Auf der Suche nach einer zweiten Chance von Tori-chan1 (Die Insel des Glücks) ================================================================================ Kapitel 1: Der Neuanfang (Chelsea) ---------------------------------- Das Meer so nah, der Wind im Haar, das Rauschen der Wellen im Ohr. Ich befand mich auf einer Fähre, die seine Passagiere zu ihrer neuen Zukunft, nämlich der Insel des Glücks, führen sollte. Ich war in meinem ganzen Leben noch nie so aufgeregt gewesen wie in diesem Moment. Ich war ein Mädchen voller Träume und Hoffnungen auf ein neues, besseres Leben. Ich kann nicht behaupten immer unglücklich gewesen zu sein, aber ich hatte viel durchmachen müssen und nun, wollte ich einen Neuanfang starten! Ich wollte wieder ganz von vorne anfangen, deshalb hatte ich mich auch dafür entschieden auf diese verlassene Insel zu ziehen. Alles sollte sich verändern, nichts würde mehr so sein wie es einmal war. Ich war bereit für dieses „Abenteuer“, das wusste ich nun. Ich würde nun nicht nur ein neues Kapitel dem Buch meines Lebens hinzufügen, nein! Ich würde alles Vorangegangene löschen, die schon beschrieben Seiten aus dem Buch reißen und nun die unbeschrieben Seiten mit MEINEM LEBEN füllen. Es würde MEIN Leben sein, und ich würde es so gestallten wie ich es wollte. Wie ein Säugling der das Licht der Welt erblickt und seinen ersten Atemzug macht, so machte auch ich meinen ersten Atemzug hier auf dem Meer, so voller Vorfreude und Hoffnung. Ich war frei! Es war ein so aufregendes und unbeschreibliches Gefühl. „Insel des Glücks“, flüsterte ich leise. Welch ein wunderschöner und verheißungsvoller Name. Der Tag wich langsam der Nacht. Der Himmel war wolkenfrei und die Wellen wogten sanft auf und ab. Der perfekte Tag für eine Schifffahrt. Die Sonne verlor sich im Meer und der Himmel färbte sich rot. Es war ein wunderschöner Anblick. Ich war erfüllt von diesem wundervollen Tag. Ich war in einer beinahe euphorischen Stimmung. Wären nicht so viele Menschen auf dem Deck wäre ich wahrscheinlich in Freudentänzen ausgebrochen. „Tolles Wetter heute“, sagte ein Matrose der plötzlich neben mir auftauchte und mich charmant betrachtete. „Wir werden wahrscheinlich sicher auf der Insel des Glücks ankommen“. Er lächelte mich glücklich an und ich konnte nicht anders als dieses breite Lächeln freudestrahlend zu erwidern. Der Matrose hieß Michael und wir unterhielten uns noch eine ganze Weile auf dem Deck bis die Sonne schließlich völlig verschwunden war. Auch er hatte vor, sich auf der Insel des Glücks nieder zu lassen und ich freute mich darüber schon jetzt einen so netten Menschen kennengelernt zu haben. So gegen neun Uhr verabschiedete ich mich schließlich von ihm und ging auf mein Zimmer. Ich betrat meine kleine Kabine und schmiss mich voller Elan aufs Bett. Ich hüpfte auf und ab und kleine Freudenschreie verließen meine Kehle. Endlich war ich mein eigener Herr! Ich würde dieser Insel wieder neues Leben einflößen. Ich war ein Sturkopf und ich würde alles schaffen was ich mir vorgenommen hatte. Ich wünschte mir nichts sehnlicher als die Menschen in meiner Umgebung glücklich zu machen und endlich etwas zu bewegen. Ich wollte etwas verändern. Ich wollte bei der Gestaltung dieser Insel mitwirken. Ich wünschte mir, irgendwann einen Menschen zu finden, der mich braucht und den ich brauche und mit ihm würde ich eine Familie gründen... Langsam wurde ich müde, die Nacht legte sich über mich und machte mich schläfrig. Ich schloss meine Augen und versuchte zu schlafen, was praktisch unmöglich war, da mich tausende Gedanken und Tagträume vom Schlafen abhielten. Ich schwelgte also in Glückseligkeit bis mich plötzlich ein gewaltiger Ruck aus dem Bett schmiss. Umständlich rappelte ich mich auf, doch gerade als ich mich wieder aufgerichtet hatte, wackelte das Schiff so heftig dass ich wieder zu Boden fiel. „Was...!?“, schrie ich entsetzt, da bemerkte ich erst dass es draußen schrecklich donnerte. Ich zog meine roten Stiefel an und rannte aus meiner Kabine in Richtung Deck. Das Schiff schwankte so heftig dass ich mich kaum vom Fleck rühren konnte ohne hinzufallen. Alles drehte sich und mir wurde schlecht vor Angst. Ich wollte schreien doch meine Kehle schnürte sich zu und mein Körper bebte. Ich hatte plötzlich panische Angst um mein Leben, denn ich konnte die Gefahr und den Tod, die dieses Schiff plötzlich umgaben, förmlich spüren. Verzweifelt klammerte ich mich an mein Leben. Dicke Tränen rannen über meine Wangen während ich die Treppen zum Deck hochstieg. Ich hielt mich so gut ich nur konnte an dem Geländer fest um nicht wieder hinzufallen. Mir dröhnte der Kopf und die Tränen verschleierten mir die Sicht. Endlich erreichte ich die Tür und riss sie benommen auf. Was ich draußen sah, ließ mich entsetzt auf die Knie sinken. Der Himmel war eine einzige, riesige schwarze Kluft. Es donnerte und blitzte, der Regen ergoss sich in Strömen auf das Schiff und der Wind war so stark, dass er die Wellen im Meer sogar bis hinauf aufs Deck schlagen ließ. Alles stand unter Wasser, es gab kein Entkommen vor diesen riesigen Wassermassen. Matrosen rannten panisch umher und versuchten dagegen anzukämpfen, doch vergebens. Ich hatte noch nie etwas so grässliches und wunderschönes zugleich gesehen. Das Meer, das vor kurzem noch so ruhig und sanft das Schiff getragen hatte, wollte es nun in seine Tiefen reißen, als hätten wir es erzürnt. Was sollte ich tun? Sollte ich wieder hineingehen in meine Kabine und auf das Beste hoffen oder sollte ich am besten sofort über Bord gehen... Ich wusste es nicht. Meine Angst lähmte mich. Ich konnte mich nicht mehr bewegen, nicht schreien und auch nicht mehr weinen. Es war, als würde ich meinem Tod ins Auge blicken. Eine riesige Welle schlug auf das Schiff ein und die Wassermassen drangen in die offene Tür hinein und hätten mich fast mit sich die Treppen hinunter gezogen, hätte ich mich nicht noch an der Türklinke festhalten können. Komm zu dir Chelsea!!! Schrie ich mich in Gedanken an und rappelte mich hoch. Ich hatte zwar keinen festen Halt auf meinen wackligen Beinen aber ich schaffte es hinaus aufs Deck zu gehen, die Tür hinter mir zu schließen und mich über die Reling bis nach vorne an den Bug zu ziehen. Da stand ich nun, durchnässt, am vordersten Teil des Schiffes und stellte mich dem Zorn des Meeres. Ich hielt mich so fest ich nur konnte an der Reling fest, um nicht über Bord zu fallen. Ich würde nicht aufgeben, niemals. Das schwor ich mir und Blickte argwöhnisch zum Himmel hinauf. Mit einem ohrenbetäubendem Knall schlug ein Blitz auf das Schiff ein und hinterließ darauf eine riesige, klaffende Wunde, durch die nun unaufhaltsam Wasser einströmte. Ich konnte mich kaum noch festhalten, so kraftlos fühlte ich mich. Alles was mich antrieb war der verzweifelte Wunsch danach zu leben! „Chelsea!!!“, rief jemand hinter mir, es war Michael. „Hey Kleine, was machst du hier???“. Seine starken Hände packten mich an der Schulter und zogen mich wieder auf die Beine. Ich war so erleichtert darüber ihn zu sehen, dass ich ihm verzweifelt in die Arme fiel und augenblicklich anfing zu heulen. Wieso geschah das? Wieso konnten wir nicht auf der Insel des Glücks sein, gesund und am Leben! Michael hatte nicht mit einer so heftigen Reaktion gerechnet und tätschelte mir unbeholfen den Rücken. Plötzlich schlug noch ein zweiter Blitz ein. Er traf auf den Mast, welcher brach und mit sich einen großen Teil des Bugs in die Tiefen des Meeres hinunter zog. Es war ein abscheulicher Gedanke wie viele Menschen wohl mit diesem Mast zusammen in den Tod gezogen worden waren. Ich klammerte mich noch fester an den stämmigen Michael, welcher mich vor dem endgültigen Zusammenbruch bewahrte. „VERLASST DAS SCHIFF!!!“, schrie ein Matrose entsetzt und verlor sich auch schon sofort in den tosenden Wellen. Panik machte sich in mir breit und ich zappelte ängstlich in Michaels Armen. „Bleib ruhig Chelsea...“, versuchte er mich zu beruhigen. „Du wirst jetzt dieses Schiff verlassen. Halte dich im Wasser von Gegenständen fern, sonst wirst du noch von irgendetwas erschlagen“ „Und du???“, kreischte ich hysterisch. Doch ich erhielt keine Antwort. Er schlug mir noch aufmunternd auf die Schulter und schenkte mir das beste Lächeln, das er in dieser Situation zustande bringen konnte und verschwand in der Dunkelheit. Etwas in mir sagte mir, dass ich ihn nie wieder sehen würde, deswegen schaute ich ihm noch lange verzweifelt nach, bis mich schließlich ein weiterer Blitz aus meinen Gedanken riss und mich daran erinnerte, dass ich am Leben bleiben wollte. Alles was ich noch sah, war Tod und Zerstörung. Ich kauerte mich an der Reling zusammen und übergab mich, so verstört war ich von diesem Anblick, dieser abscheulichen Naturgewalt. Mir war so unglaublich schlecht und ich fühlte mich so schwach, trotz dieser Nervenaufreibenden Situation. Es war, als hätte mein Körper kein Adrenalin mehr übrig das er durch meine Adern jagen könnte um davon zu laufen. Ich musste nun selber die Kraft finden mich wieder auf die Beine zu reißen und zu retten. Hektische Menschenmaßen rannten auf dem Schiff hin und her. Wie wilde Tiere rannten sie sich um, stolperten übereinander, sprangen über Bord und schrien auf verstörende Art und Weise. Auch ich musste springen. Das Schiff sank, es gab keine andere Lösung, keinen Ausweg aus dieser misslichen Lage. Ich musste springen. Ich wand all meine Kraft dazu auf, mich an der Reling hoch zu ziehen. Ich beugte mich darüber und blickte in das Meer, dessen Wellen mit brutaler Kraft auf das Schiff einschlugen. Dann, schloss ich meine Augen, und ließ mich fallen. Wassermassen schlossen mich ein. Ich wusste nicht mehr wo oben und wo unten war und schlug hysterisch mit Händen und Füßen um mich. Ich kämpfte mich wieder zurück an die Oberfläche und nahm einen letzten, verzweifelten Atemzug bevor ich schließlich bewusstlos wurde. Als ich erwachte, befand ich mich an einem kleinen Strand. Ich hustete Wasser und windete mich vor Schmerz. Es dauerte eine Weile bis ich begriff, dass ich noch lebte. Ich spürte den Sand unter mir, die nassen Klamotten, die an meiner Haut klebten, schmeckte den Geschmack von Salzwasser auf meinen Lippen und fing an zu weinen. Dicke Tränen rollten meine Wangen hinunter und heftige Schluchzer verließen meine Kehle. Ich war am Leben!!! Ich küsste den Sand unter mir und dankte dieser höheren Macht, die mich vor dem Tod bewahrt hatte und dieses Wunder vollbracht hatte. Ich versuchte mich aufzurichten, doch ich war noch zu schwach um mich zu bewegen. Ich zitterte am ganzen Leib, ob vor Freude oder vor Entsetzen konnte ich nicht sagen. Ich brauchte einige Minuten um mich wieder ein wenig zu beruhigen, doch meine Kräfte kehrten nicht zurück, ganz im Gegenteil. Kaum hatte ich aufgehört zu weinen, fiel ich auch schon in einen tiefen Schlaf. Als ich das zweite Mal aufwachte befand ich mich nicht mehr am Strand. Der Sand war verschwunden und ich befand mich nun auf einem Bett, nicht sonderlich weich, aber es war ein Bett. Irgendjemand strich mir sanft über die linke Wange und flüsterte mir aufmunternde Worte zu. Ich versuchte meine Augen zu öffnen, doch ich war so geschwächt, so ausgelaugt, dass ich mich nicht bewegen konnte. „Kommt sie zu sich?“, fragte eine besorgte Männerstimme in meiner Nähe. „Nein“, antwortete eine Frauenstimme, es musste die Person sein, die sich direkt neben mir befand. „Sie bewegt sich zwar ab und zu, aber sie scheint noch immer nicht zu sich gekommen zu sein...“. Besorgt legte sie ihre Hand auf meine Stirn. Ihre Hände waren weich und zierlich, es war ein schönes Gefühl von solch liebevollen Händen gepflegt zu werden. Ich fragte mich, was für Menschen das waren die mich gefunden und versorgt hatten. Wo war ich überhaupt gelandet? Befand ich mich vielleicht auf der Insel des Glücks? Oder hatte mich das Meer vielleicht in ein ganz anderes, weit entferntes Land getragen...? Ich hörte das Knarren einer Tür und leise Schritte. „Wie geht es ihr?“, flüsterte eine weitere Frauenstimme zaghaft. „Ich denke es geht ihr besser“, antwortete ihr die Frau neben mir. Die zweite Frau trat näher an mein Bett heran und nahm meine Hand. Ihre Hand war warm und ihr griff fest. Es rührte mich, dass diese Menschen, so fremd sie mir auch waren, sich so um mich sorgten. Hätte ich ihnen nicht ihren Kummer und ihre Sorge um mich nehmen wollen, hätte ich mir wahrscheinlich nicht die Mühe gemacht aufzustehen, aber ich wollte diese Menschen kennenlernen und ich wollte wissen, was passiert war und wo ich mich befand. Trotz der Schmerzen die ich bei jeder kleinsten Bewegung empfand, versuchte ich meine Arme zu bewegen. Ich spürte meine Hände, die sich verkrampft zu Fäusten ballten und ich fühlte wie meine Arme verdächtig knackten als ich sie anhob. „Sie kommt zu sich!!“, schrie eine der Frauen erleichtert auf und sofort spürte ich Hände die mich unruhig betasteten. Ich öffnete meine Augen, doch ich sah alles nur verschwommen. Alles, was ich erkennen konnte, waren rosa Haare, und drei Gestalten. Ich stützte mich am Boden ab und schaffte es tatsächlich mich aufzurichten. Mir wurde schwindelig, da ich wahrscheinlich zu lange geschlafen hatte. Die drei Gestalten schienen bemerkt zu haben, dass es mir nicht gut ging und stürzten sich auf mich um mich zu stützen und mir Halt zu geben. Meine Augen kamen auch langsam wieder zu sich und ich sah wieder klarer. Die beiden Frauen mussten offensichtlich miteinander verwandt sein. Die eine hatte lange, lockige, rosafarbene Haare und schien die Mutter der jüngeren Frau zu sein. Sie wirkte recht verträumt und tollpatschig. Sie hatte zwar ein Lächeln auf dem Gesicht, wirkte aber irgendwie einsam... Die andere Frau wirkte um einiges ruppiger als die andere, extrem feminine Frau. Ihre rosa Haare waren kurz und glatt im Gegensatz zu denen ihrer Mutter. Sie hatte sich eine rote Schleife wie einen Haarreif um den Kopf gebunden und ihre braunen Augen wirkten stark, aber auch verschlossen. Der Mann war alt. Er hatte zwar keine Haare mehr auf dem Kopf doch sein extrem rundes Gesicht zierte ein riesiger, weißer Schnurbart. Seine Haut war braun und faltig und seine kleinen Augen zeugten von Weisheit. Man merkte sofort, dass er das Oberhaupt der Familie war. „Hallo Kleines“, sagte die ältere Frau mit samtweicher Stimme. „Wie geht es dir?“ Sie tätschelte mir liebevoll den Kopf und beäugte mich besorgt. Ich wusste nicht was ich antworten sollte, denn ich fühlte mich schrecklich. Ich sah an mir herunter und bemerkte, dass ich nicht meine Klamotten, sondern ein orangefarbenes, kurzes Kleid trug. Ich hatte Schrammen an meinen Beinen und an meinem linken Arm, ich sah wirklich furchtbar aus. Zu allem Überfluss war das Kleid auch noch recht kurz und gab so eine ziemlich üppige Aussicht auf meine ramponierten Beine. Verlegen zog ich die Decke die an meinem Fußende lag über meine nackten Beine und antwortete kurz: „Weiß nicht...“. Daraufhin setzte sich die junge Frau neben mir aufs Bett und strich mir verständnisvoll über die Schultern. „Hab keine Angst, es wird alles gut“. „Danke...“, flüsterte ich „Aber könnt ihr mir vielleicht sagen, wo ich mich befinde und was passiert ist? Wie lange schlafe ich denn schon?“ Nun trat der alte Mann näher an mein Bett heran und beantwortete mir meine Fragen: „Wir befinden uns hier auf der Insel des Glücks. Wir haben dich vor zwei Tagen am Strand gefunden. Mein Name ist übrigens Taro. Diese Frau hier“, er deutete auf die ältere Frau mit den langen, lockigen Haaren. „ist meine Tochter Felicia und diese junge Dame hier ist meine Enkelin Natalie. Elliot, mein Enkel, befindet sich gerade hier irgendwo auf der Insel, du wirst ihn sicherlich schon bald kennenlernen“. Gerade als Taro seinen Satz beendet hatte öffnete sich die Tür und ein junger Mann mit rosa, kurzgeschnitten Haaren, ründlichem Gesicht und einer Brille auf der Nase trat ein. Sein Blick fiel auf mich und es war als wäre eine große Sorge von ihm abgefallen „Der Erntegöttin sei Dank, du bist endlich aufgewacht“. Sein Lächeln war aufrichtig, was mich sehr fröhlich stimmte. Es war ein beruhigendes Gefühl, bei so netten und hilfsbereiten Menschen gelandet zu sein. „Elliot, wo warst du denn?“, fragte Felicia wütend, sie schien sich Sorgen um ihren Sohn gemacht zu haben. Dieser schaute sie nur verwundert an „Wo soll ich denn gewesen sein?“, fragte Elliot verständnislos. „Unser Proviant neigt sich langsam dem Ende zu, deshalb wollte ich nach etwas Essbarem suchen, doch hier gibt es nichts anderes abgesehen von diesem Kraut hier...“. Er öffnete seinen Rucksack, welcher von oben bis unten vollgefüllt war mit blauem und lilafarbenem Kraut. Bei diesem Anblick gab mein Magen ein peinlich lautes Geräusch von sich das alle Anwesenden erschrocken zusammenzucken lies. Sofort stand Natalie auf und brachte mir eine Flasche gefüllt mit trübem Wasser und Elliot reichte mir den Rucksack mit dem Kraut und meinte nur freundlich: „Ich habe das extra für dich gesucht in der Hoffnung du würdest bald aufwachen, also greif bitte ordentlich zu. Das Wasser kommt aus dem Brunnen, es schmeckt zwar merkwürdig, aber besser als gar nichts...“. Dankbar nahm ich den Rucksack und das Wasser entgegen und hatte alles innerhalb von Sekunden in mich reingestopft. Zwei Tage lang kein Essen und kein Trinken... kein Wunder ging es mir so dreckig. Als ich endlich fertig gegessen hatte richtete ich mich auf und stellte mich ihnen endlich vor: „Bitte verzeiht, dass ich so unhöflich war. Mein Name ist Chelsea. Ich danke euch für alles, was ihr für mich getan habt, ihr wart so gut zu mir... Danke! Es freut mich, euch hier anzutreffen und mit euch einen Neuanfang hier zu starten“. „Ach Schätzchen!“, sagte Felicia. „Das ist doch selbstverständlich! Wir freuen uns dass es dir gut geht! Du kannst dich auf uns verlassen, wir lassen dich niemals im stich!“ Ich war so gerührt, dass mir Tränen in die Augen stiegen, doch ich wollte meinen neuen Freunden nicht noch mehr Sorgen bereiten, außerdem war ich zu stolz um eine derartige Schwäche zu zeigen, also lachte ich von ganzem Herzen und nahm dankbar Felicias Hand. „Verzeihung...“, räusperte sich Taro neben uns. „Ich will ja nicht taktlos sein, aber ich würde dir gerne einen Vorschlag machen. Mir ist klar dass es für eine Frau nicht leicht werden wird, aber wie wärs, könntest du dir vorstellen eine eigene Ranch zu leiten? Wir würden dich auch unterstützen, wir haben nämlich vor im Transportwesen tätig zu werden. Wir könnten deine Waren verkaufen. Außerdem war ich selbst mal Rancher, ich würde dir natürlich mit Rat und Tat zur Seite stehen“. Taros Vorschlag brachte mich ins Krübeln. Ich wusste nicht ob ich so einer Aufgabe gewachsen war... schließlich war eine Ranch eine riesig große Verantwortung. Wie sollte ich das alleine fertigbringen? Andererseits war eine Ranch natürlich auch eine einmalige Gelegenheit und von Nöten. Außerdem hatte Taro gemeint eine Ranch sei eine große Herausforderung „für eine Frau“ und so einen Kommentar konnte ich einfach nicht auf mir sitzen lassen. „Danke Taro, ich bin mir sicher ich werde in Zukunft oft auf deinen Rat als Rancher angewiesen sein“. Erwiderte ich auf Taros Frage „Aber gibt es denn überhaupt eine Ranch hier auf dieser Insel, oder zumindest einen gut geeigneten Platz dafür?“ Freudestrahlend sah Taro mich an und fing an begeistert zu erzählen: „Aber natürlich! Gestern, als ich die Insel erforschte fand ich nur wenige Meter von hier entfernt ein riesiges Feld und eine kleine Hütte die du behausen könntest. Außerdem ist der Platz riesig groß, ich bin mir sicher du kannst ihn zur gegebenen Zeit weiter ausbauen und auch Tiere halten“. Taro war Feuer und Flamme, das merkte ich sofort. Dass er mir eine so wichtige Aufgabe auftrug wie eine Ranch zu leiten betrachtete ich als ein großes Kompliment und als riesiges Vertrauenszeugnis seinerseits. „Ich werde dich nicht enttäuschen Taro!“ versprach ich ihm voller Überzeugung. „Ich werde sofort hingehen und mir meine neue Ranch ansehen!“ „Es ist spät“, widersprach mir Elliot „Draußen ist es schon stockdunkel... Ich würde es dir nicht empfehlen, schließlich könnten wir auf wilde Tiere treffen. Aber wenn du darauf bestehst dann... dann b-begleite ich dich natürlich.“ Hörte ich da Angst in Elliots Stimme? „Aber nein,“ erwiderte ich verständnisvoll „Lass gut sein. Das ist wahnsinnig lieb von dir, aber du musst das nicht tun, ich kann auch alleine gehen...“. „Nein!“, sagte Elliot bestimmt. „Das kann ich nicht verantworten, niemals! Ich werde dich begleiten, keine Sorge!“ Er meinte es zwar gut, aber es tat mir leid ihn nun in diese, für ihn angsteinflößende, Situation gebracht zu haben. „Wenn irgendetwas ist“, flüsterte mir Natalie ins Ohr. „dann kannst du Elliot opfern und wegrennen, zu mehr ist er leider nicht zu gebrauchen“. Ich musste mir wirklich das Lachen verkneifen aber wir zwinkerten uns verschwörerisch zu. Ich mochte Natalie, trotz ihrer ruppigen und harten Art war sie mir sympathisch. Ich konnte mich auf sie verlassen, das wusste ich. „Ich will ja nicht kleinlich sein... aber wo sind denn meine Klamotten?“, fragte ich etwas unbeholfen. Natalie grinste breit und antwortete mir: „Keine Sorge, wir haben sie gewaschen und zum Trocknen aufgehängt. Ich würde an deiner Stelle aber noch bis Morgen warten. Du kannst das Kleid das du jetzt anhast übrigens behalten, es ist meins, aber es steht dir eh viel besser als mir. Keine Sorge, Felicia und ich haben dich umgezogen, die Männer wurden rausgeschickt. Deine Schuhe sind draußen vor der Tür“. „Und... Mein rotes Kopftuch?“ Natalie stand auf, verschwand kurz im Nebenzimmer und kam daraufhin mit meinem Kopftuch wieder. Dankend nahm ich das Kopftuch entgegen und band es mir wieder um. Nur so fühlte ich mich wirklich wohl, ohne mein Kopftuch war ich sozusagen nackt. So machte ich mich zusammen mit Elliot auf den Weg zu meiner neuen Ranch. Taro gab mir noch eine große, schwere Taschenlampe die uns durch die Dunkelheit führen, und uns zur Verteidigung gegen wilde Tiere dienen sollte. Ich war schon ganz aufgeregt und obwohl ich Elliot nicht in meine nächtliche Exkursion mit reinziehen wollte war ich nun doch sehr froh über seine Gesellschaft. Außerdem wusste er wo sich die Ranch befand sodass ich keine Zeit mit dem Suchen verschwenden musste, auch wenn der Weg dorthin tatsächlich nicht schwer zu finden war. Das Dorf bestand aus nur drei leerstehenden Häusern. Es gab keine richtigen Straßen, nur leicht angedeutete Sandstrassen. Südlich befand sich der Strand und nördlich führte ein kleiner Pfad zu meiner Ranch. Der Weg nach Osten und nach Westen war blockiert, was meine Neugierde weckte. Irgendwann würde ich das Geheimnis dieser Gegenden enthüllen, davon war ich überzeugt. Elliot hielt sich immer dicht hinter mir auf, es war offensichtlich wie sehr er sich fürchtete. Ich fragte mich ob er der kleine oder große Bruder von Natalie war. Sie schienen sich jedenfalls nicht sonderlich gut zu verstehen, deswegen schloss ich darauf dass er der kleinere war. „Wie alt sind du und Natalie eigentlich?“, fragte ich Elliot einfach mal ganz direkt. „Natalie ist 18, ich bin 21“, antwortete Elliot abwesend, er schien abgelenkt und auf der Hut. Er war schon 21?! Das hieß, er war schon 3 Jahre älter als ich!!!! Das erschien mir völlig unmöglich. Elliot war so unglaublich zierlich, so ängstlich und schmächtig für einen Mann seines Alters. Endlich hatten wir meine Ranch erreicht und ich leuchtete das riesige Feld ab. Es war voller Unkraut aber es war wunderschön und groß. Es war ein wundervolles Gefühl sich SEIN neues Zuhause anzusehen. Es erfüllte mich mit Stolz und Vorfreude! Ich würde mich um dieses Land kümmern und es erblühen lassen! Ich war so erfüllt von diesen Gefühlen dass ich anfing zu rennen quer über das Feld bis ans andere Ende wo sich ein kleiner Fluss befand der sich bis hinunter ins Dorf erstreckte und schließlich im Meer mündete. „Warte!!!“, schrie der verängstigte und verzweifelte Elliot der versuchte mit mir Schritt zu halten. „Nicht so schnell!“ Als ich plötzlich stehen blieb prallte er mit voller Wucht gegen mich, sodass wir gemeinsam in den kleinen See kullerten. „W-wieso... wieso hast du das gemacht???“, wollte Elliot wissen doch anstatt einer Antwort bekam er nur eine kräftige Umarmung von mir. Ich war erfüllt, glücklich und übermütig sodass ich gar nicht an die Gefühle des armen, ängstlichen und ziemlich verwirrten Elliots dachte der regungslos in meinen Armen lag. „Ist es nicht wundervoll...?“, flüsterte ich. „Ist es nicht wundervoll, dass wir leben? Dass wir hier sind. Ist es nicht wundervoll so frei zu sein, Elliot? Denk doch mal nach, wir sind frei! Wir können rennen, wir können etwas verändern, uns verändern...“. Ich gab Elliot frei und sah ihn an. Der arme war puterrot und sah ziemlich zerzaust aus. „Sag mir Elliot, wieso bist du hier? Was ist dein größter Traum?“ „M-mein Traum?“, stotterte Elliot und fuhr sich mit der rechten Hand durch das nasse Haar. „Ich... ich möchte von Nutzen sein... Ich möchte ein Mann werden, zu dem man aufsehen kann, der seine Familie beschützen und stützen kann... Ich will nicht mehr schwach sein. Ich möchte mich verändern...“ Es rührte mich zutiefst dass er so ehrlich zu mir gewesen war. „Und du Chelsea, was ist dein größter Traum? Wieso bist du hier?“. Ich sah ihn lange an und überlegte mir, wieso ich eigentlich hier war, wieso ich mich dazu entschieden hatte hierher zu kommen, was hatte mich dazu bewegt? Nach dieser schrecklichen Nacht auf diesem Schiff, nach dieser „ersten Nacht meines neuen Lebens“ kamen mir die Gründe und Träume die mich hierher geführt hatten so unendlich weit weg vor... „Ich glaube, ich bin hierher gekommen, weil ich etwas bewegen wollte. Ich wollte neu anfangen. Es war mein Traum glücklich zu werden und so viele Menschen wie nur möglich mit diesem Glück anzustecken“. Verblüfft sah Elliot mich eine ganze Weile an doch dann richtete er seinen Blick zu Boden und sagte: „Das ist... ein wunderschöner Traum...“. Verlegen blickte auch ich zu Boden, oder bzw. „zu Wasser“ da wir immer noch im Wasser saßen. Es war schön so im Wasser zu sitzen und sich so mit Elliot zu unterhalten. Es machte mich aber auch ein bisschen traurig dass er so wenig Vertrauen in seine Fähigkeiten und seinen Wert als Mensch hatte. „Elliot, versprich mir, dass du ein Mann wirst auf den ich stolz sein kann!“, forderte ich ihn auf. Meine Worte schienen ihn aus seinen Gedanken gerissen zu haben. Er hob seinen Kopf und schaute mich prüfend an. „Du kannst das! Du hast die Kraft dazu, du musst nur an dich glauben!“ Das meinte ich wirklich ernst! Elliot war ein toller Kerl, er musste nur den Mut finden es auch zu zeigen. Ich hielt ihm meine Hand hin. Auch wenn das ganze wie ein Kindergarten-Schwur wirkte, ich meinte es wirklich ernst. Ich vertraute voll und ganz auf seine Fähigkeiten. Auf Elliots Gesicht machte sich ein fettes Grinsen breit und er nahm meine Hand. „Gut Chelsea, aber ich will, dass auch du mir versprichst deinen Traum nie aus den Augen zu verlieren und daran zu arbeiten“. Nun grinste auch ich und wir besiegelten dieses Versprächen mit einem festen, überzeugten Händedruck. Ich half Elliot auf die Beine und wir gingen zu der kleinen Hütte die, von nun an, mein neues Zuhause sein würde. Mit einem lauten, knarrenden Geräusch öffnete sich die Tür und der Boden unter uns ächzte beschwerlich. Ich war enttäuscht, denn in dieser kleinen Hütte befand sich absolut nichts. Kein Bett, keine Küche, kein Bad, kein nichts. Alles was ich vorfand war ein großes Zimmer indem sich ein kleiner runder Tisch befand und ein kaputtes Fenster. „Das... sieht doch gut aus“. Versuchte ich mich selbst aufzumuntern. „Chelsea... mach dir bitte keine Sorgen. Du kannst vorerst bei uns wohnen, das wird schon. Vielleicht finden wir ja in den anderen Häusern im Dorf ein paar Möbelstücke und dann richten wir es schön ein. Bis dahin bleibst du einfach bei uns“. Es deprimierte mich unheimlich dass ich dieser wundervollen Familie schon wieder zur Last fallen musste. Am liebsten hätte ich mich auf den Boden gelegt und hätte dort geschlafen doch als ich eine ganze Rattenkolonie von links nach rechts flitzen sah beschloss ich vielleicht doch auf Elliots Angebot einzugehen... Wir gingen wieder zurück ins Dorf und... nach Hause. Es fühlt sich zwar merkwürdig an, das Haus dieser Menschen als mein Zuhause zu bezeichnen, aber genau so fühlte es sich an. Ich freute mich schon darauf sie wieder zu sehen, es gab mir ein Gefühl der Ruhe, der Entspannung und Zufriedenheit. Zuhause angekommen kassierten wir erstmal eine Standpauke von Felicia weil wir in den See „gefallen“ waren und unsere Klamotten schon wieder nass gemacht hatten. Natalie und ich teilten uns ein Bett und Elliot war so nett, mir ein Hemd von sich auszuleihen, in dem ich heute Nacht schlafen konnte. Es gab natürlich kein Abendessen, denn wir mussten uns mit dem Nötigsten zufrieden geben und möglichst sparen um auch langfristig über die Runden zu kommen. Elliot redete mit Taro und sie beschlossen sich in den nächsten Tagen mit meiner Hütte zu befassen und sie bewohnbar zu machen. So gingen wir an diesem Abend alle ziemlich erschöpft zu Bett, auch wenn ich unmöglich einschlafen konnte bei Taros Schnarchen... „Kannst du auch nicht einschlafen?“, flüsterte Natalie neben mir kaum hörbar. Ich hatte ihr den Rücken zugedreht und drehte mich auf ihre Frage hin zu ihr um. „Nein...“, antwortete ich und wir kicherten leise. „Weißt du Chelsea, ich bin es nicht gewohnt mit meiner ganzen Familie in einem Zimmer zu schlafen. In unserem alten Haus hatte jeder ein Zimmer für sich, das war um einiges angenehmer“. „Das glaub ich dir gern! Naja, um ehrlich zu sein lebe ich schon seit ner ganzen Weile allein. Ich bin es gar nicht gewohnt mit so vielen Menschen zusammen zu sein. Ehrlich Natalie, ich beneide dich um deine Großfamilie“. „Ach ehrlich...