Longing for your Embrace von -Arisu- (AoixUruha) ================================================================================ Kapitel 6: Coffee to go ----------------------- „Hallo, Band! Entschuldigt die Verspätung. Na, alle bereit loszulegen?!“ Uruha zog vielsagend die Brauen hoch, als Kai mit diesen Worten den Probenraum stürmte und wild mit seinen Sticks hantierte. Grillenzirpen im Hintergrund hätte den Effekt, den Kai mit seinem Auftritt bewirkte noch hervorgehoben. Reita hob seine Augen nicht einmal von seinem Bass und auch Ruki würdigte ihn keines Blickes. „Aoi ist noch nicht da“, sagte der blonde Sänger, der auf dem Boden vor der Couch saß und in einer Musikzeitschrift blätterte, die schon reichlich mitgenommen aussah. „Oh“, sagte Kai nur und ließ die Sticks sinken. „Dann warten wir eben!“ Uruha seufzte und fingerte in seiner Jackentasche nach einer Zigarette. Warten auf Aoi. Das hatte Uruha die letzten Tage schon getan. Er hatte gehofft, dass der andere sich melden würde, aber das hatte er nicht getan. Kein Anruf, keine E-Mail, kein nichts. Natürlich hätte er sich melden können, aber er hatte befürchtet, dass, wenn er anrufen würde, er nur etwas zu hören bekam, was er nicht hören wollte. Klar war das feige, aber immerhin begründet feige! Mit jedem Tag, der seit dem Konzert vergangen war, war auch Uruhas Stimmung immer tiefer gesunken. Mit jedem Tag, den er Aoi nicht gesehen und nicht gesprochen hatte. Er fühlte sich wie ein verstoßener Hund und er kam sich dumm vor, weil er trotzdem darauf hoffte Aoi zu sehen. Immer, wenn er aus dem Haus gegangen war, hatte er sich vorgestellt, wie er Aoi zufällig irgendwo über den Weg laufen würde. Immer, wenn sein Anrufbeantworter ihm eine Nachricht angezeigt hatte, hatte er gehofft, Aois Stimme zu hören. Und jedes Mal hatte er gewusst, dass das total bescheuert war. Am liebsten hätte er sich in einem Erdloch verkrochen und alles vergessen, aber das ging nicht. Leider gab es Dinge, vor denen man nicht flüchten konnte. Und vor denen er eigentlich auch gar nicht flüchten wollte. Grade weil er wusste, dass er Aoi heute sehen würde, fühlte er sich noch schlechter und gleichzeitig erfüllte ihn auch große Vorfreude. Es war ihm egal, ob Aoi ihn ignorieren würde, oder nicht. Ob er normal war, oder anders. Ihn zu sehen war das einzige, was er wollte und das war irgendwie erbärmlich. Er seufzte genervt. So total bescheuert war es ihm noch niemals zuvor ergangen. Wieder ging die Tür auf, und da war er. Uruhas Herz stockte und das leichte Kribbeln in seinem Magen trat einen Siegeszug durch seinen ganzen Körper an. Aoi blieb in der Tür stehen, als ihre Blicke sich trafen. Millisekunden wurden zu Minuten und dann sah er weg. „Morgen, Leute. Tut mir leid, dass ich zu spät bin“ „Ist doch egal! Lasst uns endlich anfangen!“, murrte Reita von seiner Couch und alle machten sich startklar. Kai gab den Takt vor und Uruha versuchte sich zu konzentrieren. 1, 2, 3. Er spielte einen Akkord an und erntete einen bösen Blick von Ruki. Verdammt, das war nicht sein Einsatz gewesen. Er zuckte entschuldigend mit den Schultern und versuchte es erneut. Dieses Mal klappte es, zum Glück. Uruha warf Aoi einen Blick zu, der genau im gleichen Moment auch ihn ansah und sie hörten Ruki bösartig knurren. „Dein Einsatz!