Infinite - Bis(s) zum Unmöglichen von *Fane* (The Bella & Edward Story) ================================================================================ Kapitel 3: Der Restaurantbesuch ------------------------------- Er schenkte mir ein schiefes Grinsen, nahm die Hände aus den Hosentaschen und spreizte die Arme aus. Mein Körper reagierte. Mein Pulsschlag und meine Atemfrequenz erhöhten sich drastisch. Mein Geist tat nichts. Ich wandte den Blick ab und setzte mich schräg aufs Bett. Ich starrte auf meine Knie. In den Augenwinkeln sah ich, dass er die Arme wieder gesenkt hatte und sehr langsam auf mich zuschritt. Auf einmal spürte ich, wie sich seine Hände um meinen Bauch, kurz unter meiner Brust, schlangen und er mir leise ins Ohr hauchte: „Ich habe dich so vermisst.“ Wie vom Blitz getroffen sprang ich japsend mit entgeistert aussehendem Blick auf. Er folgte meinen Taten mit den Augen und sah nun besorgt aus. Er kniff die Augen zusammen und wartete. Ich atmete mittlerweile wieder einigermaßen normal und sagte mit zitternder Stimme: „Wir können doch nicht einfach so weiter machen als wäre nichts gewesen.“ Er zog die Augenbrauen hoch. „Nicht?“ Ich hielt es für einen Scherz, doch sein Gesichtsausdruck war nun vollkommen ernst. Ich fühlte mich wieder leicht schwindelig. Vor Zorn und Angst. „Was ist mit dir?“, fragte ich und beobachtete ihn, wie er vom Bett aufstand und nun das Bett wie eine Mauer zwischen uns stand. „Mir geht es gut“, sagte er lediglich mit seiner wunderschönen Stimme, die ich so vermisst hatte. Doch ich hatte kein Bedürfnis ihm näher zu kommen oder ihn gar zu berühren. Zu sehr überschatten Angst, Verzweiflung, Traurigkeit und Sehnsucht meine Gefühle für ihn. Die Atmosphäre war kalt und distanziert. Es fühlte sich so an, wie in der ersten Biologiestunde, als würden wir uns gar nicht kennen. „Das meinte ich nicht“, sagte ich langsam. „Na schön, was meintest du dann?“, fragte er, obwohl ich mir sicher war, dass er genau wusste, was ich gemeint hatte. Ich konnte mich jedoch nicht mehr zügeln und schrie beinahe: „Was hast du gemacht? Wie soll ich mich verhalten? Wie bist du wieder gesund geworden? Wo warst du? Wie geht es weiter-“, ich brach ab um nach Luft zu schnappen, ich konnte nicht weiter sprechen. „Ich möchte dich zum Essen einladen“, sagte er auf einmal. „Bitte?!“, rutschte es empört heraus. „Wir machen es wie das letzte Mal, in Port Angeles“, setzte er hinzu, als ich ihn kurz fragend ansah. Ich verstand immer noch nicht. „Du isst, ich rede.“ Ich schnaubte. „Du hast mit Carlisle geredet.“ „Unfreiwillig“, gestand er lächelnd, „zumindest von seiner Seite aus.“ Dann wusste er alles, schloss ich klug und überlegte was er genau alles wusste, was ich Carlisle erzählt hatte und kam zu dem Schluss, dass es viel zu viel war. „Ich habe Angst um dich“, sagte er leise. „Ach und ich nicht um dich oder wie? Jetzt erzähl’ mir nicht ich soll an mich denken!