Planet in Weiß (Arbeitstitel) von VideoGameCrack (Kapitel 10 hochgeladen) ================================================================================ Kapitel 9: Rückkehr ------------------- Es war bereits wieder Abend geworden, als Double X wieder erwachte. Die Abendsonne erfüllte den Raum mit warmen Gelb- und Rottönen, wodurch dieser weitaus gemütlicher und angenehmer wirkte. Es war für ihn fast so, als wäre er in einem anderen Zimmer aufgewacht. Leise klopfte es an der Tür. „Herein“ bat Double den Klopfenden einzutreten. Die Tür öffnete sich, und Terra und Lloyd betraten den Raum. Der Kleine saß auf Lloyds Schulter. „Na, Double X?“ fraget Lloyd mit einem frechen Grinsen im Gesicht, während er sich am Hinterkopf hielt. „Gut geschlafen?“ „Ja, danke, es geht“ antwortete Double X und erhob sich aus dem Bett. Terra störte etwas an seinem Tonfall. „Du weißt bestimmt schon Bescheid, oder?“ „Wenn du von meinem Arm redest, ja, ich habe es schon mitgekriegt“ antwortete er, während er nach seinem Mantel griff und etwas unbeholfen versuchte, ihn anzuziehen. „Brauchst du vielleicht Hilfe?“ kam es von Lloyd. „Ich kriege das schon hin, danke.“ Als er damit fertig war, fragte er Terra: „Ist diese Yukari schon aufgetaucht?“ „Sie wartet seit ein paar Minuten vor der Eingangstüre. Wir wollten dich gerade aufwecken.“ „Nett von euch.“ Er nahm den Schwertgriff, der neben dem Bett lag und ging auf die Türe zu, als er auf einmal inne hielt. „Habt ihr auch alles? Wer weiß, wie lange es dauert, bis wir wieder hierher kommen.“ „Wir haben alles dabei. Mach dir darum keine Sorgen.“ Draußen kam die Abendröte noch besser zur Geltung. Die entspannte und ruhige Atmosphäre ließ einen fast vergessen, dass die vier vor der kranken Einstellung der Neuen Welt fliehen mussten. Eine blonde, langhaarige Frau saß mit einem Sonnenschirm vor dem Eingang und beobachtete, wie die Sonne langsam hinter dem Horizont verschwand. Ihr Blick wirkte ein wenig verschlafen und unaufmerksam, was bei ihr aber eine Gewohnheit zu sein schien. Hinter ihr öffnete sich die Tür und Double X trat hinaus. „Guten Abend“ begrüßte er sie und setzte sich neben sie. „Ich nehme an, dass sie Yukari sind, richtig?“ Die Frau drehte sich zu ihm und blickte ihn mit ihren goldfarbenen Augen an. „Ja, die bin ich. Sie gehören bestimmt zu den beiden mit dem kleinen, grünen Dino, oder?“ „So ist es.“ Sie blickte zur Tür. „Wo bleiben sie denn?“ „Ich vermute, dass es etwas mit dem Ersatzarm zu tun hat, den sie mir besorgen will.“ Yukari sah ihn unverständlich an. „Wieso machst du es dann nicht selbst?“ Sein Blick näherte sich der Sonne, die schon fast verschwunden war. „Ich musste meinen Kopf so schnell wie möglich frei kriegen. Es gibt da ein paar Dinge, die mich seit einiger Zeit beschäftigen, die ich nicht verstehe. Außerdem habe ich fast einen ganzen Tag am Stück geschlafen, da tut einem die frische Luft gleich doppelt so gut.“ Ein wenig verständnislos schüttelte sie den Kopf. „Ihr Menschen seid manchmal ziemlich komisch...“ In diesem Moment kamen Lloyd und Terra mit dem Kleinen nach draußen. Double X drehte sich zu ihnen. „Und?“ „Sie hat uns keinen genauen Zeitpunkt genannt“ meinte Terra. „Sie konnte zwar alle Maße ermitteln, die sie für deinen neuen Arm braucht, aber es wird schwer sein, die passenden Teile zu finden.“ „Wir dürfen uns hier ohnehin fürs Erste nicht mehr blicken lassen“ sagte Double X. „Sie werden bald bemerken, dass White Death nicht mehr wiederkommt und dann werden sie hier verschärft nach uns suchen.“ Er stand auf und richtete seine Jacke. „Wir können los, nehme ich an?“ Yukari erhob sich nun ebenfalls und schloss ihren Schirm. „Haltet euch daran fest.“ Lloyd sah sie verwirrt an. „Äh, wieso?