“, sagte er zu Aoi, der schnell wegsah. „Sorry“ Uruha sah auf den Boden. Wenigstens das Thema „normal“, konnte er abhaken. Aoi war sicher nicht normal. „Normal“ war „cool“, und das grade eben war eher verstört gewesen. Er wüsste zu gern, was in Aois Kopf vorging. Hasste er ihn jetzt vielleicht? Eigentlich dürfte das nicht sein, immerhin hatte er nur getan, was Aoi gewollte hatte. Vielleicht war es auch der altbekannte Ekel vor sich selbst, der Aoi ergriffen hatte. Iih, ich hab einen Jungen geküsst und das auch noch freiwillig. Ich bin krank! Dem war Uruha schon früher begegnet und damals hatte es ihn nicht sonderlich gestört. Hatte er den Typen eben vergessen. Nur das war im Falle Aoi nicht so einfach. Aber eigentlich schätzte er Aoi auch gar nicht so ein. Sicher war er sich trotzdem nicht. „Oke Leute, noch mal von vorne!“, sagte Kai munter. Doch auch beim nächsten Mal lief es nicht viel besser und auch das Mal danach nicht. Nach dem sechsten Versuch, der sie immer noch nicht über den ersten Refrain hinaus gebracht hatte, war die Geduld aller reichlich strapaziert. „Was ist denn heute los mit euch? Seid ihr nicht ausgeschlafen?“, fragte Kai irgendwann und auch er klang nicht mehr so fröhlich, wie zum Beginn der Bandprobe. „Ich glaube wir können jetzt alle einen Kaffee vertragen!“, entgegnete Ruki genervt und ließ sich auf einen Verstärker sinken. „Ich hol welchen!“, sagte Aoi schnell. Er legte seine Gitarre ab und sah erwartungsvoll in die Runde. „Ähm, was wollt ihr?“ „Cappuccino“, seufzte Ruki. Uruha musterte Aoi, der eifrig nickte, während Kai einen Latte Macchiato bestellte. Einen Moment fragte er sich, ob Aoi ihn wohl ansehen würde, doch als Reita verkündete, dass ihm egal sei, was er bekam, kam ihm eine andere Idee. „Ich komm auch mit! Dann kann ich gucken, was die da so haben“, sagte er und legte ebenfalls seine Gitarre ab. Aoi sah ihn kurz an und dann schnell wieder weg. Also schämte er sich jetzt doch. Na super. Aber selbst wenn das so war, er musste mit ihm darüber reden, sonst würde es ab jetzt immer so bei den Proben laufen und dann konnten sie ihre Musikkarriere gleich an den Nagel hängen. Schweigend gingen sie den Gang entlang zu den Fahrstühlen. Zum Glück lief keine Fahrstuhlmusik, die konnte Uruha nicht ausstehen. So fröhlich, jazziges Gedudel hätte auch einfach nicht gepasst. Aber dann wäre die Stille vielleicht nicht so drückend gewesen. Er betrachtete Aois Miene im Spiegel, der ihnen gegenüber angebracht war und versuchte daraus schlau zu werden. „Und wie war dein Wochenende so?“, fragte er leichthin, um die Stille zu brechen. „Ganz okay“, sagte Aoi, ohne aufzusehen. Uruha seufzte und starrte auch auf den Boden. „Wir können Reita ja einen Milchkaffee mitbringen, oder einen Kakao!“, schlug er plötzlich lachend vor und endlich sah Aoi ihn an. „Ich glaube dann ist sein Geduldsfaden aber mehr als überstrapaziert“, entgegnete Aoi und grinste dann, „Das machen wir“ Der Fahrstuhl kam im Erdgeschoss an, sie verließen das Gebäude und überquerten die Straße. Das kleine Café war voller Menschen in Büroklamotten, die sich alle etwas für ihre Frühstückspause holen wollten. Aoi drängelte sich zur Kasse durch und bestellte den Kaffee für die Band. „Lass mich Reita doch wenigstens so einen pinken Donut kaufen!“, feixte Uruha, als der andere einen normalen Kaffee für den Bassisten bestellte, doch Aoi grinste nur. Vielleicht war es ja doch einfacher als Uruha gedacht hatte, die Sache zu vergessen. Natürlich war es nicht leicht für ihn, aber wenn Aoi es so besser ging konnte er durchaus so tun, als wäre alles normal. Zumindest konnte er es versuchen. Sie waren wieder beim Fahrstuhl angekommen und Aoi sah nicht mehr auf den Boden, als sich die Türen hinter ihnen schlossen. Schon das, fand Uruha, war ein Fortschritt. „Ach, Mist!