“, schrie ich. Doch er sagte nichts. „Meine Einladung steht“, erwiderte er lediglich und erst jetzt bemerkte ich, dass er ein weißes Hemd, eine offene Krawatte und seine schwarze Anzughose trug. Ich hatte ihm bisher nur in die Augen gesehen. „Ich kann nicht, Charlie hat mir Essen gemacht“, sagte ich kühl und war sicher, dass das als Argument reichte. Charlie würde sehr wütend werden, wenn ich es nicht aß. „Nun gut“, sagte er mit einem wütenden Gesichtsausdruck und rauschte an mir vorbei, die Treppen runter. Ich folge ihm dann weiter in die Küche. Ich riss die Augen auf. Er nahm den ersten Teller mit Spagetti und kippte sich die Nudeln beinahe ohne zu kauen in den Mund. Gleiches tat er mit der Suppe, ohne ein einziges mal zu kleckern. Mir blieb der Mund offen stehen. Er legte beides in die Spüle und sah mich erwartungsvoll an. „Nun gut“, sagte diesmal ich und stampfte wütend hoch. Ich dachte mein Plan wäre perfekt. Ich ging hoch die Treppe wieder hoch. Er folge mir. Ich knallte ihm meine Zimmertür vor der Nase und befahl: „Du wartest!“ Ich riss wütend meinen Schrank auf und nahm irgendeine Bluse heraus und eine Strickjacke. Wahllos nahm ich mir eine Hose bis ich merkte, dass sich das grün der Bluse wohl mit der blauen Hose beißen könnte. Ich zog meine normale Jeans an und die Strickjacke dann über die Bluse. Ich sah aus wie immer. Ich wollte gerade nach meiner Tasche suchen, als mir ein Kleid auffiel, das auf der Fensterbank lag. Ich war verblüfft, wer auch immer das für mich ausgesucht hatte, hatte Geschmack. Es war dunkelgrün und schimmerte seidig. Es war auch nicht tief ausgeschnitten oder rückenfrei, weshalb ich erleichtert war. Sollte ich ihm den Gefallen tun und es anziehen? Oder sollte ich es partout sein lassen? Ich seufzte laut und entschied mich, es als Friedensangebot anzuziehen. Zu meiner Überraschung stand mir das dunkelgrüne Kleid ganz gut. Ich nahm noch meine Jacke mit und trat hinaus zu ihm in den Flur. Er hatte sich an das Geländer gelehnt und drehte sich nun zu mir um. Ein Lächeln war auf seinen Lippen, als er sagte: „Du siehst wundervoll aus.“ Er kam auf mich zu und wollte mich berühren, doch ich senkte den Blick und ging an ihm vorbei und dann aus dem Haus. Vor dem Haus blieb ich stehen und wartete, dass Edward hinter mir das Haus verließ und dann an mir vorbei ging. Ich schloss ab und folgte ihm zu seinem Volvo. Er hielt mir die Tür auf. Ohne ihn anzusehen stieg ich ein. Es war so unfreiwillig vertraut, schoss es mir durch den Kopf. So vertraut… Ich sah zur Seite. Er hatte den Motor gestartet und fuhr bereits. Er sah auf die Straße. Seine Miene war unergründlich. Ich musste fast lachen, denn es sah aus, als würde sich krampfhaft auf die Straße konzentrieren. Auch bemerkte ich, dass er langsam fuhr. Zumindest im Vergleich zu dem, was ich sonst von ihm gewohnt war. Es machte mich nervös, dass er mich nicht ansah, obwohl ich bis vor der Autofahrt noch alles getan hatte, damit ich ihn nicht ansehen musste. Wir fuhren eine Stunde schweigend und ohne einander anzusehen. Ich bereute es, dass ich vorhin so eklig, vielleicht sogar unfair, zu ihm gewesen war, doch zugleich überkam mich wieder diese Wut auf ihn und die Angst um ihn. Ich bin froh, dass ich nicht mit Jasper zusammen war, dachte ich schmunzelnd. Er hätte mein Gefühlswirrwarr sofort bemerkt – und korrigiert. Edward parkte das Auto direkt vor einem riesigen Haus. Ich hatte nicht auf den Weg geachtet, wusste aber, dass es wir außerhalb von Forks waren. Weit außerhalb. Das Haus war ein hell erleuchtetes Restaurant mit Marmorböden und Kronleuchtern, die ich durch die Fenster drinnen erkennen konnte. Ich zog verblüfft die Augenbrauen hoch und sagte eher unfreiwillig laut: „Woah, das sieht ziemlich edel aus.