Meister der Rosen von -kira94- ================================================================================ Kapitel 6: ----------- 6. Kapitel Kritisch runzelte Leila die Stirn, als sie mit einigem Abstand das Kleid betrachtete. Es war rot oder zumindest war rot gewesen. Dunkel, die Farbe getrockneten Blutes, welche gerade nicht besonders gut zum Vorschein kam, da uralte Spinnweben, sie wollte gar nicht erst wissen, aus welchem Jahrhundert die stammten, daran klebten und sie von einer dicken Staubschicht bedeckt war. An den Ärmeln hatte es einmal weiß gewesene Rüschen und am Hals, den etwas zu tiefen Ausschnitt entlang ebenfalls, wie am Rocksaum, wo es den Boden streifte. Hoffnungslos verzog die junge Frau das Gesicht. Und sie musste es wieder in Ordnung bringen?! Das konnte ja heiter werden! NEIN! Sie würde jetzt nicht anfangen zu jammern. Das tat sie viel zu oft! Aber heute nicht! Entschlossen nickte sie, packte sich das Kleid, das sie möglichst weit von sich entfernt hielt, und eilte die Treppe hinunter, durch die Küche, den Vorraum und nach draußen. Erleichtert atmete sie die frische Luft ein. Der erste Schritt war geschafft. Ihr Bett konnte sie nachher auch neu überziehen, ein Teil des Staubes war dort sicher liegen geblieben... Missmutig blickte sie das Kleidungsstück an. Sie würde sich nie mit ihm anfreunden können, dafür brachte es ihr viel zu viele Unannehmlichkeiten, wie zum Beispiel das selbstständige Waschen von Wäsche! Traurig schüttelte sie den Kopf. Es hatte keinen Sinn sich darin zu verlieren, wie dem Kleid eine besondere Behandlung zuteil wurde. Es gehörte dem Meister. Sie konnte sich gut vorstellen, dass er sie dafür verantwortlich machte, wenn diesem altem Fetzen irgend etwas zustoßen sollte. Also die Aufgabe das Kleid auf Vordermann zu bringen hatte im Augenblick höchste Priorität! Leila schloß die Augen. Das Kleid hielt sie vor sich, ihr gegenüber. In dieser Jahreszeit gab es immer Wind, sie musste ihn nur finden. Ein geheimnisvolles Flüstern, wie der leise Gesang unendlich vieler Stimmen. Die junge Frau schlug die Augen auf und ließ los. Bevor es ganz zu Boden sank, erfasste es eine Windböe, die es allerdings nicht mit sich riß, sondern eher ihre Runden um es drehte und jedesmal, wenn sie es streifte ein Stückchen Dreck mitnahm. Es war die angenehmere Methode es sauber zu kriegen, auch wenn ihr das Waschen von Hand nicht erspart bleiben würde. Leider. Leila setzte sich auf den Boden, solange sie wartete. Sie wollte es nicht anziehen! Aber sie musste... Das war doch alles zum Haareausreißen! Als Kind hätte sie niemals "Nein" gesagt, wenn man sie gefragt hätte, ob sie nicht wie eine dieser Prinzessinnen herumlaufen wollte, doch jetzt war sie mit der Farbe braun und einfacher warmer Wolle höchst zufrieden. Natürlich hatte sie auch andere Farben, wie grau oder auch schwarz, hin und wieder war auch blau in ihrem Kleiderschrank gehangen. Aber wieso ausgerechnet rot! Sie hätte am Liebsten angefangen zu Heulen! Was natürlich auch wieder doof gewesen wäre, da sie eigentlich keinen angemessenen Grund dafür hatte. Hatte sie jetzt schon Stimmungsschwankungen oder was?! Ohne nicht mal schwanger zu sein?! Das war alles so kompliziert! Überrascht blickte sie auf und stellte fest, dass sie das Kleid vergessen hatte. Na ja der Wind tat ihm ja