“ sie sah verträumt aus, irgendwie traurig. Ich hatte mich schon gefragt, wieso sie eigentlich nur zu viert waren. Wo war eigentlich ihr Vater? Hatte er etwa diesen grässlichen Sturm der uns auf dem Weg hierher heimgesucht hatte nicht überlebt oder war er verschollen? Ich wollte nicht taktlos sein aber irgendwie brannte mir die Frage auf der Zunge, also beschloss ich, sie direkt danach zu fragen: „Wo ist eigentlich dein Vater?“ Natalie schwieg erst eine Weile und ich befürchtete schon sie in die Enge getrieben zu haben, da schüttelte sie den Kopf und sah mir in die Augen als sie antwortete: „Mein Vater lebt nicht mehr, er ist vor drei Jahren gestorben“. Schweigen erfüllte den Raum und es war, als hätte sich ein Eisblock zwischen uns gebildet. Das hatte ich nicht gewollt... Ich hatte sie offensichtlich verletzt, doch was sollte ich jetzt tun? Wie konnte ich ihr Vertrauen gewinnen und diese Frage wieder gut zu machen? Gerade als ich mich bei ihr entschuldigen wollte fasste Natalie sich ein Herz und erzählte mir die Geschichte ihres verstorbenen Vaters und der darauffolgenden Familientragödie: „Mein Vater war ein guter Mann. Er war immer für uns da und er war ein reicher Mann der uns in jeder Hinsicht unterstützen konnte. Als er starb, erbten wir sein Familienunternehmen, finanziell waren wir zwar immer noch abgesichert aber die Sicherheit und Liebe die er uns als Mensch gegeben hat konnte nichts ausgleichen. Er fehlte uns so sehr. Ich hab ihn sehr geliebt, er war mein großes Vorbild, du musst wissen, als ich klein war wollte ich immer genau so sein wie er. Ich glaube, auch für Elliot war es ein großer Schlag... schließlich braucht ein Junge seinen Vater, wahrscheinlich sogar mehr als ein Mädchen. Elliot ist so ungeschickt und sensibel, ich glaub, der Verlust seines Vaters hat ihn nur noch mehr verunsichert und vom rechten Weg abgebracht. Meine Mutter hat es aber am meisten getroffen, auch wenn sie es nicht zeigte. Sie lachte immerzu und versuchte uns zu stützen, deshalb war es wohl auch so ein großer Schock als sie ein Jahr nach seinem Tod versuchte Selbstmord zu begehen...“ Drückende Stille erfüllte das Zimmer. Ich schnappte nach Luft und sah sie entsetzt an. Felicia, diese unglaublich liebevolle Frau, war so verletzt gewesen nach dem Tod ihres Mannes, dass sie in ihrem Leben keinen Sinn mehr gesehen hatte??? Es war unvorstellbar. Was muss in dieser Frau durchgegangen sein... Ich hatte mir ja schon gedacht dass ihr Lächeln etwas unendlich Trauriges in sich barg, aber mit so großer Verzweiflung hatte ich nicht gerechnet... Und wie muss das für Natalie und Elliot gewesen sein? Ob sie sich wohl die Schuld dafür gegeben haben...? Nach dieser unendlich langen Pause fuhr Natalie fort: „Es war ein großer Schock für uns alle. Elliot und ich wussten nicht, was wir tun sollen. Wir hatten Angst aus dem Haus zu gehen, sie alleine zu lassen um nicht einen zweiten Selbstmordversuch zu riskieren. Wir wussten nicht, wie wir ihr Kraft geben sollten. Ich fühlte mich so schrecklich, weil ich mir die Schuld dafür gab. Ich dachte, wenn ich nur nicht so viel Schmerz gezeigt hätte, sie nicht so mit meiner Trauer belästigt hätte und sie nicht die Starke für uns hätte spielen müssen, dann wäre das alles nicht passiert...“ Ich hörte wie Natalie mit den Tränen kämpfte, doch ich wollte sie jetzt nicht unterbrechen. Sie sollte zu Ende erzählen, sich den Schmerzen und den Ängsten stellen und dann, würde ich für sie da sein und sie in die Arme nehmen, doch jetzt hielt ich nur ihre Hand und schwieg um ihr die Möglichkeit zu geben weiter zu reden. „Sie nahm Medikamente, suchte Psychologen auf... auch wir gingen in Therapie um zu lernen mit ihr umzugehen. Ich wusste nicht weiter... Taro zog auch erst nach ihrem Selbstmordversuch zu uns. Er ist schließlich ihr Vater und die beiden lieben sich sehr. Doch, auch wenn es ihr mit der Zeit viel besser ging und immer mehr Gras über die Sache wuchs... so richtig glücklich wurde meine Mutter einfach nicht... also beschlossen wir, ein neues Leben anzufangen, irgendwo wo uns niemand kennt und wo nichts an meinen Vater erinnert. So sind wir auf dieser Insel gelandet.“ Natalie lächelte schwach und starrte gedankenverloren in die Dunkelheit. „Weißt du...“ flüsterte sie sacht „Ich habe Elliot gehasst weil er so schwach war. Ich hatte meinen Vater verloren, diesen starken, selbstbewussten Mann mit den starken Armen. Ich glaube, ich konnte es Elliot nie so richtig verzeihen, dass er seinen Platz nicht einnehmen konnte...“ Eine dicke Träne kullerte ihre Wange entlang und tropfte auf ihr Kopfkissen. „Ist das nicht erbärmlich? Ich habe ihn dafür gehasst, dass er so ungeschickt, so schwach war, dabei ist das so unfair ihm gegenüber. Er ist auch nur ein Mensch. Er ist nun mal der, der er ist, aber das konnte ich nie akzeptieren. Ist das nicht schwach? Und dann werfe ich ihm vor schwach zu sein...“ Nun nahm ich sie in meine Arme und lies sie weinen. Sie schluchzte leise um niemanden zu wecken. Obwohl ihre Familie so groß, so wunderschön war, war Natalie einsam. Wahrscheinlich das einsamste Mädchen dass ich je kennengelernt hatte. Sanft fuhr ich mit der Hand durch ihr Haar und flüsterte: „Weißt du Natalie, es ist in nicht schwach, enttäuscht zu sein, es ist nicht schwach Angst zu haben. Es ist nur schwach aufzugeben. Du bist unglaublich stark, genau wie Elliot, ihr habt nur zu wenig vertrauen in eure Fähigkeiten. Lass dich nicht unterkriegen, von nun an wird alles besser! Glaub mir, jetzt, bist du nicht mehr allein, ich werde dich nicht im Stich lassen...“. Nun weinte auch ich. Es war merkwürdig, dieses Gefühl der Trauer, denn es war nicht meine Trauer, es war die Trauer eines Anderen, doch es fühlte sich so an, als wäre ihr Herz nun auch mein Herz und ihr Schmerz auch meiner. Ich konnte ihre Gefühle so gut verstehen, dass es mir das Herz brach. „Chelsea...“, schluchzte Natalie lautlos. „Es fällt mir eigentlich so schwer... Gefühle offen zu zeigen dass... ich... ich hätte nicht gedacht dass ich je... dass ich es je jemandem erzählen würde... Ich schäme mich so für meinen Schmerz und...“. „Natalie,“, unterbrach ich sie. „Es gibt nichts wofür du dich schämen müsstest. Ganz im Gegenteil... ich bewundere dich. Ich bewundere euch alle. Ich bin so glücklich euch kennengelernt zu haben“. „Ich auch...“, flüsterte Natalie schwach. „ich auch..........“ Arm in Arm schliefen wir, erst als der Morgen schon dämmerte, ein. Kapitel 2: Ein Licht in der Dunkelheit (Elliot) ----------------------------------------------- Mal wieder wurde ich in den frühen Morgenstunden vom Gezwitscher der Vögel geweckt. Ich hasste es früh aufstehen zu müssen, aber seitdem wir auf diese Insel gezogen waren, gehörte das leider zur Tagesordnung. Wir waren jetzt schon vier Monate hier und der Frühling war inzwischen dem Sommer gewichen. Es war drückend heiß und die Sonne schien jeden Tag unerbittlich. Der Himmel beglückte uns leider mit keinem einzigen Regentropfen. Vor allem Chelsea machte das schwer zu schaffen, da sie sich um ihr Feld kümmern und es bewässern musste. Wir alle waren auf sie und ihre Arbeit als Rancher angewiesen. Es war unfassbar, aber dieses Mädchen trug eine unglaubliche Verantwortung... Ich bewunderte sie. Sie war so stark, so zeilstrebig... und doch ein so sanftes Wesen. "Steh auf du Faulpelz!" riss meine Schwester mich unsanft aus meinen Gedanken. "Elliot... auf dich ist einfach kein Verlass. Du nervst!" Sie funkelte mich kalt an und ich seufzte schwer. Wieso war sie nur immer so ruppig? Ich kam einfach nicht mit ihr aus. Sie hasste mich, das wusste ich. Ich konnte es ihr nicht mal verübeln... "Elliot", Diesmal war es meine Mutter die mich von der Küche aus rief "Komm Schatz, Essen ist fertig." Ich zog mich an und trottete in die Küche. Es roch gut und ich fragte mich, wieso. "Guten Morgen Elliot", begrüßte mich nun auch mein Großvater, der am Esstisch saß und Felicia beim Kochen beobachtete. Neugierig lief ich in die Küche um nachzusehen was hier so unwiderstehlich gut roch. Meine Mutter machte eingelegte Rüben. "Wo hast du denn die Rüben her?" fragte ich verwundert. Die letzten vier Monate hatten wir nichts anderes als Kraut gegessen... jeden Tag! Ich konnte es nicht mehr sehen, geschweige denn riechen oder essen und freute mich nun über die Abwechslung. "Chelsea hat sie mir geschenkt." antwortete meine Mutter "Im Frühling hatte sie ziemlich viele angebaut, aber weil sie keinen Kühlschrank im Haus hat, kann sie ihre Ernte nirgends lagern, also hat sie einen Teil ihrer Erträge einfach mir geschenkt." Das war typisch Chelsea, dachte ich mir. Sie war so fürsorglich und kümmerte sich um jeden. Natalie und mir brachte sie jedes mal, wenn sie bei Chen einkaufen ging, jeweils eine Tafel Schokolade mit. Mehr gab es bei dem Händler, der vor kurzem mit seinem kleinen Sohn Charlie auf die Insel gezogen war, auch nicht zu kaufen. Trotzdem waren wir alle sehr glücklich darüber ihn hier zu haben. Als Chen von unserer misslichen Lage hier auf der Insel des Glücks gehört hatte, hatte er beschlossen hier her zu kommen, um uns zu helfen und mit uns ein neues Leben aufzubauen. Chens Frau war vor einem Jahr gestorben und er wollte Charlie wohl eine neue Umgebung schaffen, in der er nicht an seine verstorbene Mutter erinnert wurde. Jetzt hatten wir sogar einen Händler hier, der uns mit allerlei Waren versorgte, aber vor allem Chelsea mit Saatgut. Er hatte auch dafür gesorgt, dass Chelsea neue Fenster und ein Bett bekam, so konnte sie nun vor drei Monaten endlich in ihr eigenes Haus ziehen. Sie wollte so schnell wie möglich bei uns ausziehen, da sie uns nicht "zur Last" fallen wollte. Ich lachte leise in mich hinein. Dieses Mädchen war einzigartig. "Was grinst du so blöd?" fragte meine Schwester genervt und ich drehte mich verlegen von ihr weg. Ich benahm mich lächerlich. Wieso war mir das überhaupt so peinlich, als hätte sie mich gerade auf frischer Tat ertappt... ich fühlte mich irgendwie bloßgestellt... Es gab keinen Grund sich so zu fühlen, deswegen riss ich mich zusammen und setzte mich schweigend an den Esstisch. Kurz darauf servierte meine Mutter auch schon das Essen und auch Natalie setzte sich zu uns. Ich liebte Feldfrüchte über alles und freute mich deswegen besonders über unser heutiges Frühstück. Wir alle schlangen die eingelegten Rüben gierig hinunter, so hungrig waren wir. Es war schwer auf dieser Insel zu überleben, denn wir mussten mit dem Nötigsten auskommen und waren sozusagen dauerhungrig... Ich hatte es plötzlich ziemlich eilig aus dem Haus zu gehen und mich an die Arbeit zu machen. Natalie war schon weg und ich wollte auch gerade aufstehen als meine Mutter mir eine Tüte in die Hand drückte und meinte: "Hier ist eine Portion für Chelsea. Bring sie ihr bitte und sorg dafür, dass sie es auch isst. Die arme wirkt so abgemagert..." Meine Mutter sah besorgt aus, deshalb nahm ich sie kurz in die Arme und versprach ihr, mich um Chelsea zu kümmern. Ich machte mich also auf den Weg und lief die kleine Sandstraße nach oben zu Chelseas Farm. Ich hätte eigentlich innerhalb von zwei Minuten oben sein sollen, aber ich war plötzlich so nervös, dass ich nur sehr langsam vorankam. Meine Schritte wurden immer kleiner, bis ich schließlich völlig stehen bleib. Was war nur los mit mir? Was war das für eine Angst die mich plötzlich gepackt hatte? Ich hatte angst... Angst davor, es zu vermasseln, sie zu verärgern oder zu verletzen und sie dann für immer zu verlieren. Verrückt... Meine Gedanken waren so absurd und doch ließen sie mich erstarren. Ich war gefangen in meinen Ängsten und Zweifeln... und ich wusste nicht wie ich mich davon befreien sollte. Nurnoch wenige Schritte trennten mich von Chelseas Farm. Ich atmete noch mal tief durch. Ich hatte keine andere Wahl, ob ich nun wollte oder nicht, ich musste zu ihr gehen. Ich fasste mir also ein Herz und ging weiter. Schon bald erblickte ich die kleine Hütte, Chelseas neues Zuhause. Ich lief mit festem Schritt darauf zu. Es gab jetzt kein Zurück mehr! Gerade wollte ich an die Türe klopfen, als ich Chelsea draußen entdeckte. Sie hatte Tomaten und Mais angebaut, welcher nun schon ziemlich groß gewachsen war und war gerade dabei, diese zu gießen. Das Feld war von jeglichem Unkraut befreit und gut gepflegt. Chelsea hatte sich die Harre mit ihrem roten Tuch (Kopftuch, Halstuch, Haartuch... das Ding ist mehrfach verwendbar xD) zusammengebunden und trug ihre Alltagsklamoten: Ein gelbes Shirt, ihre zerschlissene, knielange Jeans und ihre roten Lieblingsstiefel. Elliot konnte einfach nicht wegsehen. Es war faszinierend wie ihre Muskeln sich unter der Haut bewegten und angestrengt zuckten. Ihr Haut glänzte in der Sonne und ihre Klamotten waren schweißgebadet. Immer wieder ließ sie von der Arbeit ab, legte ihren Kopf in den Nacken und lächelte der Sonne zu, als wolle sie ihr für diesen wundervollen Tag danken. Als sie fertig gegoßen hatte, lief sie auf ihr Haus, bzw. direkt auf mich zu. Als sie mich entdeckte erschrack sie erst ein wenig, doch dann kam sie freudig auf mich zugerannt. "Elliot", seufzte sie glücklich und bei dem Klang ihrer Stimme richteten sich meine Nackenhärchen auf. "Hallo..." erwiderte ich schwach und sah sie mit großen Augen an. Sie lächelte und legte ihre Hand auf meine linke Schulter "Wie lange bist du schon hier? Du hättest mich ruhig rufen können, ich hätte einfach eine kleine Pause eingelegt." "Aber nein", erwiderte ich schnell. Es freute mich dass sie dachte, ich hätte sie aus Höflichkeit nicht unterbrochen und nicht etwa aus Faszination. Chelsea bemerkte die Tüte in meiner Hand und beäugte sie neugierig. "Was ist das? Riecht gut!" fragte sie und sah mich mit einem breiten Grinsen an. "Das ist für dich! Meine Mutter hat es mir mitgegeben. Sie meint, du hättest ihr Rüben geschenkt und nun wollte sie dir etwas von unserem Essen abgeben. Heute morgen gabs eingelegte Rüben." "Danke!" glücklich nahm sie die Tüte entgegen und schnupperte gierig daran. "Meine Mutter meinte, ich soll dafür sorgen, dass du das auch isst. Wir machen uns alle große Sorgen um dich..." Gerührt blickte Chelsea von der Tüte auf. "Das ist wirklich lieb von euch, aber ihr braucht euch um mich wirkich keine Sorgen zu machen! Es geht mir gut!" Ich sah sie skeptisch an. Sie wirkte auf den ersten Blick stark und unerschütterlich. Obwohl sie dünn war, waren ihre Schulern und Hüften breit, Ihre Beine lang und kräftig und ihre Haltung stets aufrecht und selbstebusst. Wenn man jedoch genauer hinsah, bemerkte man die tiefen Augenringe unter ihren blauen Augen, die eingefallenen Wangenknochen und die extrem schlanke Statur. "Du solltest vorsichtiger sein, Chelsea! Auch deine Kräfte sind begrenzt...!" Sie lächelte liebevoll, als wollte sie mich beschwichtigen und nahm meine Hand. "Komm Elliot, lass uns reingehen. Ich hab einen Riesenhunger." Genüsslich schob Chelsea sich einen Bissen nach dem Anderen in den Mund und kaute darauf herum als sei dieses Mahl der Himmel auf Erden. Arme Chelsea, dachte ich. Wie lange sie wohl nichts Anständiges mehr gegessen hatte? Ich fand es amüsant sie beim Essen zu beobachten. Die Art, wie sie sich Bissen für Bissen auf der Zunge zergehen ließ, hatte etwas kindliches an sich. In meinen Augen wirkte sie wie ein kleines Mädchen, das jetzt endlich seinen Nachtisch essen durfte. Ich Schmunzelte. Es war schön, so mit ihr zu sitzen und sie anzusehen. Meine Ängste waren wie weggeblasen, kamen mir jetzt so unwirklich, so weit weg vor... Sie veränderte mich. Sie brachte mich zur Ruhe, gab mir Sicherheit...! Merkwürdig... Ohne es zu merken, gab sie mir so unglaublich viel. Sie tat nichts weiter, als sie selbst zu sein, als einfach da zu sein. Wie gerne wäre ich dasselbe für sie...! Wie gerne wäre ich ihr Halt, ihre Kraftquelle, ihr sicherer Hafen... Ich würde ihr so gerne alles geben! Einfach alles! Irgendwann würde ich ein Mann werden, der ihr gewachsen war! "Wo bist du, Elliot?" fragte Chelsea mich grinsend und riss mich so aus meinen Gedanken. "Wie meinst du das...?" fragte ich wenig überzeugend. "Du sahst gerade so abwesend aus, so in Gedanken versunken, da habe ich mich gefragt, woran du gedacht hast." Ich spürte wie mir die Röte ins Gesicht stieg. Ich konnte Chelsea unmöglich sagen, dass ich gerade an sie gedacht hatte und daran, wie vernarrt ich in sie war... Das Schweigen wurde langsam unangenehm. Ich wollte gerade etwas antworten als Chelsea die Initiative ergriff: "Tut mir leid... ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen... Geht mich ja eigentlich auch nichts an... Komm, lass uns lieber raus gehen und was unternehmen. Wir könnten auch Natalie fragen ob sie Lust hat." Bei dem Namen meiner Schwester zuckte ich unwillkürlich zusammen. "Ich denke nicht, dass meine Schwester Lust hat, etwas mit mir zu unternehmen. Du musst wissen, wir verstehen uns nicht sonderlich gut..." Ich wollte nicht über meine Schwester herziehen oder über unsere Probleme reden, also schwieg ich. Ich erwartete, dass Chelsea mich mit Fragen löchern würde und es unangenehm für mich werden könnte, doch die erwatete Reaktion blieb aus. Stattdessen wurde ihr Blick verständnisvoll und sie lächelte mich schwach und aufmunternd an. Dann stand sie auf und reichte mir ihre Hand. "Na dann machen wir eben was zu zweit." Ich sah sie ungläubig an. Sie meinte es tatsächlich ernst. "Tut mir leid Chelsea... Ich kann nicht, ich hab so viel zu tun...!" So gern ich auch auf dieses verlockende Angebot eingegangen wäre, aber ich hatte wirklich noch zu viel zu tun... Außerdem würde meine Schwester mich umbringen wenn ich heute "schwänzen" würde... "Schade..." seufzte Chelsea enttäuscht und mir schnürte sich die Kehle zu. "Aber was solls. Komm, ich bring dich nach Hause und bedanke mich noch kurz bei Felicia für das leckere Essen!" Wir verließen also Chelseas Haus und gingen zu mir. Meine Schwester war gerade dabei die Lieferkiste, die vor unserem Haus stand, zu überprüfen. Als sie Chelsea (und mich) sah, hellte sich ihr Gesicht auf und sie lief uns entgegen. "Natalie, hi! Na, wie gehts dir?" fragte Chelsea locker. Ich kannte meine Schwester sehr gut und wusste ihr Verhalten schon immer zu deuten. Auch wenn ihre Miene unverändert war, irgendwie gleichgültig und verschlossen, blitzten ihre Augen freudig auf und ihre Haltung wurde entspannter. Sie mochte Chelsea offenbar sehr. "Mir geht es gut, danke. Dir?" "Ja, auch gut. Wie siehts aus, ist Felicia da?" "Sie ist drinnen. Geh ruhig rein wenn du willst." Freundschaftlich klopfte Chelsea meiner Schwester auf die Schulter und trat in unser Haus. Ich wollte ihr folgen, doch Natalie packte mich am Arm und hielt mich zurück. "Wo willst du hin? Wir haben noch viel zu tun." Natalie hatte recht. Ich musste mich um meine Pflichten kümmern, so gerne ich Chelsea auch auf Schritt und Tritt folgen würde... Nach meinem Vormittag mit Chelsea war ich richtig motiviert und energiegeladen. Ich hatte das Gefühl, ich könnte Berge versetzen, also machte ich mich sofort an die Arbeit. Es war garnicht so einfach im Transportwesen tätig zu sein. Wir mussten durch die ganze Stadt laufen und jede Lieferkiste durchsuchen und alles in Kisten verpacken. Auch wenn es nicht einfach war, ich gab mein Bestes und kassierte an diesem Tag sogar ein Lob von meiner Schwester ein. Die Sonne ging langsam unter, es war schon 18 Uhr und wir waren alle hundemüde, doch wir waren noch nicht fertig. Der Frachter würde heute Abend kommen und unsere Waren abholen, das bedeutete, dass wir noch all die Lieferkisten an den Strand schleppen mussten. Schon allein der Gedanke machte mich müde... "Elliot, da bist du ja!" begrüßte mich Taro als er mich vor unserem Haus entdeckte. "Ich habe dich schon überall gesucht! Wir müssen uns beeilen, der Frachte könnte jeden Augenblick hier sein! Außerdem erwarten wir heute Gäste." "Gäste? Was für Gäste?" "Chen hat gemeint, wir könnten einen Zimmermann und einen Tierhändler gut gebrauchen. Er hat also seine Beziehungen spielen lassen, hat einige Freunde angerufen und sie haben alle zugesagt. Wir bekommen neue Mitbewohner!" Wow... mit so einer Nachricht hatte ich nicht gerechnet! Ich war überrascht und starrte meinen Großvater mit offenem Mund an. "Aber das sind ja großartige Neuigkeiten!" Je mehr Leute auf diese Insel zogen, desto besser! Wir konnten jede Unterstützung gut gebrauchen. "Elliot!" rief plötzlich eine zarte Stimme hinter mir. Kaum hatte ich mich umgedreht, schon schmiss sich der kleine, 10 Jahre alte Charlie in meine Arme. "Hey, Vorsicht Kleiner!" sagte ich liebevoll und streichelte seinen schwarzen Wuschelkopf. "Wir bekommen neue Einwohner, nicht wahr?" fragte der Kleine aufgeregt und noch bevor ich ihm antworten konnte rannte er auch schon los in Richtung Strand. Ganz außer Atem tauchte kurz darauf auch sein Vater Chen auf. "Diese Kinder..." beschwerte er sich und Taro und ich mussten beide anfangen zu lachen. "Der Kleine hat ganz schön viel Energie!" stellte mein Großvater amüsiert fest. "Jaaa,... zu viel für einen alten Mann wie mich...!" Chen seufzte und seine kleinen Augen sahen erschöpft aus. Ich mochte Chen, aber irgendetwas an ihm machte mich traurig... wahrscheinlich war es die Tatsache, dass sein einsamer Blick dem meiner Mutter so erschreckend ähnlich war. Er hatte das gleiche Schicksal erlitten wie sie, das wusste ich. Es musste hart sein, den Menschen zu verlieren den man liebt und mit seinem Kind allein gelassen zu werden... Der kleine Mann mit Bart und vollem, schwarzen Haar holte nochmal tief Luft und rannte weiter seinem Sohn hinterher. "Chen ist wirklich ein netter Kerl..." sagte Taro, mehr zu sich selbst als zu mir. "Komm Elliot, wir müssen weiter! Wir haben noch viel zu tun." Oh ja, wir hatten noch seeehr viel zu tun... Die Kisten stapelten sich in unserem Wohnzimmer bis ins unermässliche. Felicia war schon am Strand und würde uns nicht helfen können. Taro war zwar noch immer arbeitstauglich, aber seine Kräfte waren aufgrund seines hohen Alters beschränkt, das bedeutete, dass die Arbeit an Natalie und vor allem an mir hängenbleiben würde. Ich seufzte schwer. "Na dann, an die Arbeit!" Wir trugen unzählige Male eine Kiste nach der Anderen zum Strand, doch es wurden einfach nicht weniger. Meine Arme taten höllisch weh und meine Beine wollten mich nicht mehr so recht tragen, doch ich musste durchhalten. Ich ging wieder ins Haus und nahm mir so viele Kisten wie ich nur tragen konnte und wollte gerade nach draußen gehen, als ich plötzlich spürte wie die Kisten in meinen Armen leichter wurden. "Wer ist da?" fragte ich dankbar. "Ich bins, Chelsea! Komm Elliot, lass mich dir helfen und gib mir die Kisten!" Mein Herz setzte einen Augenblick lang aus. "Chelsea!? Was tust du hier?" "Ich habe gehört, dass heute Abend ein Schiff mit neuen Einwohnern ankommt, deshalb bin ich hier." Ihre Stimme brachte mich völlig aus der Fassung. Ich brauchte einige Sekunden um wieder klar denken zu können. "Elliot, lass mich den Rest machen, du siehst müde aus. Ruh du dich aus, ich schaff das schon!" Sie zog sanft an den Kisten und wollte sie mir abnehmen doch ich hielt sie fest umklammert. "Das geht nicht Chelsea..." flüsterte ich. Ich hätte die Hilfe von jedem angenommen, wirklich von jedem, aber nicht von ihr... Ich wollte nicht wie ein Schwächling dastehen, nicht vor ihr. "Bitte versteh mich nicht falsch, aber das geht nicht. Weißt du noch, ich habe dir bei unserer ersten Begegnung etwas versprochen, deshalb kann ich deine Hilfe jetzt nicht annehmen." Chelsea schwieg eine ganze Weile, hielt aber die Kisten von der anderen Seite aus fest. Ich wusste ganz genau wie schwer es ihr fiel, mir nicht zu helfen, aber sie würde meine Bitte akzeptieren, das wusste ich. "Na schön... Wenn es dir so wichtig ist, dann will ich dich natürlich unterstützen! Aber solltest du Hilfe brauchen, dann ruf mich bitte, in Ordnung?" In ihrer Stimme schwang so viel Kummer und Sorge mit, dass es mir fast das Herz brach. Sie war so wundervoll! "Ich danke dir Chelsea!" Sanft aber bestimmt nahm ich nun die Kisten entgegen und wir lief gemeinsam an den Strand. Sie setzte sich zusammen mit Felicia, Chen und Charlie in den Sand und wartete auf das Schiff, während ich zusammen mit Natalie und Taro noch die restlichen Kisten zum Strand transporierte. Als wir endlich fertig waren, setzten wir uns föllig außer Atem zu den Anderen. Chelsea setzte sich neben mich und musterte mich besorgt "Ist alles in Ordnung?" fragte sie und betätschelte mich fürsorglich. "Ja..." flüsterte ich und lehte meinen Kopf an ihre Schulter. Ich fing mir zwar einen vernichtenden Blick von Natalie ein, aber das war es mir wert. Sanft strich Chelsea mir durch das Haar und ich kam endlich zur Ruhe. Es war nun schon fast dunkel, wenn das Schiff nicht bald kam, würde es sich wohl kaum in der Dunkelheit zurecht finden. Es hier weit und breit keinen Leuchtturm... "Da, sie kommen!!", schrie Chelsea aufgeregt und stieß mich von sich. Sie stand auf und sprang aufgeregt umher. Nun standen wir alle auf um nach dem Frachter zu sehen und tatsächlich erkannten wir ihn in der Ferne. Er bewegte sich ziemlich schnell auf die Insel zu und schon nach kurzer Zeit konnte man sogar die Passagiere erkennen. Es befanden sich viele Matrosen auf dem Schiff, die sicherlich nicht vorhatten auf der Insel zu bleiben. Mein Blick fiel auf einen riesigen Mann, der grimmig dreinsah und mindestens doppelt so groß war wie ich. Ich wollte ja nicht gemein sein, aber ich fand er sah aus, wie der Glöckner von Notre-Dame... Sein Gesicht war schief, irgendwie unharmonisch... Er hatte lange, extrem muskulöse Arme und er hatte einen leichten Buckel. Würde er etwa auf der Insel bleiben? Irgendwie beunruhigte mich dieser Gedanke... Doch dann sah ich eine junge Frau die gelangweilt an der Reling stand und genervt auf uns herab sah. Ich hatte noch nie eine so schöne Frau gesehen. Sie hatte langes blondes Haar, das in sanften Wellen ihren Körper hinab glitt. Ihr Körper hatte schöne, weibliche Rundungen, volle Brüste und einen wohlgeformten Hintern. Ihre Lippen waren sinnlich und ihre Nase gerade, ihre Stirn hoch und elegant. Sie trug eine extrem knappe Jeans, oben trug sie ein weißes Shirt über das sie sich ein hellblaues Hemd gebunden hatte das ihren flachen Bauch betonte. Sie wirkte so unglaublich erotisch, dass es mir die Sprache verschlug. Ich muss diese unbekannte Schönheit ziemlich blöd angestarrt haben, denn Natalie schaute mich angewidert an und Chelsea folgte neugierig meinem Blick und starrte diese Frau auf dem Schiff ebenso verdattert an wie ich. Ich bekam ein schlechtes Gewissen weil ich dachte, Chelseas Gefühle durch meine offensichtliche Begeisterung für die Schönheit dieser Frau verletzt zu haben, als sie plötzlich begeistert verkündete: „WOW... ich habe noch nie ein so schönes Wesen gesehen. Sie ist ja der absolute Hammer!“ Verdutzt sah ich sie an. Was hatte ich mir denn gerade erhofft? Vielleicht Eifersucht? Hatte ich wirklich erwartet dass sie eifersüchtig auf mich sein könnte, vielleicht sogar besitzergreifend? Wie konnte ich nur so unglaublich naiv sein...? Nur weil Chelsea nett zu mir war bedeutete das noch lange nicht, dass sie für mich irgendwelche Gefühle hegte...! Das Schiff legte endlich am „Hafen“ (ob diese kleine Anlegestelle wirklich als Hafen bezeichnet werden kann ist fraglich..) an und die Passagiere gingen von Bord. Unsere neuen Inselbewohner waren (zu meiner Enttäuschung) der stämmige Mann (mein Glöckner von Notre-Dame...), zwei Frauen, nämlich dieses unglaublich schöne Mädchen und eine stämmige, blonde Frau mit aufrichtigem Lächeln und noch ein weiterer Mann, der mir auf dem Schiff garnicht aufgefallen war. Er sah aus wie der Bösewicht aus einem alten Cowboyfilm. Er musste so in meinem Alter sein, vielleicht etwas jünger. Er trug ein schwarzes Hemd, eine schwarze Hose und einen schwarzen Cowboyhut... ansonsten trug er ein weißes Halsband, braune Stiefel und eine braune Weste... was mich aber noch mehr verwirrte (abgesehen von seinen echt merkwürdigen Klamotten...) waren seine Augen und sein Haar. Seine Augen waren lila, fast violett. Schöne Augen, aber sein Blick war kalt und arrogant... seine Haare waren weiß, fast silbrig und hingen in langen Strähnen herunter. Es handelte sich wirklich um eine merkwürdige Gruppe... Einerseits waren mir die Leute nicht ganz geheuer, andererseits war ich schon wirklich gespannt darauf, sie kennenzulernen! Den Anfang machte Taro: "Ich heiße euch alle herzlich Willkommen auf der Insel des Glücks! Es ist uns allen eine große Ehre euch hier bei uns zu haben!" Daraufhin antwortete zuerst die ältere Frau: "Auch uns ist es eine große Ehre hier sein zu dürfen! Mein Name ist übrigens Mirabelle und dieses junge Fräulein ist meine Tochter Julia." Julia nickte uns höflich zu. Aus der Nähe war sie noch viel schöner als von der Ferne. Erst jetzt kamen ihre unglaublich schönen Gesichtszüge zur Geltung und... diese eiskalten, blauen Augen. Ihr Blick war pures Eis, doch mir schien, als würde sich irgendetwas dahinter verbergen... große Trauer und bittere Enttäuschung... Sie sah irgendwie einsam und verletzt aus. Ihre Schönheit konnte kaum in Worte gefasst werden. "Wir haben vor, einen Tierladen zu eröffnen. Ich hoffe auf gute Zusammenarbeit." endete Mirabelle. "Guten Abend!" begrüßte uns nun auch Quasimodo "Mein Name ist Gannon. Ich bin Zimmermann! Ich hörte von Chen, dass ihr hier meine Dienste gebrauchen könntet. Ich hoffe, wir werden uns gut verstehen!" Seine Stimme war rau, so wie ich sie mir vorgestellt hatte. Er versuchte sich an einem Lächeln, was eher aussah als würde er eine Grimasse schneiden... Irgendwie war er mir unheimlich... "Mein Name ist Vaughn!" stellte sich nun auch unser Westernschurke vor. "Ich werde jeden Mittwoch und Donnerstag auf die Insel kommen. Ich bin Viehändler und werde mit Mirabelle zusammenarbeiten." Nachdem sich unsere Neuankömmlinge vorgestellt hatten, stellten auch wir uns Einer nach dem Anderen vor. "Mein Name ist Felicia. Ich bin Taros Tochter und diese Beiden hier sind meine Kinder Natalie und Elliot, freut mich euch kennenzulernen!" "Mein Name ist Chen, ich bin der Händler hier auf dieser Insel. Dieser kleine Mann hier ist mein Sohn Charlie. Er kennt sich bestens mit Kleinoden aus, wenn ihr also irgendwelche Werkzeuge verbessern möchtet, dann solltet ihr zu ihm gehen." "Ich bin Chelsea! Ich bin alleine auf diese Insel gekommen und leite die Ranch hier. Es freut mich euch hier zu haben! Wenn ihr für heute Abend eine Bleibe braucht, ich kann euch gerne meine Ranch zur Verfügung stellen. Mein Haus ist zwar klein, aber ich besitze noch eine zweite Hütte, sie muss früher als Tierhaus gedient haben. Wenn ihr wollt richte ich es euch vorerst mal ein, bis wir für euch alle etwas besseres gefunden haben. Es wäre mir eine große Ehre." Mirabelle schien äußerst beeindruckt von Chelsea zu sein. Sie betrachtete sie mit großen Augen und meinte: "Ein Mädchen das alleine eine Ranch führt... WOW! Das ist echt der Hammer! Ich würde gerne auf dein Angebot eingehen. Was haltet ihr davon Jungs?" "Von mir aus..." antwortete Vaughn desinteressiert. "... Das ist wirklich lieb von dir, danke! Du bist wirklich hübsch...!" sagte Gannon und lächelte verlegen. OHA... so kam er mir irgendwie vor wie ein Riesenbaby...! "Das freut mich sehr!" sagte Chelsea begeistert. So war nun also geklärt wo unsere Neuankömmlinge sich an diesem Abend zurückziehen konnte. Mirabelle fragte Chelsea neugierig aus, sie schien großen Gefallen an ihr gefunden zu haben. Kein Wunder, keiner konnte sich ihrem unwiderstehlichem Charme entziehen. Es war schon spät und alle gingen müde in ihre Häuser. Auch wir gingen nach Hause, doch irgendwie ging mir diese merkwürdige Schönheit einfach nicht mehr aus dem Kopf. Irgendwie tat sie mir leid... Ich wünschte ich könnte erfahren, was ihr zugestoßen war um ihr zu helfen. Aber ich war mir sicher dass Chelsea es für mich übernehmen würde. Sie würde Julia zurück ins Licht führen, so wie sie auch mich vor der Dunkelheit in meinem Herzen gerettet hatte... An diesem Abend schlief ich nicht gut. Ich träumte von meinem Vater, diesem starken Mann der nach seinem Tod so unglaublich friedlich ausgesehen hatte und das erste Mal seit langem, träumte ich wieder von meiner Mutter... Ich sah sie ohnmächtig im Bad liegen. Weißer Schaum trat aus ihrem offenen Mund und ihre Augen waren krampfhaft verschlossen. Sie atmete nicht mehr. Ich hörte Natalie schreien. Sie rannte auf meine Mutter zu, versuchte sie wiederzubeleben. Ich war wie gelähmt. Verstört sah ich meiner Schwester zu, wie sie unter Tränen versuchte meine Mutter wieder zum Atmen zu bringen. „Halt durch!