“ Er wandte sich, fast erschrocken, dass ich etwas gesagt hatte, zu mir um und entgegnete mit dem Anflug eines Lächelns: „Du bist natürlich eingeladen.“ Ich sah ihn grimmig an. „Das meinte ich nicht.“ Na ja genau genommen meinte ich das nur zum Teil, denn in einem so schicken Restaurant wären Wutausbrüche bestimmt nicht gerne gesehen und mich beschlich das Gefühl, dass er es genau deshalb ausgesucht hatte. Ich wog ab, ob ich mich wohl die ganze Zeit beherrschen konnte. Ich musste wohl, dachte ich und ging nun endlich hinter ihm her, die Treppen hoch und in den Vorraum. „Ein Tisch für zwei Personen“, sagte Edward mit einem unwiderstehlichen Lächeln. „Mr. Cullen, schön, dass Sie mal wieder hier sind“, sagte die Frau mit einem breiten Lächeln. Ich war überrascht. Wieder da? Die Frau beäugelte mich kurz und sagte dann zu Edward mit honigsüßer Stimme: „Derselbe Platz wie immer?“ „Nein“, entgegnete er und die Frau, die gerade vorausgehen wollte, blieb verwirrt stehen. „Ich hätte gerne den Platz 4 im Bereich A“, sagte Edward und diesmal klappte mir der Mund auf, was die Frau anfänglich auch tun wollte, doch sie fing sich, lächelte kurz und ging voraus. Wir folgten ihr in einen Bereich mit goldglänzendem Steinboden, verzierten dunklen Tischen und Stühlen, mit weißen Tischdecken und Kronleuchtern. Sie blieb neben einem Tisch, der ein wenig abseits der anderen Tische in eine Art kleinen Wintergarten stand. Die Wände waren verglast und Blumen standen davor. Man konnte auf den dunkelgrünen Wald sehen und zwischen den Bäumen den Fluss erblicken. Es war eine wunderschöne Aussicht. Ich starrte einige Sekunden nach Draußen. „Bella“, hörte ich seine Stimme hinter mir. Edward stand mit gegenüber und hatte den Stuhl einladend zurück gezogen. Ich ging hinüber und nahm Platz. Die Frau stand immer noch neben dem Tisch. Als Edward sich gesetzt hatte, sagte er mit bedeutungsvoller Stimme zu ihr: „Wir hätten gerne die eine Karte.“ Sie nickte hastig und ging. „Würdest du mir das hier mal erklären?“ Er sah mich fragend an. „Tu nicht so, als wär’ das hier normal“, sagte ich vorwurfsvoll. „Wieso nicht?“ Er lächelte mit zusammengepressten Lippen. „Warum gehen Vampire in ein Restaurant?“ Ich sprach es so schnell aus, dass ich gar nicht bemerkte, dass ich „Vampir“ gesagt hatte. Edward sagte nichts und ich ging weiter darauf ein: „Ihr scheint öfter hier zu sein und ich frage mich warum und wo ihr sonst sitzt.“ „Sonst sitzen wir mitten im Raum“, sagte er nur. Ich verschränkte die Arme und blieb stur. Er verdrehte fast unmerklich die Augen. „Es ist ein Spiel. Ich lese die Gedanken und die anderen raten und Jasper gibt die Gefühle zum Besten. Wer falsch rät, muss etwas essen. Na ja und Jasper verändert die Gefühle manchmal gezielt… um sie zu reizen oder zu besänftigen“, gestand er. Ich lachte laut auf. Das war ziemlich fies. „Die meisten Leute, die hier essen sind nicht aus Forks“, sagte er und ich wusste auch warum. Viel zu teuer. „Es ist schön, mal in Gesellschaft von Menschen zu sein, die einen nicht kennen. Aber das haben wir ewig nicht mehr gemacht. Carlisle und Esme haben da nie mit gemacht, aber seit- in letzter Zeit sind Jasper, Alice und ich weniger mit Emmett oder Rosalie zusammen.