“ „Das, was sich zwischen den Welten verbirgt, kann den Verstand eines Menschen in den endlosen Wahnsinn treiben. Darum müsst ihr euch am Schirm festhalten, damit ich euch zurück in die Außenwelt bringen kann.“ „Moment! Wieso bringst du uns nicht direkt in unsere Welten zurück, wenn du Portale aus dem Nichts erschaffen kannst?“ Sie seufzte ein wenig genervt. „Ich kann mich nur zwischen der Außenwelt und Gensokyo frei bewegen. Wenn ich in andere Welten reisen will, muss ich mich wie ihr auf fremde Portale verlassen.“ „Und wenn du uns direkt zu so einem Portal bringen könntest?“ Man konnte Yukari ansehen, dass sie allmählich ihre Geduld verlor, aber sie versuchte trotzdem ruhig zu bleiben. „Zwischen Portalen muss ein großer Abstand bestehen, ansonsten läuft man Gefahr, dass die Dimensionen sich vermischen könnten.“ Sie pausierte kurz und sah ihn bedrohlich an. „Noch irgendwelche Fragen?“ Lloyd wich erschrocken zurück. „N-nein, ich glaube, das wars.“ Nachdem er das gesagt hat, wurde ihr Gesichtsausdruck wieder entspannt und verschlafen. „Also dann, haltet euch am Schirm fest und schließt die Augen.“ Ohne weiteren Worte taten sie das, worum Yukari sie gebeten hatte. „Ich werde nun ein Portal öffnen. Öffnet eure Augen erst wieder, wenn ich es euch sage.“ Nachdem sie das gesagt hatte, ging sie los und zog die vier mit sich mit. Die Stille, die daraufhin eintrat, zehrte deutlich an ihren Nerven. Auch wenn dies nur eine Minute dauern sollte, wirkte es auf sie, als würden sie mehrere Stunden blind umherirren. Schließlich blieb Yukari ohne Vorwarnung stehen, was sie ein wenig aus dem Rhythmus brachte. „Wir sind da. Ihr könnt eure Augen jetzt öffnen.“ Als sie ihre Augen öffneten, fanden sie sich am Rande eines Waldes wieder. Die Nacht hatte sich bereits auf das Land gelegt, und bis auf eine kleine Ansammlung von Häusern, die vor ihnen stand, war es stockdunkel. Lloyd kamen diese Häuser bekannt vor. „Sagt mal, waren wir nicht schon einmal hier?“ Nachdem Double X und Terra einen genaueren Blick auf die Häuser warfen, mussten sie feststellen, dass auch ihnen diese Gegend nicht unbekannt war. „Ist das nicht... die Stadt der Außenseiter?“ „Ja, tatsächlich Lloyd. Wir sind wirklich wieder hier gelandet“ meinte Terra. „Sollen wir vielleicht fragen, ob sie uns-“ „AUF KEINEN FALL!“ entgegnete Lloyd Terra, die erschrocken ansah. „Entschuldige, Terra, aber diese Schweine haben uns mehrere Stunden einen Haufen Steine rumtragen lassen, in dem Glauben, dass das Proviant wäre! Wer weiß, was mit uns geschehen wäre, wenn Eagle uns nicht gefunden hätte!“ „Lloyd, bitte beruhige dich“ versuchte Double X ihn wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzubringen. „Vielleicht will ich mich nicht beruhigen! Vielleicht will ich mich aufregen!“ Beleidigt und angewidert von dem, was vor ein paar Tagen geschehen war, rannte er in den Wald. „Lloyd!“ rief Terra ihm hinterher und wollte ihm hinterherrennen, doch Double X versperrte ihr den Weg mit seinem Arm. „Überlass das nur mir, Terra. Ich wollte sowieso schon seit kurzem mit ihm unter vier Augen sprechen.“ Mitten im Wald saß Lloyd an einen Baum angelehnt. Er weigerte sich, nach einer Unterkunft zu fragen, weil er sich von den Leuten dort hintergangen fühlte. Es war ihm immer noch schleierhaft, warum sie alle bloß wegen Double X keinen richtigen Proviant bekamen. Fast war ihm danach, Double X zu beschuldigen, aber warum seine Wut an jemandem rauslassen, dem er sein Leben verdankte? „Lloyd?“ Er sah hinter sich. Eine Silhouette, die er als Double X idenifizierte, stand hinter ihm. „Ich möchte kurz mit dir reden, wenn es dir recht ist.“ „Nur zu.“ Double X setzte sich nun ebenfalls an den Baum. „Weißt du noch, was ich dir geantwortet habe, als du mich gefragt hast, warum ich dich gerettet habe?