“ schrie sie unsere Mutter an, als ob sie wüsste, dass sie es hören würde. Plötzlich wurde alles schwarz, alles was ich noch sah, waren meine Schwester und meine Mutter. Sie sah mich verzweifelt an und schrie so laut sie nur konnte „WIESO TUST DU NICHTS??? HOL EINEN ARZT, ELLIOT! HOL EINEN ARZT!!!“ Ich hätte nichts lieber getan, als meiner Mutter zu helfen,aber ich konnte nicht. Ich konnte meinen Blick nicht von meiner Mutter abwenden. Meine Schwester rang erbittert um Felicias Leben, aber ich konnte ihr nicht helfen. Ich war zu feige, gelähmt von meiner Angst und meiner Verzweiflung. Ich konnte nichts mehr sagen, nichts mehr denken, nichts mehr tun... Abrupt brach meine Schwester ihre Versuche ab, unsere Mutter hatte sich bewegt. Ein Hoffnungsschimmer huschte über Natalies Gesicht, doch er wurde sofort wieder von dem aufkeimenden Hass mir gegenüber getrübt. Ihr Blick löste meine Starre auf, denn er war voller Verachtung und nackter Wut. Sie hasste mich, weil ich so ein Feigling war und nicht gehandelt hatte. Ich würde diesen Blick niemals vergessen. Niemals. Er würde mich immer quälen, für immer in meinem Gedächtnis bleiben und die Dunkelheit in meiner Seele ausbreiten. Die Dunkelheit ließ mich nicht los. So lange hatte ich sie ignoriert, sie vergessen. Hier auf der Insel des Glücks hatte ich sie verdrängen können, doch jetzt holte mich meine Vergangenheit wieder ein. Ohne Chelsea in meiner Nähe konnte ich mich vor der Dunkelheit in meinem Herzen nicht schützen. Ohne mein Licht, ohne meine Kraftquelle Chelsea war ich verloren. Ich brauchte sie, das war mir jetzt klar geworden. Verlass mich nicht Chelsea. Hass mich nicht mein Engel... Bitte, hör niemals auf an mich zu glauben! Kapitel 3: Unerwiderte Liebe (Vaughn) ------------------------------------- Bevors los geht würde ich gerne noch ein paar Worte sagen: Diesmal ist meine FF leider etwas kurz ausgefallen, aber ich fand es so passender für Vaughn, da ich ihn nicht für sonderlich romantisch und ausschweifig halte... Ich bitte auch darum Rechtschreibfehler zu entschuldigen, mein Beta-Leser ist nämlich grad verloren gegangen xD, und außerdem hab ich leider kein Rechtschreibprogram, kann also gut sein, dass einige Flüchtigkeitsfehler drin sind! Ich hoffe es ist alles verständlich, ich habs nämlich grad ziemlich eilig mit dem Schreiben... Ich möchte meine Ferien gut nutzen, bald ist nämlich auch für mich Abiturzeit und da werde ich dann wohl nicht mehr so viele Gelegenheiten zum Schreiben haben... Ich freue mich jedenfalls über jeden Kommentar und ich antworte auch gerne mal auf eure Kommentare, achtet also drauf wenn ihr lust habt! Hoffe allen gefällts bis jetzt ^^°! "Vaughn, reichst du mir bitte das Kissen?", fragte Chelsea zuckersüß... zu süß...! Ich reichte es ihr wortlos und sie lächelte mich freundlich an. Wir waren endlich auf der Insel des Glücks agekommen und hatten uns sogar schon relativ schmerzfrei bei den Inselbewohnern vorgestellt. Diese Chelsea hatte uns eine Unterkunft angeboten und jetzt befanden wir uns in ihrem Tierhaus und sie war gerade dabei unser Nachlager einzurichten... Ich hasste es untätig rumzustehen und Andere meine Arbeit machen zu lassen, aber dieses Mädchen war ein Dickschädel und wollte uns partout nicht helfen lassen... Wenn sie meinte...! "Ist das in Ordnung so?", fragte Chelsea unsicher "Ich hoffe es wird bequem genug sein... Mehr kann ich euch leider nicht anbieten." Unser Nachtlager bestand aus Stroh, vier Decken und fünf Kissen (Ich fragte mich woher sie das ganze Zeug her hatte, hier gab es schließlich fast nichts...). Es sah wirklich sehr gemütlich aus. "Danke! Du bist zu gut..." sagte Gannon gerührt und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. "Ist schon gut... Das mache ich doch gerne! Ich wünsche mir wirklich, dass ihr euch hier wohlfühlt...!", bemerkte Chelsea und wurde rot. Ok, das war eindeutig zu viel Gefühl für einen Menschen wie mich, deshalb beschloss ich, langsam schlafen zu gehen "Gute Nacht", sagte ich kurz und legte mich ganz an den Rand unseres Nachtlagers um dem großen Gannon genug Platz zu lassen. "Oh, wollt ihr nicht vielleicht noch irgendetwas essen oder trinken? Ihr habt sicher eine anstrengende Reise hinter euch!", fragte Chelsea besorgt und mir wurde langsam wirklich unbehaglich zu mute... "Nein. Ich brauch dich nicht!" sagte ich kalt und drehte mich von ihr weg. Ich hasste scheinheilige Schleimer, und ich hielt Chelsea für so eine. "HEY!", fuhr Gannon mich an "Was soll das du..." er brach aprupt ab. Als ich mich umdrehte sah ich Chelsea, die ihre Hand auf seine Schulter gelegt hatte und ihn nur beschwichtigend ansah. "Lass nur Gannon, schon ok!" Dann sah sie mich an und lächelte verständnisvoll. "Gute Nacht Vaughn! Bis Morgen!" Keine Spur von Wut oder Enttäuschung, nicht mal ein klein wenig Trauer lag in ihren Augen... Aber was solls, dachte ich mir. Ich hatte schon viele Frauen wie sie kennengernt. Ich kannte diesen sanften Blick nur zu gut. Diese Haut, die so weich war und warm, die einem das Gefühl von Geborgenheit vermittelte. Aber es war alles eine Lüge! Letztendlich waren sie alle gleich, aber das machte nichts. Es war nicht mehr von Bedeutung. Grummelnd legte Gannon sich neben mich. "Sie hats nur gut gemeint, man!", schnauzte er mich an und drehte sich dann von mir weg. Ich hatte keine Lust mit ihm zu streiten. Es war wirklich immer das gleiche, wieso konnte man mich nicht einfach in Ruhe lassen?! Sich anderen Menschen zu öffnen war einfach nicht mein Ding... Ich hatte es so satt, dass alle sich in meine Angelegenheiten einmischten. Wieso war ich nur auf Mirabelles Angebot eingegangen... Ich hätte nicht hierher kommen sollen... Aber ich würde Mirabelle wohl niemals eine Bitte abschlagen können... dafür schätze ich sie viel zu sehr. Auch wenn ich es niemals zugeben würde, aber Mirabelle hatte mir das Leben gerettet. Ich hatte es ziemlich eilig gehabt, von Zuhause auszuziehen. Ich war wie ein streunender Hund gewesen, bis Mirabelle mich fand und mich dazu brachte im Tiertransport tätig zu werden... Ich würde ihr das niemals vergessen. Aber selbst ihr konnte ich nicht hundert prozentig vertrauen... Ich wollte es ja, aber ich konnte einfach nicht. Nicht mehr! Manche Wunden würden sich niemals schließen, so war das nunmal. Ich hatte vertraut, und mein Vertrauen wurde gebrochen. Ich hatte keine Lust mehr es zu versuchen, mich zu bemühen und dann doch im Stich gelassen zu werden. "Vaughn...", flüsterte eine weiche Stimme zaghaft und ich fühlte wie kleine Hände mich sanft an den Schultern zogen. Ich machte meine Augen auf und das erste was ich erblickte waren Chelseas Haare, die in langen Strähnen in mein Gesicht fielen. "Oh! Entschuldige bitte...!", sagte Chelsea als sie mein missmutiges Gesicht bemerkte und nahm ihre Haare zurück. Sie hatte sich neben mir auf den Boden gekniet und sich über mein Gesicht gebeugt. "Hast du gut geschlafen?" "Ja, bis jetzt." "... Tut mir leid dich geweckt zu haben, aber Mirabelle braucht dich. Sie meinte es sei in Ordnung wenn ich..." "Ist schon gut!", unterbrach ich sie schroff und stand auf. Chelsea fuhr sich mit der rechten Hand verunsichert durchs Haar. Irgendwie merkwürdig. Am Strand gestern Abend war sie mir garnicht so schüchtern vorgekommen... Ich trat aus dem Tierhaus und fing die ersten Sonnenstrahlen ein. Es war noch früh und deshalb angenehm warm, aber ich ließ mich davon nicht täuschen... es würde noch unerträglich heiß werden heute. Schließlich kam auch Chelsea aus dem Tierhaus geschlichen und sah mich befangen an. Wie nervig... "Hast du hunger?", fragte sie und lächelte zaghaft. "Ich habe Felicia gebeten etwas für euch zuzubereiten. Es gibt Mais!" "Ich hasse Gemüse!", erwiderte ich und funkelte sie böse an. Ich konnte dieses Mädchen einfach nicht leiden. Irgendwas an der Art wie sie mich ansah machte mich krank! "Oh...", das war alles was Chelsea rausbrachte. Ich wollte gerade loslaufen und nach Mirabelle suchen, da fragte sie mich: "Was isst du denn gerne? Vielleicht kann ich dir ja etwas anderes bringen..." "Lass gut sein!", mit diesen Worten ließ ich das Mädchen zurück und machte mich auf die Suche nach Mirabelle. "Vaughn, da bist du ja!" schrie Mirabelle und rannte mir entgegen. Ich war runter in die Stadt gelaufen und betrachtete den Platz eindringlich. Es gab eine baufällige Hütte, sonst aber nichts, das wir zu einem Haus hätten umbauen können. Wir hatten noch sehr viel Arbeit vor uns... Als Mirabelle mich nach ihrem Sprint endlich erreicht hatte, sah sie mich vorwurfsvoll an "Wieso hast du nichts gefrühstückt? So kippst du mir noch um Vaughn...!" Sie kniff ihre Augen zusammen und funkelte mich böse an. Dieses Gesicht machte Mirabelle immer wenn sie autoritär wirken wollte, aber auf mich wirkte sie eher schmollend. "Ich hab keinen Hunger", log ich "Und außerdem haben wir jetzt keine Zeit für sowas! Hol Gannon her, ich muss mal mit ihm reden!" Ich sah Mirabelle an, dass es ihr garnicht passte, aber sie tat was ich ihr aufgetragen hatte und machte sich auch schon auf die Suche nach ihm. Kaum war Mirabelle verschwunden schon tauchte einer der Inselbewohner auf und meinte, er müsse mich anquatschen. "Guten Morgen Vaughn!", sagte der Junge mit der Brille höflich "Hast du gut geschlafen? Ich bin mir sicher, Chelsea war eine gute Gastgeberin!" In seinen Augen blitze Begeisterung auf. Es war offensichtlich wie viel er von ihr hielt, delhalb nickte ich nur abwesend. "Und, wie findest dus hier so? Könntest du dir ein Leben hier auf der Insel vorstellen?" Wieso mussten mich alle auf dieser Insel nur so nerven...? War es denn so schwer? Ich brauchte nichts, auch ihre Sorgen und Fragen nicht. "Weiß nicht", beantwortete ich seine Frage und beendete damit das Gespräch. Enttäuscht verabschiedete er sich (ich konnte mich nichtmal an seinen Namen erinnern...) und ging wieder zurück an die Arbeit. Ich nahm die Hütte etwas genauer unter die Lupe. Das Gebäude an sich war recht passabel, aber nicht bewohnbar, so ramponiert und alt war alles. Aber ich war mir sicher, dass Gannon es wieder auf Vordermann bringen würde. Er war ein ausgezeichneter Zimmermann, das musste man ihm wirklich lassen. "Hey, geh weg da du Idiot!", schrie eine tiefe Stimme hinter mir, es war Gannon "Willst du dich umbringen?! Das ist gefährlich!" Ich verdrehte die Augen und entfernte mich von dem Gebäude. Mirabelle und Julia kamen angerannt und betätschelten mich hysterisch "Ist alles in Ordnung bei dir? Sei vorsichtiger Vaughn, du hättest dich verletzen können...!" Wie ich es hasste so bemuttert zu werden... Ich stieß die Frauen von mir und wandte mich Gannon zu "Denkst du, du krigst das hin?" fragte ich kurz. Es muss zwar renoviert werden, aber das Gebäude an sich scheint ziemlich gut zu sein" Eiskalt sah Gannon mich an und schnaubte verächtlich "Natürlich schaff ich das du Wurm!", fauchte er mich an und machte sich sofort an die Arbeit. "Kann man dir irgendwie helfen Gannon? Vaughn wirkt zwar sehr ruppig und undankbar, aber glaub mir, er ist kein schlechter Kerl! Außerdem ist er eine gute Arbeitskraft!", redete Mirabelle auf ihn ein, aber Gannon wollte meine Hilfe um keinen Preis! Mir solls recht sein, dachte ich und wollte mich gerade auf den Weg an den Strand machen, als mir plötzlich ein unwiderstehlicher Geruch in die Nase stieg. Ich drehte mich neugierig um und sah Chen, der geradewegs auf mich zulief. "Hallo Vaughn, gut dass ich dich noch erwische!", begrüßte mich der freundliche Mann und reichte mir eine Tupperdose. Skeptisch nahm ich es entgegen und fragte: "Was ist das?" "Milchreis! Ich wünsche dir einen guten Appetit!" Ich wusste zwar nicht woher Chen wusste, was ich am liebsten aß, aber ich beschloss, mich einfach zu bedanken und darüber zu freuen, schließlich hatte ich einen höllischen Hunger "Danke, Chen!", sagte ich schlicht und der gütige Mann lächelte nur und ging wieder zurück in seinen Laden. Ich legte mich an den Strand und aß genüsslich meinen Milchreis. Es war heiß und ich musste an Gannon denken, der sich bei dieser Hitze abmühte. Aber mir sollte es recht sein, er mochte mich sowieso nicht. Ich genoß die Ruhe hier. Eigentlich mochte ich diese Insel, sie war um einiges schöner als die große Stadt... würden sich hier nur nicht alle in meine Angelegenheiten einmischen! Ich war so viel Fürsorge und Zusammenhalt einfach nicht gewohnt. Ich war ein Einzelgänger. So gerne ich auch wie die Anderen wäre, einfach fröhlich, unbesorgt und so unverschämt optimistisch... aber es ging einfach nicht. Ich war nunmal der, der ich war... ob es den Menschen hier nun in den Kram passte oder nicht! Was solls, dachte ich mir. Es ist besser so, wie es jetzt ist! Besser, ich lass mich auf Niemanden ein und Keiner sich auf mich. So war es schon immer gewesen und ich hatte gelernt so zu leben. Nichts und Niemand würde mich jemals von diesem Weg abbringen! Meine Gedanken schweiften um das Inselleben, um diesen friedlichen Ort und wie schön es doch wäre für immer hier bleiben zu können... Auf diese Weise verbrachte ich den Tag bis die Sonne sich langsam im Meer verlor. Meine Energiereserven waren nun wieder voll aufgetankt und ich fühlte mich ausnahmsweise mal richtig ausgeruht. Ich beschloss zurück zu Chelseas Farm zu gehen. Auch wenn ich sie einfach nicht leiden konnte, so war sie doch meine Gastgeberin und ich wollte mich irgendwie erkenntlich zeigen. Als ich in die Stadt lief kam ich an Gannon vorbei, welcher schon fast fertig war mit dem Haus. Verdutzt blieb ich stehen und betrachtete den schweißgebadeten Rießen verwundert. "Vaughn sieh nur!", rief Mirabelle die mich gerade entdeckt hatte. "Ist das nicht wunderbar? Es ist schon fast fertig!" "Ja...", sagte ich und versuchte meine Begeisterung über Gannons enormen Fähigkeiten zu verbergen. Dieser seufzte schwer und fuhr sich mit der flachen Hand über die Stirn "Ja... Ich schätze mal, morgen Abend werdet ihr in eurem eigenen Haus schlafen können" "Großartig...", seufzte Mirabelle. "Die arme Chelsea, sie hat viel durchmachen müssen und hat sich trotz allem so viel Mühe um uns gegeben... wusstest du, dass sie es war, die Chen den Milchreis gebracht hat?", fragte Mirabelle und in mir zog sich alles zusammen. Dieses Miststück... Jaa, so wickelt sie alle um den Finger... Blöde Ziege...! Plötzlich hatte ich keine Lust mehr ihr bei irgendwas zu helfen... Ich wurde richtig wütend. Wieso waren nur alle so vernarrt in dieses Mädchen? Dachte sie etwa, nur weil sie uns eine Bleibe gab und mir Milchreis machte, war sie ein besser Mensch?!?! Ich steigerte mich vom hundertsten ins tausendste und der Zorn in mir wurde immer größer! So stapfte ich also, nicht mehr ganz so gutgesinnt wie am anfang, zu Chelseas Farm. Am liebsten hätte ich ihr das Nachtlager und den Milchreis um die Ohren gehauen... Es passte eigentlich nicht zu mir, so aus der Fassung zu geraten. Eigentlich hatte sie mir ja nichts getan, ich hatte nicht den geringsten Grund sie so zu hassen, aber ich tat es! Ich wusste nicht wieso, aber sie machte mich rasend vor Wut. Als ich ihre Farm erreichte entdeckte ich sie auf ihrem Feld. Alles war gegossen, kein Unkraut war mehr da, aber sie schien verbissen an etwas zu arbeiten. Ich lief geradewegs auf sie zu, getrieben von diesem undefinierbaren Gefühl, dieser aufkeimenden Wut und diesem Hass. Ich stand nun direkt hinter ihr, sie hatte mich noch nicht bemerkt. Sie saß auf ihren Knien und war gerade dabei ihr Werkzeug zu polieren. Ihre Haare ware offen und lagen auf ihrer linken Schulter. Sie trug ihr rotes Kopftuch, das gelbe Top, das schon ziemlich ramponiert aussah, die zerschlissenen Jeans und die roten Gummistiefel. Ich konnte nichts weiter tun als sie anzustarren. Was war nur los mit mir? Ich verstand mich selbst nicht mehr... Aprupt stand sie auf und drehte sich um. Sie erschrack fürchterlich als sie mir beinahe in die Arme gelaufen wäre. "Vaughn!", schrie sie auf und wich erst mal einige Schritte von mir zurück. "Du hast mich aber erschreckt...! Kann ich dir irgendwie helfen? Suchst du etwas bestimmtes?" Es war mir fast unmöglich mich zu fassen. Mein Körper bebte und ich verstand einfach nicht, was mit mir geschah. Lange sah sie mich an, forschte in meinen Augen nach einer Antwort auf ihre Frage. Mir schien, als würde sie alles sehen können. Ich fühlte mich bloßgestellt unter ihrem Blick. Wie hatte ich nur so die Beherrschung verlieren können? Langsam kam ich wieder zu mir, begriff, wo ich mich befand und was ich hier gerade tat. Als ich mir dessen Bewusst wurde, zog ich meinen Cowboyhut tiefer in mein Gesicht, sodass sie mich mit ihrem Blick nicht mehr durchbohren konnte und antwortete kühl: "Ich wollt nur nachfragen, ob es irgendwas zu tun gibt..." "... Oh, das ist wirklich sehr aufmerksam von dir...!", sagte Chelsea und ich hörte förmlich wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. "Naja, um ehrlich zu sein, ich könnte deine Hilfe schon ganz gut gebrauchen. Weißt du, ich möchte gerne einen Stall bauen lassen, sobald Gannon mit euren Häusern fertig ist... Was denkst du, wäre ein Viehstall besser, oder doch lieber ein Hühnerstall...?!" Ich hatte eigentlich nicht vorgehabt die Kummerkastentante zu spielen und sie jetzt zu beraten... Wieso war mir diese Frau nur so zuwider...? "Ein Hühnerstall wäre wohl angebrachter für jemanden wie dich!" Ich zog meinen Hut ein klein wenig nach oben und warf ihr einen vernichtenden Blick zu. Für einen Moment war Chelsea sprachlos, doch dann fasste sie sich wieder und ihr Blick verfinsterte sich "Wie meinst du das?", fragte sie vorsichtig. "Ich denke, dass du zu verwöhnt und verantwortungslos bist, um dich an der Viehzucht zu versuchen!" Wütend funkelte sie mich an und ihre Miene wurde steinhart. "So denkst du also über mich, ja?" In ihrem Blick lag nicht nur Wut, sie schien auch wirklich gekränkt zu sein. Meine Kehle schnürte sich zu. Wieso konnte ich diesen Blick nur nicht ertragen? Wieso waren mir ihre Augen so zuwider? Wieso verunsicherten mich ihre Gesten nur so ungemein? Sie war so geladen, so wütend und verletzt, dass sie mir den Rücken zudrehte und weglief. Doch als sie einige Meter weit gelaufen war, stolperte sie über einen kleinen Stein und fiel vornüber zu Boden. Lange sah ich sie an und verstand nicht, was da gerade passiert war. Sollte ich sie auslachen oder hatte sie sich vielleicht verletzt. Erst als sie sich nach einer Weile immer noch nicht bewegte wurde mir klar, dass etwas nicht stimmte. "Chelsea?", rief ich, doch sie rührte sich nicht vom Fleck. "VERDAMMT!", schrie ich und war sofort bei ihr. Ich hob sie auf und brachte sie an den Fluss der sich ganz in der Nähe befand. "Hörst du mich Chelsea? Chelsea, wach auf!!!" Sie hatte ihr Bewusstsein verloren und lag nun regungslos in meinen Armen. Panik stieg in mir hoch. Auch wenn ich sie nicht mochte, nun da sie so schwach und unglaublich müde aussah, bekam ich es mit der Angst zu tun. Ich stieg in den Fluss und setzte mich, mit ihr in den Armen, hinein. Sie musste wohl einen Hitzeschlag erlitten haben oder sowas... deshalb versuchte ich sie abzukühlen. Lange saßen wir in diesem Fluss, es kam mir wie eine Ewigkeit vor. Immer wieder überprüfte ich ihren Atem, hörte auf ihr Herz um mich zu vergewissern, dass alles in Ordnung war. "Chelsea!", flüsterte ich "Wach auf..." Kaum hatte ich diese Worte ausgesprochen bewegte sie sich. "Chelsea!", jauchzte ich und drückte sie noch fester an mich, so erleichtert war ich über ihr Erwachen. Sie öffnete ihre Augen und sah mich irritiert an. "Was...?" krächzte sie beschwerlich, doch als sie sich wieder neu orientierte und sich ihrer Lage bewusst wurde verstummte sie. Es war merkwürdig und es war schwer zu sagen, wieso es mir in diesem Moment erst klar wurde, aber als sie so in meinen Armen lag und sie sich dessen bewusst wurde, veränderte sich etwas in ihrem Blick. Sie war durcheinander und verängstigt... Sie wusste nicht genau was passiert war, aber sie wusste, dass ich da gewesen war, dass sie sich in meinen Armen befand und da wusste ich, wieso ich sie die ganze Zeit über schon nicht ausstehen konnte. Chelsea hatte sich in mich verliebt. Es stand ihr auf die Stirn geschrieben, ihre Augen schrien es förmlich und ihr Körper versteifte sich unter meiner Berührung. Ich konnte es einfach nicht fassen! Wie konnte das nur passieren? Wieso hatte sich diese Frau, die wirklich jeden Mann haben könnte, ausgerechnet in mich verliebt? In den Mann, der von Gefühlen und von Liebe nichts mehr hören wollte... In den Mann, der sich vor Bindungen fürchtete und lieber allein war... In den wohl einzigen Mann auf dieser Welt, der dieses bezaubernde Wesen in seinen Armen dafür hasste, dass es seine Nähe suchte und ihn liebte. Kapitel 4: Sehnsucht (Natalie) ------------------------------ Sooooooooooooooo, endlich ist dieses Kapitel fertig! Es tut mir so leid dass das so lange gedauert hat, aber mein Animexx spinnt manchmal ein bisschen, und weil mein Computer in letzter Zeit andauernd abgestürzt ist sind viele Sachen verloren gegangen und ich musste immer wieder von vorne anfangen.... ES WAR ZUM VERRÜCKT WERDEN!!!Aber jetzt bin ich endlich fertig und ich hab mir vorgenommen euch nicht wieder so lange warten zu lassen!!! Ich hoffe übrigens dass nicht allzu viele Fehler in diesem Kapitel auftauchen... wie gesagt, ich hab mich sehr lange damit befasst und hatte echt keinen Nerv mehr mir das ganze nochmal durchzulesen und ein letztes mal zu korrigieren... Ich bitte vielmals um Verständnis........... >//<° Ich hoffe das Kapitel gefällt euch, viel Spaß beim lesen! In letzter Zeit war so unglaublich viel passiert. So viel Trubel, so viel zu tun... Es war irgendwie schön aber auch ungewohnt. Ich genoss es, in den frühen Morgenstunden aufzustehen und zuzusehen, wie langsam alles erwachte. Der Morgen war immer schön, egal wie das Wetter auch sein mochte. Der Morgen brachte den neuen Tag und somit eine neue Chance, einen neuen Anfang mit sich... Auch ich hatte meinen Neuanfang gemacht, hier, zusammen mit meiner Familie und Chelsea. Chelsea und ich waren beste Freundinnen. Wir waren beide hierhergekommen und hatten keinerlei Ahnung wie unser Leben in Zukunft sein würde... Aber wir standen alles zusammen durch. Uns verband sehr viel mehr, als man es sich vorstellen konnte. Die Tage vergingen wie im Flug und der glühend heiße Sommer war vergangen. Ich hatte den Herbst viel lieber, denn mit der Hitze konnte ich nicht viel anfangen... sie erschwerte bloß die Arbeit und ließ einen nachts nicht schlafen... Doch es war nicht nur die Hitze die mich um den Schlaf brachte... Ich hatte Albträume, jede Nacht. Jede Nacht träumte ich von dem Schiffsunglück dass uns auf dem Weg hierher widerfahren war...! In meinem Traum kämpfte ich gegen die Wellen an, versuchte verbissen mich gegen diese brutale Macht zu stämmen, doch vergebens. Die Wellen schlugen über meinem Kopf ein, schmissen mich hin und her und raubten mir den Atem. Ich konnte nichts gegen dieses Ungetüm, gegen dieses Monstrum, dieses tosende Meer ausrichten. Ich kämpfte verzweifelt gegen den Tod an, gegen all das, wovor ich mich am meisten fürchtete, doch ich hatte keine Chance...! Das Meer zog mich unerbittlich in seine Tiefen, immer tiefer und immer tiefer. Ich strampelte, schlug um mich und versuchte wieder an die Wasseroberfläche zu kommen, doch desto mehr ich versuchte, desto aussichtsloser schien die Lage. Es wurde immer dunkler, immer kälter und immer unerträglicher. Hier unten, konnte ich nichts mehr sehen, nichts mehr fühlen und nichts mehr hören. Es herrschte vollkommene Stille, und sie machte mir noch viel mehr Angst als das wütede Meer... Ich hatte Angst vor der Dunkelheit... vor dem Nichts! Davor nichts mehr zu fühlen, mich zu verlieren... Schließlich spürte ich, wie irgendetwas sich um meine Beine schlang und festhielt. Panik ergriff mich und ich gab mein Bestes um mich aus diesesn Schlingen zu befreien. Als ich mich umdrehte und sah, was mich am Grund festhielt schnürte sich mein Magen zusammen. Es war mein Vater, über und über voller Algen, der seine kalte Hand um mein Bein gelegt hatte. "Komm zu mir!", flüsterte er und ein Schreckenschrei entfuhr mir, doch es kam kein Laut aus meiner Kehle. Stadtessen wandelte sich meine Stimme in viele kleine Luftblasen die sich ihren Weg an die Oberfläche bahnten und mich hier unten zurück ließen. Ich war verloren... Mich schauderte bei dem Gedanken an diesen schrecklichen Traum...! Nachdem ich mit Chelsea über meine Familie und meine Vergangenheit gesprochen hatte, ging es mir eigentlich wieder viel besser... Lange Zeit hatte ich keine Ängste mehr gehabt, hatte mit meiner Vergangenheit abgeschlossen, aber nun holte sie mich wieder ein...! Ich wollte Chelsea nicht noch mehr beunruhigen und noch mehr Schwierigkeiten bereiten als sie eh schon hatte... Sie hatte nämlich in der Zwischenzeit ihre ganz eigenen Probleme und Sorgen... Chelsea hatte sich in den Cowboy verliebt, der jeden Mittwoch und Donnerstag auf die Insel kam. Sie hatte es mir noch nicht gesagt... aber ich sah es ihr an. Natürlich, Chelsea war allgemein ein sehr fürsorglicher und kontaktfreudiger Mensch, aber das mit Vaughn, das war was anderes... Wenn sie mit ihm sprach fiel es ihr schwer ihm in die Augen zu sehen. Sie wurde ganz verlegen, schaute weg, strich sich nervös das Haar aus dem Gesicht... Ihr Blick schrie förmlich "VAUGHN, ICH LIEBE DICH!!!"