“ „Genau genommen weniger mit Rosalie, die dann Emmett mit sich zieht“, konkretisierte ich scharf. „Oder so, ja.“ Ich wollte noch weiter darauf eingehen, doch als die Frau kam und uns die Karten reichte, ließ ich es dabei belassen. Ich erkannte sofort welche Karten das waren, denn das was mich am brennendsten interessiert hatte, stand nicht drauf: Die Preise. Es waren Damenkarten. Ich sah auf und bemerkte, dass Edward mich beobachtete. Ich senkte den Blick auf die Speisekarte und sah ein wenig verzweifelt auf die Speisenamen, die meist französische Wörter enthielten. Auch die Beschreibung darunter war weniger aufschlussreich. Ich sah unwillkürlich hilflos zu Edward. „Darf ich für dich bestellen?“, bot er an. Ich nickte und sagte schnell: „Aber keine Lasagne!“ Ich verband zu viele, negative, Gefühle mit dieser Speise. Er lachte leise. „Zähl mir einfach ein paar Sachen auf die du magst und nicht magst.“ Nachdem ich das getan hatte, studierte er die Karte sorgfältig. Ein Kellner kam wenige Minuten später und Edward bestellte ein paar Zahlen und ich spürte, dass ich gar kein Hungergefühl hatte. Meine Kehle fühlte sich an wie zugeschnürt. „Bitte servieren Sie alles zeitgleich“, fügte er dem hinzu. „Was darf ich Ihnen zu trinken servieren?“, fragte der Kellner vornehm und sah abwechselnd zu Edward und zu mir. Als Edward mich erwartungsvoll ansah, tat es der Kellner ihm gleich. „Ähm“, sagte ich nur. Konnte man in so einem Restaurant einfach eine Cola bestellen? Edward schmunzelte und wendete sich an den Kellner: „Wir hätten gerne einen Chardonnay und einen Cabernet Sauvignon“, sagte er mit deutlichem Unterton. Der Kellner nickte und verschwand. Ich verstand nicht warum er Alkohol bestellte – ich war mir ziemlich sicher, dass es das war – obwohl wir beide nicht volljährig waren. Seinerseits zumindest nicht offiziell. Ich starrte Edward irritiert an. Er lachte. Ich räusperte mich, als er geschlagene zwei Minuten nichts tat außer mich, sein Kopf war lässig auf eine Handinnenfläche gestützt, mit einem schmalen Lächeln anzusehen. „Äh, können wir jetzt zur Sache kommen?“, fragte ich vorsichtig. „Sicher“, murmelte er ohne von seiner Pose abzuweichen. Ich wartete und begann seufzend: „Beantwortest du mir jetzt meine Fragen?“ Ich merkte, wie ich zunehmend gereizter wurde. Er richtete sich auf, sein Lächeln tauschte mit einem konzentriert verbissenen Gesichtsausdruck und die Hand, auf die er sich eben noch gestützt hatte, streckte er zu mir aus. Seine Finger strichen die Wangenknochen hinab zu meinem Kinn. Sein Daumen strich kurz über meine Unterlippe. Ich erschauderte vor Erregung. So sehr hatte ich mich nach seinen Berührungen gesehnt. Ich wurde ungewollt ruhiger, doch es hielt nicht lange. Als er die Hand zurückzog erschrak ich stumm und hielt seinen Arm fest. Er wehrte sich nicht. Ich drehte den Arm um und sah den Biss. Seinen Biss. Er sah aus, wie meiner