Cruel Nature von Rhyo ================================================================================ Kapitel 2: Blutspende --------------------- Blutspende „Argh, ich kriege es einfach nicht hin“, flucht Desmond, und wirft seine Arbeit zur Hinterfragung des Atomteilchenmodells auf das Bett. Eine Pause wäre wohl angebracht... Als Wissenschaftler hat man es eben nicht leicht, denkt Desmond. Seine Forschungen machen ihm zwar Spaß, aber viel verdient hat er noch nicht dadurch. Jetzt ist es schon fast Mitternacht und er ist immer noch nicht fertig. Desmond weiß, dass er theoretisch schlafen gehen könnte, und dann morgen weiterarbeiten könnte, aber er hasst es, etwas nicht zu Ende zu bringen. Und er ist doch schon so nah dran...! Er setzt sich wieder an seinen Schreibtisch. Geduld und einen klaren Verstand, das ist es, was gute Wissenschaftler brauchen, sagt er sich. Nach einer Stunde intensivem Arbeiten legt er den Stift hin. Sein Hemd ist nass vor Schweiß und Desmond ist froh, endlich fertig zu sein, da klingelt das Telefon. „Wer ruft denn so spät noch an?“, fragt er das Telefon genervt, aber er nimmt ab und meldet sich mit einem freundlichen: „Hallo, Desmond Corin hier?“ „Hallo mein Schatz!“, antwortet eine heitere Frauenstimme. „Shou!“, ruft Desmond glücklich. Mit seiner Freundin hat er nicht mehr gerechnet. „Schön, dass du anrufst! Aber weißt du, wie spät es bei uns ist?“ Shou kichert etwas: „Keine Ahnung, bei uns in Kanada ticken die Uhren etwas anders. Aber ist doch auch egal, du hast bestimmt noch gearbeitet.“ Desmond ist erstaunt darüber, wie gut Shou ihn kennt. „Richtig... Ich bin auch todmüde. Und auf morgen freue ich mich auch schon, ich muss die neuen Laborgeräte bezahlen, fragt sich nur von was.“ „Hast du Geldprobleme?“ Shou klingt besorgt; „Du hattest so ein hohes Startguthaben als du dir das mit dem Labor in den Kopf gesetzt hast.“ „Stimmt, aber das Geld war schnell weg. Ich bin permanent dabei, mir nebenbei noch etwas zu verdienen, zumindest bis ich mit meinen Forschungsergebnissen erste Erfolge erzielt habe.“ „Du könntest ja Blut spenden gehen, da gibt es auch Geld für. Wenn auch nicht viel.“ Desmond denkt kurz darüber nach, immerhin weiß er, dass sich das Blut in seinem Körper regeneriert, so würde er keinen Verlust machen. „Das ist eine gute Idee. Ich fahre morgen zur Klinik.“ Shou gibt einen zufriedenen Ton von sich. „Was würdest du nur ohne mich tun...“ Am nächsten Tag ist Desmond schnell fertig, um zur Klinik zu fahren und Blut zu spenden. Er trägt einen schwarzen Anzug, um dort wo er hingeht auch einen guten Eindruck zu hinterlassen. Nach einer kurzen Autofahrt ist er da, er steigt aus und geht auf die Tür der Klinik zu, doch bevor er sie öffnen kann, klingelt sein Handy. Er geht weg von der Tür und nimmt ab: „Hallo?“ „Desmond? Wo bleibst du? Ich untersuche gerade ein hoch giftiges Destillat. Wann kommst du zur Arbeit?“ „Das Labor gehört mir, ich komme zur Arbeit wann ich will“, antwortet Desmond genervt und legt auf. Sein Kollege Michael ist ein komischer Typ, denkt er. Er hat keine Ahnung von Physik und Chemie, aber nimmt trotzdem einen schlecht bezahlten Job als Laborassistent an. Desmond weiß, dass er ihn besser im Auge behalten sollte, man weiß ja nie. Aber genug Zeit vergeudet, Desmond betritt die Klinik durch die sich automatisch öffnenden Türen und spricht die Frau an der Rezeption an. „Guten Tag, ich heiße Desmond Corin, ich würde gerne Blut spenden.“ „Bitte hier entlang“, sagt die Frau und führt ihn in einen kleinen Raum dahinter. Dann bückt sie sich, um ein paar Formulare aus einer Schublade zu kramen und sie vor Desmond auszubreiten. „Bitte füllen Sie das alles aus.“ „Natürlich“, antwortet Desmond gleichgültig. Während er sich die Blätter durchliest, fällt ihm auf, dass die Frau ihn permanent anlächelt. Sie ist freundlich, aber langsam wird es auch nervig. Er reicht ihr die Blätter zurück. „Danke“, sagt sie; „Ich bin Frau Richter. Wenn Sie nichts dagegen haben, werde ich Ihnen das Blut abnehmen.