... Auch wenn ich nicht verstand wie ein so bezaubernder und positiver Mensch wie Chelsea sich in so einen Rowdy verlieben konnte... aber es war passiert! Sie hatte sich unsterblich in ihn verliebt... Doch sie ahnte noch nichts von ihrem heimlichen Verehrer... Mein Bruder war zwar ein Feigling, aber er war ein guter, nein, ein herzensguter Mensch! Und er hatte sich verliebt... Ich war mir nicht sicher ob er sich dessen überhaupt bewusst war, aber es war offensichtlich. Jeder hier auf der Insel sah das Strahlen in Elliots Augen wenn er über Chelsea sprach, nur sie nicht. Chelsea, war die Enzige, die seine Liebe nicht bemerkte! Vielleicht war es für sie auch einfach selbstverständlich weil sie ihn auch liebte... irgendwie. Zwar nicht so leidentschaftlich wie Vaughn, aber auch Elliot hatte sich einen Platz in ihrem Herzen gesichert, davon war ich überzeugt! Sie hätte einen Mann wie Elliot verdient... Jemanden der sie abgöttisch liebt, der sie beschützt, sie in die Arme nimmt und unterstütz...! Aber Elliot konnte ihr einfach nicht das Wasser reichen... Es war ein Teufelskreis. Noch war alles in Ordnung, noch bewegte sich nichts... aber wenn das ganze erstmal in Bewegung kommen würde, wenn mein Bruder seine Liebe gestehen müsste und Chelsea sich entscheiden, dann würde es unglaublich kompliziert werden. Trotzdem... Irgendwie freute mich darüber, Chelsea und Elliot so verliebt zu sehen. Es hatte sie verändert... Irgendwie sehnte auch ich mich danach, mich zu verlieben. Wie dumm es auch klingen mochte, aber dieses Gefühl der Sehnsucht breitete sich unaufhaltsam in mir aus. Ich wollte mich verändern! Ich wünschte mir, starke Arme, die mich aus dem Meer ziehen würden, die mir Halt und Kraft geben würden... Aber so tief und ehrlich dieser Wunsch auch sein mochte... Es viel mir so unglaublich schwer Gefühle offen zu zeigen. So sehr ich meinen Bruder auch immer fertig machte weil er so ein Feigling war... Eigentlich war ich kein Stückchen besser als er! Ich hatte auch Angst. Angst, vor so unglaublich vielen Dingen... Aber auch ich träumte, hatte Ziele und Wünsche...! Und ich würde sie verwirklichen! Irgendwann würde ich glücklich werden und alles hinter mir lassen! "Guten Morgen Natalie!", begrüßte mich Julia, meine neue Nachbarin. "Guten Morgen!", antwortete ich fröhlich. "Ist das nicht ein wunderschöner Morgen heute? Du musst wissen, ich liebe den Morgen!" "Ja...", antwortete Julia und lächelte abwesend. "Weißt du Natalie, wir sollten Freundinnnen werden. Die Insel kann ganz schön furchteinflößend sein!" ... Was war das denn für eine Aussage? "Ja? Hast du denn Angst Julia? Wenn du irgendwas brauchst, sag mir ruhig bescheid, ich helfe dir gerne!" "Danke!", sagte Julia freudestrahlend. Julia war eine Schönheit... Sie sah aus wie einer Modezeitschrift entsprungen. Diese schöne Augenform, das goldene, lange Haar, diese unglaublich weibliche Figur... Ich fragte mich ob Julia ihr Aussehen eher als Segen oder als Fluch bezeichnen würde... Sie hatte bestimmt nicht viele Freundinnen, der Konkurenzkampf war einfach zu groß... Die wenigsten Mädchen waren selbstbewusst genug um ihr standzuhalten. Aber der Erntegöttin sei Dank war ich kein typisches Mädchen. Ich mochte sie und hatte auch kein Problem damit nicht so schön zu sein wie sie. "Übrigens, wir wollen morgen ein Fest auf der Wiese veranstallten, hättest du nicht Lust auch zu kommen? Wir machen Eintopf, das wird bestimmt lustig!" "Das ist ja wirklich eine süße Idee! Es würde mich wirklich freuen! Schön dass Chelsea Geld investiert hat um Gannon eine Brücke bauen zu lassen, diese Wiese ist wirklich der ideale Ort für Feste und Veranstalltungen". "Ja, das dachten wir uns auch! Da wir jetzt diese Insel bewohnen und ganz von vorne anfangen, haben wir uns gedacht es wäre eine nette Idee auch neue Bräuche und Sitten einzuführen! Vielleicht locken wir so sogar mehr Leute zu uns auf die Insel!" "Ja, das wäre wirklich schön! Ich werde Mirabelle sofort Bescheid sagen. Wir kommen auf jedenfall! Das können wir uns nicht entgehen lassen". "Ich werde Mirabelle fragen, danke! Es wäre mir eine große Ehre!" "Schön, dann sehen wir uns morgen so gegen acht!" "Gut! Bis dann Natalie!" "Bis dann!" Auch wenn sie manchmal merkwürdig war und ein wenig oberflächlich wirkte... so war sie doch eigentlich garnicht so übel! Aber ich wurde das Gefühl einfach nicht los, das sich hinter ihrer Art etwas verbarg... Wer weiß, vielleicht würde ich es ja irgendwann herausfinden! Ich machte mich also auf den Weg zu Gannon der sich gerade in seiner Werkstadt befand. Unser Fest sollte eine große Sache werden, alle waren eingeladen. Wir erhofften uns dadurch unsere Neuen etwas besser kennenzulernen... Gannons Werkstadt befand sich richtung Strand, direkt gegenüber von Chens Laden. Er hatte auch unser Haus renoviert und war gerade dabei unsere Straßen auszubauen, für diese Kosten kam unsere Chelsea auf. Der Arme hatte in letzter Zeit kaum aufgehört zu arbeiten... "Natalie, guten Morgen! Kann ich dir irgendwie helfen?", fragte mich der stämmige Mann und kam auf mich zu als ich seine Werkstadt betrat. "Gannon, ich würde dich gerne zum Essen einladen morgen Abend! Wir wollen auf der Wiese ein großes Festessen veranstalten und dich dazu einladen!" "... Gut ich komme!", sagte er knapp und machte sich sofort wieder an die Arbeit! Nachdem ich bei Gannon gewesen war, beschloss ich Chelsea zu fragen und, wie der Zufall es so wollte, war auch Vaughn bei ihr. Sie befanden sich gerade in Chelseas neuem Viehstall und stritten sich unerbittlich, als ich sie unterbrechen musste. "Natalie!", rief Chelsea, sichtlich erfreut darüber mich zu sehen. "Wie geht es dir?" "Gut..., danke!", sagte ich schüchtern und verschränkte die Arme vor der Brust. "Ich bin hier, weil wir euch beide morgen Abend zum Essen einladen möchten. Alle kommen und wir veranstallten ein großes Fest auf der Wiese". "Aber natürlich komme ich!", verkündete Chelsea begeistert während Vaughn neben ihr die Augen verdrehte. "Soll ich vielleicht irgendetwas mitbringen? Ich könnte auch etwas kochen, nur Milch habe ich leider noch keine!", sagte sie lächelnd und deutete auf die beiden Kälber die sie von Vaughn und Mirabelle gekauft hatte. Vaughn war so unverschämt gewesen und hatte ihr die Tiere nur für den doppelten Preis gegeben... Er hielt sie für absolut untauglich! "Das wäre wirklich nett Chelsea!", erwiderte ich auf ihre Frage. "Aber bitte überanstreng dich nicht! Tu nur das Nötigste!" "Schon klar!", antwortete Chelsea, und ich wusste sofort dass sie sich nicht daran halten würde und sich mal wieder viel zu viel Mühe geben würde! Auch Vaughn schien das zu wissen, denn er funkelte sie böse an und flüsterte bedrohlich: "Hör gefälligst auf sie, Chelsea! Du solltest vorsichtiger mit dir sein! Auch du hast deine Grenzen, also überanstreng dich gefälligst nicht!" Kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, wechselte Chelseas Gesichtsfarbe von blaß auf dunkelrot. Sie drehte den Kopf von ihm weg und lächelte lieblich in sich hinein. Sie war offensichtlich sehr glücklich über seine Sorge um sie... Oder zumindest das, was sie für Sorgen hielt. Vaughns Miene war unverändert, irgendwie böse und genervt. Ich verstand ihn einfach nicht... Wieso war er nur so unglaublich ablehnend Chelsea gegenüber? Er hatte so einen Engel wie Chelsea einfach nicht verdient... "Was ist mit dir Vaughn?", fragte ich schließlich um dieses peinliche Schweigen zu brechen. Vaughn wirkte recht verdutzt, aber nicht auf positive Art und Weise... Er wirkte eher vor den Kopf gestoßen... "... Selbst wenn ich nicht morgen früh abreisen würde, würde ich sicher nicht kommen!", sagte er so eiskalt und giftig, als wäre meine Frage eine Beleidigung gewesen und verließ den Stall. Chelsea sah ihm noch lange nach, irgendwie verwirrt und verloren... Es tat mir so leid um ihre Liebe! "Mach dir nichts draus!", versuchte ich sie aufzumuntern. "Auch andere Mütter haben schöne Söhne!" Verdutzt drehte Chelsea sich zu mir um und blickte mich entsetzt an. "W-Woher...", stotterte sie und wurde noch viel röter als vorhin. Ich legte ihr verständnisvoll meine Hand auf ihre linke Schulter und meinte nur: "Wenn ich dich nicht kenne Chelsea, wer tut es dann?" Diese Antwort schien Chelsea gerührt zu haben denn sie nahm mich in die Arme und flüsterte verlegen: "Ich weiß... Tut mir leid, dass ich es dir nicht gesagt habe... Ich bin sowas nur nicht gewohnt!" "Kein Problem! Aber wenn du mit mir reden willst, ich bin für dich da!" "Ich weiß! Danke! Kommst du noch mit rein auf nen Kaffee?" "... Ja, gut!" So gingen wir also in Chelseas Haus und sie bereitete mir dort einen Kaffee zu. Gannon hatte ihr als Dankeschön für ihre Gastfreundschaft umsonst eine Küche gebaut und somit ihr Haus ein wenig vergrößert. Irgendwie verrückt... Wir waren noch nicht einmal ein Jahr hier und schon hatte sich so unglaublich viel verändert... "Trinkst du deinen Kaffee süß oder lieber schwarz?" "Schwarz!", log ich. Ich wollte ihr nicht ihren Zucker nehmen... Ich hatte eh schon ein schlechtes Gewissen weil ich mich hier von ihr bedienen ließ...! Ich setzte mich an den kleinen runden Tisch, der sich direkt im Zentrum des kleinen Hauses befand, und beobachtete Chelsea die gerade in der Küche stand. Sie hatte heute mein orangenes Kleid an (mir war aufgefallen, dass sie das des öfteren tat wenn Vaughn auf der Insel war...) und ihr rotes Tuch hatte sie sich heute um die Hand gebunden. Alles in allem sah sie sehr hübsch aus. Schließlich servierte sie den Kaffee und setzte sich zu mir an den Tisch. Lange Zeit schwiegen wir... Einerseits musste es ihr sicher sehr schwer fallen über ihre Gefühle für Vaughn zu reden, andererseits wollte sie das aber auch. Schließlich fasste sie sich ein Herz und fing an zu erzählen: "Aaalso... wo fange ich denn am besten an...! Es war schon fast dunkel als Vaughn und die anderen auf die Insel kamen! Ich war so nervös... ich konnte es kaum erwarten unsere neuen Inselbewohner endlich begrüßen zu können. Am anfang war Vaughn mir garnicht aufgefallen. Ich hatte nur Augen für Julia gehabt, sie ist so unglaublich schön... Auch als ich sie alle zu mir nach Hause gebracht hatte, dachte ich mir noch nichts dabei. Doch als ich ihn genauer ansah, ihm in die Augen sah, mit ihm sprach... Da war es wohl irgendwann um mich geschehen... Das ist mir aber erst im nachhinein klar geworden! Ich hatte mich ihm gegenüber die ganze Zeit so unbehaglich gefühlt. Ich war plötzlich so schüchtern, so nervös in seiner Gegenwart, aber ich konnte einfach nicht begreifen wieso... Erst als ich meinen Schwächeanfall hier auf der Ranch hatte und in Vaughns Armen aufgewacht war... Erst da begriff ich, wie sehr ich ihn liebe! Natalie, es ist so merkwürdig... Ich kann dir nicht sagen wieso, aber diese einsamen Augen, diese verletzte Seele hat mich in ihren Bann gezogen. Egal wie abweisend sein Blick auch sein mag, egal wie sehr er mich hasst, ich kann nicht anders..." Sie schien wirklich ratlos zu sein. Verwirrt und verlegen starrte sie auf den Tisch und zupfte nachdenklich an ihren Nägeln herum. Es tat mir so leid sie so zu sehen... "Ich wünsche mir ihn einmal richtig lachen zu sehen, weißt du... Wer weiß, selbst wenn er sich nicht für mich interessiert, vielleicht kann ich ihm trotzdem irgndwie dabei helfen, glücklich zu werden!" "Ach Chelsea!", flüsterte ich und schloß ihre Hände in meine. Zaghaft lächelte sie mich an und hielt meine Hände fest umklammert "Weißt du...", begann ich. "Wenn das deine Gefühle sind, dann solltest du an ihnen festhalten. Dann solltest du nicht aufgeben. Aber vergiss nicht, es geht nicht nur um die Anderen. Es geht nicht nur um Vaugh oder nur um Elliot oder nur um mich... Es geht in erster Liene um dich, verstehst du?" Sie sah mich lange an, dachte über meine Worte nach... Ich kannte Chelsea! Sie wollte andere Menschen glücklich machen! Sie stellte sich nie an erste Stelle, immer bemühte sie sich um das Glück der anderen. Aber damit tat sie sich nicht gut... Auch sie hatte Gefühle und war nicht allmächtig. Auch sie brauchte Geborgenheit, jemanden an ihrer Seite der ihr Halt gab. "Ich pack das schon...", flüsterte Chelsea. Sie sah so müde aus, so ausgelaugt! Es tat mir so leid, dass sie so einsam war. "Wir lieben dich alle Chelsea...!" Ich hatte eigentlich mit dem Gedanken gespielt ihr von Elliot zu erzählen, ihr zu sagen wie sehr er sie liebte, damit sie ein wenig vorsichtiger sein konnte... aber ich tat es nicht. Ich wollte sie nicht noch mehr verletzen, sie noch weiter beunruhigen, deshalb schwieg ich lieber. Ich tat wohl besser daran, mich nicht in die Angelegenheiten der beiden einzumischen. Ich konnte wohl im Moment nicht mehr tun, als einfach bei ihr zu sein. "Glaub mir Chelsea, du bist nicht allein! Wir stehen alle hinter dir, bitte zögere nicht uns um Hilfe zu bitten, ich werde immer bei dir sein, das verspreche ich dir!" "Danke! Ich bin so glücklich darüber dich zu haben...!" Lange Zeit schwiegen wir und hielten uns einfach an den Händen! Ich war so glücklich in diesem Moment... Ich schwor mir, dass niemals irgendetwas zwischen uns kommen würde! Ich würde immer an unserer Freundschaft festhalten, für immer! Ich würde niemals zulassen, dass irgendwer sie unglücklich machen würde! Schließlich lächelten wir einander zu und machten uns wieder an die Arbeit. Es brauchte keine Worte um zu verstehen was uns verband. Dieses Band der Freundschaft bestand und würde uns für immer verbinden! Nacht. Dunkelheit, die sich über meinen Körper legte und ihn in Kälte einschloss. Träume. Immer dieselben Träume, die mir einfach keine Ruhe ließen. Wasser. Diese Gewässer, so wunderschön, so unendlich weit... und so gefährlich, so unberechenbar. Wunderschön und grässlich zugleich! Ängste. Sie hielten mich fest, ließen mir keinen Raum zum Atmen, schnürten mir die Kehle zu, hinderten mich daran, weiter zu gehen. Stille. Das Schweigen, dass mir das Gefühl von Tod, von Leere und Verlorenheit gab. Trauer. Dieses unerträgliche Gefühl das sich in mein Herz genistet hatte... dem ich wehrlos ausgeliefert war. Hoffnung. Hoffnung darauf, dass jemand kommen würde um mich zu retten, mir die Hand entgegenstrecken würde um mich aus dem Meer zu Fischen, mich vor all dem Leid zu bewahren... Aber es kam niemand um mich zu retten. Ich sank und sank immer tiefer, immer wieder sah ich meinen verstorbenen Vater nach mir rufen... Wann würde das endlich aufhören...? Wann würde ich endlich frei sein? Wann würde ich wohl endlich wieder anfangen, richtig zu leben...? "Hallo Natalie!", begrüßte mich Chelsea und kam freudig auf mich zugerannt. "Das sieht ja alles so wunderschön aus! Ihr habt wirklich ganze Arbeit geleistet!" "Du aber auch Chelsea! Danke dass du uns so viel von deiner Ernte gegeben hast. Ich hoffe dir schmeckt was wir gekocht haben!" "Davon bin ich überzeugt!" Wir befanden uns auf der Wiese, es war acht Uhr und es fanden sich langsam alle hier ein. Felicia hatte ein richtiges Festmahl vorbereitet und zusammen mit Elliot und Großvater hatten wir den Platz aufgebaut, Stühle, Tische, Dekoration usw... "Wo ist Elliot?", fragte Chelsea und ihr Blick schweifte über den ganzen Platz. "Kommt er heute nicht? Geht es ihm nicht gut?" "Doch, doch", anrwortete ich schnell. "Natürlich kommt er, er müsste jeden Augenblick hier sein!" Irgendwie enttäuscht richtete sie ihren Blick zu Boden und formte mit ihren Lippen einen dezenten Schmollmund. "Er soll sich beeilen!", flüsterte sie mürisch. Verdutzt betrachtete ich meine beste Freundin und musterte sie eindringlich. Wir setzten uns an den großen Esstisch und plauderten noch ein bisschen bis nach und nach alle eintrudelten. Als Erste kamen Julia und Mirabelle, dicht gefolgt von Chen und Charlie und schließlich Gannon zusammen mit meinem Bruder und meinem Großvater. "Elliot!", seufzte Chelsea und wies ihn an, sich neben sie zu setzen. Sofort ließ er sich neben ihr nieder und legte, als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt, seinen Arm um sie. "Wie geht es dir Chelsea? Ist alles in Ordnung?" "Aber klar, mach dir um mich keine Sorgen!" Es war so selbstverständlich wie die beiden miteinander umgingen. Sie wirkten irgendwie entspannt und glücklich so zusammen... "Hey, ist hier noch ein Platz frei?", fragte Julia mich und ohne meine Antwort abzuwarten setzte sie sich zu mir. "Aber natürlich...", antwortete ich nachträglich... "Ihr habt das wirklich schön organisiert hier. Wirklich schade nur, dass Vaughn nicht hierher kommen konnte. Auch wenn er es niemals zugeben würde, aber es hätte ihm sicher gut gefallen". "Ach ja? Ich hatte um ehrlich zu sein nicht gerade das Gefühl, er hätte sich über die Einladung gefreut... Er hat mich richtig angeschnauzt..." Leise kicherte Julia in sich hinein und sagte liebevoll, so liebevoll wie ich sie noch nie zuvor reden gehört hatte: "Glaub mir, er ist kein schlechter Mensch, ganz im Gegenteil! Er hat es nur... nicht immer so einach gehabt im Leben". Verwirrt betrachtete ich Julias zärtlichen Blick als sie über Vaughn sprach, aber das brachte mich auf eine Idee. Ich wusste wie wichtig dieser Cowboy Chelsea war und sah hier die Gelegenheit, etwas über ihn zu erfahren, dass ihr vielleicht dabei helfen könnte, ihn besser zu verstehen oder ihm näher zu kommen. "Sag mal Julia, wie nah stehst du Vaughn eigentlich?" Sie zögerte. Sie schwieg einen langen Augenblick und schien nicht so recht zu wissen was sie mir antworten sollte, was mich ehrlich gesagt ziemlich wunderte. War da etwas zwischen den beiden? "Naja, Mirabelle kannte seine Eltern. Um ehrlich zu sein, ich habe sie nie kennengelernt... Meine Mutter wollte nicht dass ich irgendwas mit ihnen zu tun habe..." Sie schien verunsichert... Sie schien zu überlegen, ob sie wirklich mit mir darüber reden konnte. "Aber wieso das denn? Waren seine Eltern denn so schlimm...?" "Naja... Ich sollte wohl besser nicht darüber reden. Ich denke nicht dass Vaughn so sonderlich beeindruckt wäre wenn er davon erfahren würde..." "Ja, da hast du wohl Recht... Denk bitte nichts Falsches von mir... Ich würde ihn nur gerne besser verstehen... Er ist so abweisend zu uns allen und ich wüsste gerne wieso..." Julia schien hin und her gerissen. "Naja, weißt du... Mein Vater hat mit seinem Vater zusammengearbeitet. Sie waren Kollegen, gewissermaßen... Jedenfalls haben seine Eltern ihn offensichtlich ziemlich schlecht behandelt... Sein Vater war sehr streng, er hat ihn immer windelweich geprügelt..." Eine Weile lang blieb ich ruhig und wartete darauf das sie fortfuhr. Ich wusste genau dass das noch nicht alles war. Irgendwas verbarg sie mir, irgendetwas Entscheidendes! Sie sah mir wohl an, dass ich mich nicht so einfach abspeisen lassen würde, deshalb fuhr sie vorsichtig fort: "Vaughn hat nie wirklich... Liebe erfahren! Ich möchte nun auch wirklich nicht weiter ins Detail gehen, aber Vaughn ist wirklich... Er hat eine verletzte Seele! Also nehmt es ihm bitte nicht übel... Er meint es nicht so!" Mit diesen Worten wandte Julia sich von mir ab und fing an, sich mit Charlie zu unterhalten, welcher ihr gegenüber saß. Irgendwie hatte mich dieses Gespräch mit Julia ziemlich aufgewühlt... Wir alle, alle die hier an diesem Tisch mit uns saßen und so herzhaft lachten... hatten eine harte Vergangenheit hinter sich. Chelsea und Elliot plauderten so unbefangen miteinander, fühlten sich offenbar wohl in der Gesellschaft des Anderen... Taro unterhielt sich angeret mit Gannon und Mirabelle über die Arbeit. Sie waren so voller Energie, so voller Tatendrang, so voller Leben. Felicia und Chen saßen nah beieinader, lachten herzhaft und gaben sich vertraut während Julia und Charlie sich bei einigen Klatschspielchen offenbar prächtig amüsierten. Und obwohl ich inmitten dieser großen Menge saß, obwohl so viele Menschen um mich saßen, die ich aus tiefstem Herzen liebte... So fühlte ich mich einsam. Da war es wieder, dieses unerträgliche Gefühl der Sehnsucht. Als würde mein zweites Ich fehlen, als wäre ich nur ein halber Mensch. Aber war es wirklich das? Sehnte ich mich nach jemandem an meiner Seite, oder war es eher die Sehnsucht danach, dazu zu gehören? Ich wusste es nicht... Ich würde ja so gerne aus mir heraus gehen, ich würde so gerne mit den Anderen lachen, aber irgendetwas in mir hinderte mich daran. Angst, vor verlust. Ich hatte Angst davor irgendwann aufzuwachen und sie alle nicht mehr bei mir zu haben. So merkwürdig es auch war, aber ich hatte plötzlich das Gefühl, Vaughn und ich seien garnicht mal so unterschiedlich! Auch er war einsam. Auch er hatte Angst... Ich tat ihm wohl Unrecht ihn so zu verurteilen... Auch er war nur ein Mensch, offenbar ein Mensch vom selben Schlag wie ich es einer war, voller Misstrauen und Selbstzweifel. "Guten Abend!", ertönte aus dem Nichts eine Stimme und wir sahen alle verwundert in Vaughns mürrisches Gesicht. "Vaughn!", stieß Chelsea hervor und entfernte sich von Elliots Armen auf Vaughn zu. "Kein Grund zur Freude... Meine Fähre ist letzten Endes doch nicht gefahren... Ich muss also bis Morgen früh warten". Chelsea strahlte übers ganze Gesicht. Ihre Freude war so offensichtlich, so unglaublich ehrlich, dass selbst Vaughns eigentlich immer ausdrucksloser und kalter Blick irgendwie zärtlicher, weicher wurde. "Setz dich zu uns!", wies Chelsea ihn ohne großes Gerede an, nahm seine Hand und führte ihn an den großen Tisch. Für einen kurzen Augenblick wurde es still in unserer Runde. Es war ungewohnt, Vaughn hier am Tisch sitzen zu haben. Aber schnell legte sich das Schweigen wieder und die Party war wieder in vollem Gange. "Wäre es nicht wunderschön...", seufzte Julia neben mir. "Wäre es nicht wunderschön, wenn es immer so sein könnte wie heute, ein Fest, ungezwungen und schön....!" Ja... dachte ich mir. Überall um mich herum sah ich freundliche und glückliche Gesichter, sogar Vaughn entfuhr das ein oder andere Mal ein Lächeln! Wie schön, wenn sie immer so glücklich sein könnten wie heute... und wie schön wäre es, dachte ich mir, wenn ich auch eines Tages so ungezwungen mit den Anderen hier am Tisch sitzen, und aus tiefster Seele mit ihnen lachen könnte. Kapitel 5: Erinnerungen (Denny) ------------------------------- Also, erst mal ein paar Worte vom Autor :) Es hat wieder mal ziemlich lang gedauert, aber ich hatte Probleme mit dem Internet und... Naja, ich verspreche meinen treuen Lesern auf jedenfall dass das nächste Kapitel nicht so lang auf sich warten lassen wird und dass es wieder um einiges länger sein wird. Ich hatte Lust mal ein Kapitel auserhalb der Insel zu schreiben, deshalb dachte ich mir ich stelle einfach mal Denny ein bisschen vor ^^° Ich hoffe es ist nicht irgendwie langweilig geworden und... Naja, viel Spaß beim lesen! Die Möwen flogen über meinen Kopf hinweg, der Wind wehte mir sachte durch das Haar und die Wellen trugen mich fort, immer weiter, ohne ein konkretes Ziel. Das kleine Schifferboot auf dem ich mich befand schaukelte im leichten Gang des Meeres und machte mich schläfrig, ließ meine Gedanken abschweifen und führte mich schließlich ins Land der Träume und der Erinnerung... "Denny!", rief eine vertraute, raue Stimme mich. Begeistert drehte ich mich zu der Stimme hin und fiel in die starken Arme meines Vaters. "Na komm her mein Junge!", mit diesen Worten schloss er mich fester in seine Arme und wuschelte mit seiner großen Hand grob durch meine graußen Locken. Er roch wie immer nach Meer. Tief grub ich meine Nase in seine Brust und atmete diesen unglaublich vertrauten Geruch ein. Es beruhigte mich ihn bei mir zu wissen und seinen langsamen aber steten Herzschlag zu vernehmen... "Wie war dein Tag Junge, wie wars in der Schule?", fragte er mich liebevoll und lupfte mich auf seinen Schoß. Ich runzelte die Stirn und verzog mein Gesicht, was meinem Vater ein herzhaftes, lautes Lachen entlockte. Ich liebte dieses ehrliche Lachen... "Ich will nicht in die Schule gehen...", sagte ich schmollend. "Ich will viel lieber mit dir hinaus aufs Meer fahren, ich will genauso sein wie du!" "Aber du fährst doch meistens nach der Schule mit mir raus aufs Meer zum Fischen", sagte mein Vater und musterte mich eindringlich. "Weißt du mein Sohn, das Fischen ist eine Leidenschaft, ich kann dich wirklich gut verstehen... Aber glaub mir, es gibt auch wichtigeres im Leben als einen großen Fang zu machen". Ich hasste es wenn mein Vater mich belehren wollte. Ich war ein kleiner Besserwisser. Mich durchdrang dieses stechende Gefühl der Wut und ließ mich nicht mehr klar denken. Gekränkt sprang ich vom Schoß meines Vaters und stapfte davon. Wieso konnte er nicht begreifen, dass ich reif genung war und nicht mehr zur Schule gehen musste? Ich war schließlich schon zehn Jahre alt... Obwohl ich ziemlich schnell lief, holte mein Vater mich mit seinen langen Beinen rasch ein und spazierte bequem neben mir her. Fröhlich pfiff er eines seiner Fischerlieder vor sich hin während ich versuchte, ihn zu ignorieren. Ich war beleidigt und verletzt, auch wenn mir nicht mehr so ganz klar war wieso eigentlich. Obwohl ich ihn liebte und obwohl ich eigentlich so unglaublich gerne weiterhin in seinen Armen geblieben wäre wandte ich mich von ihm ab. Wir liefen neben einander her, ohne ein Wort miteinander zu wechseln, ohne uns zu berühren... und das nur, weil ich ein trotziger kleiner Narr war, noch zu klein um zu begreifen, wie unglaublich kostbar diese Momente mit meinem Vater waren. Ich begriff erst später, dass es sich nicht lohnte, sich über Kleinigkeiten aufzuregen. Es sind diese kleinen, unscheinbaren Momente die für einen Menschen Glück bedeuten, das war mir in diesem Augenblick noch nicht bewusst. Und erst später, wenn viel Zeit vergangen ist und sich alles verändert hat, erst dann erfährt man am eigenen Leib wie schmerzhaft Vergänglichkeit ist... "Denny...", begrüßte mich eine sanfte, zarte Frauenstimme als ich die Tür unserer kleinen Hütte öffnete und meine Mutter trat mir entgegen. Wie jeden Tag strich sie mir zärtlich über das Gesicht und drückte mir einen liebevollen Kuss auf die Stirn. Wie jeden Tag fragte sie mich: "Wie wars heute in der Schule?" und ich antwortete nur: "Schön!". Wie jeden anderen Tag auch, hatte meine Mutter den Fang, den mein Vater nach Hause gebracht hatte, zu einem köstlichen Essen zubereitet. Wie jeden Tag saßen wir am Esstisch und aßen und lachten gemeinsam. Es war ein Tag wie jeder andere, aber aus irgendeinem Grund war er doch etwas ganz Besonderes. Mein Vater laß mir am Abend wieder aus meinem Lieblingsbuch vor und nachdem meine Mutter die Teller abgewaschen hatte setzte sie sich zu uns und beobachtete uns wachsam. Alles war harmonisch, eigentlich fast schon monoton, gewohnt, aber dieses Zusammensein mit meinen Eltern erfüllte mich mit Glück. Irgendetwas sagte mir, dass diese Harmonie, dass dieses Glück nur die Ruhe vor dem Sturm war. Genauso wie das Meer, war auch das Leben eines jeden Menschen nicht immer nur seicht... Das Wetter würde sich bald ändern und das Meer aufwühlen... In diesem Moment, in dem ich so mit meinen Eltern auf unserer alten Couche saß, mein Vater das Buch müde weglegte und meine Mutter in seine Arme schloß und sie zärtlich küsste, war es mir noch nicht wirklich klar. Ich wusste noch nicht, dass ich dieses Bild meiner Eltern, so niewieder sehen würde. Es war der letzte Abend vor dem großen Sturm, vor dem Ende... "Denny...", seufzte meine Großmutter meinen Namen bedauerlich. Es war merkwürdig meinen Namen aus ihrem Mund zu hören... Meine Eltern sprachen ihn immer mit so viel Liebe und so viel Freude aus, aber heute, hatte es nichtmehr die selbe Bedeutung. Langsam kam meine Großmutter auf mich zu und drückte mich fest an sich. Ich wusste nicht ob sie mit dieser Geste mich oder viel eher sich selbst trösten wollte aber mir konnte in diesem Augenblick nichts und niemand helfen. Die Quelle meiner Tränen wollte nicht versiegen. Ich konnte nicht aufhören zu zittern. Nichts konnte diese Leere die ich in diesem Augenblick verspürte füllen. Zusammen mit meinen Eltern war auch meine Seele gestorben. Mein Herz schlug wild und verzweifelt, aber ich lebte nicht mehr, nichts war mehr von Bedeutung. Ich blickte in die dunklen und traurigen Gesichter der Anwesenden als sie sich über das Bild meiner Eltern beugten und ihr Kreuz machten. Wir befanden uns am Strand und man hatte ein kleines Denkmal gebaut um die Verstorbenen zu ehren. Der Sturm hatte unsere Hütte, die sich direkt hier am Strand befunden hatte vollkommen zerstört. Nichts war mehr übrig geblieben. Meine Eltern nicht, mein Zuhause nicht und auch mein Leben nicht. Wieso war ich nicht auf dem Schiff gewesen? Ich wusste es nicht mehr... War ich müde gewesen, hatte ich mich vielleicht mit meinen Eltern gestritten und sie deswegen allein fahren lassen? Ich konnte mich nicht mehr daran erinnern. Ich wusste nurnoch, dass meine Mutter meinen Vater nicht alleine gehen lassen wollte. Sie meinte der Sturm sei zu stark, die Wellen zu hoch, er würde das nicht alleine schaffen. Aber auch gemeinsam konnten sie diesen Sturm nicht bezwingen... "Mein Junge...", schluchzte meine Großmutter bitterlich und drückte mich nun noch fester an sich. "Mach dir keine Sorgen... Ich werde mich um dich kümmern... Ich lasse dich niemals im Stich!" Als sie diese Worte ausgesprochen hatte wurden die Tränen immer mehr, das Zitten heftiger und laute Schluchzer verließen meine Kehle. Ich brauchte niemanden der sich um mich kümmerte oder mich umsorgte. Ich wollte weder ihr Mitleid noch ihre Hilfe, ich brauchte sie nicht. Was ich brauchte, waren meine Eltern. Ich brauchte ihre Liebe, das wurde mir erst jetzt bewusst. Ich brauchte sie wie die Luft zum Atmen! Ich wollte ihre Stimme hören, ich wollte hören, wie sie meinen Namen rufen. "Denny!" Dieser Ruf, hatte eine so große Bedeutung für mich gehabt... Er hat mich zu einem vollkommenen Menschen gemacht. Doch nun würden sie mich nie wieder rufen. Gemeinsam mit ihnen, wurde auch der Sinn meines Lebens in den tosenden Wellen ertränkt. Ich war noch viel zu jung um einen schwarzen Smoking zu tragen, noch zu jung um allein zu sein. Ich fühlte mich wie ein streunender Hund. Ich sehnte mich nach den warmen Armen meines Heerchens, danach gerufen zu werden! Mein Leben lang, würde ich nach einem neuen Zuhause suchen. Nach Armen die mich umfassen, einer Stimme die meinen Namen ausspricht und mich aus den Tiefen des Meeres wieder heraus holt. Nach jemandem, der mir wieder das Gefühl geben würde zu leben. "Denny", hallte es in meinem Kopf wieder. Langsam fiel der Regen auf mich herab und riss mich aus dem Schlaf. Der Himmel, der vorhin noch wolkenlos und sonnig gewesen war, hatte sich nun in eine einzige schwarze Kluft verwandelt. Schnell sprang ich auf, holte mein Fischernetz ein und machte mich auf den Weg zurück an Land. Ich war jetzt kein Kind mehr. Ich war nun ein erwachsener Mann, lebte, genau wie meine Eltern es getan hatten, vom Fischen und stand nun auf eigenen Beinen. Ich hatte zwar keinen festen Wohnsitz, wanderte von Ort zu Ort um den besten Fang zu machen, aber ich war glücklich. Ich war ein fröhlicher Mensch, lachte viel und ging sorglos durchs Leben. So sehr mir meine Eltern auch fehlten und so sehr ich auch gelitten hatte, nun wusste ich dass sie mich auf Schritt und Tritt begleiten. Das Meer war immer bei mir. Solange ich am Meer blieb, würde ich auch ihre Seelen immer bei mir spüren. Ich wusste dass sie mich leiten würden. Egal wo meine Eltern auch sein