damals, nur das meiner nachdem er mich gerettet hatte, verheilt und schließlich verschwunden war. Doch bei ihm sah man eine halbmondförmige Narbe unterhalb der Hand. Er machte ein Gesicht, als würde er sich dafür schämen und zog die Hand weg. Er sah mit zusammengezogenen Augenbrauen und finsterem Gesichtsausdruck zur Seite. Mir stockte der Atem. Ich wusste nicht warum, aber es war so unwirklich an seinem perfekten Körper eine Narbe zu sehen und noch dazu eine so auffällige. Er zog seinen Hemdsärmel über das Handgelenk. „Geht die… wieder weg?“, fragte ich langsam und starrte auf die Stelle des Hemds, worunter die Narbe war. Er sah mich kurz an, zuckte dann gleichzeitig mit den Schultern und schüttelte leicht den Kopf. „Woher wusstest du den Namen des Tisches?“, fragte ich beiläufig, um mit einem leicht verdaulichen Thema zu beginnen. Doch sobald ich es ausgesprochen hatte, fiel mir weder ein wer mir gegenüber saß und mir war die Frage peinlich. „Gedanken lesen“, sagte Edward jedoch mit einem unveränderten Gesichtsausdruck leise. Er schwieg und ich weigerte mich wieder eine Konversation zu beginnen. Er sollte erzählen. Ich hatte nicht vor ihm den ganzen Abend alles aus der Nase zu ziehen. Die Sekunden verstrichen und er saß immer noch mit dem Kopf auf die Hand gestützt vor mir und sah mich an. „Was soll das alles hier?!“, platzte es wütend aus mir raus. Er richtete sich auf und sagte langsam: „Ich möchte dich zum essen einladen.“ „Ach nein, wirklich?“, sagte ich schnippisch. Ich fand das Theater hier überflüssig. Ich überlegte gerade ob ich nicht einfach gehen sollte, oder wenigstens zur Toilette, als ein Kellner mit zwei Weingläsern zu uns kam. „Cabernet Sauvignon?“, fragte er. „Für die Dame“, antwortete Edward und kicherte leise in sich hinein, als er meinen verdutzten Gesichtsausdruck sah. Er selbst bekam das andere Glas. Als der Kellner wieder weg war, schob er mir andächtig sein Glas zu. Er grinste schief. „Edward, ich bin erst 17! Genau wie du, eigentlich“, protestierte ich. „Bella das ist Cola. Und Apfelsaft“, er deutete auf ursprünglich sein Glas, „oder glaubst du ein Weinglas macht man so voll?“ Er lachte kurz. Ich sah ihn grimmig an und verschränkte die Arme. „Trink“, forderte Edward mich auf. Ich sah ihn unentwegt grimmig an. „Du musst Durst haben“, unterstellte er. Und er hatte recht. Zwar rumorte mein Magen, wenn ich auch nur den Gedanken an Nahrung hegte, doch gegen Trinken hatte er nichts und meine trockene Kehle auch nicht. Ich trank jedoch nicht. Edward seufzte. „Glaubst du ich könnte hier einfach Alkohol bestellen?“ „Ihr Cullens könnt doch fast alles“, gab ich bissig zurück und betonte das „fast“ ein wenig zu sehr. Er wurde aufmerksam. „Außer?“ „Sich melden.“ In meiner Stimme lag ein Hauch Bitterkeit, den ich vermeiden wollte. Edwards Gesichtsausdruck veränderte sich. Doch ich konnte ihn nicht deuten. Ich sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. Er zeigte überdeutlich auf die Gläser. „Ich habe keine Lust auf non-verbale Kommunikation! Können wir-“ „Chardonnay ist ein Weißwein. Sprich er sieht so aus wie Apfelsaft. Na ja und Cabernet Sauvignon ist ein Rotwein. Also sieht er, zumindest von weitem, aus wie Cola. Aber sag ehrlich, wer würde Cola und Apfelsaft in solch einem Restaurant bestellen?