Träume von LorenorMidori ================================================================================ Kapitel 3: ----------- KAPITEL 3 Der Weg war spärlich beleuchtet, ab und an begegneten sie anderen Nachteulen, Diskoheimkehrern, Pärchen, einsamen Wanderern. Sie wechselten kaum ein Wort miteinander, sondern genossen die Anwesenheit des anderen, die gemeinsame Zeit, die Atmosphäre, die sich um sie herum aufgebaut hatte. In diesem Moment gab es nur sie beide, ihre unerschütterliche Freundschaft zueinander. Farins Lippen waren stetig mit einem leichten, glückseligen Lächeln umspielt, während der etwas kleinere Bela gedankenversunken neben ihm her ging. Farin wandte seinen Kopf nach links, um Bela für einige Zeit zu betrachten. Die Zeit hatte ihre Spuren hinterlassen, und auch vor der Besten Band der Welt (auuuuus Berlin!) machte sie nicht Halt. Die eine oder andere Furche zierte Belas Gesichtszüge und er war stolzer Besitzer eines Wohlstandsbäuchleins geworden, jedoch strahlte er mit der Zeit immer mehr eine gewisse, ganz besondere Aura aus, die Farin nicht in Worte zu fassen vermochte. Er konnte sich nicht erklären, was ihn so sehr an Bela faszinierte, dass seine Präsenz ihm beinahe den Atem raubte, dass sein Verstand nur auf ihn fixiert war und ihm zum wichtigsten Menschen in Farins Leben werden ließ. Als Bela damals diesen… Unfall hatte, war Farin fast durchgedreht vor Sorge, bis vom Krankenhaus endlich die Entwarnung kam, dass Bela keine lebensbedrohlichen Verletzungen davongetragen hat. Zehn lange Jahre sind seitdem vergangen. Für Farin Urlaub eine gefühlte Ewigkeit. „Wie lange wir schon nicht mehr einfach so miteinander spazieren gegangen sind…“ sagte er plötzlich in die Stille hinein, wurde sich jedoch erst hinterher bewusst, dass er seine Gedanken versehentlich laut ausgesprochen hat. Zu seinem Glück verbarg die Dunkelheit jedoch seine leichte Schamesröte vor Bela. Möglicherweise war dies einer Gründe, aus dem Bela die Finsternis so liebte – weil man seine wahren Gefühle vor anderen verbergen kann. „M-hm“. Bela sah auf und ließ seinen Blick umherschweifen. Sie waren bisher weiter gegangen, als er vermutete. Er sah etwas unsicher zu Farin hinauf, öffnete den Mund in dem plötzlichen Impuls, etwas sagen zu wollen, ließ es aber bleiben. Farin schien dies nicht zu bemerken. Sie erreichten eine Art kleinen Platz mit Blick auf die Elbe. Nachts, wenn alle Lichter der Hafenanlage strahlten, war der Anblick wunderschön. Ein Schiff fuhr gerade vorbei, von weiter Ferne ertönten Rufe, am anderen Ufer war die Stadt Hamburg zu sehen, und obwohl sie einige hundert Meter entfernt war, konnte man die wichtigsten Gebäude an großen Leuchtreklameschildern ausmachen. Farin ließ sich auf einer Bank nieder, von der man die Elbe überblicken konnte, mit dem kleinen Waldstück im Rücken. Bela setzte sich neben ihn, und sie betrachteten beide fasziniert, was sich ihnen bot. Viele Städte entfalteten ihre wahre Pracht erst nach Anbruch der Dunkelheit, das wussten sie beide, deshalb genossen sie für eine Weile einfach die Aussicht. Farin bemerkte nach einiger Zeit, dass Bela den Blick auf ihn gerichtet hatte, als ob er auf etwas wartete. Farin sah ihm direkt in die Augen und wartete, bis Bela erzählte, doch stattdessen griff dieser in die Innentasche seiner Jacke und holte einen baumelnden Gegenstand hervor, den Farin zunächst nicht identifizieren konnte. Bela hielt Farin den Gegenstand entgegen, und dann erkannte der Blonde, dass es sich um eine Kette handelte, an deren langem Ende ein Anhänger baumelte. Merkwürdigerweise kam Farin diese Kette seltsam bekannt vor… „Erinnerst du dich?“ fragte Bela in die Stille hinein und ließ die Kette leicht hin und her schwingen. Das schwache Licht der Laternen spiegelte sich auf dem Anhänger wider. Farin dachte angestrengt nach, doch wollte es ihm nicht einfallen, woran er sich erinnern sollte. Bela wartete seine Antwort nicht weiter ab. „Die haben wir vor ungefähr einem halben Jahr zusammen gekauft. Ich hab dich eines Nachmittags angerufen, ob du nicht Lust hättest, mich in die Stadt zu begleiten, da ich etwas zu erledigen hätte, und du hattest Ja gesagt. Also hast du mich von daheim abgeholt, und wir haben einige Juweliere unsicher gemacht.