mochten, sie zeigten mir den Weg, führten mich zu meinem Glück! "Glück...", flüsterte ich leise. Ich wusste noch nicht was ich wollte... Sicher war nur, dass ich hier weg musste! Ein Freund hatte mir erzählt, da gäbe es doch tatsächlich einige Menschen die eine einsame Insel besiedelten und dort ein neues Leben aufbauen wollten. Ich dachte ernsthaft darüber nach ob ich mich zu ihnen gesellen sollte... Es hieß man könne dort als Fischer einen großen Fang machen. "Was soll ich tun?", fragte ich in die Stille hinein obwohl ich nur zu gut wusste, dass ich keine Antwort bekommen würde. Ich seufzte leise. Ich wusste einfach nichts mehr mit meinem Leben anzufangen... Irgendwas musste ich ändern! Jetzt fing es sogar an laut zu donnern und die Wellen wiegten das Boot unruhig umher. Ich würde an Land gehen und meine Sachen packen. Ich hatte den Entschluss gefasst von hier fort zu kommen! Ich wollte gehen! Irgendwohin, wo ich mein Glück finden konnte... Und ich wusste auch schon ganz genau was für ein Ort das sein würde! "Insel des Glücks...!", das war der Ort an den ich gehen würde. Der Wind trug mich dort hin... Das war mein Schicksaalsort, da war ich mir sicher! Kapitel 6: Komplikationen (Chelsea) ----------------------------------- In diesem Winter hatte ich zum ersten Mal in meinem Leben Schnee gesehen. Es war wunderschön aber irgendwie auch unendlich traurig... Es sah aus, als würde es weiße Watte regnen. Lautlos fielen die kalten Flocken auf das Feld und verwandelten es in ein entlos weites, weißes Meer..., das jegliches Leben unter sich begrab. Nichts war mehr von meiner Ernte übrig geblieben. Erst als der Schnee kam wurde mir bewusst, dass mir ein harter Winter bevorstand. Wie sollte ich über die Runden kommen wenn ich nichts anbauen konnte, wenn ich keinen Handel betreiben konnte...? Es gab nicht einmal mehr Unkraut welches ich hätte verkaufen können... Ich seufzte schwer. Der Erntegöttin sei Dank hatte ich über das Jahr einiges an Kraut zusammengesammelt und würde gerade noch so über die Runden kommen... Eine langfristige Lösung war das jedoch nicht. Ich hatte aber auch einiges an Geld gesparrt... Ich hatte vor, Gannon damit zu beauftragen die beiden Brücken hier auf der Insel zu reparieren. Eine dieser Brücken befand sich in der Stadt und führte in einen Wald. So viel ich wusste befand sich dort auch ein Berg in dem es wohl viele Erze zu finden gab. Wenn ich mich schon nicht um die Feldarbeit kümmern konnte, so wollte ich doch mein Glück bei der Erzgewinnung versuchen. Ich beschloss also, meine ganzen Ersparnisse zusammen zu kratzen und mich zu Gannon zu begeben. Trotz der unerträglichen Kälte hatte sich an dem Alltag unserer Insel nicht wirklich was verändert. Ich begegnete Felicia die, wie jeden Morgen, ihren Spaziergang machte und begrüßte sie freundlich. Verträumt lächelte sie mir zu und winkte nur abwesend. In letzter Zeit sah ich Felicia immer häufiger in der Nähe von Chens Laden. Sie schienen sich wikrlich gut zu verstehen... Sehr gut sogar! Ich fragte mich, ob sich zwischen den beiden etwas anbahnte... Schließlich hatten sie das selbe erlebt, teilten den selben Schmerz... Irgendwie schienen sie mir gut zueinander zu passen. Sie würden sich gegenseitig sehr viel Trost spenden können und wären nicht mehr alleine. Aber das ging mich eigenlich nichts an. Selbst wenn, dann war es etwas zwischen Chen und Felicia, da sollte sich niemand einmischen. Ich kannte Felicias Geschichte. Ich wusste von ihrer unendlichen Trauer und von ihrer Depression. Sie und ihre Kinder hatten viel durchmachen müssen. Auch Chen war allein geblieben, auch wenn er nicht so häufig darüber sprach... Die Wunde saß bestimmt auch in seinem Herzen sehr tief. Bestimmt war ihm dieser Verlust nicht leicht gefallen. Deshalb verstanden die beiden sich wohl auch so gut. Sie verband derselbe Schmerz, die selbe Sehnsucht nach ihrem verstorbenen Partner... Schön, wenn die beiden zueinander finden würden. Sie verdienten es glücklich zu werden, genauso wie ihre Kinder. Der kleine Charlie und natürlich auch meine Freunde Natalie und Elliot. Kaum hatte ich seinen Namen zuende gedacht erblickte ich meinen Freund auch schon, der sich, wie immer, vor seinem Haus befand und verträumt auf-und ablief. Ich schmunzelte. Es war schon irgendwie goldig wie er so unbeholfen und schläfrig durch die Gegend wuselte und keine Ahnung hatte, was er eigentlich tun sollte. Ohne seine Schwester konnte er sich nicht um das Geschäft kümmer, dazu war er einfach nicht Selbstständig genug. Elliot war so in Gedanken versunken, dass er mich erst ziemlich spät erkannte, entsetzt aufsprang und fluchend auf mich zulief. Ich wunderte mich über seine heftige Reaktion und blieb wie angewurzelt stehen. Hatte ich ihm irgendetwas getan? Wieso sah er denn so wütend aus...? "Chelsea, was soll das?!", fragte er mich vorwurfsvoll. "Du holst dir noch den Tod so wie du rumläufst! Ist dir denn nicht kalt?!" Verdutzt sah ich ihn an und bekam keinen Ton raus. Es war unglaublich lieb von ihm sich so um mich zu sorgen aber es war mir auch unangenehm. Natürlich war mir kalt... Schließlich trug ich meine kurzen Jeans... wie immer! Ich hatte leider nichts anderes... Hier auf der Insel hatte man auch gar keine Möglichkeiten sich neue Klamotten zu kaufen, deshalb musste ich mich nunmal mit dem was ich hatte zufrieden geben. Ich brachte es nicht übers Herz jemanden um Hilfe zu bitten, deshalb bevorzugte ich es zu frieren... Da ich Elliot nicht anlügen konnte, denn es war offensichtlich dass ich fror, lächelte ich auf seine Frage hin nur schwach und senkte meinen Blick zu Boden. Elliot entfuhr ein leiser Seufzer. Er legte seine Hand auf meine Schulter und tätschelte sie liebevoll. "Komm Chelsea, lass uns reingehen. Ich bin mir sicher wir werden dort etwas Nützliches für dich finden". Noch bevor ich ihm widersprechen konnte, hatte er mich schon an der Hand genommen und zog mich sanft in sein Haus hinein. Drinnen war es warm, das Haus war renoviert und mit allem ausgestattet was man so brauchte. In der Küche befand sich Taro welcher auf-und ablief als würde er über etwas Wichtiges nachdenken. "Morgen wird es schneien...", brummte er vor sich hin und zog dabei ein langes Gesicht. Ohne Taro zu beachten lief Elliot in das Schlafzimmer und platzierte mich auf sein Bett. Anschließend lief er mit großen Schritten zu dem kleinen, hölzernen Schranck der sich direkt gegenüber befand und öffnete ihn schwungvoll. Er wühlte ein wenig darin herum und schon nach wenigen Augenblicken zog er einen blauen, flauschig aussehenden Pullover heraus. "Probier ihn an", forderte mich Elliot auf und reichte mir das Kleidungstück. Missmutig sah ich ihn an. "Elliot...", wollte ich ihm gerade widersprechen, als er mir den Pullover bestimmt in den Schoß legte und sagte: "Keine Widerrede. Bitte... Tu es für mich. Ich will nicht dass du dich erkältest". Ich spürte wie mir die Röte ins Gesicht stieg und nahm den Pullover schließlich widerstandslos entgegen. Seit wann war Elliot so durchsetzungsfähig? Wie konnte es sein, dass ausgerechnet Elliot mich erröten ließ... Umständlich zog ich mir den Pullover über und sah unbeholfen an mir herunter. Er musste Elliot gehören, denn er war etwas zu groß an den Schultern und zu lang. Nicht viel, denn für einen Mann war Elliot ziemlich schmächtig, aber es war eindeutig seiner. Irgendwie passte mir diese Tatsache nicht. Es fühlte sich so schrecklich intim an in seinen Klamotten zu stecken... Ich hatte es mir immer so romantisch vorgestellt, die Sachen eines Mannes zu tragen... Nämlich die Sachen eines Mannes den man gerne hat... den man liebt. Es war schön und unangenehm zugleich seine Klamotten zu tragen... Der Pullover roch nach ihm, es war die Art von Kleidung die Elliot typischerweise trug. Ich spürte Elliots Blick auf mir ruhen und fühlte mich total bloßgestellt. Als ich ihm dann in die Augen sah, bemerkte ich einen merkwürdigen Schimmer darin... Er sah mich so liebevoll an, so gerührt, dass es mir die Sprache verschlug. Ich stand tief in seiner Schuld. Er schenkte mir mehr Aufmerksamkeit und mehr Zuneigung als mir zustand... Plötzlich setzte Elliot sich in Bewegung. Langsam und ganz ohne Eile lief er auf mich zu, den Blick starr auf mich gerichtet. Unschlüssig ging ich einen Schritt nach hinten und drückte meinen Rücken gegen die Wand. Ich konnte ihm nicht in die Augen sehen. Die Gedanken in meinem Kopf kreisten wild umher. Für einen Moment glaubte ich vergessen zu haben wie man atmet. Was geschah hier eigentlich??? Als er mich schließlich erreicht hatte, blieb er nur wenige Zentimeter vor mir stehen. Obwohl ich meine Augen starr auf meine Füße gerichtet hatte, wusste ich ganz genau dass er mich ansah. Sein Blick durchbohrte mich und ich fühlte mich ihm hilflos ausgeliefert. So viele Fragen schossen mir in diesem Augenblick durch den Kopf, so viele Gründe wieso ich ihn einfach von mir stoßen und weglaufen sollte, aber ich tat es nicht. Meine Beine wollten sich einfach nicht bewegen, meine Kehle wollte keinen Ton freigeben. Wollte ich das überhaupt? Ich liebte doch einen ganz anderen... Und trotzdem schlug mein Herz mir bis zum Hals und die Röte stieg mir ins Gesicht. Plötzlich spürte ich Elliots Finger, die nach meinem Kinn griffen und mein Gesicht nach oben hoben, so dass ich ihn ansehen musste. Ich konnte ihm nicht in die Augen sehen, wollte nicht sehen, was ich nun endlich verstanden hatte... Es war mir unmöglich. Ich wollte mich nicht bewegen, weder zurück, noch nach vorne. "Chelsea...", flüsterte Elliot, dessen Stimme heißer war. "Bitte... Sieh mich an". So sehr sich auch alles in mir dagegen sträubte, dieser Bitte musste ich nachgehen... Ich atmete noch einmal tief ein und sah Elliot schließlich in die Augen. Da war es, dort befand sich genau das, wovor ich mich so unglaublich fürchtete. Sein Blick war voller Liebe, voller Leidenschaft, voller Sehnsucht nach mir. Wie hatte ich seine Gefühle nur so lange ignorieren können... Wieso hatte ich nichts von all dem bemerkt. Ich hatte es wohl nicht sehen wollen... Ich liebte Elliot, natürlich liebte ich ihn, ich brauchte ihn sogar. Was würde ich tun, ohne diese vertraute Schulter, ohne diesen liebevollen Menschen an meiner Seite. Aber ich war noch nicht bereit für ein solches Geständnis. Ich war nicht bereit für eine solche Entscheidung. Ich brachte es einfach nicht übers Herz ihn zu verletzen. Sein Gesicht war so nah... zu nah. Ich bräuchte mich nur ein kleines Bisschen nach vorne zu bewegen damit unsere Lippen sich berührten. Es fehlte nicht viel, aber ich bewegte mich keinen Millimeter, nicht ein Bisschen. Seine Hand ruhte immer noch auf meinem Kinn. Nun, wanderte sie wachsam meinen Hals herab, zeichnete mein Schlüsselbein nach und kam schließlich auf meiner Schulter wieder zur Ruhe. Als ich einen Schimmer in ihm aufblitzen sah, als ich mir sicher war, dass er in sich den Mut zusammengefunden hatte, um nun jegliche Distaz zwischen uns zu brechen, hörten wir plötzlich ein Stimmengewirr draußen im Gang. "Elliot?", ertönte plötzlich Natalies Stimme und schon trat sie in das Schlafzimmer ein in dem Elliot und ich uns befanden. Wie von der Tarantel gestochen sprangen wir außeinander. Mein Gesicht lief putterrot an und mein Herzschlag hallte in meinem Ohr wieder. "Oh Chelsea, du bist ja auch hier!", bemerkte Natalie begeistert und umarmte mich herzlich. "Wir haben Kuchen mitgebracht! Du bist herzlich zum Essen eingeladen". "Kuchen?", fragte ich skeptisch. "Seit wann verkauft Chen denn sowas???" "Aber den Kuchen kaufen wir doch nicht von Chen", antwortete Natalie amüsiert. "Wusstest du nicht, dass wir seit Neuestem ein Café und ein Dog's Inn haben? Sie haben wirklich tolle Sachen dort! Der Erntegöttin sei Dank sind sie auf die Insel gekommen, sonst weiß ich nicht wie wir diesen Winter überstanden hätten". "Kinder!", hörte ich Taros Stimme aus dem Wohnzimmer rufen. "Lasst uns endlich frühstücken". Als wir in die Küche kamen und Taro mich bemerkte sah er mich verwundert an. "Seit wann bist du hier??? Ich hab dich garnicht reinkommen sehen..." Ich hob nichtsahnend die Schultern. Hätte er mich früher bemerkt, wären Elliot und ich vielleicht nicht allein im Schlafzimmer gewesen... "Ist ja auch egal... Jedenfalls habe ich etwas für dich", sagte Taro begeistert, verschwand für kurze Zeit im Schlafzimmer und mit einer Angel zurück. Die Angel war schlicht, wahrscheinlich war sie schon ziemlich alt und verbraucht, aber ihren Zweck würde sie sicher erfüllen. Freudestrahlend nahm ich die Angel entgegen und betätschelte sie liebevoll. "Taro, vielen vielen Dank. Das ist wirklich nett von dir" "Aber das ist doch selbstverständlich. Ich weiß wie hart der Winter für einen Rancher sein kann. Mit der Angel kannst du auch jetzt etwas Geld verdienen. Ich habe sie hier gefunden, kann sie aber nicht gebrauchen." Begeistert steckte ich die Angel in meinen Rucksack. "Ist das nicht Elliots Pullover?", hörte ich Natalies Stimme hinter mir fragen und noch bevor ich etwas antworten konnte, legte Elliot seine Hand um meine Schulter und meinte ruhig: "Den habe ich ihr geschenkt. Unsere Chelsea soll doch nicht frieren müssen." Auch Felicia war von ihrem Spaziergang zurückgekommen und wir quetschten uns alle an den kleinen Tisch im Wohnzimmer. Natalie hatte reichlich Kuchen mitgebracht und es hatten sich alle versammelt und gemeinsam zu essen. Ich hatte schon seit Ewigkeiten nicht mehr mit anderen Leuten zusammen an einem Tisch gesessen und gefrühstückt. Ich war überglücklich, auch wenn ich noch immer nicht glauben konnte, was eben im Schlafzimmer passiert war, oder fast passiert wäre... Ich tat als sei nie etwas gewesen. Ich unterhielt mich mit allen, machte Scherze mit Natalie und lachte aus tiefstem Herzen. Auch wenn Elliot und ich etwas unbeholfen miteinander umgingen, so konnte ich es doch in vollen Zügen genießen so mit allen zusammenzusitzen. Ich empfand Elliots Familie so wie meine Eigene. Ich liebte sie alle von ganzem Herzen. Aber ich war verwirrt. So sehr ich Elliot auch liebte, ich empfand keinerlei Leidenschaft für ihn. Meine Liebe für ihn war unschuldig, einfach... Nun kam sie mir plötzlich so kompliziert vor, dass es mir schwer fiel einen klaren Gedanken zu fassen. Wie sollte ich mich in Zukunft nur ihm gegenüber verhalten? Würde sich nun an unserer Beziehung irgendetwas ändern, oder konnten wir vielleicht so weitermachen wie bisher? Konnte ich einfach mit ihm zusammen sein und ihn lieben, ohne die Situation unnötig kompliziert zu machen? Aber verletzte ich damit nicht seine Gefühle?? Ob ich ihn wohl mit meinem Verhalten schon die ganze Zeit über verletzt hatte??? So vieeele, unendlich viele Fragen auf die ich einfach keine Antwort wusste... Unglücklich senkte ich den Kopf und starrte meinen Kuchen an. Ich wusste einfach nicht was ich tun sollte... Ich fühlte mich plötzlich so einsam, so schrecklich einsam... Ich wollte Elliot um keinen Preis verlieren, konnte aber seine Gefühle für mich einfach nicht erwidern... Ich war total in Gedanken versunken, als ich plötzlich spürte, wie jemand meine Hand nahm. Es war Elliot. Verdutzt schaute ich ihn an. Sein Gesicht wirkte reuevoll und er lächelte mich schwach an. "Mach nicht so ein Gesicht...", flüsterte er. "Ich werde auf dich warten". Niemand hatte seine Worte gehört, niemand hatte gesehen dass er meine Hand genommen hatte. "Ich werde auf dich warten!", diese Worte hallten immer und immer wieder in meinem Kopf. Einerseits freute ich mich darüber, dass wir vorerst mal die Sache einfach vergessen konnten, dass alles wieder so sein konnte wie es war. Aber eben nur vorerst. Elliot liebte mich. Das hatte er mir jetzt ganz deutlich signalisiert. Trotzdem hatte er wohl verstanden, dass mich seine Gefühle total überrumpelt hatten und würde sich in nächster Zeit wohl etwas zurücknehmen. Augenblicklich schob sich Vaughn vor mein inneres Auge und mein Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen. Wieso hatte ich mich nur in ihn verliebt? Wieso konnte ich nicht in Elliot verliebt sein? Das würde alles so viel einfacher machen... Trübsinnig und schlecht gelaunt lief ich also zu Gannons Werkstadt und setzte den Brückenbau in Auftrag. Gannon hatte seine kleine Tochter Elisa auf die Insel geholt. Es war unglaublich dass dieses wunderschöne und zuckersüße Wesen Gannons Tochter sein sollte... Elisa hatte blonde Ringellocken, ein Engelsgesicht und eine zierliche Statur. Aber ich ließ mich von ihrem süßen Äußeren nicht täuschen, die Kleine hatte es nämlich Faustdick hinter den Ohren. "Hey Chelsea, findest du nicht auch, ich sollte die Königin dieser Insel werden?", fragte Elisa mich selbstsicher als ich die Werkstadt betrat. Kichernd lief sie aus dem Haus, wahrscheinlich ging sie zu Charlie um zu spielen... "Kinder...", meinte Gannon und schaute seiner Tochter liebevoll nach. "Was kann ich für dich tun Chelsea?" "Naja... Ich habe einen Auftrag für dich. Ich möchte, dass du die Brücke zum Wald ausbaust" "Und du willst wirklich die Kosten auf dich nehmen?", fragte Gannon und beäugte mich besorgt. Ich nickte nur und holte das Geld aus meinem Geldbeutel. "Ich habe leider kein Bauholz, also zahle ich den vollen Preis. Es wäre schön wenn du sie so schnell wie möglich fertigstellen könntest. Ich möchte mich nämlich am Bergbau versuchen." "Du bist zu gut für diese Welt...", sagte Gannon und nahm widerwillig das Geld entgegen. Gannon war wirklich ein guter Mensch. Die Bezeichnung "sanfter Riese" passte zu keinem Menschen besser als zu ihm. Ich mochte Gannon sehr. Ich beschloss noch nicht nach Hause zu gehen, sondern mich erst an den Strand zu setzen und meine neue Angel auszuprobieren. Obwohl es am Strand ziemlich windig war, so hielt mich Elliots Pullover doch warm. Ich versuchte mit aller Kraft vorerst mal zu verdrängen, dass ich hier gerade Elliots Pullover trug und wie viel ich dieser Familie eigentlich schuldete. Ihre Fürsorge brach mir fast das Herz. So viel Liebe und Unterstützung hatte ich nicht verdient. Es machte mich glücklich und traurig zugleich... Ich setzte mich an die Anlegestelle der Schiffe, warf meine Angel aus und wartete Geduldig darauf, dass ein Fisch anbiss. Ich war total in Gedanken versunken, total weggetreten und verträumt, deshalb erschrack ich auch so sehr als sich plötzich die Gestalt eines stämmigen, dunklen Mannes neben mich setzte. Ich schrie erschrocken auf und plumpste vornüber in das eiskalte Wasser. Hatte ich gerade richtig gesehen? War das wirklich Michael, der sich gerade neben mich gesetzt hatte?? Aber er war doch tot... Ich erinnerte mich daran als sei es gestern gewesen. Der Sturm auf dem Meer, das sinkende Schiff. Starke Arme die mich auf die Beine zogen und warmherzige, braune Augen die mich ermutigten weiter zu machen. Es hatte mir das Herz gebrochen ihn gehen zu sehen. Ich hatte gespürt, dass ich ihn niewieder sehen würde, dass unsere Wege sich trennen würden, obwohl ich ihn doch gerade erst kennengelernt hatte. Das konnte nicht sein... Das kalte Wasser lähmte mich. Ich spürte meine Beine und Arme nicht mehr, so groß war der Schock. Mir wurde schwindelig und ich verlor für kurze Zeit das Bewusstsein. "So ein Mist aber auch. Scheiße verdammt!", hörte ich jemand an meinem rechten Ohr fluchen. Mir war kalt und ich zitterte am ganzen Leib, das einzige was ich wusste war, dass ich von irgendjemandem getragen wurde. Ich konnte es mir auch nicht erklären, aber aus irgnedeinem Grund schien ich immer durch die Gegend getragen werden zu müssen... Ich wollte mich bewegen, wollte, so angenehm warm die Arme dieses Mannes auch sein mochten, aufstehen und selber laufen. Wollte wissen wer dieser Unbekannte eigentlich war. Ich spürte wie er mich auf den Boden legte und mir Elliots Pullover über den Kopf zog. Als er mich noch weiter ausziehen wollte nahm ich meine ganze Kraft zusammen, öffnete meine Augen und verpasste diesem Pervesen die Ohrfeige seines Lebens. Was fiel diesem unverschämten Kerl eigentlich ein mich hier so schamlos auszuziehen??? Ich war empört! "Au!!!", schrie der Fremde erschrocken auf, wich aber nicht zurück sondern beharrte darauf mich auszuziehen. Mit aller Kraft schlug ich hysterisch um mich und schrie so laut ich nur konnte. Ich trat und schlug orientierungslos um mich bis dieser Mann meine Handgelenke ergriff, sich auf mich setzte und zu Boden drückte. Ich war bewegungsunfähig und diesem Mann hilflos ausgeliefert. Meine Augen tränten vor Wut und vor Angst und ich drehte mich so weit ich nur konnte von ihm weg um ihn nicht ansehen zu müssen. Es war erschreckend wie ähnlich er Michael war... Nur dass dieser mir niemals soetwas antun würde. "Beruhig dich doch mal!", sagte der Fremde total aus der Puste. "Zieh deine Klamotten aus, sonst erkältest du dich noch! Hier neben dir liegen Decken mit denen kannst du dich zudecken und abtrocknen. Ich mach so lange ein Feuer an damit du nicht frieren musst... Es wäre nett wenn du dich also beruhigen könntest, ich will dir nämlich nichts Böses!!". Mit diesen Worten ließ er mich los und erhob sich. Er lief auf die Mitte des Hauses zu in der sich einige Hölzer stapelten und versuchte ein Feuer zu entfachen. "Ich heiße übrigens Denny...", fügte Denny seiner Rede noch mürrisch hinzu ohne sich zu mir umzudrehen. Skeptisch betrachtete ich die Decken neben mir und sah an mir herunter. Ich war tatsächlich pitschnass und ich zitterte vor Kälte... "Guck ja nicht hin!", ermahnte ich ihn streng und fing schließlich an mich auszuziehen. Es kam mir vor, als hätte ich Denny kichern gehört, als machte er sich über mich lustig. Ich konnte den Typen nicht ausstehen. Sein graußes Haar, die breiten Schultern, die dunkle Haut... All das erinnerte mich ungemein an Micheal. Ich war jetzt schon fast ein Jahr hier auf der Inel und ich hatte eigentlich vermieden mich an meine Ankunft zurückzuerinnern... Aber nun stiegen all diese Gefühle der Trauer und der Verzweiflung doch wieder in mir hoch. Micheal war gestorben. Er hatte mir das Leben gerettet, hatte mir Mut gemacht... Ohne ihn hätte ich diesen Sturm wohl nicht überstanden. So viele Menschen waren gestorben. Die vestörenden Bilder dieser Nacht schoben sich vor mein inneres Auge und ließen mich zusammenzucken. "Ist alles in Ordnung?", fragte Denny, der sich plötzlich direkt vor mir befand, und betrachtete mich besorgt. Erschrocken wich ich zurück und wickelte mich noch tiefer in die Decken ein. Er war sowas von aufdringlich. "Es geht mir gut...", antwortete ich gereizt. "Du erinnerst mich nur an jemanden..." "Wirklich?", fragte Denny interessiert und setzte sich, trotz meiner offensichtlich passiven Haltung, neben mich. Ich mussterte ihn skeptisch. Denny lächelte mich freundlich an und beäugte mich neugierig. Ich wusste nicht was ich von ihm halten sollte... Obwohl ich mich ihm gegenüber so ablehnend verhielt schien er doch mir gegenüber aufgeschlossen zu sein. "Du erinnerst mich an einen Matrosen der mir vor fast einem Jahr das Leben gerettet hat", erklärte ich ihm schließlich und da lächelte Denny mich frech an und meinte nur: "Na, dann hab ich ja mit dem Burschen tatsächlich eine Menge gemeinsam. Du lässt dich wohl gerne aus dem Meer fischen, ist das so?" So eine Frechheit. Entsetzt starrte ich ihn an. Ich traute meinen Ohren kaum! Am liebsten hätte ich ihm wieder eine geschäuert, aber ich beschloss ruhig zu bleiben. "Es war ja wohl deine Schuld, dass ich überhaupt erst in diese Lage gekommen bin!", antwortete ich schnippisch und drehte mich von ihm weg. "Außredem ist Micheal tot..." Ich hörte förmlich wie Denny nach Worten rang. Er ließ es aber schließlich doch bleiben und schwieg stattdessen. Die Ruhe wurde langsam unangenehm, aber ich hatte nicht vor etwas daran zu ändern. "Wie heißt du eigentlich?", fragte Denny in die Stille hinein. "Mein Name ist Chelsea..." "Freut mich dich kennenzulernen, Chelsea!" Naja, die Freude konnte ich nicht wirklich teilen... "Weißt du", fuhr Denny einfach fort. "Du bist die Erste die ich hier auf dieser Insel treffe. Ich bin gestern Abend hier angekommen und hab einfach mal beschlossen mich in diese Hütte einzuquartieren. Natürlich muss sie erst noch renoviert werden und so... Aber alles in allem ist es genau das was ich will, nämlich am Meer sein. Du musst wissen, ich liebe das Meer... Von Beruf bin ich Fischer. Weißt du, ich habe es schon von klein auf geliebt... Es ist so aufregend durch die Welt zu reisen und so viele verschiedene Orte zu besuchen. Es ist ein Traum!" Langsam drehte ich mich zu ihm um und sah ihn an. Er sah mich nicht an während er redete sondern schien eher mit sich selbst zu sprechen. Er war Feuer und Flamme. Wie ein kleines Kind erzählte er von den Gefahren die er auf seinen Reisen erlebt hatte, den Orten die er besucht hatte und die Menschen die er kennengelernt hatte. Er war ein freier Mann. Ein Mann, der so viel Leben und Freiheit in sich trug, wie ich es noch nie erlebt hatte. Schließlich beendete er seinen leidenschaftlichen Monolog als er bemerkte dass ich ihn neugierig betrachtete. Da lächelte er und stand auf um mir eine Tasse Tee zu bringen. "Danke...", sagte ich missmutig und nahm das heiße Getränk entgegen. Mir war schon wieder wärmer und trockener, aber meine Klamotten würden noch lange brauchen bis sie wieder trockneten... So ein Mist. "Ich bin gestern sehr spät angekommen und hatte noch keine Zeit mich bei allen vozustellen. Wie sind denn die Leute auf der Insel so?" "Die Leute? Die sind alle total super... Wir haben eine Familie, die ein Lieferantengeschäft führt, einen Tierladen, einen Handwerker und ich führe eine Ranch" "Eine Ranch?? WOW!", bemerkte Denny erstaunt. "Das hätte ich dir ja garnicht zugetraut" "Es gibt 'ne Menge Dinge die du mir nicht zutrauen würdest...", bemerkte ich schnippisch und drehte mich wieder weg. Denny seufzte schwer und wollte gerade aufstehen als ich polötzlich erschrocken aufschrie und mich an ihn klammerte. "Was ist denn...?", fragte Denny mich verwirrt, bis er plötzlich den Grund für meine Reaktion sah. "Da bist du ja endlich!", rief Denny freudestrahlend und schloss den dicken schwarzen Vogel in seine Arme. "Das... das ist doch nicht wirklich dein Vogel, oder???", fragte ich total geshockt. "Doch... das ist mein Vogel. Ich habe ihn immer bei mir. Der Kleine war nur ziemlich neugierig und wollte sich ein bisschen umsehen, nicht wahr?" Der Vogel setzte sich auf Dennys Schultern und schmiegte sich liebevoll an sein Herrchen. "Wie heißt er denn?", fragte ich und betrachtete den kleinen Pipmatz neugierig. "Er hat keinen Namen", erwiderte Denny schlicht, als sei es das Selbstverstänlichste auf der ganzen Welt. "Und wieso nicht...", fragte ich. Es kam mir merkwürdig vor seinem Tier keinen Namen zu geben... "Naja... Er ist doch nicht mein Eigentum damit ich ihm einen Namen gebe". Irgendwie klang das für mich nicht richtig logisch, aber ich beschloss das einfach mal so hinzunehmen. Schließlich war das seine Sache... Ich hatte mich schon damit abgefunden, dass ich wahrscheinlich die Nacht mit diesem Fremden verbringen musste... Der Erntegöttin sei Dank hatte ich mich schon Morgens, bevor ich die Ranch verlassen hatte, um meine Kühe gekümmert. Denny breitete zwei Schlafsäcke nebeneinander aus, doch als er meinen grimmigen Gesichtsausdruck bemerkte, legte er die beiden Schlafsäcke doch etwas weiter auseinander. Das Feuer ließen wir an damit meine Sachen besser trocknen konnten. Denny briet uns noch Fische und wir aßen zu Abend. Wir waren beide so müde, dass wir ziemlich früh schlafen gingen. Als ich am nächsten Morgen aufwachte bemerkte ich sofort, dass ich alleine war. Offensichtlich war Denny schon Fischen gegangen... Naja, eigentlich war es mir auch egal. Ich zog meine Sachen, welche endlich trocken waren, an und ging sofort nach draußen. Es war kalt und es schneite noch immer. Tatsächlich bemerkte ich Dennys Schiff welches einsam auf dem Meer herumsegelte. Ich verließ den Strand sofort, wollte nichts weiter als NACH HAUSE!!! Das war genug Abenteuer für den Moment gewesen. Mein Kopf schmerzte bei so vielen Gedanken die darin herumkreisten. Elliot, den ich nicht vergessen hatte, trotz der Geschehnisse am Stran. Denny, unser neuer Fischerjunge von dem ich die anderen wohl in Kenntnis setzen sollte... Und Vaughn, welchem ich plötzlich in die Arme lief. "Pass doch auf wo du hinläufst!", schnauzte er mich mürrisch an. "Was machst du um diese Uhrzeit überhaupt hier?" "Naja...", stotterte ich vor mich hin. Offensichtlich war Vaughn gerade erst angekommen, alle andern schliefen noch. "Naja, also ich..." "Ist ja auch egal...", unterbrach mich Vaughn und lief weiter in Richtung des Tierladens. "Warte!", rief ich ihm noch hinterher und versuchte ihn einzuholen. "Wie geht es dir Vaughn? Du warst so lange nicht mehr hier..." "Ich war nur eine Woche weg" "Ja, aber...", schließlich blieb ich stehen und senkte den Kopf. Auch Vaughn blieb stehen und musterte mich verwirrt. "Du hast einen neuen Pullover" "Ja... Den hat mir Elliot gegeben" Vaughn runzelte missbilligend die Stirn und betrachtete mich eindringlich, als würde er in meinem Schweigen eine Antwort finden auf irgendetwas... "Was ist eigentlich mit dir Vaughn?", fragte ich vorsichtig. "Was machst du hier um diese Uhrzeit?" "Das geht dich nichts an", antwortete er schlicht und funkelte mich böse an. Wieso war ich ihm nur so zuwider... Ich verstand es nicht. Immer suchte ich seine Nähe und wollte ihm nah sein, aber er stieß mich immer nur von sich. Ich startete noch einen letzten Versuch. "Magst du mit mir auf die Farm kommen? Ich bin mir sicher Die Kühe werden sich über deinen Besucht freuen..." Vaughn schien nachzudenken. Er war hin und hergerissen, schließlich mochte er mich nicht und wollte auch nicht unnötig viel Zeit mit mir verbringen. Andererseits liebte er Tiere und ich wusste, dass er mich für eine unfähige Rancherin hielt... "Gut", antwortete