“ Desmond lässt sie machen. Was sollte er auch dagegen haben? Frau Richter scheint zwar jung zu sein, aber deswegen ist sie bestimmt nicht unqualifiziert. Mit ihm ist das ja genauso. „Danke für Ihre Spende“, sagt Frau Richter nach der Prozedur; „Wir haben es bitter nötig.“ „Warum das?“, fragt Desmond. „Sie werden lachen, aber seit ein paar Wochen bricht alle paar Tage jemand in die Klinik ein und stiehlt die Blutkonserven aus den Kühlkammern.“ Desmond muss schmunzeln, von sowas hat er noch nie gehört. „Warum sollte jemand sowas stehlen?“ „Keine Ahnung“, antwortet Frau Richter gelassen; „Aber dem Chef ist es wohl wirklich wichtig, dass diese Person geschnappt wird. Er bezahlt Tipps sogar mit Geld.“ „Warum kümmert sich die Polizei nicht darum?“, fragt Desmond. „Sie haben es versucht, aber sie schaffen es einfach nicht, sich unauffällig zu verhalten. Da ist es ja klar, dass der Dieb nicht auftaucht.“ Desmond grinst: „Wenn ich den Dieb für euch fange, wie viel wäre da wohl für mich drin?“ Frau Richter sieht ihn erstaunt an: „Ähm, ich weiß nicht. Aber bestimmt eine ordentliche Summe.“ „Gut zu wissen“, sagt Desmond; „Ich fahre jetzt nach Hause, ich muss etwas vorbereiten...“ Mit diesen Worten verlässt er den Raum und kurz darauf die Klinik. Ich muss es tun, denkt Keisuke. Er sitzt auf dem Sofa im Wohnzimmer und streichelt Shya, während er darüber nachdenkt, sich wieder Blut zu besorgen. Er hat zwar noch etwas Blut vom letzten Einbruch übrig, aber die Gelegenheit diesen Abend ist unverwechselbar günstig, denn Miho und Sakito sind beide auf einer Feier, und würden erst in der tiefen Nacht nach Hause zurückkehren. „Meine große Schwester mag es zwar nicht, wenn ich Blutkonserven klauen gehe, aber ich muss mich ja auch irgendwie am Leben halten“, sagt Keisuke sich und verlässt das Haus. Die Klinik ist nicht weit weg, gerade mal zehn Minuten von seinem Haus. Die Luft bei Abend gefällt Keisuke sehr gut, und er freut sich, dass sie Sonne schon fast untergegangen ist. Als er bei der Klinik ankommt, ist es fast ganz dunkel. So wie immer, denkt Keisuke und begibt sich auf die hintere Seite des Gebäudes. Dort führt eine kleine Treppe nach unten zu einer Tür, durch die man in die Klinik gelangt, aber sie ist verschlossen. Keisuke nimmt sich eine Haarnadel aus seiner Hosentasche, die er sich von seiner Schwester „geliehen“ hat und fängt an, damit am Schloss rumzufummeln. So steht er 15 Minuten lang bis es endlich „Klack“ macht und die Tür offen ist. Die Dunkelheit im Keller stört ihn nicht weiter, da er ja auch im Dunkeln sehen kann. Zum Glück ist kein Mensch da... Keisuke geht am Ende des Kellergangs eine Treppe hoch und gelangt zum Lagerraum. Er ist schrecklich aufgeregt und sein Herz schlägt schnell. Hoffentlich würde ihn niemand erwischen... Die Kühlräume sind nicht weiter verschlossen, also nimmt Keisuke sich einfach ein paar Tüten voll Blut raus und geht langsam zurück zu der Treppe, die zum Keller führt. Plötzlich geht im gesamten Komplex das Licht an, Keisuke erschreckt sich. „Keine Bewegung!“ Keisuke dreht sich um. Hinter ihm steht ein erwachsener Mann. Er hat blonde Haare und trägt einen Anzug, aber was viel wichtiger ist... Er hat eine Schusswaffe auf Keisuke gerichtet. Keisuke hat Angst, jetzt ist es vorbei. Was soll er machen? Versuchen zu fliehen? Was, wenn der Fremde die Pistole abfeuert? Er ist zwar ein Vampir, aber könnte ihn das töten? Und selbst wenn nicht, es würde trotzdem höllisch wehtun. „Du kommst jetzt mit mir, du Dieb“, sagt der Fremde mit einem grinsen im Gesicht. Nein, denkt Keisuke, das geht nicht. Er muss fliehen... Schnell! Und so tut er es, er stürzt sich in einem rasenden Tempo die Treppe runter und merkt, dass der Fremde währenddessen Schüsse abgibt, die zum Glück nicht getroffen haben. Er verfolgt mich, denkt Keisuke, und er läuft durch den ganzen Keller, stolpert dabei über alle möglichen herumliegenden Sachen und hält die Blutkonserven fest in der Hand. Jetzt kann er schon die Tür sehen, sie ist nicht mehr weit! Doch dann passiert etwas Unvorhergesehenes: Die Kellertür lässt automatisch von innen ein Eisengitter runter! Keisuke versucht verzweifelt, es hoch zu heben, aber es ist einfach zu schwer. Er dreht sich nach hinten, und der Fremde steht vor ihm, in der rechten Hand die Pistole auf Keisuke gerichtet und in der linken Hand eine Fernbedienung. „Hab dich“, sagt er triumphierend. „Nein, bitte, lass mich erklären...