“ „Du... wolltest doch einen Kampf.“ „So ist es. Ich muss zugeben, dass ich mich ein wenig ungenau ausgedrückt habe.“ Lloyd beschlich eine leise Vorahnung. „Was meinst du mit ungenau?“ „Ich brauchte jemanden, der mich an meine Grenzen bringen kann, jemand, der mich fordert, verstehst du?“ Lloyd sah ihn entsetzt an. Er konnte doch nicht tatsächlich das meinen! Andererseits... die beiden waren alleine mitten im Wald, und er sollte Double X „an seine Grenzen bringen“ und fordern. Er wollte doch nicht wirklich- Reflexartig sprang Lloyd auf und rannte von ihm weg. Der entsetzte Blick schien nicht von seinem Gesicht zu weichen, da ihn eine furchtbare Vorahnung nach der anderen heimsuchte. Double X dagegen blieb gegen den Baum angelehnt sitzen und sah ihm mit einem leicht irritierten Blick hinterher. Terra wartete immer noch am Rande des Waldes. Sie wollte es nicht noch komplizierter machen, indem sie sich in das Gespräch einmischte. Lloyd wirkte auf sie sehr angespannt und entnervt, im Gegensatz zu dem Kleinen, der auf ihrer Schulter saß und schlief. Leise vernahm sie ein Schnaufen, das aus dem Wald kam und sich auf sie zubewegte. Als sie in den Wald schaute, um herauszufinden, was in dem Wald vor sich ging raste Lloyd aus dem Wald hervor und atmete tief durch. Vor Sorge ging sie auf Lloyd zu und fragte: „Was ist passiert? Haben sie uns etwa wieder gefunden?“ Er packte ihre Schultern. „Terra, wir müssen so schnell wie möglich weg von hier! Double X hätte sich im Wald beinahe an mir vergangen!“ „Wie bitte?“ „Er hat mir im Wald gesagt, dass er jemanden brauche, der ihn an die Grenze bringen würde!“ „...und das wars?“ „Ich wollte einfach nichts riskieren!“ „Das ist sicher nur ein Missverständnis, Lloyd. Man kann ihn nicht wirklich sagen, dass er sich normal verhält, aber wie einer von der Sorte wirkt er nicht.“ „Wie einer von welcher Sorte?“ Die beiden blickten Richtung Wald und sahen Double X, wie er ihn gerade verließ. „Mach dir darum keine Sorgen“ versuchte Terra davon abzulenken. „Lloyd hat dich sicher nur missverstanden.“ „Äh, ja, hoffentlich“ meinte Lloyd immer noch ein wenig. „Wenn du „Kampf“ sagst, dann meinst du doch sicher ein Duell mit unseren Waffen und nicht das, was ich gedacht habe, als du sagst, dass ich dich an deine Grenzen bringen sollte... oder?“ Double X fasste sich nachdenklich ans Kinn. „Ich weiß zwar nicht, was du gedacht hast, aber dass ich von dir ein Duell wollte, ja, das stimmt.“ Lloyd seufzte erleichtert, nur um zu realisieren, dass es auf das Gleiche hinauslief wie in CX-29: dass er wieder nicht das „Warum“ kannte. „Dürften wir dann wissen, WARUM du mit mir kämpfen wolltest?“ Double X antwortete zunächst nicht, doch andererseits hätte er wissen müssen, dass er es ihnen irgendwann erklären müsse. „Hat einer von euch vielleicht ein Messer?“ Ratlos sahen sich Lloyd und Terra an. „Nicht dass wir wüssten.“ „Es wäre zumindest praktischer gewesen. Dann muss ich halt mein Schwert nehmen.“ Ohne weitere Worte zu verlieren zog er seinen Schwertgriff hervor und lud die Klinge, bevor er Terra das Schwert gab. „Lloyd, würdest du bitte meinen Ärmel hochziehen?“ „Warum bitte?“ „Tu es bitte einfach.“ Verwirrt zog Lloyd den Ärmel hoch, immer noch ohne die geringste Ahnung, was Double X eigentlich demonstrieren wollte. Dieser sah zu Terra. „Ich möchte nun, dass du mir eine möglichst tiefe Wunde zufügst.“ „...ich muss Lloyd zustimmen. Ich frage mich inzwischen auch, was das eigentlich werden soll...“ „Terra, bitte tu es einfach. Du wirst schon noch verstehen, warum ich euch darum bitte.“ Zögerlich legte sie die Klinge auf seinen Arm, drückte sie nach unten und zog sie ruckartig zurück. Sie traute sich nicht aufzusehen, bis Lloyd völlig entsetzt meinte: „VERDAMMT!