er schließlich und so liefen wir gemeinsam zu meiner Farm. Liebevoll streichelte er meine jüngste Kuh, Milky, und betrachtete sie wachsam. "Milky...", flüsterte Vaughn. "Was für ein geschmackloser Name". "Also mir gefällt er!", bemerkte ich schnippisch und füllte die Futtertröge mit Viehfutter. Vaughn half mir dabei die Kühe zu bürsten, nörgelte andauernd an mir und meinem Verhalten der Tiere gegenüber herum und blieb bis in den Mittag hinein bei mir. Ich genoss es ihm zuzusehen. Vaughn wirkte so zufrieden, so unendlich zärtlich wenn er mit den Tieren zusammen war, dass mein Herz anfing viel schneller zu schlagen als sonst. Es schien ihn offensichtlich glücklich zu machen, sich mit den Tieren zu beschäftigen. "Sag mal Vaughn, gefällt es dir eigentlich hier auf der Insel?" Einen Augenblick lang schaute Vaughn irritiert im Stall herum, als würde dort irgendwo eine Antwort auf meine Frage zu finden sein, oder als suche er die Person die ich wohl angesprochen haben könnte... "Es würde mir viel mehr gefallen, würden sich hier nicht alle in meine Angelegenheiten einmischen", antwortete er schließlich und wandte sich von mir ab. Enttäuscht wandte ich mich wieder den Kühen zu, denn ich dachte das Gespräch sei nun beendet. Doch merkwürdiger weiße, redete Vaughn weiter. "Weißt du, es ist viel schöner hier auf dem Land. Es ist so ruhig, so idylisch... Ich würde wirklich gerne irgendwann hier wohnen. Ich ertrage die Stadt einfach nicht mehr..." Ich konnte Vaughn diesbezüglich wirklich gut verstehen... Wahrscheinlich sogar besser als er dachte. "Ja... Ich wollte auch weg von der Stadt... Weißt du, das Leben in der großen Stadt kann so unendlich einsam sein..." "Ja...", sagte Vaughn, mehr zu sich selber als zu mir. "Nicht alles was glänzt ist wirklich golden... Egal wie sehr du auch versuchst zu glänzen, du gehst unter in den Lichtern der Stadt. Es ist als seist du ein Nichts. Du wirst verschluckt von der Masse, dem Lärm, dem Schmutz..." Für einen kurzen Moment hielt Vaughn inne und schien sich an seine Vergangenheit zurückzuerinnern. Eine Vergangenheit, über die ich nichts wusste, die mich vielleicht auch nichts anging, aber... Eins wusste ich sicher: Dass Vaughn es bestimmt nicht leicht gehabt hatte. Dass er kein Vertrauen hatte, in nichts und niemanden. Tränen stiegen mir in die Augen bei dem Anblick dieses einsamen Mannes. Ich wusste dass er einsam war. Ich konnte es genau spüren... Ich fühlte mich ihm auf merkwürdige Weise verbunden. Ich wollte ihn glücklich sehen! Ich wollte ihm nah sein, die Distanz zwischen uns überbrücken... Ich würde ihn niemals verletzen. Ihm niemals weh tun... Vaughn saß in der Hocke auf dem Boden und bewegte sich nicht. Ich ging von hinten auf ihn zu und legte vorsichtig meine Arme um ihn. Es war das erste Mal dass ich ihn so umarmte. Das erste Mal, dass ich die Distanz überschritt. "Du sollst wissen", flüsterte ich. "Es macht mich wirklich glücklich, dass es dir hier auf der Insel gefällt..." Vaughn bewegte sich keinen Zentimeter. Wie gelähmt hockte er da, ich konnte nicht einmal sicher sagen, ob er noch atmete... Schließlich löste ich die Umarmung auf und machte mich wieder an die Arbeit. Als sei nichts gewesen machten wir weiter, schweigsam, auf die Tiere konzentriert. Aber es hatte sich etwas geändert. Ich hatte das Gefühl, Vaughn nun etwas näher gekommen zu sein. Der Gedanke daran, dass ich mir langsam aber sicher einen Platz in seinem Herzen sichern würde, erfüllte mich mit Glück. Ich würde alles in meiner Macht stehende tun um Vaughn glücklich zu machen. Selbst wenn ich ihn nicht dazu bringen konnte mich zu lieben, so wollte ich ihn doch wenigstens richtig glücklich sehen. "Ich sollte langsam mal zu Mirabelle...", meinte Vaughn schließlich. "Es ist schon Mittag..." "Ist es in Ordnung wenn ich dich noch begleite?", fragte ich schnell. Ich wollte mich einfach noch nicht von ihm trennen und möglichst jede Sekunde mit ihm verbringen, die er hier auf der Insel war... Vaughn antwortete nicht, sondern nickte nur abwesend und machte sich auf den Weg in die Stadt. Ich folgte ihm. Obwohl er nicht sonderlich erfreut zu sein schien über meine Gesellschaft, so dultete er sie trotzdem, was mich fröhlich stimmte. Ich hatte den Eindruck, Vaughn würde langsam anfangen mich zu akzeptieren... Wie schön, dachte ich und begleitete ihn gut gelaunt bis zu Mirabelles Tierladen. Es hatten sich alle dort versammelt, was Vaughn und mich ziemlich wunderte. Doch als ich sah, was sich in der Mitte des Gedränges befand, verstand ich sofort, wieso hier so viel los war. In der Mitte des Geschehens befand sich Denny, welcher munter mit Chen und Taro diskutierte während alle andern ihn neugierig betrachteten. Als Denny mich und Vaughn bemerkte, ließ er alle anderen stehen und rannte mit besorgter Miene auf uns zu. "Chelsea! Geht es dir gut? Wieso bist du einfach so verschwunden???" "Du hast Denny schon kennengelernt?", fragte mich Taro, welcher direkt hinter ihm stand. Plötzlich spürte ich, wie mich die Blicke aller durchbohrten. Jeder im Haus betrachtete mich neugierig und das gefiel mir garnicht. Sogar Vaughn warf mir einen fragenden, erzürnten Blick zu. "Naja, ich...", wollte ich gerade erklären als Denny mir einfach ins Wort viel und heiter anfing zu erzählen. "Ich habe ihr gestern das Leben gerettet", verkündete dieser Trottel stolz und erzählte, wie ich ins Wasser gefallen war und die Nacht bei ihm verbracht hatte. Elliot war entsetz. Mit großen Augen starrte er mich an. Mich, dann warf er aber einen wütenden Blick zu Denny. Natalie sah verletzt aus, was ich einfach nicht verstehen konnte... Als hätte ich sie hintergangen... Irgendwie wütend, aber gleichzeitig auch enttäuscht und traurig... Vaughn, welcher immer noch neben mir stand, würdigte mich jedoch keines Blickes mehr. Er sagte kein Wort, beschäftigte sich nicht weiter mit dem Geschehen. Er drehte sich um und wollte gerade das Gebäude verlassen, als ich ihn am Arm packte. "Warte Vaughn! Bitte, ich...", versuchte ich ihm zu erklären, doch er löste sich unsanft aus meinem Griff und stieß mich heftig von sich. "Fass mich nicht an", sagte er und schaute mich hasserfüllt an. Mit diesen Worten verließ er Mirabells Tierladen und ließ mich hier, mit all den neugierigen Gesichtern, allein zurück... Kapitel 7: Die Einsamkeit (Julia) --------------------------------- Vorwort: Ich weiß, eigentlich kommt der Doktor erst im Sommer aber ich konnte nicht länger warten... Ich hoffe ihr hasst mich nicht weil ich aus Julia einen so... schwierigen Charakter gemacht habe. Ich hoffe ihr mögt das Kapitel. Ich hab dem Doktor einfach denselben Namen gegeben wie dem Doktor aus dem DS-Spiel Harvest Moon Cute... Naja, die sahen sich so ähnlich und weil der Doktor in meiner FF eine große Rolle spielt wollte ich ihm einen Namen geben. Also viel Spaß beim Lesen :) "Was ist denn los Vaugh?", fragte ich ihn und betrachtete ihn eindringlich. Ich kannte Vaughn gut-viel zu gut. Ich wusste ganz genau dass er irgendetwas verbarg, dass ihn etwas beschäftigte. Meine Mutter und ich, wir kannten ihn schon seit er ein kleiner Junge war. Mein verstorbener Vater hatte mit seinem Vater zusammengearbeitet und... Er wusste wie schlecht es dem kleinen Vaughn ging. "Vaughns Eltern sind sehr böse zu ihm...", sagte Papa mir eines Tages. "Also sei bitte nett zu ihm Julia". An diesem Tag sollten Vaughn und seine Eltern zu uns zum Essen kommen. Ich erinnere mich daran als sei es gestern gewesen. Es war der Tag an dem Vaughn und ich uns kennenlernten. Ich war zwölf, so wie er und ich erschrack als ich den kleinen Vaughn zum ersten Mal sah. Seine Arme und Beine waren voller Schrammen, sein Gesicht ramponiert und er besaß ein blaues Auge... Er sah aus, als hätte man ihn windelweich geprügelt und seine Augen blickten ängstlich und misstrauisch umher. Sein Vater war groß und stämmig... Ich hatte fürchterliche Angst vor ihm. Seine Augen waren wild, seine Haltung herausfordernd und agressiv. Seine Mutter hingegen war pures Eis. Sie war schön, eine wirklich wunderschöne Frau, aber ihr Blick war abschätzig, arrogant und überheblich. Der kleine Vaughn kam mit mir auf mein Zimmer. Er widersprach mir nicht als ich ihm vorschlug ein Brettspiel zu spielen. Er redete nicht, sah mich nicht länger als nötig an... Er kam mir vor wie ein Schatten seiner selbst. Er sah abgemagert aus... Ich hatte noch nie ein so bemitleidenswertes Geschöpf gesehen... Als die Familie schließlich unser Haus verlassen, setzte ich mich ins Wohnzimmer und fing an zu heulen. Entsetzt rannte mein Vater zu mir. "Was ist denn los Kleines? Hat Vaughn dir etwa weh getan?" "Nein...", schluchzte ich. "Aber er tat mir so leid... Wieso sind seine Eltern so gemein zu ihm? Können wir nicht irgendetwas dagegen tun?" Traurig sah mein Vater mich an und schüttelte nur schweigend den Kopf. "Weißt du Julia, es gibt nunmal Menschen, die es nicht so leicht haben im Leben, und denen man helfen sollte so gut man kann. Wenn du Vaughn helfen willst, dann sei für ihn da. Er könnte eine Freundin sicher gut gebrauchen". "Freundin", dachte ich... Ich war nicht so gut darin eine Freundin zu sein... Ich verstand mich mit den Mädchen meiner Umgebung nicht so gut und die Jungs wollten sowieso nichts von mir wissen. Ich wusste auch nicht was ich falsch tat, aber aus irgendeinem Grund wollte mich niemand in seiner Gesellschaft... Aber mit Vaughn hatte ich mich angefreundet, falls unsere merkwürdige Beziehung wirklich als Freundschaft bezeichnet werden konnte... Vaughn war gerade bei der Arbeit und redete kein Wort, was ja nichts außergewöhnliches war, aber irgendwas an ihm war anders. Seine Augen waren wild, wirkten rastlos. "Vaughn... Sag mir was mit dir los ist!", drängte ich ihn, aber er antwortete mir nicht. Statdessen drehte er sich zu mir un und sah mich eindringlich an. Er wirkte verwirrt, total durch den Wind... Auch wenn ich nicht wusste was er hatte, so wusste ich doch, was er jetzt brauchte. Langsam ging ich auf ihn zu und legte meine Arme um ihn. "Ruhig, Vaughn", flüsterte ich ihm ins Ohr und legte sanft meine Lippen auf seine. Wir befanden uns im Lager. Mirabelle war unterwegs und würde hier so bald nicht auftauchen. Wie ich es mir gedacht hatte war Vaughn total außer sich, das spürte ich an der Art wie er mich berührte. Ich spürte wie er schauderte als meine kalten Hände sich auf seine Haut legten. Das was uns verband war nicht Liebe, sondern viel eher unsere Einsamkeit. Vaughn konnte nichts mit Gefühlen anfangen, das hatte er noch nie gelernt. Er vertraute niemandem, wollte niemanden an sich heran lassen und doch... Doch war es Liebe nach der er sich sehnte. Deshalb traf er sich auch mit mir. Körperliche Liebe war so viel unkomplizierter. So gab er sich mir hin und vergaß alles was ihn beschäftigte, alles was ihn verletzte. Nachdem er sich schließlich wieder angezogen hatte startete ich noch einen letzten Versuch: "Willst du mir wirklich nicht sagen was dich beschäftigt?" "Nein...", antwortete er schlicht und wandte sich mir ab. "Ist es wegen Chelsea?" Kaum hatte ich ihren Namen ausgesprochen zuckte Vaughn zusammen. Mir war aufgefallen, dass die beiden in letzter Zeit viel Zeit miteinander verbrachten... Das Chelsea in Vaughn verliebt war, das wusste ich, spürte ich. Trotzdem... Wieso Vaughn sich so von ihr beeinflussen ließ konnte ich nicht verstehen. Ich war nicht eifersüchtig, eigentlich interessierte mich auch nicht was er tat oder nicht tat, aber... Ich kannte Vaughn. Er würde nicht nur Chelsea verletzen, sondern auch sich selbst, würde er sich auf sie einlassen. Ich war mir sicher, dass Vaughn zu zwischenmenschlichen Beziehungen nichts taugte. Sex war das einzige, was sein schwaches Herz ertragen konnte. "Wieso denkst du würde mich diese Frau interessieren?", fragte Vaughn ohne sich zu mir umzudrehen. "Ich weiß es nicht... Ich weiß nur, dass du seit du mit ihr hier aufgetaucht bist völlig durch den Wind bist". Leise lachte Vaughn in sich hinein. "Mach dir mal um mich keine Sorgen", sagte er und trat schließlich aus dem Lager nach draußen. Ach ja... dachte ich mir und beschloss mich ebenfalls anzuziehen und wieder an die Arbeit zu machen. Draußen war es kalt, überall lag Schnee und die Straßen waren total vereist. Ich ging also in den Tierladen zurück und setzte mich an den Tresen. Meine Mutter hatte sich heute nämlich freigenommen und wollte mit Felicia einen Tee trinken gehen in dem neueröffneten Café hier auf der Insel. Egal was Vaughn auch sagte, es war offensichtlich dass Chelsea der Grund für seine schlechte Laune war. Seit der Sache mit Denny war Vaughn so durch den Wind... Ich konnte mir um ehrlich zu sein nicht erklären was Vaughn daran gestört haben sollte. Eigentlich war ja nichts schlimmes passiert. Nachdem Vaughn einfach gegangen war, hatte Chelsea uns alles erzählt und Denny die Leviten gelesen. Er hatte sich um sie gekümmert, weil es kalt war und sie in das eiskalte Wasser gefallen war, aber es war nichts passiert. Ich glaubte Chelsea... Wir alle glaubten ihr. Wieso Vaughn also meinte eifersüchtig sein zu müssen war mir ein Rätsel. Plötzlich öffnete sich die Tür und Chelsea trat in den Laden. Unsicher sah sie sich im Laden um. sie suchte offensichtlich nach Vaughn und war nun enttäuscht ihn hier nicht vorzufinden. "Guten Morgen, Chelsea. Kann ich dir vielleicht helfen?", fragte ich und lächelte sie naiv an. "Guten Morgen...", erwiderte Chelsea und versuchte sich an einem Lächeln- vergebens. "Ich brauche etwas Viehfutter" "Soll ich es dir nachher vielleicht in deinen Stall bringen, dann brauchst du das jetzt nicht alles rumzuschleppen. Du hast sicherlich noch viel zu tun" "Danke Julia, das wäre wirklich sehr nett von dir". Sie legte das Geld auf den Tresen und wandte sich gerade zum Gehen, als sich ein zweites Mal die Tür öffnete und Vaughn eintrat. Sowohl Chelsea als auch Vaughn blieben wie angewurzelt stehen und starrten sich an. Keiner bewegte sich, keiner sprach ein Wort. Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Es war so offensichtlich, wie es um die beiden stand. Auch wenn Vaughn sich hart gab, auch wenn er es wahrscheinlich selbst noch nicht verstanden hatte, die beiden hatten sich wirklich gern... "Da bist du ja endlich Vaughn", brach ich das Schweigen schließlich und beide zuckten erschrocken zusammen. "Chelsea hat nach dir gesucht" "Aber ich...", wollte Chelsea gerade widersprechen, doch dann nahm sie schließlich all ihren Mut zusammen. Sie griff in ihre rote Tasche und zog eine Flasche Milch heraus. "Für dich Vaughn...", sagte sie mit knallrotem Kopf und reichte ihm die Flasche. Vaughns Blick war kalt, abweisend und arrogant. Ich kannte diesen Blick nur zu gut... Vaughn versuchte sich zu schützen, seinen Schmerz zu vestecken. Auch Chelsea erkannte das. Sie wusste, dass sie ihn verletzt hatte- auch wenn es wie gesagt meiner Meinung nach keinen Grund dafür gab. Verlegan trat sie zu ihm, nahm seine Hand und legte die Flasche hinein. "Danke, Julia. Bis nachher", sagte Chelsea schließlich, lächelte Vaughn noch schwach zu und verließ den Laden. Eine ganze Weile lang rührte Vaughn sich nicht vom Fleck. Er hielt noch immer die Flasche Milch in seiner Hand und starrte sie an. Ich bezweifelte, dass er wirklich die Flasche anschaute... Es war eher so als starre er ins Leere hinein, als würde er gar nicht realisieren dass er etwas in der Hand hielt. Ich trat hinter dem Tresen hervor und lief zum verdatterten Vaughn. Ich wollte nach der Milch in seiner Hand greifen doch dann zog er blitzschnell seine Hand weg, als wolle er verhindern dass ich ihm die Milch wegnahm. Tatsächlich sah er mich gekränkt, wie ein kleines Kind das sein Spielzeug beschützen möchte, an und meinte: "Diese Milch gehört mir!" Ich konnte mich nicht zurückhalten. Aus tiefstem Herzen lachte ich laut und herzhaft und ignorierte einfach Vaughn, welcher mich zornig ansah. "Was gibt's da zu lachen?", fragte er gekränkt und verzog sein Gesicht. "Du bist wirklich süß Vaughn!", sagte ich als ich mich endlich wieder gefasst hatte. Auf meine Antwort hin schnaubte er nur verächtlich und drehte mir den Rücken zu. "Ach komm schon Vaughn, nun sei doch nicht so! Du magst sie..." Kaum hatte ich diese Worte ausgesprochen drehte er sich um und packte mich grob an der Schulter. "Sag-das-nie-wieder-!", sagte er scharf und drückte seine Finger in meine Schultern, so dass es richtig weh tat. "Komm mal wieder runter!", fuhr ich ihn an und befreite mich aus seinem Griff. Seine Augen funkelten zornig, doch er beruhigte sich schnell. "Tut mir leid, Julia..." "Schon gut..." "Weißt du... Es ist nicht so wie du denkst..." "Ach ja? Und wie ist es dann?", fragte ich ihn mit hochgezogener Augenbraue. Es stand ihm doch auf die Stirn geschrieben. Er hatte Angst. Angst, sich in sie zu verlieben. Angst verletzt zu werden. Ich kannte diese Gefühle doch nur zu gut. Auch ich hatte Angst... Auch ich wollte mich nicht öffnen, niemandem vertrauen. Man wurde eh nur enttäuscht. Männer... Sie waren doch alle gleich. Niemand schätzte, was du wirklich warst... Es war immer das Gleiche. Niemand liebte dich um deiner Selbst willen. Ich verstand Vaughn. Wir teilten die selbe Einsamkeit. Und doch..., doch hatte ich das Gefühl, dass Chelseas Gefühle aufrichtig waren. Aber wie sollte Chelsea ihm denn helfen, ihn wirklich lieben, wenn er sie nicht an sich ran ließ? "Weißt du Vaughn", sagte ich schließlich. "Wenn sie dir wirklich etwas bedeutet, dann solltest du dich nicht so runterkriegen lassen. Lass sie an dich ran! Wenn du es nämlich nicht tust, dann wird es irgend ein Anderer sein. Willst du das? Willst du sie wirklich an einen Anderen verlieren?" Meine Worte schienen ihn wirklich getroffen zu haben. "Wenn sie es so möchte dann soll sie das ruhig machen. Mir ist das egal! Mit einem Anderen wäre sie bestimmt besser dran..." Seine Worte klangen verbittert und er meinte was er sagte wirklich ernst. "Bring Chelsea das Viehfutter, ich bleib so lange hier und passe auf den Laden auf" "Und du bist sicher, dass nicht du hingehen möchtest?", fragte ich. Ich wollte nicht, dass er sich so verchließt... Er brauchte nicht die selben Fehler zu machen wie ich... Ich hatte Vaughn noch nie so gesehen. Er kam mir vor, wie ein offenes Buch. Ich konnte genau sehen, wie sehr er litt, wie deprimiert er war. Er war einfach noch nicht so weit. Er konnte sich ihr noch nicht öffnen, konnte noch nicht über seinen Schatten springen... In diesem Moment, als Vaughn so unglaublich einsam und schwach aussah, wünschte ich mir nichts sehnlicher als ihn glücklich zu sehen. "In Ordnung...", erwiderte ich widerwillig und verließ den Laden. Wenn er sich selber das Leben schwer machen wollte, dann sollte er das ruhig machen. Mir konnte das egal sein... Ich hatte mich schon lang genug mit Vaughns Problemen beschäftigt, es reichte langsam. Ich lief die Straße zu Chelseas Ranch entlang und begegnete Elliot auf dem Weg dort hin. "Guten Tag, Julia! Bist du auch auf dem Weg zu Chelseas Farm?" "Ja...", antwortete ich schlicht und so ergab es sich, dass wir gemeinsam liefen. "Wie läuft es mit eurem Tierladen? Ist alles in Ordnung oder braucht ihr vielleicht Hilfe?" "Nein, Danke..." Der junge Mann mit der Brille und dem ausgefallenen Haar schien fröhlich und gutherzig zu sein. Ich fühlte mich in seiner Gegenwart nicht sonderlich wohl... Ich konnte solche Menschen nicht verstehen, weil ich so unglaublich anders war... "Freut mich, dass ihr euch eingelebt habt! Es ist schön dass wir inzwischen so viele Einwohner hier auf der Insel haben, findest du nicht auch? Umso mehr hier los ist desto besser!" "Naja, eigentlich mag ich die Ruhe hier. Sind wir nicht alle deswegen auf eine einsame Insel gezogen? Um den Menschen zu entfliehen? Um allein zu sein?" Erstaunt sah Elliot mich an. Meine Aussage schien ihn zu verwirren... Was hatte er denn erwartet? Wieso sollte man sonst seine Heimat verlassen und hier ins Nirgendwo ziehen...? "Naja, es gibt viele Gründe wieso ein Mensch sich auf einer einsamen Insel niederlassen würde...", sagte Elliot und schob mit dem Mittelfinger seine Brille etwas nach oben. "Ein Grund wäre wahrscheinlich tatsächlich die Flucht vor den Menschen und dem Lärm, dem Stress dem man in einer großen Stadt ausgesetzt ist... Andere fliehen aber vielleicht auch vor der Vergangenheit..." Nachdenklich blickte er in den Himmel, als suche er dort nach Worten. "Ich denke nicht, dass 'Flucht' das passende Wort dafür ist. Ich will nicht glauben, dass ich vor etwas weggelaufen bin... Es war ein Neuanfang. Der Wunsch danach, etwas zu bewegen und sich zu verändern..." Er lächelte traurig und es fühlte sich an, als hätte er mir ein Messer in die Brust gerammt... Ich war weggelaufen. Vor meiner Vergangenheit, vor den Menschen... vor mir selbst. Ich konnte mich selbst nicht ertragen. Ich war so verletzt worden, dass ich hier auf diese Insel kam. Ich war vor dem Menschen geflohen, der mich dazu gebracht hatte mich zu hassen... Weil ich ihn mehr lieben gelernt hatte als mich selbst. Weil ich mich verloren hatte. Weil ich geliebt hatte... Einen Mann, den ich nicht lieben durfte. Wir befanden uns auf der Ranch und Elliot half mir, das Viehfutter in den Stall zu bringen. "Danke, Elliot. Das ist wirklich sehr nett von dir", sagte ich und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. "Habe ich doch gerne gemacht", sagte er schlicht und musterte mich eindringelich. Ich konnte nicht sagen wieso, aber ich hatte das Gefühl er würde mich durschauen... Würde hinter die Fassade blicken. Hinter das schöne Gesicht, hinter das strahlende Lächeln... Gemeinsam liefen wir zu Chelseas Haus. Ich hatte nicht vor noch länger zu bleiben... Ich fühlte mich in Elliots Gegenwart nicht wohl. Im Gegensatz zu mir war er so rein und unschuldig... Ich kam mir schäbig neben ihm vor. Auch wenn niemand es sehen konnte, so spürte ich es doch. Er strahlte, war ehrlich und ein guter Mensch... Das genaue Gegenteil von mir... Zwei mal klopfte Elliot gegen Chelseas Haustüre, doch es war nicht Chelsea welche die Türe öffnete. Ich erstarrte als ich ihn vor mir sah. Alles in mir krampfte sich zusammen. Ich hatte das Gefühl in meiner Kehle hätte sich ein riesiger Knoten gebildet und mein Herz würde jeden Augenblick herausspringen. "Guten Tag", begrüßte er uns höflich und lächelte. Es war dieses charmante, verstohlene Lächeln dass ich nur zu gut kannte. Dieses falsche Lächeln, das ich lieben gelernt hatte... "Hallo...", erwiderte Elliot unruhig. Es war ihm wohl unangenehm in Chelseas Nähe so viele Männer zu wissen. Erst Denny, jetzt auch noch dieser gutaussehende Herr... In diesem Augenlick kam Chelsea aus dem Haus. "Leute! Seht mal, das ist Trent! Er ist Arzt und macht hier Ferien!", sagte Chelsea fröhlich. "Es freut mich euch kennenzulernen", sagte Trent, noch immer mit einem strahlenden Lächeln auf dem Gesicht. "Guten Tag! Mein Name ist Elliot und das hier ist Julia", stellte er uns vor und gab sich selbstbewusst. Besitzergreifend zog er Chelsea an seine Seite und hielt sie fest. Wie kindisch... "Ich verstehe...", sagte Trent ruhig. Er erkannte sofort in welcher Beziehung Elliot und Chelsea standen, schließlich war er nicht blöd... Oh nein... Manchmal kam es mir so vor als wüssten diese dunklen Augen alles... Einfach alles. "Julia...", sagte er. Es brach mir das Herz ihn meinen Namen sagen zu hören... Ich war ja so dämlich... Ich konnte es nicht fassen dass er noch immer eine so große Wirkung auf mich hatte... "Ja...?", fragte ich und gab mich unwissend. "Du siehst blass aus, geht's dir nicht gut?" "Doch, es geht mir blendend. Danke für ihre Fürsorge Dok'!", erwiderte ich und setzte mein gut antrainiertes Pokerface auf. Ich würde mich nicht rumkriegen lassen. "Bist du dir sicher? Ich glaube es wäre besser wenn ich dich untersuche... Mir scheint du bist erkältet" "Nein!", sagte ich bestimmt. Böswillig fügte ich noch hinzu: "Oh, ich sehe sie sind verheiratet. Das ist wirklich ein schöner Ring den sie da am Ringfinger tragen" "Sie sind verheiratet?", fragte Elliot verblüfft und entspannte sich augenblicklich. Er hielt einen verheirateten Mann wohl für keine Gefahr. Wenn der wüsste... "Ja, ich bin schon einige Jahre glücklich verheiratet. Nur dass meine Frau krank ist... Sie hat große Probleme mit ihren Beinen und ich suche verzweifelt nach einem Heilmittel..." Immer wieder die selbe Leiher, dachte ich mir. Trent wusste nur zu gut wie man Leute um den Finger wickelte. "Sie Ärmster...", sagte Chelsea fürsorglich und strich ihm verständnisvoll die Schulter. "Das muss wirklich hart für Sie sein..." "Ach...", erwiderte Trent und verzog wehumütig das Gesicht. "Es ist natürlich nicht so einfach... Aber ich tue was ich kann... So ist das, wenn man seine Frau liebt" "Ihre Frau kann sich wirklich glücklich schätzen einen so wundervollen Partner zu haben!", sagte Chelsea gerührt. Ja, das war seine Masche. Er gab sich liebevoll, verletzlich und einsam. So kriegte er jede Frau rum. Ich kochte vor Wut. Eifersucht stieg in mir hoch und ließ mich nicht mehr klar denken. Wieso war er hier? Wieso konnte er mich nicht einfach in Ruhe lassen? Ich wusste, dass er das absichtlich tat. Er wollte mich provozieren... Und obwohl ich ihn nur zu gut kannte, ihn und seine Masche... Trotzdem ließ ich mich wieder auf sein krankes Spielchen ein. "Doktor... Jetzt wo sie es sagen, es geht mir tatsächlich nicht so gut... Wollen sie mich vielleicht in mein Haus begleiten?" "Aber natürlich meine Liebe!", sagte er und seine Augen blitzten auf. "Mach dir keine Gedanken, ich werde dafür sorgen, dass du dich wie neugeboren fühlst!" "Hoffentlich..." "Was hast du denn Julia?", fragte Chelsea besorgt und befand sich sofort neben mir. "Mach dir um mich keine Sorgen", antwortete ich ruhig. "Trent ist schließlich Arzt, er wird mir bestimmt helfen können" "Ja, das werde ich...", sagte er noch und ich sah, wie er ein schelmisches Lachen unterdrückte. Dieses Biest... Vaughn stand immer noch hinter dem Tresen, meine Mutter war noch nicht zurück. "Hallo Vaughn. Geh bitte", sagte ich schlicht. Ich hatte keine Lust ihm zu erklären was los war. Ich wusste auch, dass Vaughn mich nicht danach fragen würde. Es war ihm egal. Schweigend verließ er den Laden und ließ mich mit Trent allein. "Was willst du?", fragte ich ihn wütend und drehte mich von ihm weg. Ich wollte ihm nicht in die Augen sehen. Ich konnte es einfach nicht... Er machte mich krank. "Du weißt, was ich will", flüsterte er heiser und legte von hinten seine Hände auf meine Hüften. "Du hast mir gefehlt..." "Natürlich!", sagte ich sarkastisch und befreite mich aus seinem Griff. Obwohl ich mich von ihm entfernt hatte, brannte noch immer meine Haut an der Stelle an der er mich berührt hatte... Dieser Mann machte mich fertig... "Ich hatte dir gesagt, dass ich dich nie wieder sehen möchte. Was daran ist bitte so unverständlich?" "Ich bin zufällig hier vorbeigekommen!" "Ja, klar!" "... Na schön, ich habe dich gesucht... Weißt du eigentlich wie weit ich gereist bin um dich zu finden?" "Das ist mir egal, du hast hier nichts zu suchen!" "Ich liebe dich, Julia" Unverschämtheit... Wieso griff er immer zu solch drastischen Maßnahmen?? Ich zitterte am ganzen Leibe. Zornig blickte ich ihn an, holte aus und wollte zuschlagen doch er fing meine Hand ab und sah mir tief in die Augen. Ich versuchte mich aus seinem Griff zu befreien, mich loszureißen doch er war zu stark. Er zog mich fest an sich und legte seine Lippen auf meine. Sehnsüchtig, voller Verlangen schlang ich meine Arme um ihn und drückte ihn noch fester an mich, als wollte ich ihn aufsaugen. Wieder verlor ich mich in dieser Lüge... Ich hatte versucht vor ihm zu fliehen... Ich hatte versucht ohne ihn zu leben, aber er ließ mich nicht los. "Ich lasse dich nicht gehen, Julia! Du gehörst mir...", flüsterte er mir ins Ohr während mir eine Träne der bitteren Erkenntnis die Wange hinablief. Trotzdem... so schwer es mir auch in diesem Moment fiel, schob ich ihn mit aller Kraft von mir weg. "Geh jetzt bitte!", sagte ich und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht. "Tut mir leid wenn..." "Nichts tut dir leid!", unterbrach ich ihn wütend und lief zur Tür. "Geh jetzt... Ich will dich hier nicht mehr sehen!" "Ich mache hier Urlaub... Ihr habt seit Neuestem ein Hotel hier auf der Insel... Ich warte auf dich" "Da kannst du lange warten!" Ein leises Lachen entfuhr ihm und kaum hörbar fügte er noch hinzu: "Das werden wir ja sehen..." Noch ein letztes Mal küsste er mich. Sein Kuss war so flüchtig, so kurz, dass es mir das Herz brach... Ich sehnte mich so nach ihm. Obwohl ich wusste, dass er nur mit mir spielte... Obwohl ich nur zu genau wusste, dass meine Liebe zu ihm mich zerstört... Ich konnte nicht aufhören ihn zu lieben. Trent verließ unseren Tierladen, aber ich wusste nur zu gut, dass dies nicht unsere letzte Begegnung sein würde... Ich wusste auch, dass ich wieder auf ihn reinfallen würde... Ich würde ihn nicht abweisen können... Kein zweites Mal! Kapitel 8: Die kleine Königin (Elisa) ------------------------------------- nOCH EIN PAAR WORTE VOM AUTOR: An alle die meine FF lesen, es tut mir SO leid dass ich so lange nichts mehr geschrieben habe, aber ich hatte echt Stress wegen meinem Abi usw... Aber ich werde jetzt wieder öfter hier was veröffentlichen (Schließlich hab ich jetzt ENDLICH einen Laptop, da muss man sich doch dransetzen und was schreiben :D). Aber nochmal ein ganz großes Danke an jeden der meine FF liest. Auch wenn das Ende noch in weiter Ferne liegt... So hoffe ich doch dass wenigstens einige von euch Spaß daran haben sie zu lesen :) Es war einmal, vor langer langer Zeit, eine kleine Königin die über eine Insel herrschen wollte. Von weit her kam sie angereist, um der verlassenen Insel wieder Leben einzuhauchen. Sie wusste zwar noch nicht wie sie das anstellen sollte, aber ihr würde schon etwas einfallen… Schließlich hatte sie schon viel durchgemacht in ihrem Leben, da würde sie diese verschlafene, fremde Insel doch nicht aufhalten. Eine so schöne und imposante Persönlichkeit wie sie es eine war, würde das schon auf die Reihe bekommen. Sie befand sich auf dem Schiff, das sie an ihre neue Heimat tragen sollte. Obwohl sie eigentlich fest von sich und ihrem Vorhaben, die Herrschaft über die Insel an sich zu reißen, überzeugt war, so war sie doch aufgeregt auf das ihr bevorstehende Abenteuer. Was sie wohl auf dieser Insel erwarten würde? Sie fragte sich, ob die Inselbewohner sie wohl als ihre neue Königin akzeptieren würden. Sie war schließlich die schönste und reizendste Frau, die auf der Erde wandelte. Ihre erste Enttäuschung war die Tatsache, dass der einzige Mensch, der sie auf der Insel erwartete ihr hässlicher Vater war. Sie sah nichts, als eine kleine, baufällige Hütte und einen kleinen Strand. „Ist das die Insel des Glücks?