“ Uruha sah den anderen fragend an. Er hatte nicht bemerkt, dass Aoi das Tablett so schief gehalten hatte, dass etwas Kaffe aus einem der Becher über sein Sweatshirt gelaufen war. „Das hab ich ja wieder toll gemacht“, murrte Aoi, während er das Tablett auf den Boden stellte und missmutig den Fleck auf seiner Brust begutachtete. „Warte, ich hab ein Taschentuch …“ Uruha zückte eine Packung Papiertaschentücher, entfaltete eins und fing an den Kaffee von Aois Klamotten zu wischen. Er spürte, wie sich Aoi versteifte und ließ langsam seine Hand sinken. Darüber hatte er nicht nachgedacht. Natürlich war Körperkontakt tabu! „Entschuldige“, sagte er leise, als er von Aois Brust aufsah. Ihre Blicke trafen sich und Uruha schluckte. Sein Magen kribbelte wie verrückt und sein Herz raste auf Hochtouren. Es war einfach unmöglich wegzusehen. Es war unmöglich ihm nicht näher zu kommen. Uruha schloss die Augen, als sich ihre Lippen trafen. Er wusste nicht was falsch oder was richtig war, als er Aoi küsste, er wusste nur, dass er nicht anders konnte. Plötzlich spürte er, wie sich Aois Arme um seinen Nacken schlossen und er den Kuss vertiefte. Uruha keuchte leise, schlag seine Arme um den anderen und zog ihn näher an sich. Uruha spürte, wie er mit dem Rücken gegen die Wand des Fahrstuhls knallte, aber das kümmerte ihn nicht. Er nahm nichts wahr, außer Aois Körper, seine Lippen, die heißen Küsse, die von ihm ausgingen. Keuchend löste Uruha den Kuss und sah Aoi durchdringend an. Noch immer hatte er seine Arme um dessen Hüfte liegen. „Warum hast du nicht angerufen?“, fragte Uruha leise. Er spürte Aois warmen Atem gegen sein Gesicht schlagen und ein Schauer durchlief ihn. Schon wieder so eine unwirkliche Situation. „Warum hast du nicht angerufen?“, entgegnete Aoi und Uruha lächelte. „Ich wollte dich nicht einengen …“, sagte Uruha leise, „Ich wollte nicht, dass du das Gefühl hast, du hättest dich zu was verpflichtet oder so … obwohl es dir unangenehm ist … so im Nachhinein.“ Aoi schüttelte leicht den Kopf und löste sich von ihm. „Ich hatte auch … Angst …“, sagte er und lehnte sich neben ihm gegen die Wand des Fahrstuhls. Uruha seufzte. Er konnte sich vorstellen, wovor Aoi Angst hatte. Wovor alle Hetero-Kerle Angst hatten. Mit einem Mann zusammen zu sein. Aoi sah ihn prüfend an. „Nicht was du denkst!“, sagte er und Uruha warf ihm einen zweifelnden Blick zu. „Ich hatte Angst, na ja, dass du nicht so empfindest, wie ich … und, dass ich mich blamiere, wenn ich bei dir aufkreuze und sage, ich hätte mich in dich verliebt …“ Uruha starrte den anderen an, der da so lässig stand und einfach solche Sachen sagte, die ihn total aus der Fassung brachten. Er hatte doch tatsächlich Gefühle für ihn. Das war so seltsam. Uruhas Herz raste, als er leise lachte vor Glück. „Man, sind wir dumm …“, sagte er leise. „Scheint so …“, stimmte ihm Aoi zu. In diesem Moment gab der Fahrstuhl ein leises Pling von sich und die Türen öffneten sich. Aoi hob das Tablett wieder auf und wollte grade den Flur betreten, als Uruha nach seinem Handgelenk griff. „Ich hätte dich nicht geküsst, wenn ich nicht auch etwas für dich empfinden würde.