“ Ich wusste, dass die Frage rhetorisch war und ging nicht darauf ein. Edward sah mich eindringlich an. Ich gab mich geschlagen und kostete den „Chardonnay“. Zumindest hatte ich das vor. Denn ich fasste ein wenig unbeholfen an die schmale Stelle unter dem Glas, rutschte ab und das Glas fiel vor mir auf die Tischkante, zerbrach und der Apfelsaft ergoss sich auf der Tischdecke und meinem Kleid. Nach einem kurzen geschockten Augenblick, wollte ich nach dem größten Teil des Glases greifen. „Bella“, sagte Edward schnell und ergriff fest, zu fest wie ich fand, doch ich zuckte nicht mit der Wimper, mein Handgelenk. „Du darfst dich nicht schneiden“, sagte er eindringlich und ließ mein Handgelenk wieder los, um selbst die Scherben aufzuheben. Ich zuckte merklich zusammen, als ich mein Handgelenk sah. Was war feuerrot und man sah überdeutlich seinen Handabdruck auf meiner Haut. Er folgte meinen Blick, als er alle Scherben aufgesammelt hatte, und murmelte: „Tut mir leid.“ Er verschwand und kam mit dem Kellner wieder, der ein neues Tischtuch drauflegte. Ich nutzte die Gelegenheit und ging schnell auf Toilette. Ich wischte erfolglos mit Papiertüchern auf meinem Kleid herum. Ich stand mit den Händen auf das Waschbecken geschützt leicht gebeugt vor dem Spiegel und sah mich lange an, bis mir fast die Tränen kamen. Fast. Bella… was machst du nur hier?, fragte ich mich selber. Als ich wieder kam und mich an den Tisch setzte, ging das Spiel von vorne los. Er musterte mich, starrte mich an. Er sagte nichts. Ich machte immer wieder Anstalten etwas zu sagen, doch ich wehrte mich partout dagegen und widerstand dem Drang, ihn mit tausend Fragen zu löchern. Mich machte diese Stille verrückt. Ich tat so, als ob mir die Augen tränen würden und wischte in Wahrheit eine kleine Träne weg, bevor sie mein Gesicht entlang laufen könnte. „Weinst du?“, durchbrach seine Stimme die mich zerreißende Stille. „Nein“, erwiderte ich erfolglos. „Du weinst“, konstituierte er. „Und wenn schon“, gab ich mich geschlagen und versetzte ihm einen bösen Blick. Er kniff die Augen zusammen und seufzte angestrengt. Er machte Anstalten die Hand auszustrecken, doch als der Kellner mit dem Essen kam, legte er sie schnell wieder in seinen Schoß. Bevor der Kellner etwas sagen konnte, sagte Edward schnell: „Stellen Sie es irgendwo hin.“ Dabei sah er mich an. Leicht verwirrt stellte er alle Teller, er kam danach noch ein zweites Mal, wahllos auf den Tisch. Ich zog die Augenbrauen hoch und sah das Essen an. Sieben Teller, tiefe, flache, kleinere und größere standen mit den unterschiedlichsten Speisen dort. Sie sahen alle unheimlich lecker aus, doch ich verspürte absolut kein Hungergefühl. „Nimm dir was du magst. Wir haben genug Zeit“, sagte er leise. Ich sah ihn erschrocken an und hoffe, dass sich das letzte nicht darauf bezog, dass ich das alles essen sollte. Ich zögerte, doch ich wusste, dass ich keine Wahl hatte. Ich nahm eine Schale mit Pudding, Obst und Schokosoße. Edward zog die Augenbrauen hoch. Ich selbst war von mir überrascht, dass ich glaubte, dass ich das am ehesten ertragen konnte. Ich stellte es vor mich, stocherte und rührte ein wenig darin herum. Ich spürte Edwards Blick auf mich. Ich hob den Löffel und nahm ein wenig von dem Obst. Sobald der Löffel meinen Mund verlassen hatte, richtete Edward sich auf und sagte: „So.