“, fragte die kleine Königin schockiert einen Matrosen. „Ja, Kleine. Willkommen auf der Insel des Glücks!“ Gutgelaunt lief der Matrose davon um den anderen Matrosen beim abladen der Fracht zu helfen, während für die kleine Königin gerade ihre Welt zusammenbrach. DAS sollte ihr neues Zuhause sein??? Aber wer weiß, dachte sie sich, vielleicht ist das ja nur der erste Eindruck und in der Stadt ist etwas mehr los! Mit neuem Mut lief die kleine Königin also auf ihren großen Vater zu, der sie mit einer herzlichen Umarmung begrüßte. Auch wenn sie es niemals zugeben würde, aber sie hatte diese starken Arme ihres Vaters sehr vermisst. Wie lange war es nun schon her gewesen, dass sie ihn gesehen hatte… Ein Jahr? Sie hätte weinen können, so sehr freute sie sich darüber, ihren Vater wiederzusehen. Er hatte sie verlassen, um einen Ort zu finden, an dem sie in frieden wohnen konnten… Er hatte ihr damals gesagt, sie solle eine Weile lang bei ihrer Tante bleiben, wenigstens so lange, bis er eine Arbeit gefunden und mit ihr zusammen eine neue Existenz aufbauen konnte. Er hatte nun eine feste Arbeit hier auf der Insel und so viel zusammengespaart, dass er seine Tochter nun endlich zu sich holen konnte. Wie lange hatte sie auf diesen Tag gewartet… Schließlich war ihr Vater alles was ihr geblieben war… Die einzige Familie die sie noch hatte. Ihre Mutter war eine sehr schöne Frau gewesen. Die kleine Königin hatte nie begriffen, wie eine so schöne Frau einen so hässlichen Mann heiraten konnte… Sie selbst wäre viel zu Eitel gewesen. Doch er war ein unendlich guter Mensch, ihr Vater. Er tat alles für seine Familie, für die Frauen die er liebte, seine beiden Königinnen. Doch nun gab es nurnoch eine Königin… Die zweite war erkrankt und verstorben. Nun musste die kleine Königin allein zurecht kommen… Ohne ihre Mutter, ohne die Frau die ihr immer Halt gegeben hatte. Aber so war das Leben nunmal. Man konnte nie wissen, was einen erwartet. So sehr sich die kleine Königin ihre Mutter auch zurückwünschte, sie wusste, dass sie lernen musste ohne sie zu leben. Sie hatte schließlich die Verantwortung für ihren einsamen Vater. Es muss schwer für ihn gewesen sein, dachte sie. So ganz allein, ohne Unterstützung und ohne ihre Hilfe… Aber jetzt würden sie wieder zusammen sein. Sie würde nicht zulassen dass ihr Vater noch mehr leidet, als er es eh schon wegen seiner verstorbenen Frau getan hatte. „Komm, meine Kleine. Lass uns nach Hause gehen. Ich bin mir sicher es wird dir gefallen! Es ist ziemlich groß und ich habe es auch so schön wie möglich eingerichtet. Wir haben übrigens tolle Nachbarn. Die Inselbewohner sind alle sehr freundlich. Glaub mir, hier wird es dir gut gehen…“ „Davon bin ich überzeugt…“, erwiderte die kleine Königin und fasste ihren Vater an der Hand. Sie konnte sich nicht daran erinnern wann sie das zuletzt getan hatte. Sie hatte ihrem Vater nie besonders nahe gestanden… Auch wenn sie genau wusste wie sehr er sie liebte, so war es als stünde eine riesige Wand zwischen ihnen... Doch sie würde diese Wand überwinden denn er war alles was ihr geblieben war und sie würde um ihn kämpfen. „Ach Elisa…“, seufzte ihr Vater gerührt und umschloss ihre kleine Hand fest mit seiner riesigen Pranke. So liefen sie gemeinsam, Hand in Hand in die Stadt. Nichts war so wie die kleine Königin es erwartet hatte… Die Häuser waren teilweise noch klein und unausgebaut. Es gab einen kleinen Laden und eine Art Gasthaus wurde gebaut. Ansonsten gab es offensichtlich nicht viel mehr. Aber auch wenn die kleine Königin enttäuscht war, so ließ sie sich doch nicht abschrecken. Auch wenn es nur eine kleine, langweilige Insel war, unter ihrer Herrschaft würde sie aufblühen, davon war sie überzeugt. Ein kleiner Mann mit schmalen, freundlichen Augen kam auf sie und ihren Vater zugelaufen. „Guten Morgen Ganon! Ist das deine Tochter, von der du schon so viel erzählt hast?“, fragte der Mann mit sanfter Stimme und beugte sich zu der kleinen Königin hinunter. „Es freut mich sehr dich kennenzulernen Elisa! Mein Name ist Chen.“ „Es freut mich deine Bekanntschaft zu machen!“, antwortete die kleine Königin schlicht und wollte sich gerade zum gehen wenden als sie plötzlich einen kleinen König erblickte. Der kleine König hatte schwarzes Haar und ein rundes Gesicht. Mit festem Schritt lief er auf sie zu und reichte ihr seine Hand. „Hallo! Freut mich dich kennenzulernen. Mein Name ist Charlie.“ Skeptisch reichte ihm die kleine Königin die Hand und schüttelte sie. Mit einem König hatte die kleine Königin nicht gerechnet, doch er war es, eindeutig. Vom ersten Augenblick an erkannte sie, dass er der König war, dessen Schicksal es war, immer an ihrer Seite zu sein. „Wie heißt du eigentlich?“, fragte der kleine König die Königin und schenkte ihr ein aufrichtiges, interessiertes Lächeln. „Ich bin Elisa“, antwortete die kleine Königin mit zuckersüßer Stimme. „Ich bin mir sicher, wir beide werden uns gut verstehen!“ „Ja, ich auch!“, stimmte der kleine König seiner Königin zu und nahm sie herzlich in seine Arme. Die Väter rührten sich nicht vom Fleck und für einen kurzen Augenblick blieb ihnen die Luft weg. Vor allem Ganon wäre wahrscheinlich auf der Stelle auf den kleinen König losgegangen, wäre dieser nicht noch so klein. Doch für die Königin war dies die Bestätigung, dass sie beide zusammengehörten. Sie waren für einander bestimmt, beide etwas ganz Besonderes. „Komm, lass uns an den Strand gehen!“, meinte der König und noch bevor seine Königin oder die beiden Väter irgendetwas antworten konnten hatte er sie auch schon an der Hand genommen und war mit ihr in Richtung Strand verschwunden. Naja, dachte sich die kleine Königin. Ihr neues Haus konnte sie sich auch später anschauen. Jetzt würde sie erst mal mit ihrem König an den Strand gehen. „Weißt du…“, sagte der kleine König leise und mit unbehagen. „Mir bedeutet der Strand sehr viel…“ „Irgendwann werden wir dort leben!“, erwiderte die Königin bestimmt. Irritiert drehte sich der König zu seiner Königin um und bedachte sie eines verwirrten Blickes. Er hatte wohl nicht ganz verstanden, was sie damit genau meinte und sagen wollte, aber offensichtlich gefiel ihm die Vorstellung, er könnte nah am Strand, zusammen mit einer so schönen Königin leben. „Einverstanden!“, meinte der kleine König entzückt. So liefen sie Hand in Hand an einen bedeutenden Ort. Sie waren zwar noch lange nicht am Ziel aber sie taten gerade den ersten Schritt zu ihrer gemeinsamen Zukunft und zu ihrer eigenen, kleinen Geschichte. Kapitel 9: Das Mädchen mit den rosa Haaren (Denny) -------------------------------------------------- Sooo, hier noch mal ein paar Worte vom Autor: Also, diesmal hab ich mir nicht so viel Zeit gelassen mit dem nächsten Kapitel. Ich bin übrigens immer offen für Vorschläge, wies weiter gehen soll (Auch wenn ich eigentlich schon was festes im Kopf hab, ich bin offen für weitere Ideen :). Ich persönlich mochte Natalie von den Mädchen immer am meisten als ich dieses Spiel gespielt habe, deshalb ist sie auch sowas wie meine zweite Hauptperson geworden! Auch Denny hatte ich immer total gerne, deshalb werde ich mir bei der Geschichte der beiden auch sehr viel Mühe geben. Ich hoffe mal jeder der dieses Kapitel liest ist zufrieden mit dem Verlauf der Story, also viel Spaß noch beim lesen. --- Endlich hatte ein Fisch angebissen. Obwohl ich es so eilig hatte endlich, nach einer so erfolglosen Woche einen Fisch an Land zu ziehen zog ich meinen Fang zärtlich und geduldig zu mir hin. Es war ein großer Fisch, ein Mondfisch. So einen hatte ich schon lange nicht mehr gefangen. Schnell und schmerzlos bereitete ich seinem Leben ein Ende und steckte ihn in meine Tasche. Die letzten beiden Tage hatte ich nicht einen Fisch gefangen und war schier verhungert, doch nun hatte mein Leiden ein Ende. Doch bevor ich meinen Fisch zubereiten würde, wollte ich noch einmal in Chens Laden vorbeischauen. Chen und ich waren in der Zwischenzeit gute Freunde geworden. Ich mochte ihn weil er so ein offener und guter Mensch war. Außerdem hatten wir viele Gemeinsamkeiten was unsere Interessen und Geschmäcker, was Essen anbelangt angeht. Auch mit Charlie verstand ich mich gut. Es war immer wieder erfrischend mit Chens Sohn herumzualbern. Ich fühlte mich einfach wohl bei ihnen… Obwohl Chens Frau verstorben war, so hatten Vater und Sohn doch eine sehr gute Beziehung zueinander. Wie sehr sehnte ich mich doch nach einer Familie… Wenn es nach mir ginge, dann hätte ich am liebsten viele Menschen um mich herum. Auch wenn ich mich eigentlich schon daran gewöhnt hatte, so war ich eigentlich gar nicht so gerne allein… Eigentlich hätte ich gerne eine große und laute Familie, dachte ich mir. Ich konnte es einfach nicht verstehen, wie manche Menschen sich für ihre Familie schämten oder sie gar als störend empfanden. Ich beneidete diese Menschen darum… Auch wenn Chens Laden heute eigentlich geschlossen war, so trat ich doch in das Haus um ihm und seinem Sohn einen Besuch abzustatten. „Chen? Charlie?“, rief ich, als mich niemand an der Tür empfing. Langsam trat ich hinein. Irgendwie hatte ich das ungute Gefühl, dass ich gerade unglaublich störte, aber so richtig erklären konnte ich mir auch nicht wieso. „Denny, b-bist du das?“, fragte Chen mit gehetzter Stimme und stolperte hinter der Türe hervor, die zu seinem Wohnraum führte. „Ja… Störe ich gerade?“, „Aber nein… Nein nein nein!“, wiederholte Chen und fuhr sich nervös durch sein dichtes schwarzes Haar. „So komm doch rein und leiste uns ein wenig Gesellschaft.“ „Gerne doch!“, erwiderte ich mit Begeisterung. Ich saß schließlich immer gerne mit Chen und seinem Sohn zusammen. Immer wenn ich mit ihnen zusammen war, fühlte ich mich nicht mehr so einsam auf dieser Welt. Sie akzeptierten mich. Sie gaben mir das Gefühl dazu zu gehören… etwas ähnliches wie eine Familie zu haben. Doch zu meiner großen Überraschung war es nicht Charlie der sich hinten im Wohnhaus befand. Es war eine zierliche Frau mit langen rosa Haaren die ich nur zu gut kannte. „Felicia?!“, fragte ich mit verwirrtem Entsetzen und bereute es sofort. Es war offensichtlich dass ich zu einem EXTREM unpassenden Zeitpunkt gekommen war… Felicias Haare wirkten irgendwie zerzaust, ihre Wangen glühten und ihre Bluse saß schief. Auch Chen sah nicht besser aus… Ich fühlte mich so schlecht… Ich hatte die beiden nicht „ertappen“ wollen. Ihre Beziehung ging mich schließlich nichts an und außerdem war es nichts Ofizielles… „Hallo, Denny.“, begrüßte Felicia mich tapfer und ich spürte wie mir die Röte ins Gesicht stieg. „Ich… Chen, soll ich gehen? Es war dumm von mir einfach so hier rein zu kommen, es tut mir leid, ich…“ „Aber nein, Denny!“, protestierte Felicia bestimmt und kam hastig auf mich zu. Sanft legte sie ihre Hand auf meine Schulter und lächelte mich mütterlich an. „Du bist doch bei Chen jederzeit willkommen, ist das nicht so? Wieso sollte die Tatsache, dass ich hier bin irgendetwas daran ändern?“ „Ja!“, stimmte Chen ihr zu. „Ich will dass du weißt, dass du immer Willkommen bist! Wirklich!“ So lächerlich das auch klingen mag, aber in diesem Moment war ich so glücklich wie ich es lange nicht mehr war. Es tat gut akzeptiert zu werden. Es war schön, nicht als Last empfunden zu werden. Ich hatte schon ganz vergessen wie es war, „Willkommen“ zu sein. Egal wie es dem Anderen gerade ging, egal in was für einer Situation man sich befand… Es war in Ordnung da zu sein. Auch mal zu einem unpassenden Moment irgendwo reinzuplatzen. Ich hatte Mühe nicht in Tränen auszubrechen. Am liebsten hätte ich in diesem Moment geweint wie ein Schlosshund, aber ich hielt mich zurück. Ein Mann meiner Größe konnte sich nicht so gehen lassen… So zog Felicia mich also sachte an den Tisch und befahl mir, mich zu setzen. „Möchtest du vielleicht einen Tee? Kekse?“, fragte Felicia, doch noch bevor ich etwas antworten konnte, war sie auch schon verschwunden. „Wo geht sie hin?“, fragte ich ganz perplex. „Wahrscheinlich Tee und Kekse von Zuhause holen“, antwortete Chen und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Jetzt hast du uns also auf frischer Tat ertappt!“, spöttelte Chen, aber mir stieg erneut die Schamesröte ins Gesicht. „Chen… Mach dir bitte keine Sorgen, ich behalte es für mich!“ „Darum mache ich mir keine Sorgen, ich vertraue dir.“, sagte er und schlug mir freundschaftlich auf die Schulter. Ich war noch nicht mal einen Monat hier auf der Insel… Es war noch immer Winter… Hier auf der Insel des Glücks hatte ich den wohl schwersten und längsten Winter meines Lebens erlebt und trotzdem… Ich fühlte mich schon nach so kurzer Zeit hier Zuhause. Ich gehörte hier hin, das spürte ich. Das Meer hatte mich hier her geführt und hier sollte ich zur Ruhe kommen. Ich glaubte, meinen Platz endlich gefunden zu haben. „Der Wind hat sich gelegt“, dachte ich. „DasTreiben hat ein Ende“ „Wie beissen die Fische?“, fragte Chen und wechselte somit ganz selbstverständlich und ohne weitere Peinlichkeiten das Thema. „Nicht so gut…“, gestand ich. „Heute habe ich nach zwei Tagen endlich wieder einen Fisch gefangen.“ „Na das klingt aber nicht so berauschend… Brauchst du vielleicht Hilfe, kommst du klar?“ „Klar, mach dir um mich mal keine Sorgen… Aber sag mal, wo ist eigentlich Charlie abgeblieben?“ „Ach, der…“, sagte Chen und schmunzelte amüsiert. „Seitdem Ganons Tochter auf die Insel gekommen ist sind die beiden ein Herz und eine Seele. Sie sind unzertrennlich geworden.“ „Verstehe…“, flüsterte ich und verkniff mir ein fettes Grinsen. Offensichtlich hatte der anstehende Frühling die Herzen hier auf der Insel zum Erwärmen gebracht, und das nicht nur bei Chen und Felicia… „Und du, Denny. Wo treibst du dich herum, wo bist du am liebsten?“, fragte Chen mich mit einem warmen lächeln. „Weißt du… Am liebsten bin ich am Meer…“, antwortete ich wahrheitsgemäß. In meinem Leben gab es keine Frau, keinen Halt, keine Liebe nach der es mich sehnte… Niemand der mich glücklich machte… Aber auch niemand der mich verletzen konnte. Das war die einfache Lösung. Ein Weg, den Schmerzen aus dem Weg zu gehen, die der Verlust eines sochen Menschen mit sich brachte. Chen schien merkwürdiger Weise zu verstehen… Traurig senkte er seinen Blick zu Boden und eine lange Weile lang schwiegen wir. Wir hingen beide unseren Gedanken nach und gerade als Chen sich ein Herz gefasst hatte und mir etwas sagen wollte, hörten wir wie die Türe aufging und jemand den Laden betrat. Ich war der festen Überzeugung es wäre Felicia, mit einer weiteren Überraschung hatte ich überhaupt nicht gerechnet. Ich stand auf und wollte gerade die Türe zum Wohnhaus öffnen um Felicia entgegenzukommen als sich die Türe öffnete und ein zierliches Mädchen mit rosa Haaren plötzlich vor mir stand und erschrocken eine Termoskanne und einen Teller voller Kekse fallen ließ. Der Teller zersprang in viele kleine Scherben und die Kekse schleuderten durch die Luft und landeten auf dem Boden während die Termoskanne laut aufschlug. „Das tut mir so leid, ich… Ich dachte… Ich wusste nicht… Ich meine, ich… Ach, scheisse!“, flluchte das Mädchen mit den rosa Haaren, das Felicia optisch so unglaublich ähnlich sah und bückte sich um die Scherben und die Kekse vom Boden aufzusammeln. „Warte, ich helfe dir!“, bot ich mich an, doch das Mädchen wimmelte mich harch ab. „Ich schaff das schon, es war mein Fehler, du brauchst nichts-AUTSCH!!“, schrie sie auf, denn sie hatte sich geschnitten. Blut floß aus ihrer Handfläche und tropfte leise auf den Boden. „Verdammt…“, fluchte sie schon wieder. „Es tut mir wirklich leid, ich… Ich bin so ungeschickt…“ „Das macht doch nichts!“, sagte ich schnell und sammelte vorsichtig die Scherben auf. Da kam Chen auch schon mit einem Tuch angerannt und versorgte die Wunde des Mädchens. Ich kannte sie… Ich hatte sie schon einmal gesehen, hier auf der Insel. Sie war mit Chelsea befreundet, offensichtlich sogar sehr gut und sie war Felicias Tochter. Ihr Name wollte mir par tous nicht einfallen und ich traute mich nicht, sie danach zu fragen. Auch wenn es eigentlich nicht meine Art war so verlegen zu sein, aber für heute hatte ich schon genug verpatzt, da konnte ich mir diese Peinlichkeit doch einfach ersparen, oder nicht? „Ist mit deiner Hand alles in Ordnung?“, fragte Chen besorgt und versorgte ihre Hand. „Ja… Bitte mach dir um mich keine Sorgen, Chen. Ist nur ein kleiner Schnitt…“ Abweisend entzog sie ihm ihre Hand und wandte sich ab. Besorgt und gleichzeitig auch etwas enttäuscht blickte Chen sie an, wandte sich aber schließlich von ihr ab und half mir dabei, alles Mögliche, was sich noch auf dem Boden befand aufzusammeln. Kaum hatten wir alles aufgeräumt, schon stieß auch Felicia zu uns. Als sie ihre Tochter zusammengekauert auf dem Boden sitzen sah, stürmte sie mit mütterlicher Hysterie auf sie zu und dursuchte sie von oben bis unten. „Was ist passiert, mein Herz?“, fragte sie besorgt. „Hast du dir weh getan? Ist alles in Ordnung?“ „Ja Mutter…“, sagte das Mädchen ruhig und versteckte sorgfälltig ihre verletzte Hand hinter ihrem Rücken. Irgendwie kam mir dieses rosahaarige Mädchen merkwürdig vor. Sie war irgendwie ruppig und verschroben. Ich mochte ihre Art nicht. Sie war irgendwie verschlossen und so gar nicht weiblich, obwohl sie doch eigentlich ganz hübsch war… Andererseits lag in ihren Augen eine unbeschreibliche Wärme. Die Wärme und Fürsorge, die ich auch an meiner Mutter so geliebt hatte… „Sie ist verletzt, sie hat sich an ihrer linken Hand geschnitten!“, verriet Chen, wofür er sich einen hasserfüllten und vernichtenden Blick von dem Felicias Tochter einfing. „Es ist nichts!“, sagte sie schnell und riet Chen mit ihrem Blick besser die Klappe zu halten… „Zeig mir deine Hand!“, bestand Felicia und zog an dem linken Arm ihrer Tochter. Doch anstatt wütend zu werden, wie ich es eigentlich von ihr erwartet hatte, wurde ihre Stimme ganz zärtlich und fürsorglich während sie mit ihrer Mutter sprach. „Mutter, es geht mir gut, mach dir bitte um mich keine Sorgen. Ich muss jetzt auch schon wieder gehen! Tut mir leid dass ich euch so viele Umstände bereitet hab…“ „Aber mein Herz, du kannst doch jetzt noch nicht gehen“, versuchte Felicia ihre Tochter zu überzeugen doch diese schüttelte sie bestimmt ab und wandte sich zum Gehen. Von den Frauen unbemerkt schob Chen mich leicht nach vorne und wies mich an, ihr hinter her zu gehen. Obwohl ich eigentlich nicht sonderlich große Lust hatte, mich um sie zu kümmern, ging ich ihr schweigend nach. Ich war Chen schließlich noch was schuldig. Außerdem konnte ich ihn verstehen… Er liebte ihre Mutter, da war es selbstverständlich dass er sich auch um das Wohlergehen ihrer Tochter sorgte. Erst als wir beide draußen vor dem Laden standen schien Felicias Tochter aufgefallen zu sein, dass ich sie verfolgt hatte. Misstrauisch musterte sie mich und fragte schließlich: „Kann ich dir irgendwie helfen?“ „Naja… Ich wollte mich eigentlich nur vergewissern dass es dir gut geht. Ist mit deiner Hand wirklich alles in Ordnung?“ „Passt…“, erwiderte sie und blickte zu Boden. Ihre Haltung, ihr Blick, ihre Gestig… Einfach alles an ihr war abweisend… Sie verhielt sich mir gegenüber absolut resigniert und distanziert, was ich einfach nicht verstehen konnte. Ihre kühle Art brachte mich dazu mich unbehaglich zu fühlen. Normalerweise hatte ich kein Problem damit, Freundschaften zu schließen oder mit Leuten ins Gespräch zu kommen. Ich war offen und ziemlich kontaktfreudig, eigentlich alles andere als schüchtern. Aber dieses Mädchen gab mir das Gefühl vor einer Wand zu stehen… „Hast du Lust noch mit zu mir zu kommen?“, fragte ich, trotz meiner Abneigung dagegen, noch mehr Zeit mit ihr verbringen zu müssen. Einerseits wünschte ich mir, dass sie Nein sagen würde. Um ehrlich zu sein rechnete ich eigentlich sogar damit. Aber andererseits… wollte ich diese Frau nicht so gehen lassen. Auch wenn ich im Moment nicht so sonderlich viel mit ihr anfangen konnte, so war sie doch eine meiner Mitmenschen. Ich wollte doch diese Insel kennenlernen, wollte den Bewohnern näher kommen und mich besser integrieren, also wieso sollte ich dann nicht auch diesem Mädchen mit ihrer komischen Haarfarbe ein Chance geben? „Willst du das?“, fragte das Mädchen und schien total verdutzt zu sein. Sie hatte wohl nicht damit gerechnet, dass ich ihr so eine Frage stellen würde. „Klar!“, antwortete ich und mir entfuhr ein lautes Lachen. Ich freute mich über ihre Reaktion, denn so verdutzt und sichtlich erfreut, wirkte sie viel weiblicher und nahbarer. So würde ich gerne mehr Zeit mit ihr verbringen. „Na komm schon!“, sagte ich und winkte sie mit der Hand in Richtung Strand. So liefen wir gemeinsam zu mein Haus und ich spürte förmlich wie auf merkwürdige Art und Weise das Eis zwischen uns anfing zu schmelzen. „Erzähl mal, Denny. Gefällt es dir hier auf der Insel?“ „Ja… Sehr sogar. Ich muss schon sagen, es ist wirklich schön hier. Diese Insel ist eine Brutstätte der Hoffnung!“, verkündete ich voller enthusiasmus. „Ja…“, sagte sie und lächelte verträumt. „Es ist so friedlich hier. Anfangs war es sehr schwer hier über die Runden zu kommen, aber inzwischen ist es für mich das reinste Paradies. Ich kann mir nicht mehr vorstellen je irgendwo anders hinzugehen.“ Mit einem leichten Kopfnicken stimmte ich ihr zu und fing an zu erzählen: „Ich bin in meinem Leben viel herumgekommen. Weißt du, ich habe kein richtiges Zuhause. Ich habe immer nach dem Motto „Heute hier, Morgen dort“ gelebt, aber irgendwie reicht mir das nicht mehr. Ich will mich niederlassen. Und ich habe das Gefühl, das hier ist der perfekte Ort dafür. Ich will dort sein, wo das Meer ist… Ich habe mich noch nie an einem Ort so wohl gefühlt wie hier!“ „Das ist schön! Wirklich, das freut mich für dich! Ich bin mir sicher du hast schon viel erlebt und gesehen auf deinen Reisen.“ „Das kannst du laut sagen! Du kannst dir garnicht vorstellen, was für Fische ich nicht schon gefangen habe! Es gibt so viel zu entdecken, so vieles zu sehen. Der größte Fisch den ich je gefangen habe war so um die 11 Meter!“ „Wirklich??“ „Oh ja!“, erzählte ich begeistert während ich die Türe zu meinem Haus öffnete und sie eintreten ließ. Vorsichtig trat sie ein und sah sich neugierig in meinem Haus um. Es war nicht sonderlich spektakulär eingerichtet, schließlich hatte ich auch nicht sonderlich viel mitgebracht, aber ich fand mein Haus gemütlich und bestens geeignet für einen Fischer, der die meiste Zeit draußen am Meer und nicht drinnen verbrachte. „Ist das der Fisch?“, fragte sie und deutete mit der Hand auf das Bild eines riesigen Fisches das an meiner Wand hing. „Ja, das ist mein größter Fang. Anerkennend seufzte sie und trat näher an das Bild heran. „Und das war wirklich ein Fisch? Der ist ja fast so groß wie ein Hai!“ „Ja, aber es ist kein Hai, sondern ein Fisch!“ „Ich bin beeindruckt, Denny! Das ist ja wirklich der Wahnsinn!!“, sagte sie mit offener Begeisterung, was mir sehr schmeichelte. Es freute mich dass sie hier war. Sie schien doch nicht so verschroben zu sein wie ich dachte und sie schien sich wirklich für das Angeln und die Fische zu interessieren. „Wenn du willst, dann nehme ich dich einmal mit raus aufs Meer. Glaub mir, das wird dir gefallen. Es gibt nichts schöneres, als auf dem offenen Meer herum zu segeln und die Angelrute auszuwerfen!“ „Ja…“, antwortete das Mädchen und urplötzlich kippte die Stimmung wieder. Es war, als wäre die Wand, von der ich vor einer Sekunde noch gedacht hatte, sie sei verschwunden, wieder aufgetaucht. In ihrem Blick lag Angst und in ihrer Haltung Resignation. „Ist irgendetwas?“, fragte ich sie, denn ich konnte einfach nicht nachvollziehen was ihren plötzlichen Stimmungswandel hervorgerufen haben könnte. Lange Blickte sie mich unschlüssig an, als sie schließlich tief Luft holte und sagte: „Ich habe Angst vor dem Meer…“ „Angst… Aber wieso denn?“ „Weißt du…“, setzte sie an und machte es sich in meinem Wohnzimmer bequem. Ich setzte mich zu ihr, denn ich hatte das Gefühl, ihr langsam wieder näher zu kommen und sie besser zu verstehen. „Es gibt nichts das so schön und so furchteinflößend ist wie das Meer. Als wir hier auf diese Insel kamen wütete ein schreckliches Unwetter… Viele Menschen starben, meine Famlie und Chelsea waren die einzigen die überlebt hatten.“ Mir stockte der Atem bei dem Gedanken, dass sie alle hätten tot sein können… Dann hätten Chen und Felicia niemals zusammengefunden. Ich hätte Chelsea niemals kennengelernt… „Es war ziemlich schrecklich. Aber naja… Ich würde gerne mit dir hinausfahren. Ich liebe das Meer… Es ist an der Zeit meine Ängste zu überwinden! „Jaa!!!“, meinte ich begeistert. „Es freut mich, dass du die selbe Leidenschaft für das Meer hegst wie ich. Ich mag dich. Du bist jederzeit willkommen!“ Für einen kurzen Augenblick errötete sie und schaute mich unschlüssig an. Doch sie schien sich dazu durchgerungen zu haben, sich einfach auf unsere Freundschaft einzulassen. „Irgendwann, wenn du mich nach Hause schickst weil ich dir schon seit Wochen ungemein auf die Nerven gehe, werde ich dich an deine Worte erinnern!“, neckte sie mich und stieß mir mit der Faust freundschaftlich auf die Schultern. Es war besser als ich erwartet hatte. Ich hatte mir fest vorgenommen, von nun an mehr für unsere Freundschaft zu tun. Sie war ein guter Mensch, das sah man ihr an. Ich war mir sicher, dass wir auch in Zukunft gut miteinander auskommen würden. „Jedenfalls… Danke Denny!“ „Wofür bedankst du dich denn?“ „Naja… sagen wir mal so, du hast meinen Geburtstag gerettet!“ „Hast du heute etwa Geburtstag?“, fragte ich sie verblüfft. „Ja…“, erwiderte sie und drehte sich verlegen weg. „Weißt du… Außer meiner Mutter hat niemand daran gedacht. Ist ja auch logisch, schließlich habe ich niemandem davon erzählt… Aber Elliot ist mit Chelsea unterwegs, Taro wollte Mirabelle dabei helfen, neue Waren zu bestellen und sie beraten und Felicia… Naja, sie hatte auch nicht wirklich Zeit etwas mit mir zu unternehmen. Nicht dass ich es erwarte, aber irgendwie wäre mein Geburtstag heute ohne dich wahrscheinlich ziemlich Einsam geworden. Deshalb, danke dir Denny!“ Ich war sprachlos. Auch wenn sie es nicht zugab, ich sah ihr an dass es sie störte, dass niemand heute Zeit gefunden hatte um gemeinsam mit ihr zu feiern. Aber ich verstand auch, dass es sie wirklich freute hier mit mir zu sitzen. Sie hatte es ernst gemeint, als sie sich bei mir bedankt hatte und irgendwie, schien mir das etwas ziemlich kostbares. Da fiel mir ein, dass ich ja heute Morgen einen riesigen Fisch geangelt hatte und hatte auch schon eine Idee, wie ich diesen Tag noch zu etwas ganz Besonderem für sie machen konnte. „Hättest du Lust jetzt aufs Meer rauszufahren?“ Verdutzt starrte sie mich an, als wüsste sie nicht so recht was sie davon halten sollte. Einen langen Augenblick dachte sie darüber nach. Ich vermutete dass sie Angst hatte. Ich wollte ihr ihre Angst nehmen, sie sollte sich frei fühlen, vergessen, was damals passiert war. „Vertrau mir!“, sagte ich und hielt ihr meine Hand hin. „Du brauchst keine Angst yu haben, ich pass schon auf dich auf, keine Sorge!“ Ein sanftes Lächeln zierte ihr schönes Gesicht und sie sah so unglaublich liebevoll aus als sie meine Hand nahm und beschloss, keine Angst mehr zu haben. So bereitete den Fisch zu und packte ihn, zusammen mit ein paar Decken ein und bereitete uns auf unsere Fahr vor. Als wir losfuhren war es später Nachmittag, eigentlich nicht die passende Zeit um in See zu stechen, aber ich hatte mir vorgenommen für dieses Mädchen, dessen Name mir immernoch nicht eingefallen war, etwas ganz Besonderes vorzubereiten. Die Sonne ging langsam unter und wir glitten über das ruhige Meer. Alles war harmonisch und wunderschön, einfach perfekt. Ich packte die Decken und den Fisch aus, sodass wir es uns gemütlich machen konnten und so aßen wir meinen Fang. Der Fisch schmeckte hervorragend, doch mir schien als sei etwas mit dem Mädchen mit den rosa Haaren nicht in Ordnung. „Stimmt etwas nicht“, fragte ich sie. „Du bist plötzlich so ruhig…“ In diesem Moment, in dem wir so zusammensaßen hatte ich noch nicht geahnt wie dieses Mädchen fühlte. Ich hatte ihren Blick falsch gedeutet, nicht verstanden, was sich hinter ihrem schüchternen Schweigen verbarg. Ich würde erst viel später erfahren, wie sehr ich dieses Mädchen durch meine Ahnungslosigkeit verletzte. „Nein… Alles ist einfach… Perfekt!“, sagte sie schließlich und lächelte mich glücklich an. So redeten wir über alles mögliche, was uns bewegte, was uns interessierte und es war so unglaublich leicht sich mit ihr zu unterhalten. Ich fühlte mich wohl bei ihr, hatte das Gefühl, vollkommen ich selbst zu sein. Wir lachten und fuhren über das Meer bis es stockdunkel wurde. Irgendwann wurde es ruhig auf dem Schiff und ich sah wie sie am Rand des Bootes lag. Sie war eingeschlafen. Leise lachte ich in mich hinein. Ich fuhr uns wieder an Land und band das Boot fest, dann legte ich mich zu ihr zurück ins Boot. „Mag sein, dass ich deinen Namen nicht weiß“, flüsterte ich, obwohl ich ganz genau wusste, dass sie mich eh nicht hörte. „Aber, alles gute zum Geburtstag!