“ Das erste, was sie sah, war Double X's tiefe Wunde am Arm. Sie dachte eigentlich, dass sie tiefer wäre, daher fragte sie sich auch, weshalb Lloyd sich so aufrege. „Lloyd, das ist zwar eine tiefe Wunde, aber nichts, was ich mit Heilmagie nicht beheben ka-“ „Davon rede ich auch nicht! Sieh ihm nur ins Gesicht!“ Jetzt sah sie es auch. Sein Blick war so kühl und unberührt von jeglichem Schmerz wie sonst auch. „Versteht ihr es jetzt?“ „Was sollen wir verstehen?“ entgegnete Lloyd ihm, für den es nur noch verwirrender wurde. „Du kannst von uns nicht erwarten, dass wir es auf einmal verstehen! Wie wäre es damit, dass du uns erklärst, was eigentlich los ist!“ Double X näherte sich langsam der Klippe und setzte sich auf den Boden mit dem Blick auf die Siedlung. „Setzt euch zu mir. Ich werde es euch erklären.“ Lloyd und Terra zögerten nicht lange und setzten sich zu ihm. „Es begann alles vor zwanzig Jahren in CX-29...“ „Worauf wartest du denn noch?“ Nervös das Schwert in der Hand haltend stand Double X mit einem anderen Soldaten vor einem alten Mann mit zerzaustem Bart und zerrissener Kleidung, der bewegungsunfähig auf dem Boden lag und völlig wehrlos auf den Gnadenstoß. Der Schweiß lief an seinem Gesicht hinab und seinem Gesicht nach zu urteilen war er nicht in der besten seelischen Verfassung. „Wieso müssen wir ihn... überhaupt umbringen? Er ist vollkommen wehrlos!“ „Soldat, ein Außenseiter ist immer eine Gefahr!“ brüllte der Soldat ihn an. „Man sollte erwarten, dass du das inzwischen weißt! Menschen sind schwache Wesen, die sich von ihren Gefühlen manipulieren lassen und spontan gegen uns rebellieren!“ „Und wieso haben wir als Soldaten dann welche?“ „Das ist ein Privileg, Soldat. Du wurdest inmitten von vielen anderen ausgewählt, um uns zu helfen, der Welt ewigen Frieden zu bringen. Wenn du keine Gefühle hättest, wärst du nutzlos für diese Mission!“ Der Soldat näherte sich Double X's Ohr und flüsterte ihm zu: „Wenn du dich weigerst, ihn zu beseitigen, können wir dir gerne wieder deine Gefühle entziehen. Dann verbringst du den Rest deines Lebens damit, dir Vorwürfe zu machen, dass du dich nicht für das Richtige entschieden hast. Und er wird so oder so sterben, also kannst du ihn auch gleich von seinem Leiden erlösen. Aber wenn du nicht willst...“ Double X schluckte schwer. „Nein! Nein, ich... erledige das schon.“ Langsam zog er seine Klinge zurück, um zuzustechen. Noch immer plagten ihn Zweifel, ob er diesen Mann, den er zuvor nie gesehen hatte, einfach umbringen oder es von anderen erledigen lassen sollte. Doch er wusste, was mit Außenseitern bei Hinrichtungen angestellt wurde, und das war bei weiten schlimmer als ein einfacher Stich durchs Herz. Es wirkte wie eine klare Sache, doch er wusste, dass er das irgendeines Tages vielleicht bereuen würde. „...es tut mir Leid.“ Ein reflexartiger Stich machte dem Leben des Mannes ein rasches Ende, ehe er die Hand des Soldaten auf seiner Schulter spürte, welcher ihm entgegnete: „Ich wusste, dass du das tun wirst. Möchtest du Bericht erstatten oder soll ich das übernehmen?“ Doch es erfolgte keine Antwort. Vorsichtig tippte er mit dem Finger auf seiner Schulter und fragte: „Soldat?“ „...mach nur, ich will ein wenig alleine sein.“ Mit einem verständnislosem Blick im Gesicht ließ der Soldat von ihm ab und bewegte sich weg von ihm, während Double X weiterhin auf den leblosen Körper hinab blickte. Immer noch saßen die drei auf der Klippe, als Double X aufhörte zu erzählen. „Ich verstehe immer noch nicht ganz“, sagte Terra, die sich die Erzählung noch einmal durch den Kopf gehen ließ. „Wie führte das dazu, dass du immun gegenüber von Schmerzen bist?