünschte mir von ganzem Herzen, dass auch du mir eines Tages würdest vertrauen können. Vielleicht war dies der Anfang. Achtzehn Tage ist es nun her, dass du gingst. Ich blickte auf die Uhr. Vierhundertneunundzwanzig Stunden und neunzehn Minuten waren vergangen, seit ich das letzte Mal in deine Augen blickte, aus ihnen las. Manchmal warst du wie ein offenes Buch für mich. Als wir uns zum ersten Mal sahen wirktest du so zerbrechlich auf mich, so einsam. Ich wusste nicht, wie ich dir näher kommen sollte, ohne dich zu erschrecken. Ich schaffte es und stand vor dem nächsten Problem. Wie sollte ich dich halten, ohne dich einzuengen, ohne dich zu zerbrechen, dir weh zu tun? Entgegen aller Erwartungen habe ich es geschafft. In all den Jahren hatte ich dich nicht ein Mal verletzt, warst du dir nicht eingesperrt vorgekommen. Trotzdem war ich sicher, dass du nie wusstest, wie wichtig mir das war, wie wichtig die Freundschaft zwischen uns für mich war, wie viel sie für mich zählte. Obwohl ich nicht bezweifelte, dass es dir ähnlich erging - wenngleich du oft Angst hattest, mir das zu zeigen. Angst hattest mir zu vertrauen, wie ich schon bald feststellte. Es spielte keine Rolle für mich, dass du Schwierigkeiten damit hattest - ich verstand dich sogar. Schließlich wusste ich um das feine Netz aus Lügen das um dich gesponnen worden war, um die Verrate die an dir begangen worden waren. ja, ich verstand dich und ich war der erste, der dir das zeigte, der dir klarzumachen versuchte, dass du kein schlechter Mensch warst, weil du den Menschen misstrauisch gegenübertratst. Zugleich auch der erste, der versuchte, dir wieder beizubringen zu vertrauen. Ich war daran gescheitert, wie an keiner Aufgabe zuvor. Trotzdem gab ich nicht auf, keinen Moment lang zweifelte ich daran, dass auch du es früher oder später schaffen würdest. Vielleicht war es egoistisch von mir, so zu denken, doch es wäre schon genug, wenn du zumindest mir vertrauen würdest. Ich weiß nicht warum ich es getan habe, aber genau das habe ich dir auch gesagt, als du mich einmal mehr unsicher ansahst, als wüsstest du nicht, ob mir zu trauen war oder nicht. Den verletzten Ausdruck deiner Augen werde ich niemals vergessen können. Viel zu spät wurde mir bewusst, dass ich dich mit meinen Worten verletzt hatte und als ich die Tränen in deinen Augen sah wurde mir bewusst, dass ich dir Unrecht getan hatte. Du vertrautest mir, mehr als du jemals zuvor jemandem vertraut hattest. Dass du es nicht zeigen konntest hätte mir klar sein müssen. Dass ich hinter deine Maske hätte schauen müssen hätte ich erkennen sollen. Ich hatte eine der wichtigsten, von mir selbst aufgestellten Regeln verletzt - ich hatte dich verletz, hatte dir Schmerzen zugefügt. Ohne ein weiteres Wort drehtest du dich um und gingst. Ich wusste, dass du alleine sein wolltest und so ließ ich dich ziehen, wenngleich mit einem schlechten Gefühl und einem stechenden Herzen. Entgegen meiner Befürchtungen standst du schon am darauf folgenden Tag wieder vor mir. Erneut lag ein unsicherer Ausdruck in deinen Augen, doch umfasste er diesmal deine gesamte Erscheinung. So verunsichert hatte ich dich seit Jahren nicht mehr gesehen und so konnte ich nicht anders, als dich in eine sanfte Umarmung zu ziehen, mich hunderte male leise flüsternd bei dir zu entschuldigen. Mit jedem gesprochenen Wort, mit jeder verstrichenen Minute wich ein Stück mehr deiner Unsicherheit, bis du mich schließlich sanft von dir drücktest, Augenkontakt suchtest. „Habe ich es dir tatsächlich so wenig gezeigt?“, fragtest du mich, mit einem undeutbaren Ausdruck in deinen wunderschönen Augen. Einige Sekunden blickte ich nur auf dich herab, ohne ein Wort zu sagen, den Moment nur langsam begreifend. Langsam schüttelte ich den Kopf, setzte zu einer Antwort an, als du mich unterbrachst, noch bevor ich beginnen konnte. „Sei bitte ehrlich.“ Ein beinahe zu zärtliches Lächeln stahl sich auf meine Lippen, als ich erneut den Kopf schüttelte. Deutlicher, dieses Mal. „Ich kenne dich. Ich kenne dich so gut. Ich hätte so etwas nicht sagen dürfen, niemals. Ich weiß doch wie schwer es dir fällt, ich hätte es erkennen müssen.“ Der Selbstvorwurf in meiner Stimme war unüberhörbar, doch du sagtest nichts weiter dazu. du tatst etwas anderes, das mich erschreckte und zugleich mit einer unbeschreiblichen Freude erfüllte. Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte, als ich deine samtweichen Lippen plötzlich auf meinen fühlte. Bevor ich zu einer Entscheidung hatte kommen können, hattest du dich schon wieder von mir gelöst und lächeltest mich so ehrlich an wie nie zuvor. „Ich vertraue dir wirklich“, hauchtest du mit so leiser Stimme, dass ich dich nicht verstanden hätte, hätte ich die Worte nicht von deinen Lippen gelesen. Das war wohl der Moment, der alles änderte. Der alles zwischen uns änderte. Unwiderruflich. Für immer. Jahrelang konnte ich mich zurückhalten, war ich in der Lage, dir nur einen kleinen Teil meiner Gefühle für dich zu offenbaren. Doch dieser kleine Kuss änderte alles in mir, gab mir Hoffnung, wo keine sein sollte. Und doch warst du es, der diese Hoffnung immer weiter aufbaute, bis ich es schließlich nicht mehr ertragen konnte, dich im Unklaren zu lassen. Ich vertraute dir, wusste, dass du nicht alles hinschmeißen würdest ohne darüber nachzudenken und so begann ich eines Abends zu sprechen. Du hörtest geduldig zu, doch konnte ich zum ersten Mal den Ausdruck in deinen Augen nicht deuten. Zu viele Gefühle lagen in ihnen. Angst gepaart mit Freude, Seite an Seite mit Trauer, Erstaunen, Hoffnung und einem funken Unglauben. So viel mehr hätte ich noch aus ihren Tiefen lesen können, doch fehlte mir die Zeit all diese Emotionen zu benennen. Lange Zeit schwiegst du, sahst mich nicht an und ich war mir mit einem Mal nicht mehr sicher, richtig gehandelt zu haben. War es zu vie Vertrauen auf einmal gewesen? Hatte ich dich überfordert mit meinen Worten und der unmissverständlichen Hoffnung darauf nicht von dir abgewiesen zu werden? Dich zumindest als Freund nicht zu verlieren? Nur langsam und stockend begannst schließlich auch du zu sprechen, erklärtest mir, was in dir vorging und ich begann zu verstehen, weshalb ich nicht geschafft hatte, durch deine Maske zu blicken. Du vertrautest mir, das stand zweifelsfrei fest und zugleich hattest du unglaubliche Angst. Furcht davor, dass meine Gefühle - unsere Gefühle - zu viel ändern würden. Unsicherheit darüber, ob auch du in der Lage wärst mich aufzufangen, wenn ich es brauchte. Unentschlossenheit darüber, ob es das Risiko für uns wert war, denn auch du empfandest mehr für mich, als ich zu hoffen gewagt hatte. Du sahst mir in die Augen, das stumme Versprechen deiner baldigen Rückkehr stand in ihnen und du gingst. Leise und nicht ohne mich vorher noch einmal zu küssen. Achtzehn Tage waren seither vergangen. Achtzehn Tage - Vierhundertneunundzwanzig Stunden und neunzehn Minuten. Wie lange wolltest du mich noch warten lassen? Wie lange musste ich noch ausharren um auf deine Entscheidung zu warten? In manchen Augenblicken kam ich mir vor wie ein Todeskandidat kurz bevor er seinen letzten Atemzug tat. Auch wenn ich es mir nur ungern eingestand - ich hatte Angst. Furchtbare angst, dass du dich dazu entschließen würdest auf Abstand zu gehen, bis wir beide unsere Gefühle wieder unter Kontrolle hatten. Vierhundertneunundzwanzig Stunden und dreiundzwanzig Minuten nach deinem Weggehen hörte ich, wie sich die Tür zu meiner Wohnung langsam öffnete, jemand mit leisen Schritten eintrat, die Schuhe abstreifte und die Jacke an einen er Haken hängte. Obwohl ich wusste, dass nur du den Schlüssel zu meiner Wohnung besaßest, fragte ich mich für einen Moment, ob du tatsächlich zurück warst. Zugleich wagte ich es aber nicht, mich zu bewegen, aus Angst eine selbst erschaffene Illusion zu zerstören. Leise Schritte näherten sich mir, noch immer wagte ich es nicht, mich umzudrehen. Du wusstest, dass ich dich hörte, dass ich dich mit all meinen Sinnen wahrnahm. Ich war überrascht, wie nahe du mir kamst und erschrak, als sich deine zierlichen Arme um mich schlangen, dein kleiner Körper sich con hinten an den meinen presste. Ich konnte deinen warmen Atem durch den Stoff meines Shirts spüren und wusste im selben Augenblick wie du dich entschieden hattest. Endlich wagte ich es mich zu dir zu drehen, dir in die Augen zu sehen, welche leuchteten wie nie zuvor. Du strecktest dich, langsam, wie um mich nicht noch mehr zu erschrecken und berührtest mit deinen Lippen zärtlich die meinen, bewegtest sie sanft. Viel zu früh unterbrachst du diesen Kuss, sahst mich nur entschuldigend an. „Es tut mir Leid, dass du so lange auf mich warten musstest“, war alles was du sagtest, ehe ich erneut deine Lippen schmecken durfte. Liebevoll schlang ich meine Arme um dich und schwor mir, dich nicht wieder gehen zu lassen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)