nichts. Sie stand auf und ging ins Haus hinein, es konnte ruhig noch ein wenig länger dort hängen bleiben. Leila hatte es nicht sehr eilig in die Küche zu gehen und hinter dem kleinem Raum, der durch einen alten grauen Vorhang abgetrennt wurde eine Waschwanne zu holen. Sie hatte ja Zeit. Bis heute Abend musste sie zwar vorzeigbar aussehen. Aber wie hieß es doch, in der Ruhe lag die Kraft! Sie wollte nun einmal alles perfekt machen, das musst er einfach verstehen! Und wenn sie bis dahin nicht fertig war, dann würde er sicher einsehen, dass das alles seine Schuld war, weil er es ihr viel zu spät gesagt hatte. Er würde ihr den Kopf abreißen! Wütend verdrehte Leila die Augen! Es war ja auch immer nur sie, die alles falsch machte! Und diese verdammte Wanne war auch so verdammt schwer! Sie haßte das Geräusch, wenn Metall an irgend etwas entlang schrammte. In diesem Fall der Boden. Na toll, jetzt durfte sie auch noch Wasserschleppen! Blöder Meister mit seinem Geschwätz von, eine Hexe hat doch bestimmt ihre Tricks um damit leicht fertig zu werden! Sein Charakter würde sich niemals bessern, selbst wenn er noch weitere tausend Jahre lebte! Wahrscheinlich würde er das sogar... Irgendwie konnte sie es sich nicht vorstellen, dass der Meister umkommen könnte. Und an Altersschwäche sterben war ausgeschloßen. Er sah ja jetzt noch aus wie ein junger Mann zwischen 20 und 30 Jahren und soweit sie wusste, würde er das auch noch für die kommenden Jahrhunderte tun. Sie schüttete das eiskalte Wasser mit einem Aufplatscher in die Wanne, von wo es kurz aufspritzte. Das würde schon reichen, sie hatte keine Lust noch einmal zu laufen. Man musste es nur richtig anstellen! Leila fing an in ihrer Gürteltasche herumzukramen und zog wenig später eine kleine blaue Glasampulle mit einer schwarzen Flüssigkeit hervor. Sie diente zur Vervielfältigung. Das andere Fläschchen, das sie noch gesucht hatte, hatte sie nach noch kürzerer Zeit gefunden. Es war etwas, das eigentlich bei jeder wohlhabenderen Dame zu finden war. Parfum. Auch wenn dieses hier für Kleidung war und man es ins Wasser tun musste. Rosenduft. Sie lächelte, als sie daran roch. Dann wurde sie rot. Es musste schon ein seltsamer Anblick sein, wenn man einer Hexe dabei zusah, wie sie an einem Rosenparfum roch... Irgendwie fühlte sie sich gerade beobachtet. Es war gut, dass der Meister nicht da war. Nachdem sie ein bisschen davon ebenfalls mit dem Wasser vermischt hatte, ließ sie es schnell wieder in ihrer Tasche verschwinden. Musste ja niemand sehen. Ihr Blick wandte sich wieder dem Kleid zu. Es sah ein wenig mitgenommen aus. Egal! Sie zog es zu sich heran und tauchte es erst einmal vollständig unter Wasser. Es verfärbte sich daraufhin gleich gräulich. Und das sollte sie anziehen! Die Zeit verging und ihre Finger fingen schon seit einer Weile an zu verschrumpeln, doch wenn sie schon mal dabei war, konnte sie es auch ordentlich machen und nicht gleich nach dem aller Nötigstem aufgeben! Letztendlich zog sie es doch heraus und entfernte dabei gleichzeitig mit der anderen Hand, den Dreck aus dem Wasser, wobei die Hälfte des Wassers aber ebenfalls verschwand. Dann tauchte sie es wieder ein, bis der Inhalt der Wanne wieder zu bräunlich war, und das Ganze wiederholte sich dann so oft, bis das Wasser endlich sauber blieb, egal wie lang