“ „Es geht hier nicht nur um Schmerzen, Terra. Ich fühle überhaupt nichts mehr.“ Erstaunt blickte Lloyd ihn an. „Wie ist es denn dazu gekommen?“ „Es hat nicht lange gedauert, bis ich in Depressionen versank, weil ich diesen Mann umgebracht habe, und das teilweise sogar aus selbstsüchtigen Gründen. Ich weiß wirklich nicht mehr, warum ich ihn doch umgebracht habe: um ihm weiteres Leid zu ersparen oder nicht sofort meine Emotionen zu verlieren.“ Etwas störte Lloyd an dieser Antwort ganz gewaltig. „Also hast du ihn umgebracht, um deine Emotionen zu behalten, nur um sich kurz darauf zu ignorieren?“ Er starrte ihn irritiert an. „Das scheint nicht wirklich viel Sinn zu ergeben.“ „Ich weiß, dass es komisch klingt, aber das entspricht der Situation, ja. Allerdings wollte ich meine Emotionen nicht für immer aufgeben, sondern wieder ausleben, sobald ich es geschafft hatte, einen anderen Außenseiter zu retten.“ Terra wurde immer stutziger über seine Aussagen. „Du willst doch nicht wirklich behaupten, dass du zwanzig Jahre gebraucht hast, um jemandem aus der Kuppel zu befreien?“ „Nein, so ist das nicht. In der Tat ist es mir mehrere Male gelungen, Außenseiter aus der Kuppel zu schmuggeln.“ Langsam fing Lloyd an zu glauben, dass Double X nur mit ihnen spiele. „Und wieso bist du dann so... entschuldige diesen Ausdruck... kalt?“ „Das erste Mal, als ich es schaffte, geschah etwa sieben Jahre nach dem Vorfall. Kurz nachdem es ausgestanden war, versuchte ich, wieder zu fühlen, aber-“ Er pausierte in diesem Moment, bevor er fortfuhr. „Ich spürte zwar, dass ich wieder fühlen konne, aber ich wusste, dass irgendetwas nicht stimmte. Als ich schließlich in einen Spiegel blickte, sah ich auch warum.“ Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und achtete darauf, dass das Blut nicht auf seinen Mantel tropfte. „Ich blickte so kalt drein wie zuvor. Mir wäre danach gewesen zu weinen, aber ich musste schnell feststellen, dass ich auch dazu nicht mehr in der Lage war. Ich versuchte auf jede mögliche Weise, meinem Körper eine Reaktion auf meine Gefühle zu entlocken, aber es blieb erfolglos. Schließlich habe ich es aufgegeben.“ „Zumindest bis ich mich bei euch mitten auf der Straße gefunden habe“ stellte Lloyd schließlich fest. „Dann würde das bedeuten, dass du mit mir kämpfen wolltest, damit ich dich an deine Grenzen treibe und dein Körper endlich reagiert?“ Stumm nickte Double X. „Aber ich musste feststellen, dass nicht einmal der Verlust meines rechten Armes mir auf die Sprünge half.“ Er stützte sich vom Boden ab und stand auf. „Es tut mir Leid, dass ich euch da mit reingezogen habe. Ich möchte kurz alleine sein und gehe dafür in den Wald. Legt euch ruhig schon schlafen, wenn ihr wollt. Gute Nacht.“ Und schon war er im Wald verschwunden. Lloyd und Terra hingegen blickten von der Klippe auf die Siedlung hinab, in der nach und nach ein Licht nach dem anderen ausging. „Double X ist schon ein komischer Kauz“, meinte Lloyd, während er sich am Kopf kratzte. „Wieso hat er uns nicht schon vorher davon erzählt?“ „Er ist sicher daran gewöhnt, alleine zu sein“, sagte Terra. „Das kann ich gut verstehen. Ich wurde fünfzehn Jahre lange von korrupten Leuten gegen meinen Willen manipuliert, und es fällt mir bis heute ein wenig schwer, etwas zu empfinden.“ Lloyd sagte nichts mehr, sondern sah einfach nur weiter hinab auf die Siedlung, in der schon fast alle Lichter ausgegangen waren. Er konnte verstehen, was Terra meinte, auch wenn es ihm nicht persönlich widerfahren war. „Es ist fast so, als wäre es eine beliebte Methode, Menschen zu manipulieren, indem man ihnen ihre Gefühle raubt“, dachte er, während das letzte Licht in der Siedlung erlosch. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)