“ Farins Erinnerung kam zurück, und er schämte sich ein wenig dafür, dass er so lange gebraucht hatte. Und nun fiel ihm auch wieder ein, für wen diese wundervolle Kette bestimmt war. „Warum erzählst du mir das alles? Was hat es mit dieser Kette auf sich?“ wollte Farin nun wissen, da er sich denken konnte, dass die Kette, Belas Erzählung und seine Traurigkeit in unmittelbarem Zusammenhang zueinander standen. „Heute morgen, als ich aufgestanden bin… lag die Kette auf dem Küchentisch. Unter der Kette befand sich ein Zettel, doch den habe ich aus… Wut… verbrannt.“ Belas Stimme nahm wieder diesen niedergeschlagenen, unendlich traurigen Tonfall an, was bei Farin ein schmerzhaftes Gefühl auslöste, denn er hasste es, seinen Freund so leiden sehen zu müssen. Eigentlich wollte er gar nicht mehr wissen, was passiert ist, da er wusste, dass er deswegen wütend werden würde. Dieses gottverdammte Miststück! Jetzt bekam Farin auch noch ein schlechtes Gewissen, weil er Bela unwissentlich an den Ort – sein eigenes Zuhause – zurück geschickt hat, dem er für die Albumaufnahmen dankbarerweise entfliehen wollte. Doch Bela redete erbarmungslos weiter. „Sie hat jetzt ´nen andern. Schon seit einiger Zeit. Als ich mit Los Helmstedt unterwegs war. Sagte, sie will keinen Mann an ihrer Seite, der nie daheim ist und nie Zeit für sie hat, weil ihm die Musik und die Band wichtiger sind.“ Das hätte sie doch eigentlich von Anfang an wissen müssen, dachte Farin bei sich. Aber er wusste schließlich selbst nur zu gut, wie das ist. „Deshalb kam ich heute auch später als ich gesagt habe. Ich war wieder zu Hause, und … es roch noch nach ihr, ihre Sachen lagen teilweise noch herum… das hat mich eben einfach mitgenommen. Ich dachte, ich könnte mir das ersparen, indem du einfach die CD mitbringst, anstatt dass ich extra nochmal nach Hause muss… wenn es mir deswegen nicht so schlecht gehen würde, hätte ich die CD natürlich nicht vergessen… irgendwie ist das alles ein verschissener Teufelskreis.“ Bela atmete tief aus, ein langes Seufzen entfuhr seinem Mund. Je mehr er erzählte, desto mehr Mitleid rief er in Farin hervor. „Ach ja, und das übliche, dass es ihr Leid tut, dass es trotzdem eine sehr schöne Zeit war und dass sie nichts bereut…“ „Hast du ihr Geld gegeben?“ fragte Farin wie aus der Pistole geschossen. Er wusste, dass Bela für diese Welt viel zu naiv und leichtgläubig war. Bela lachte jedoch nur leise und verneinte. „Selbst jemand wie ich lernt irgendwann aus seinen Fehlern.“ Er beobachtete Farin, wie dieser mit saurem Gesichtsausdruck auf die Elbe starrte. Tatsächlich musste dieser seine Wut unterdrücken und sich in Selbstbeherrschung üben. Wie konnte sie ihm das nur antun?? Ausgerechnet ihm, dem Sensibelchen der Band, dessen Gefühle für Farin seit jeher ein offenes Buch sind. Bela betrachtete den Anhänger, ließ die Kette zwischen seinen Fingern hindurch gleiten. „Hätte ich sie doch bloß dir geschenkt. Da wüsste ich zumindest, dass sie gut aufgehoben ist.“ Farins Augen weiteten sich, als Bela das sagte. Er wandte seinen Kopf und sah Bela an, der seinen Blick immer noch auf den Anhänger gerichtet hatte. Ebenfalls war er irritiert, als er bemerkte, dass Bela seine Hand unbewusst auf Farins gelegt und sein Handgelenk leicht umklammert hielt, suchend nach Halt und Hilfe. Ein sonderbares Gefühl stieg in Farin hoch, sein Herz begann merkwürdigerweise zu pochen. Was zur Hölle meinte Bela damit? Warum hatte er das gesagt? Und warum diese zärtliche, innige Berührung? Der blonde Hüne konnte auf das alles keinen Reim machen, wagte aber nicht nach der Bedeutung zu fragen. Zum ersten Mal seit langer Zeit verschlug es Farin Urlaub die Sprache. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)