“ Ich fuhr hoch. „Iss“, sagte er nur. Ich aß langsam und in ganz kleinen Portionen weiter. Er schien zufrieden zu sein. „Was willst du wissen? Du isst, ich rede.“ „Ich bin nicht magersüchtig“, sagte ich scharf, denn ich glaubte, dass er das ganze Theater hier nur veranstaltete, damit ich in einer Umgebung, in der nicht so einfach weglaufen oder ihm eine Szene machen könnte, Nahrung zu mir nahm. „Das glaube ich auch nicht“, sagte er mir einem schmalen Lächeln. „Sondern?“, sagte ich wütend. Ich musste mich massiv zusammen reißen nicht auszurasten. Seine Wortkargheit trieb mich zum Wahnsinn. „Das präsenteste Thema unserer Beziehung ist Essen. Du kompensierst dein Problem dadurch, dass du dieses Thema umgehst, indem du einfach nichts isst“, erklärte er zu meiner Verblüffung fachmännisch. „Mein Problem? Ich glaube nicht, dass es allein mein Problem ist, wenn du-“ „Iss“, sagte er gebieterisch, als ich den Löffel weglegte. „Nein“, sagte ich kalt. Er funkelte mich an. „Dann rede ich nicht.“ „Dann gehe ich“, entgegnete ich selbstsicher und stand auf. „Ich habe die Schlüssel.“ „Und ich habe ‚gehen’ gesagt“, gab ich schlagfertig zurück und beendete die kindische Zankerei. Als ich mich gerade umdrehen wollte, machte er eine schnelle Bewegung und hielt mich am Arm fest. Als er dann merkte, dass er meinen Arm viel zu fest hielt, ließ er ihn los. „Bella, setz dich bitte“, sagte er liebevoll. Ich setzte mich seitlich auf den Stuhl und sah zur Seite. „Victoria läuft immer noch frei herum und wir haben keine Spur von ihr. Egal, was passiert, egal, wann, versprich mir, dass du nicht alleine irgendwohin gehst“, sagte er mit einem weichen Gesichtsausdruck. „Ich verspreche dir nichts mehr. Du hältst deine auch nicht. Du wollte mich nicht alleine lassen“, sagte ich traurig. „Ich weiß, aber es war zu deinem Besten. Iss, bitte“, fehlte er förmlich. Ich aß. Er nickte und begann: „Ich weiß nicht, was in den letzten Wochen schlimmer war. Der Schmerz, dein Gesicht nicht zu sehen und dich zu berühren, oder die Tatsache, nicht ich selbst zu sein.“ Ich sah ihn direkt an. Er sprach weiter: „Wir sind nicht dafür geschaffen, zu sterben oder uns selber zu verletzten. Ich war in den letzten Wochen sehr… schwierig für meine Familie. Ich war wie fremd gesteuert. In der einen Sekunde unterhielt ich mich mit Alice, in der anderen-“, er brach ab und sah gequält aus dem Fenster. „Was ist geschehen?“, flüsterte ich. „Dir sagt Persönlichkeitsspaltung etwas?“ Ich nickte kaum merklich. „Ich wäre ein Musterbeispiel gewesen. Ich habe Alice verletzt. Nicht nur sie.“ „Esme-“, begann ich, denn ich erinnerte mich an die Narbe durch ihr Gesicht. „Jaah… Esme…“, er atmete tief, „diese Wunde im Gesicht, dass war ich“, ich sah ihn – wie ich hoffte – nicht erschrocken oder mitleidig an, „nicht mit Absicht, aber durch die Selbstverletzung kommt das Monster in mir zeitweise unkontrollierbar stark hoch. Aber mach dir keine Sorgen, die Wunde ist so gut wie gar nicht mehr zu sehen“, ich nickte und aß weiter, obwohl mir schlecht war, doch ich wollte mehr hören, „in mir war und ist“, betonte er, „alles durcheinander, aber ich kann mich kontrollieren. Zumindest glaube ich, dass ich das kann. Ohne meine Liebe zu dir, wäre ich verrückt geworden.