das Kleid darin lag. Oder liegen würde, Leila hatte jetzt keine Lust für unnütze Experimente! Und wieder traf der Wind auf das Kleidungsstück und trocknete es. Jetzt war es wieder ein angenehmerer Anblick, auch für jene, welche die Farbe rot nicht bevorzugten. Sie musste es nur noch mit Hilfe eines magischen Steins glätten, was auch sofort geschah. Bald würde es dämmern. Sie hatte wirklich lang genug gebraucht! Der Meister konnte sich glücklich schätzen, dass sie eine Hexe war! Nun kam noch die tolle Anprobe. Wenn es ihr nicht passte, würde sie das auch noch umändern müssen! Es würde zwar nicht so lange dauern, aber es war ermüdend Magie längere Zeit bewusst aufrechtzuerhalten. Sie schloß ihre Zimmertür sorgfältig hinter sich ab und zog auch die Vorhänge vor das Fenster. Diese Erfahrung hatte sie gleich am zweitem Tag ihres Einzugs gemacht, dass man Türen am Besten immer absperren sollte, wenn man sich umzog oder andere private Dinge zu erledigen hatte! Sonst konnte es passieren, dass plötzlich ein Mann mitten in der Tür stand und einem schamlos musterte, während man sich wünschte im Erdboden versinken zu können! Diese Aktion hatte nicht gerade zu einem guten Verhältnis zueinander beigetragen. Sie legte ihr Wollkleid sorgfältig zusammengelegt auf das Bett und schlüpfte in das für den Ball. Es war warm, ein Pluspunkt, da ihr die meiste Zeit kalt war, sie war nun mal ein verfrorener Mensch, und passte wie angegossen. Etwas Positives an diesem Tag oder eher seit dieser freudigen Nachricht! Was sollte sie jetzt mit ihren Haaren machen? Der Ausschnitt war wirklich zutief! Es klopfte. Gedankenverloren blieb Leila stehen und rührte sich nicht. Es klopfte noch einmal. Sie fuhr zusammen, machte auf dem Absatz kehrt und trat prompt auf den Saum. Ein spitzer Schrei drang aus ihrer Kehle, als sie verzweifelt versuchte sich auszubalancieren, was mit so viel Stoff gar nicht einmal so leicht war und rettete sich schließlich erleichtert ausatmend an die Türklinge, wo sie sich für einen Moment um Fassung bemühte, dann den Schlüssel im Schloß umdrehte und die Tür öffnete. "Meister, Meister gib mir Rosen, Rosen auf mein weißes Kleid.", ertönte die Stimme in ihrem Kopf. Ihre Augen verengten sich, doch sie überging es. Die junge Frau wandte sich um und eilte zu ihrem Bett zurück, bei dem sie zuerst noch das Kleid ordnete, um sich dann auf der Kante niederzulassen. Irgendwie kam sie sich jetzt schon wie eine Puppe vor. Wie sollte es erst werden, wenn sie auch noch von lauter anderen Puppen umgeben war! "Und was sagt Ihr, Meister?" Er blinzelte überrascht. "Na ja ich wusste schon immer, dass du einen wohlgeformten Körper hast." Ihr Kopf sank immer tiefer, tiefer und tiefer. Nicht einmal die einfachste Frage konnte er wirklich ernsthaft beantworten! Oder hatte er ihr wirklich nur die ganze Zeit in den Ausschnitt gestarrt?! Sie wusste doch, dass er zu tief war! "Sonst steht es dir perfekt. Schließlich habe ich es auch ausgesucht." Ging es bitte noch mehr selbstverliebt?! Alte Männer, alte Männer... Sie versuchte ihre Nerven damit zu beruhigen. Bis ihr einfiel, dass zu Hause auch so ein alter Mann auf sie wartete! "Die Perlen sehen auch schön aus weißt du, wie frischer Schnee, auf rotgefärbtem Tuch." Er grinste. Es war sehr unwahrscheinlich, dass er eine andere Substanz