“ Uruhas Herz raste, während er darauf wartete, was Aoi dazu zu sagen hatte. Der sah ihn einen kurzen Moment an, dann lächelte er und beugte sich vor. „Gut“ flüsterte er, ehe er ihm noch einen kurzen Kuss gab und dann den Gang in Richtung Probenraum entlang ging. Die restliche Probe lief relativ gut ab und Kai schien zufrieden, als er ihnen nach zwei Stunden einen schönen Tag wünschte. Uruha packte seine Sachen extra langsam zusammen, um Aoi dabei im Blick zu haben, der grade noch mit Ruki diskutierte. Es war einfach unvorstellbar. Sollte er wirklich so ein Glück haben? Uruha konnte einfach nicht mehr aufhören zu grinsen, als er seine Gitarre schulterte und langsam auf die Tür zuging. „Ciao!“, sagte er laut und lächelte Aoi zu, der kurz die Brauen hochzog. „Ähm, bis demnächst, Ruki!“, hörte er Aois Stimme, als er die Tür hinter sich schloss und nur Sekunden später stand Aoi vor ihm. Er sah überrascht aus, lächelte aber dann. „Nimmst du mich mit?“, fragte er, obwohl er wusste, dass das gar nicht mehr nötig gewesen wäre. Die Parkbucht vor Aois Haus war frei, als Uruha einparkte und das Radio ausstellte. Aoi warf ihm einen kurzen Blick zu. „Also dann, bis Mo …“ Aoi hatte nach der Türklinke gegriffen, war aber in der Bewegung erstarrt, als Uruha sich zu ihm rüber beugte und ihn in einen leidenschaftlichen Kuss zog. Er wollte ihn einfach nicht so schnell gehen lassen. Aois Hände glitten über seinen Rücken und ließen ihn angenehm erschaudern, während er mit seinen schwarzen Haaren spielte. „Also eins muss ich sagen, …“, meinte Aoi, als sie sich voneinander getrennt hatten, „ich bin echt froh, dass das schon mal so gut klappt“ Uruha lachte. „Na was hast du denn gedacht?“, fragte er und dann, ohne auf Antwort zu warten, küsste ihn noch einmal. Einfach weil er es konnte und das zu wissen war ein verdammt gutes Gefühl. Verliebt sein war einfach super! Irgendwann ließ er es zu, dass Aoi sich von ihm verabschiedete, aus seinem Auto ausstieg und in seiner Wohnung verschwand, bevor zu viele Passanten auf sie aufmerksam wurden. Als Uruha den Heimweg antrat, fühlte er sich einfach nur gut. Nie hätte er gedacht, dass seine Schwestern mal recht haben würden, aber sie hatten recht gehabt. Es war anders, als alles vorher und es war perfekt. Wenn er jetzt darüber nachdachte, dass er das, was er vorher mit Aoi gehabt hatte, dem hier hatte vorziehen wollen, kam ihm das einfach nur lächerlich vor. Er summte fröhlich vor sich hin, als er seine Wohnung aufschloss und seine Sachen einfach im Flur fallen ließ. Auf dem Weg in die Küche fiel sein Blick auf den Anrufbeantworter, der fleißig blinkte. Uruha drückte auf „Play“ und machte sich dann auf den Weg seinen Kühlschrank zu durchwühlen. „Hallo Brüderchen!“, erklang die Stimme seiner älteren Schwester, aber nicht einmal das konnte seine Laune verderben. „Ich hab eine riesige Bitte an dich! Ruf mich zurück! Küsschen!“ Ein lauter Piepton erklang und Uruha fragte sich, ob der Yoghurt, den er grad gefunden hatte, wohl noch gut war. „Ähm, hey, ich bin’s …“ Uruha hielt in der Bewegung inne, als er Aois Stimme erkannte. Er stellte den Yoghurt zurück in den Kühlschrank und hielt die Luft an, um nichts zu verpassen. „Ich weiß, das ist jetzt total albern und du darfst mich auch auslachen, aber... ich hab mal ne Frage... Sind wir jetzt zusammen?“ Es piepte wieder und Uruha konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Mochte es peinlich sein, wie es wollte, Uruha fand es einfach nur unglaublich niedlich. Immer noch grinsend schnappte er sich sein Telefon und wählte Aois Nummer. „Hallo?“ „Und ich hab eine Antwort“, sagte er gut gelaunt, „Ja!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)