“ Er legte behutsam seine Hand auf meine und ich verzog leicht das Gesicht, ich glaubte, wieder Schmerz zu spüren, als würde er mich zerquetschen und zitterte leicht, als er mich einfach nur sanft berührte. Ich sah auf. „Ich kann mich kontrollieren. Das von eben tut mir leid“, murmelte er, „gib mir noch ein wenig Zeit, dann ist alles wieder wie vorher-“ „Carlisle sagt, es wird nie wieder wie vorher“, erwiderte ich leise. „Carlisle…“, sagte er nur, „ich liebe dich Bella.“ Ich atmete stockend und hatte Mühe meine Tränen zurück zu halten. „Wie soll ich mich verhalten?“ Er sah mich verblüfft und fragend an. „Wie immer.“ Es hörte sich fast mehr wie eine Frage an. „Nein. Was kann ich tun, damit du nicht wieder- damit du dir nichts antust und damit du dich besser kontrollieren kannst?“, wollte ich wissen und vergaß völlig zu essen. Ich aß hastig weiter, damit er antwortete. „Nichts. Sei einfach wie du immer bist. Du sollst und brauchst dich nicht verstellen“, bat er. Ich nickte, denn ich wusste, dass er mir meine Frage nicht beantworten würde, doch ich würde trotzdem vorsichtiger sein und mich zügeln. Ich schnaubte kurz auf. „Was?“, fragte er mit einem verwirrten Lächeln. „Wenn du zu Hause Amok gelaufen bist, kann mich dort bestimmt keiner mehr leiden.“ Ich lachte unsicher auf. Edwards Miene blieb hart. „Das stimmt nicht Bella. Sie lieben dich. Du kannst ja nichts dafür, dass ich in den Moment zu schwach war dir zu widerstehen und mich selbst verletzte musste. Was so gesehen eigentlich nicht der schlechteste Weg war-“, plauderte er. „Bitte?!“, sagte ich ein wenig zu laut. Ein paar entfernte Gäste sahen uns kurz an. Nervös sah ich wieder zu Edward. „Ich habe dich nicht verletzt“, freute er sich. Fassungslos sah ich ihn mit offenem Mund an. „Du hast dich selbst fast umgebracht!“, zischte ich ohne nachzudenken. „Glaubst ich mache mir keine Sorgen um dich?!“ „Du redest wirr, Bella. Ich kann mich nicht umbringen. Zumindest nicht wenn ich mich einfach selbst in die Hand beiße“, ergänzte er. Wir schwiegen. Ich war sauer und er zufrieden damit, mich beschützt zu haben, indem er sich selbst etwas antat. „Wo gehst du hin?“, fragte er höflich mit hochgezogenen Augenbrauen. „Auf Klo“, antwortete ich knapp und verließ den Tisch. Mir war schlecht und ich wusste nicht, ob ich es weiter aushielt an einem Tisch mit leckeren Speisen zu sitzen und Pudding zu essen, der mir den Magen umdrehte. Ich beugte mich über den Brillenrand und übergab mich. „Hallo?“, hörte ich eine Frauenstimme. Ich übergab mich nicht lange, ich hatte ja auch wenig in mir was raus konnte, doch es reichte um mich außer Gefecht zu setzten. Ich brach neben dem Klo zusammen. Ich sah verschwommen Lichter über mir und wenig später kalte Hände, die sich um mich schlangen. ---------------- Würde mich über Kommis jeglicher Art freuen! Danke an alle Leser! LG Vanessa/*Fane* Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)