meinte, die dieses "Tuch" gefärbt haben könnte, als die, von der sie es dachte! Ach ja, auf dem Oberteil waren weiße Perlen aufgenäht, Oberkörper inklusive Ärmel. Der Rock war geteilt und darunter sah man einen ebenfalls roten Rock, nur eben auch mit weißen Perlen. Für ihren Geschmack war an diesem Kleid viel zu viel unnötiger Schnickschnack! Der Meister hatte wieder den Hocker hergezogen, doch machte er keine Anstalten sich darauf niederzulassen. "Setz dich." Er machte eine unverständliche Handbewegung und Leila blickte ihn genauso verständnislos an. "Äh Meister, ich sitze bereits!" Sie beobachtete ihn besorgt von der Seite. Ging es ihm gut? "Würdest du dich bitte setzten, kleine Hexe, auf diesen Hocker dort?!", irgendwie wirkte er genervt. Vorsichtshalber stand die junge Frau auf und bewegte sich langsam auf den Hocker zu. Plötzlich spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter, die sie nach unten drückte, und einem Moment später saß sie auch schon auf ihrem zugewiesenem Platz. "Was soll das, Meister?!", sagte sie wütend und drehte dabei ihrem Kopf ein wenig, um ihn besser zu sehen. Seine Hand nagelte sie immer noch fest. Aus den Augenwinkeln konnte sie verschwommen eine Bürste und einen Kamm sehen, bis sie aus ihrem Blickfeld verschwanden und auch die zweite Hand auf ihrer anderen Schulter ruhte. "Oh nein, Meister, nein! Ich werde nicht... Ihr werdet schön die Finger von meinen Haaren lassen! Ich komme auch alleine zurecht!", fing sie an los zureden und versuchte sich aus seinem Griff zu befreien. Seine Hand umfasste ihren Nacken und erfasste mit der anderen die Bürste. Hatte er sonst noch irgendwas in der Hand gehabt? "Nein, Meister, nein! Lasst meine Haare in Ruhe! Ihr habt kein Recht dazu!" Leila schrie wie am Spieß und stampfte wütend mit den Füßen auf dem Boden auf. "Halt still, sonst tut es noch mehr weh!", waren seine einzigen Worte, welche er für nötig hielt zu sagen. Es tat nicht weh. aber allein die Vorstellung, dass sich irgend jemand an ihrem heißgeliebtem schwarzem Haar vergriff...! "Meister, ich will, ich verlange...!" "Willst du mit offenen Haaren dort ankommen, einer Frisur, die selbst ein Bauernmädchen beherrscht?", unterbrach er sie kalt. Sie schwieg. Das war natürlich schon ein Argument, aber... "Ich bin durchaus im Stande, mich selbst um sie zu kümmern!", zischte sie mit zusammengebissenen Zähnen. Er sagte nichts, doch sie spürte deutlich den brodelnden Blick in ihrem Rücken, der sie sich automatisch versteifen ließ. "Au!", sie wollte nach ihrem Kopf fassen, doch sie streifte nur seine Hand und schreckte zurück, als sie gegen eine Kralle stieß. Beleidigt verzog Leila das Gesicht, schlug die Beine übereinander, verschränkte die Arme vor der Brust und durchbohrte den Fußboden mit einem hitzigem Todesblick, sodass man hätte meinen können, Rauchwölkchen könnten bald von dieser Stelle aufsteigen. Warum musste er jetzt schon wieder so an ihren Haaren herum zupfen?! Er könnte auch sanfter sein! So ein Idiot! Sie haßte es, wenn sie schmollte! Warum tat sie das jetzt auch wieder?! Alles nur wegen ihm! Sie haßte ihn! Die junge Frau brodelte im Stummen vor sich hin, wie ein überschäumender Kochtopf, und verlor sich nach einiger Zeit in ihren Mordgedanken. Hosted by Animexx e.V. 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