“, fängt Keisuke an, doch der Mann unterbricht ihn indem er ihm Handschellen anlegt. „Erkläre es der Polizei.“ Er betätigt die Fernbedienung und das Eisengitter verschwindet wieder nach oben. Polizei... Wenn Keisuke zu Polizei gebracht wird, gibt es Ärger, und es könnte noch schlimmer kommen. Was, wenn er ins Gefängnis muss? Dort hat er kein Blut zum Trinken... Dort würde er sterben. „Die Pistole kann ich wegtun, meinst du nicht?“, fragt der Mann und steckt seine Waffe weg. „Und jetzt komm mit zu meinem Auto.“ Was mache ich jetzt, fragt sich Keisuke. Wenn ich ihm sage, dass ich ein Vampir bin, wird er es mir nicht glauben, aber ich wüsste nicht, wie ich es ihm beweisen soll. Ich kann mich ja nicht in eine Fledermaus verwandeln oder all so ein Zeug! „Steig ein“, sagt der Mann forsch, nachdem er die Autotür geöffnet hat. Keisuke gibt keine Widerworte und tut wie geheißen. Er hat eh keine Wahl. Das Auto wird in Bewegung gesetzt und fährt los. Nach fünf Minuten fragt der Fremde: „Nur mal so aus Interesse. Warum stiehlst du Blutkonserven? Was bringt es dir?“ „Ich bin ein Vampir“, antwortet Keisuke ehrlich, doch der Fremde muss nur lachen. „Ja, genau, das ist wohl das wahrscheinlichste!“ Plötzlich gibt es eine große Erschütterung, und der Fremde macht eine Vollbremsung. Zum Glück ist Keisuke angeschnallt, darum hat sich der Mann noch gekümmert. „Verdammt, was war das?!“, ruft er, doch dann erscheint vor ihnen auf der Straße ein großer, schwarzer Schatten, dem Keisuke spontan keinen Tier oder Mensch zuordnen könnte. Aber das ist noch nicht alles: Der Schatten scheint zu leben! Allmählich nimmt er Gestalt an, und wirkt wie ein großer, schwarzer Stier. Das Monster rennt auf das Auto zu und springt nach oben, woraufhin sich der Fahrer abschnallt und aus dem Auto rollt, aber Keisuke kann sich nicht bewegen, also hält er seine Hände schützend vor sich und schließt die Augen. Er hört ohrenbetäubenden Lärm von zersplitterndem Glas und das ganze Auto wird einen Satz nach hinten geschleudert, aber Keisuke ist nichts passiert. Er hat überhaupt nichts vom Monster gemerkt, es ist, als wäre nie ein Riesen-Schatten-Stier auf ihn zugesprungen, wenn man mal von den ganzen Schäden am Auto absieht. Keisuke macht die Augen auf und stellt fest, dass seine Handschellen durchtrennt sind. Er kann es sich nicht erklären, aber er nutzt die Gelegenheit um aus dem Auto zu stürmen und zu fliehen. Vom schwarzen Stier merkt er nichts mehr, und wo der Fremde ist, will er gar nicht wissen. Er rennt nur so schnell er kann nach Hause. Desmond richtet sich langsam auf, und sieht, dass sein Auto nun nicht mehr als ein Schrotthaufen ist. Völlig geschockt setzt er sich erstmal hin, er kann nicht glauben was gerade passiert ist. Plötzlich bemerkt er einen großen Mann mit langem, schwarzen Mantel, der gemächlich an ihm vorbeigeht. „Du hast Glück... Ich habe heute schon gespeist“, murmelt der Mann im Mantel. „Was willst du damit sagen?“, fragt Desmond furchtlos. „Und was war das gerade?“ Der Mann lacht laut: „Das werde ich dir wohl kaum sagen. Aber ich rate dir wirklich, Keisuke in Ruhe zu lassen. Du weißt nicht, was mit dir passieren könnte.“ Mit diesen Worten geht er schnellen Schrittes weg. „Der Junge heißt also Keisuke... Das sollte ich mir merken“, denkt Desmond. Der Mann im schwarzen Mantel schreitet ruhig durch die Nacht und flüstert: „Ich werde auf dich aufpassen. Ich will ja nicht, dass meinem Sohn etwas zustößt.“ Vorschau auf Kapitel 3: Das Licht des Morgens wird überschattet von falscher Freundlichkeit. Über die Rückkehr eines guten Freundes sollte man glücklich sein, aber wer selbst ein Wesen der Nacht ist, wird es schwer haben, Freund und Feind zu unterscheiden. Der Vampir, von Menschen umringt. Kapitel 3: Erklärung Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)