“ So schlief auch ich neben ihr ein. Tief und fest schlief ich, so wohl fühlte ich mich bei ihr. Alles war so einfach, so unkompliziert. So, als sei sie keine Frau, sondern ein Freund. So dachte ich zu diesem Zeitpunkt. Nie hätte ich erwartet, dass dieser Gedanke, dieses Bild das ich von ihr hatte, sie verletzen könnte. Ich wünschte ich hätte in diesem Moment, in dem ich neben ihr lag gewusst, dass sie sich in mich verliebt hatte. Kapitel 10: Neujahr (Hexenprinzessin) ------------------------------------- Seit neuestem waren Menschen hier auf der Insel. Endlich mal wieder etwas los, dachte ich entzückt. Noch nie zuvor hatte ich mit welchen gesprochen, dafür aber etliches über sie gelesen. Menschen waren so unglaublich schwach im Gegensatz zu uns Hexen. Sie waren so zerbrechlich, schutzlos, machtlos und doch auf merkwürdige Art und Weise besonders. Insgeheim beneidete ich sie sogar ein wenig… Diese Wesen waren zu so vielen verschiedenen Gefühlen fähig. Schmerz, Trauer, Mitleid, Sehnsucht und vor allem Liebe. Gefühle, von denen ich nichts verstand, die mir nichts sagten, weil wir Hexen nicht für das Zusammenleben mit anderen Lebewesen geschaffen waren. So gerne würde ich sie besser verstehen, dachte ich mir und lief unruhig in meinem Häuschen auf und ab. Die einzige „Gesellschaft“ die ich hier auf der Insel des Glücks bisher gehabt hatte, war die Erntegöttin und ein paar Wilde am anderen Ende der Insel. Die Erntegöttin und mich verband etwas ganz Besonderes. Sie war alles was ich hatte, auch wenn ich natürlich nie zugeben würde, dass mein Leben ohne sie ziemlich langweilig wäre… Aber ich empfand trotzdem keinerlei Gefühle für sie. Ich ging ihr auf die Nerven und sie tat mir den Gefallen und beschäftigte sich mit mir. Mit den Wilden hatte ich nichts zu tun... Der ältere von beiden war Wada, welcher immer auf einer Eidechse herumkaute. Er war groß und sehr schlank. Sein Gang war gebeugt, seine Nase lang und sein Haar schwarz und kräftig. Der jüngere Kerl, Shea, war stark auch wenn er auf den ersten Blick etwas schmächtig wirkte. Sein braunes Haar war dick und stand nach oben hin ab. Seine Muskeln waren geschmeidig, sein Gang aufrecht, imposant würde ich fast meinen und seine Haut braun gebrannt. Manchmal, wenn die Erntegöttin weder Lust noch Zeit hatte sich mit mir zu beschäftigen, verfolgte ich die beiden und beobachtete sie. Ich hatte noch nie ein Wort mit ihnen gewechselt, sie wussten nicht einmal von meiner Existenz. Ich verzauberte mich, machte mich unsichtbar und beobachtete die Geschehnisse der Insel im Geheimen. Auch die Menschen, die erst vor kurzem auf die Insel gekommen waren, hatte ich nun schon eine ganze Weile lang beobachtet. Ich wusste alles über sie. Nichts entging mir und ich erfreute mich an ihrem Leiden, ihren dusseligen Gefühle, ihren Problemen und wie sie damit umgingen. Ich wusste, dass Elliot in Chelsea verliebt war. Er war der erste verliebte Mensch den ich je in meinem Leben gesehen hatte. Ich fand ihn so unglaublich reizend, wie er sich um seine Angebetete bemühte, wie er vergeblich versuchte diese für sich zu gewinnen und dabei gar nicht wahrnahm, dass diese einen anderen liebte. Vaughn, der Tierhändler, er war der Mann, nach dem Chelsea sich sehnte. Ich konnte ihre Liebe einfach nicht begreifen. Es gab keinen Grund, wieso sie sich ausgerechnet den Mann ausgesucht hatte, der als einziger nicht ihre Nähe suchte. Während sonst alle Männer auf dieser Insel mehr oder weniger von Chelsea begeistert waren, so schien er doch nicht das geringste Interesse an ihr zu haben. Und genau aus diesem Grund liebte sie ihn so sehr. Menschen waren so merkwürdig, unbegreiflich. Sie selbst machten sich das Leben schwer. Sie selbst wollten leiden, lieben… Sie wusste es ganz genau, davon war ich überzeugt. Ich war mir sicher dass Chelsea wusste, dass sie Vaughn nicht haben konnte. Deshalb war sie auch so verrückt nach ihm. Vaughn seinerseits war genauso verliebt in sie, wollte es nur nicht wahrhaben. So starke Gefühle, so viele Emotionen, sowohl positiver als auch negativer Natur. Sie alle hier auf der Insel hatten ihre eigene Magie von der sie selbst nichts wussten. Chelsea zum Beispiel war ein Mensch, der alle anderen mit ihrer Art verzauberte. Oftmals kam es mir so vor, als würde sich alles Leben auf der Insel um sie drehen. Dabei war sie so schwach… Nicht einmal halb so stark wie sie wirkte. Sie war feige, sonst hätte sie sich nicht für Vaughn entschieden. Ein hämisches Grinsen zierte mein Gesicht. Diese Menschen waren so unglaublich amüsant. Gerade weil ihr Handeln keinerlei Logik besaßen, gerade deshalb wollte ich so viel über sie erfahren wie nur möglich. Heute war ein ganz besonderer Tag für diese Menschen, sie nannten das heutige Ereignis „Neujahr“ und sie wollten ein großes Fest veranstalten. Wenn ich sie richtig verstanden hatte, so begann ab dem morgigen Tag ein neues Jahr und bei den Menschen war es wohl Brauch, die ganze Nacht durchzufeiern um schließlich das neue Jahr gut gelaunt willkommen zu heißen. Ich beschloss an diesem Fest teilzunehmen. Unsichtbar natürlich, unbemerkt von all den anderen. Mal sehen, was ich heute wieder interessantes in Erfahrung bringen würde. So beschloss ich also mich mal wieder unsichtbar zu zaubern und mich zur Wiese zu begeben um mir das Fest anzuschauen. Es war schon ziemlich spät, 10 Uhr wenn ich mich recht erinnere und die Nacht war kalt, frostig. Meine blutroten Augen sahen alles, sahen jegliche Bewegungen, jedes noch so winzige Leben. Nicht nur Wesen aus Fleisch und Blut, auch Energien und Geister nahm ich war. Nichts blieb mir verborgen, es gab nichts dass ich nicht sehen, nicht fühlen, nicht hören konnte. Nur empfinden… Mir gefiel die Vorstellung nicht, dass es etwas geben sollte von dem ich nichts verstand. Die Menschen hatten die Wiese umgestaltet, dekoriert, gefüllt mit Bänken und Tischen. Alle waren gekommen um gemeinsam zu feiern. Auch… ungeladene Gäste waren erschienen, von denen jedoch niemand Notiz nahm. Die beiden Wilden beobachteten das Geschehen vom Wasser aus, im Schutze der Dunkelheit blieben sie unbemerkt. Eindringlich musterte der jüngere die Menschen, als seien sie die Wilden. Furchteinflößende und gefährliche Tiere. „Die sehen komisch aus…“, sagte er zu Wada, dem älteren und rümpfte seine Nase, so als würden ihm ihr Geruch nicht gefallen, als rochen sie fremd, abstoßend. „Menschen… Wie du und ich!“, erwiderte Wada und sah seinen Adoptivsohn eindringlich an. „Leben auf Insel… Aber Vorsicht, Freund oder Feind?“ „Ja…“, flüsterte Shea. „Freund oder Feind… Das da“, sagte er und deutete auf Chelsea, die sich gerade mit Elliot unterhielt. „Merkwürdig…“ „Frau!“, erklärte Wada und tätschelte Sheas Kopf. Er wusste, dass Shea noch nie zuvor eine Frau gesehen hatte, schließlich lebten die beiden Männer so viele Jahre schon alleine auf dieser Insel. Von mir wussten sie natürlich nichts, denn auch wenn wir Hexen nichts von Gefühlen verstanden und anders waren als Menschen… so waren wir doch weiblich… Nur waren wir als solches Vollkommen, sehnten uns nicht nach einer zweiten Hälfte, nach Bindungen und Derartigem. „Frau… Frau Mutter Lebens!“, versuchte Wada dem jungen Shea zu erklären. „Frau… Liebe…“ Shea blickte Wada ungläubig an und richtete seinen Blick schließlich wieder auf Chelsea, welche von den Personen im Wasser nichts mitbekam. Am liebsten wäre der kleine Jäger zu ihr hingegangen um sich dieses Wesen genauer anzuschauen. Ihr Körper war ganz anders als seiner, so zierlich und mikrig, fand er. Sie war so klein und schmächtig, ihre Gesichtszüge so kindlich und weich im Gegensatz zu seinen und Wadas. Das lange, glänzende Haar, die weiche Haut… Alles an ihr schien zerbrechlich… kostbar zu sein. Was Shea wohl am meisten verwirrte war die Tatsache, dass er und sie sich so ähnlich waren und doch so sehr voneinander unterschieden. „Was jetzt passieren?“, fragte er Wada schließlich und wandte seinen Blick endlich von Chelsea ab. „Beobachten…“, antwortete Wada kritisch. „Großer Mann bauen Brücke… Beobachten und wenn gut, dann kennenlernen!“ Shea nickte zustimmend und so beschlossen die beiden weiterhin im eiskalten Wasser herum zu paddeln und die Menschen auf der Wiese zu beobachten. Ich persönlich war mir viel zu fein um mich im Winter im Wasser zu verstecken oder mich gar hinter irgendwelche schmutzigen Büsche zu verkriechen. Ich zog es vor mich meiner Magie zu bedienen. Da diese beiden Tölpel jedoch davon keinen Gebrauch nehmen konnten und ich nicht wollte dass sie vor Kälte erfrieren schnipste ich leise mit den Fingern und lies das Wasser erwärmen, sodass meine wilden Freunde sich das Spektakel auch in Ruhe ansehen konnten. Unbemerkt schlenderte ich also über die Wiese hin zu Denny, der lauthals mit Charlie und Chen herumalberte. Er war einer meiner Lieblingsmenschen, denn er war einer der reinsten. Er war so simpel und so unglaublich positiv, ich war mir sicher solche Menschen fand man selten. Er schätzte die kleinen Freuden des Lebens denn ihm wurde bisher nichts geschenkt… Alles wurde ihm genommen und er war von klein auf schon immer auf sich allein gestellt gewesen. Trotzdem hatte er das ehrlichste Lachen das mir je begegnet war. Ich war mir noch nicht ganz darüber im Klaren wie viel er für Chelsea empfand. Er war nicht in sie verliebt, so wie Elliot es war oder Vaughn… Ich glaube, was er für Chelsea fühlte war eher Respekt und tiefe Bewunderung. Denny war manchmal so einfältig, so gedankenlos und verträumt dass es mir besonders schwer fiel tiefer in ihn hineinzusehen und zu begreifen was in ihm vorging. „Denny!“, rief eine tiefe Frauenstimme erfreut und Natalie lief auf ihn zu. „Hallo Chen, Charlie!“, begrüsste sie nun auch die anderen und gesellte sich dazu. „Natalie, geht es deiner Hand schon wieder besser?“, fragte Denny besorgt und griff fürsorglich danach. Natalie erschrak und zog ihre Hand verlegen von Denny weg doch dieser blieb hartnäckig und hielt sie fest. „Scheint gut verheilt zu sein!“, stellte Denny fest und strahlte seine neue Freundin freudig an. „Das freut mich! Pass in Zukunft besser auf du Tollpatsch!“, fügte er in neckischem Ton hinzu und klopfte ihr liebevoll auf die Schultern. Chen und Charlie lachten herzlich und waren sichtlich erfreut darüber, dass die beiden sich so gut verstanden. Auch Natalie entfuhr ein Lächeln und sie errötete. Seit ihrem Geburtstag, den sie mit Denny auf seinem kleinen Fischerboot verbracht hatte, hatte sich etwas in ihr verändert, das spürte ich ganz deutlich. Ich war nur noch nicht ganz sicher, was genau sie für Denny empfand. War er die starke Schulter nach der sie sich immer gesehnt hatte? Oder war da tatsächlich mehr… Plötzlich nahm Denny Natalie an der Hand und fragte sie: „Das Feuerwerk fängt bald an, hast du nicht Lust es dir mit mir zusammen anzuschauen? Es wäre wohl besser, wir gehen woanders hin.“ „G…Gerne!“, antwortete Natalie begeistert und die beiden entfernten sich ein wenig um das anstehende Feuerwerk von einem etwas abgelegenerem Plätzchen aus zu betrachten. Denny hatte die Absicht, Chen mit Charlie alleine zu lassen, sodass Felicia sich zu ihnen gesellen konnte, was sie auch tat. So blieben Felicia, Chen und Charlie zusammen. Auch Elisa und Gannon waren gekommen, sowie Julia, Mirabelle und Vaughn. Chelsea, welche mit Elliot zusammen stand, blickte immer wieder zu Vaughn hinüber, welcher ihr jedoch keine Beachtung schenkte. „Chelsea…“, setzte Elliot schüchtern an. „Willst du dir mit mir zusammen das Feuerwerkt ansehen?“ Auf diese Frage hin sah sie noch einmal lange zu Vaugh hinüber. Eigentlich hätte sie sich das Feuerwerkt gerne mit ihm angeschaut. Eigentlich, stünde sie jetzt viel lieber mit ihm hier als mit Elliot… Und ich war mir sicher, sie hasste sich dafür. Sie ertrug Vaughns Ablehnung nicht, genau so wenig wie sie Elliots Liebe ertrug. „In Ordnung!“, antwortete sie schließlich und nahm Elliot an der Hand. Dieser war wahrscheinlich so glücklich wie noch nie zuvor in seinem Leben. Stolz führte er sie an Julia und Vaughn vorbei und setzte sich mit ihr in das kalte Grass. Dieses Bild war Vaughn ein Stich im Herz und Julia wusste das ganz genau. „Setz dich doch zu ihnen!“, schlug sie vor, denn sie ertrug es nicht ihren Freund so zu sehen. Ob man Vaughn und Julia wirklich als Freunde bezeichnen konnte war fraglich. Ihre Beziehung war recht merkwürdig, hatte nichts mit Freundschaft aber auch nichts mit Liebe zu tun… Trotzdem waren sie sich wichtig. „Das hättest du wohl gerne!“, antwortete Vaughn. „Ich brauche niemanden!“ „Ich weiß…“, seufzte Julia. „Naja, vielleicht ist es besser so. Elliot hat Chelsea mehr verdient als du. Mit ihm ist sie besser dran!“, fügte sie schnippisch hinzu. „Ja…“, flüsterte Vaughn. „Das allemal…“, antwortete er verbittert und wandte sich zum Gehen. „Hey, wo willst du hin??“, fragte Julia erschrocken und hielt ihn fest. Mit einer so heftigen Reaktion hatte sie nicht gerechnet. „Ich gehe nach Hause!“, sagte er schlicht, schüttelte sie ab und verließ die Wiese. Es tat ihm weh, Chelsea mit einem anderen Mann zu sehen. Die Vorstellung, jemand anderes würde sie glücklich machen. Er wollte ja derjenige sein… Er wollte ihr ja das geben, was sie brauchte… Aber er war nicht in der Lage dazu. Zumindest dachte er das, weil er selbst noch nie Liebe erfahren hatte… Weil er nicht wusste wie es sich anfühlte und weil er zu oft enttäuscht worden war um sich jetzt einfach so auf jemanden einzulassen… Um sich zu verlieben. Traurig blickte Chelsea ihm nach. Sie wusste nicht was sie tun konnte… In diesem Moment wohl gar nichts. Jetzt konnte sie nur das Feuerwerk zusammen mit Elliot genießen. Erschöpft sank sie in seine Arme und schloss ihre Augen. Es könnte alles so einfach sein, dachte sie sich. Es könnte so einfach sein, wenn ich Elliot nur lieben könnte… Ich verstand dieses Mädchen einfach nicht. Immer diese Unnötigen Komplikationen… Das war für eine junge Hexe wie mich einfach nicht nachvollziehbar. „Jetzt ist schon ein Jahr vergangen…“, flüsterte Chelsea. „Ein Jahr…“ „Ja…“, antwortete Elliot leise. „Weisst du Chelsea… Ich bin froh hier her gekommen zu sein! Ich hatte dir ein Versprechen gegeben und ich glaube… Ich glaube ich bin nah dran… Ich denke ich bin fast ein Mann geworden, auf den du stolz sein kannst!“ Leise lächelte Chelsea in sich hinein, richtete sich auf und drehte sich um, sodass sie ihn ansehen konnte. „Ich bin stolz auf dich!“, sagte sie und ich wusste, dass sie es vollkommen ernst meinte. Sie sah täglich wie Elliot sich ins Zeug legte, wie hart er an sich arbeitete und versuchte der Mann zu werden, den seine Mitmenschen brauchten. Erst richtete Elliot seinen Blick verlegen zu Boden, doch dann fasste er sich ein Herz und sah Chelsea wieder in die Augen. „Ich will aber ein Mann werden, den DU brauchst…“ Nun war es Chelsea, die verlegen zu Boden blickte, doch Elliot ließ es nicht zu sondern nahm ihr Gesicht in seine Hände und bat sie ihren Blick nicht von ihm abzuwenden. „Ich weiß… Du empfindest nicht so für mich… Auch wenn ich es nicht wahr haben wollte… Ich weiß es… Aber Chelsea, ich werde warten! Und ich werde immer da sein, wann immer du mich brauchst! Vergiss das niemals!“ Gerade wollte Chelsea antworten, verzweifelt rang sie nach Worten als Elliot sie an sich zog und seine Lippen sanft auf ihre drückte. Für einen Moment blieb Chelseas Herz stehen, was mich stutzig machte, doch dann fing es plötzlich an unglaublich schnell zu schlagen, so als ginge es um ihr Leben. Sie lief rot an und alles drehte sich in ihrem Kopf, für einen Augenblick war sie wie weggetreten. Doch dieser Kuss hielt nicht lange an. Vorsichtig entfernte Elliot sich, ließ sie los und legte sich glücklich ins Gras. „Das Feuerwerk!“, flüsterte er und in diesem Moment ging die erste Rakete los. Es war genau 12 Uhr, nun wurde das neue Jahr gefeiert. Die Raketen schossen in die Höhe und färbten den Himmel in den verschiedensten Farben. Das war Magie…, dachte ich in diesem Augenblick und war total entzückt über dieses Spektakel! Ich hatte einen Entschluss gefasst. Ich würde mich zeigen! Ich würde diese Menschen kennen- und verstehen lernen. Schließlich konnte das Leben hier auf der Insel ganz schön langweilig und eintönig sein… Ein bisschen Abwechslung würde mir sicher gut tun. Morgen würde Gannon die Brücke fertig gebaut haben… Ich war schon ganz aufgeregt und gespannt darauf, was der morgige Tag mit sich bringen würde. Kapitel 11: Ein magischer Ort (Chelsea) --------------------------------------- Zuerst ein paar Worte von mir: Es tut mir furchtbar leid, dass ich so lange nichts mehr geschrieben habe... Es war einfach so viel los, so vieles hat sich geändert... Aber ja, jetzt habe ich weider die Zeit dafür gefunden und würde mich darüber freuen, wenn einige sich noch an die Story erinnern (oder jetzt anfangen zu lesen!) und sich über das Kapitel freuen! Auch wenn schon bald das neue Harvest Moon rauskommt... Mein Inselparadies ist halt doch das beste Spiel meiner Meinung nach ;) Viel Spaß beim lesen! Ich war gerade erst angekommen an diesem seltsamen Ort. Es war ein Wald, voller unsichtbaren Bewegungen. Bäume raschelten, Äste knisterten unter meinen Füßen. Mir war ein wenig unheimlich bei dem Gedanken hier ganz alleine durch die Gegend zu marschieren, aber ich hatte Gannon schließlich darum gebeten die Brücke fertig zu bauen. Wer weiß, dachte ich mir, vielleicht finde ich an diesem seltsamen Ort ja wunderbares. Immer noch bedacht und vorsichtig lief ich umher, auf der Suche nach… Ich weiß nicht genau wonach, aber jedenfalls nach etwas neuem, unbekannten. Gedankenverloren wanderte ich umher, begeistert von dem grünen Wald und den frisch geblühten Blumen, als mich plötzlich ein lautes Bellen aus den Gedanken riss. Schwanzwedelnd und voller Freude empfing mich ein kleiner brauner Hund. Mit seinen großen dunklen Augen beobachtete er mich eindringlich und hechelte munter. „Na, du bist mir ja ein Süßer…“, entgegnete ich dem kleinen Racker und beugte mich zu ihm herunter um ihn zu streicheln. Dankbar legte er seinen Kopf in meine Handflächen und schloss zufrieden die Augen. „Na, erzähl mal, wie hast du denn den Winter überstanden du kleiner Mann?“, fragte ich ihn, auch wenn ich wusste, dass er mir keine Antwort geben würde. Der Winter war hart gewesen und die Nächte bitterkalt. Hätte ich gewusst, dass er hier war, so hätte ich ihn schon viel früher aufgenommen und mich um ihn gekümmert. Komischerweise ging es ihm wirklich gut… Wo er wohl den Winter über geblieben war... Plötzlich rannte der Hund los, blieb stehen und bellte mich an, als wöllte er mir irgendetwas sagen. Verdutzt sah ich ihm nach und lief einige Schritte auf ihn zu. Der Hund wedelte wild mit dem Schwanz und lief noch ein paar Schritte weiter um schließlich wieder stehen zu bleiben und sich nach mir umzusehen. Er wollte mir wohl etwas zeigen, dachte ich. Ich folgte ihm hin zu einem kleinen See der versteckt hinter einigen Gebüschen lag. Der Hund stellte sich an den Rand des Sees und bellte munter, sprang hin und her und wedelte mit dem Schwanz, doch nichts geschah. Nun bellte er noch lauter, sprang auf den See zu, fasste mit der Pfote in das Wasser, als würde er darauf warten, dass irgendjemand aus dem Wasser stieg, aber nichts geschah. „Was suchst du denn da mein Kleiner?“, fragte ich ihn und betrachtete das Wasser eindringlich. Was auch immer er dort suchte, es schien nicht da zu sein. Traurig blickte er zu Boden und dann wieder zu mir her, als wäre er enttäuscht. Schließlich blitzte etwas in seinen Augen auf und er sprang auf und rannte wieder los. „Warte!“, rief ich ihm hinterher und rannte so schnell ich nur konnte. Er rannte wieder auf den kleinen Trampelpfad, auf dem ich ihm begegnet war, immer weiter nach unten in eine andere Hecke hinein. Als ich hinter die Hecke sprang stand der Hund da, in einem kleinen, leeren Platz und schaute sich verwundert um. Nichts. Ein kleiner leerer Platz, umgeben von Gebüschen und Bäumen auf dem sich absolut nichts befand. Nun bellte der Hund nicht mehr sondern jaulte nur jämmerlich vor sich hin. Ich ging auf ihn zu und legte meine Hand auf seinen Kopf. „Was ist hier, mein Kleiner?“, fragte ich und streichelte sanft sein zerzaustes Fell. „Was willst du mir hier zeigen?“ Doch er schaute mich nur mit seinen traurigen Hundeaugen an und verzog seine Schnute. „Komm!“, sagte ich und nahm den kleinen Racker in den Arm. Er wehrte sich nicht, sondern schien, ganz im Gegenteil, sehr erfreut darüber zu sein, von mir mitgenommen zu werden. Ich dachte nicht lange darüber nach und nahm ihn mit zu Mirabelle. Sie würde mir bestimmt Ratschläge geben, wie ich mich um den Hund zu kümmern hatte. Beim Tierladen angekommen brachen Mirabelle und Julia in absolutes Freudengeschrei aus. „NEIN IST DER PUTZIG!!“ „GEH ZUR SEITE, ICH WILL IHN AUCH MAL HALTEN!!“ Entzückt von der Vielen Aufmerksamkeit die ihm zuteilwurde, warf der Hund sich schließlich in die Arme der beiden Frauen und ich freute mich darüber. Er schien ein sehr geselliges kleines Kerlchen zu sein. „Wie willst du ihn nennen, Chelsea?“, fragte Julia mich sofort und drückte den Hund ganz fest an sich. „Ich weiß nicht so recht…“, entgegnete ich unsicher. Schließlich war ich ihm gerade erst begegnet. Vielleicht wollte er ja gar nicht bei mir bleiben, er hatte davor schließlich in der Wildnis gelebt. Ich fragte mich, was das für ein komischer Ort war. Er war so anders, in der Luft hing etwas eigenartiges, etwas fremdes. Ich hatte das Gefühl, nicht eine Sekunde lang allein gewesen zu sein. Was das wohl mit diesem merkwürdigen Ort auf sich hatte… Das einzige Lebewesen, was sich an diesem Ort befunden hatte, war dieser kleine Glückspilz gewesen, der, weiß Gott wie, den Winter überstanden hatte. „Wie wäre es mit Hektor?“, fragte Mirabelle entzückt. „Ach Mama… Ich denke, Edward wäre ein viel passenderer Name!“, entgegnete Julia. „Ach hör schon auf! Wie wäre es mit Spike, oder Rex!“ „Cesar! Oder Ludwig!“ „Nein…“, mischte ich mich nun auch in das Gespräch. „Ich nenne ihn Lucky!“ „Lucky…?“, entgegnete Mirabelle kritisch. „Lucky!“, sagte ich und sah dem Hund in die Augen, der sich über den Namen zu freuen schien! „Er ist ein Glückspilz, weil sich jeder um sein Wohlergehen sorgt. Weil er ganz alleine den Winter überstanden hat.“ Ich war sehr zufrieden mit seinem Namen und nahm ihn freudig wieder in meine Arme. Julia und Mirabelle schienen zwar nicht so viel Gefallen daran zu finden wie ich, aber das war mir gleichgültig. Mir gefiel der Name sehr gut und ich würde mich schließlich in Zukunft um ihn kümmern. „Möchtest du bei mir bleiben?“, flüsterte ich ihm ins Ohr während ich ihm übers Fell strich. Seine Antwort war ein freudiges Bellen gefolgt von einem feuchten Hundekuss quer über meine linke Gesichtshälfte. Der nächste Schritt war nun, zu Gannon zu laufen und ihn nach der Hundehütte zu fragen. Da der Frühling gerade erst angebrochen war, hatte ich kaum noch Geld übrig… Der Winter war lang und kalt gewesen, dementsprechend hatte ich, abgesehen von den wenigen Fischen, die ich geangelt und verkauft hatte, leider wenig zu bieten. Da, hinter dem Wald sollte es aber eine Miene geben! Bald würde ich mich auf den Weg zu ihr machen und dafür sorgen, dass ich meinen finanziellen Rückstand bald wieder wettmachte. Bei Gannons Hütte angekommen, liefen mir freudig Elisa und Charlie entgegen. Die beiden spielten mal wieder vor Gannons Haus und wirbelten an mir vorbei, als ihnen der Hund in meinem Arm auffiel. „Nein, der ist ja süß!“, rief Charlie freudig! „Darf ich ihn mal halten?“ „Aber klar!“, entgegnete ich und drückte ihm den Hund in den Arm. Der junge Charlie war noch so klein, dass er den Hund nur schwer im Arm halten konnte. Trotzdem freute er sich riesig und er knuddelte ihn voller Freude. „Wie heißt er denn?“, fragte er schließlich und als ich ihm seinen Namen sagte, schien er um einiges Begeisterter zu sein als es Julia und Mirabelle gewesen waren. „Charlie!“, meckerte die kleine Elisa. „Nun leg den Hund endlich beiseite und lass uns wieder spielen gehen!“ kommandierte die kleine Prinzessin. Sie war wirklich wie eine kleine Prinzessin. Charlie war ihr ein sehr aufmerksamer Gefährte und erfüllte ihr jeden Wunsch. „Ist ja gut…“, entgegnete Charlie widerwillig und gab den Hund wieder zurück. „Also bis bald, Kinder! Viel Spaß noch!“, rief ich ihnen noch hinterher und trat in Gannons Haus ein. Dieser schaute mich nur neugierig an und wusste schon, was ich von ihm wollte. „Na, Chelsea! Da hast du aber einen süßen neuen Freund dazugewonnen!“ „Ja.. Wie sieht es aus, Gannon, könntest du mir einen Tierstall bauen? Und wenn ja, wie lange würde das dauern und wie viel würde das kosten?“ „Hmmm…“, grummelte Gannon zögerlich. Er wusste, dass ich knapp bei Kasse war, konnte mir aber nichts schenken, er selbst musste schließlich auch leben. Außerdem würde ich von niemandem Almosen annehmen. Das brauchte ich nicht. Dieser Winter hatte mich stark gemacht. Ich war viel zu stolz geworden. „Weißt du, Chelsea… Es wird dich einiges kosten! Ich brauche Bauholz und zwar 300 Stück. Dazu brauche ich auch 20.000 für die Bauarbeiten, macht also insgesamt 50.000!“ Da konnte ich einfach nicht anders als verwundert zu schlucken. So viel Geld hatte ich leider nicht. Weder so viel Geld, noch so viel Bauholz, das ich ihm hätte zur Verfügung stellen können. Was sollte ich bloß tuen… Gannon bemerkte offensichtlich mein Zögern, denn er klopfte mir auf die Schultern und sagte mit seiner rauen, kräftigen Stimme: „ Ich werde dir die Hütte nicht umsonst bauen, das kann ich dir leider nicht anbieten. Aber wenn du möchtest, dann kannst du mir meine Arbeiten in Raten abbezahlen. Schließlich haben wir alle einen harten Winter hinter uns und ich weiß, du wirst mich nicht hängen lassen!“ Noch bevor ich etwas erwidern konnte, verschwand er schon in seine Werkstadt und ich hörte noch, wie er rief: „Bis Ende des Monats habe ich das Geld, ich verlange auch keine Zinsen. Außerdem ist das Haus in wenigen Tagen fertig!“ Ich stand nur da und konnte nichts anderes tun, außer mich wie verrückt über diesen Gefallen zu freuen und ihm nachzurufen: „Danke Gannon! Du bist wirklich der liebevollste Riese der mir je über den Weg gelaufen ist!“ Vergnügt verließ ich also sein Haus und glaubte, ein verlegenes Räuspern aus seiner Werkstadt gehört zu haben. Ich kaufte dem Hund also bei Chen ein Halsband und auch einen Futternapf. Bis er sein eigenes Zuhause hatte, würde er es sich einfach in meinem Haus gemütlich machen müssen. Wir würden schon klar kommen, dachte ich mir. Ich besorgte mir auch Samen, Kartoffeln, Gurken und auch Rüben hatte Chen im Angebot und so machte ich mich sofort an die Arbeit. Es war 13 Uhr, die Sonne schien, es war nicht zu warm und nicht zu kalt- der perfekte Tag sozusagen um in den Frühling zu starten und mit der Feldarbeit zu beginnen. Während ich mich auf dem Feld abrackerte ging Lucky seiner neuen Arbeit nach. Ich hatte die Kühe und die Hühner nach draußen geholt und Lucky tat sich gut als Beschützer. Er behielt die Hühner immer im Auge und schnüffelte neugierig umher. Es machte mich glücklich, einen neuen „Mitbewohner“ hier zu haben der mich mit meiner Arbeit unterstützte. Als ich gerade fertig war mit der Arbeit war es schon früher Abend, als ich jemanden auf die Ranch zulaufen sah. Es war Elliot. Mit festem Schritt kam mir mein guter Freund entgegen und ich konnte meinen Körper nicht davon abbringen, mir jegliche Schamesröte die ich besaß ins Gesicht zu jagen. Seit dem Neujahresessen hatte sich einiges geändert… Er hatte die Grenze überschritten und mich geküsst… Wenn auch nicht lange, wenn auch nicht fest… Aber trotz allem war es ein Kuss gewesen und wir hatten seitdem nicht wieder darüber geredet. „Hey, Chelsea!“, begrüßte er mich gutgelaunt und nahm mich in die Arme. Verlegen erwiderte ich seine Umarmung, riss mich aber schnell wieder von ihm los. „Hey… Kann ich dir irgendwie helfen, Elliot?“, fragte ich resigniert, da hielt er mir eine Tüte vors Gesicht. „Meine Mutter hat ziemlich viel Kuchen gebacken gestern… Du hast die Brücke zur Miene fertig gebaut und da dachte sie sich wohl, das könntest du in der Miene gut gebrauchen. Es soll dort sehr gefährlich sein und man verliert sehr schnell seine Energie dort in der Hitze…“ Besorgt sah er mich an und in seinem Blick lag die indirekte Frage, ob ich es wirklich wagen würde in diese Miene zu steigen. Dankbar nahm ich die Tüte entgegen, tatsächlich hatte ich vorgehabt mich gleich morgen auf den Weg dorthin zu begeben. Taro hatte Regen angekündigt, das bedeutet, ich konnte mein Gemüse ruhig unbeaufsichtigt lassen. „Vielen Dank… Ihr seid immer so nett zu mir!“, sagte ich lächelnd und nahm die Tüte entgegen. „Macht euch bitte keine Sorgen um mich. Ich werde gut auf mich aufpassen und euch ein paar schöne Steine mitbringen, wenn denn welche dort zu finden sind!“ „Pass aber auf dich auf…“, sagte Elliot und strich eine meiner Haarsträhnen hinter mein Ohr. „Ich könnte es mir nicht verzeihen, wenn dir etwas zustoßen würde…“ fügte er noch hinzu und sah mich liebevoll an. Das war mir einfach zu viel. Ich konnte das nicht aushalten, diese vielen Gefühle, die er für mich empfand. Es ging einfach alles viel zu schnell… Ich wusste nicht mehr, was ich wollte… Ich wusste einfach nicht mehr, was das richtige war. Vielleicht war Vaughn tatsächlich nicht der Richtige für mich. Vielleicht würde ich ihn niemals erreichen mit meinen Gefühlen. Es gab eigentlich auch keinen Grund ihn zu lieben. Er wollte meine Nähe nicht, er mochte mich nicht und er ignorierte mich. Trotzdem… Jedes Mal, wenn ich ihn ansah… Dann wurde mir warm ums Herz. Genauso wie bei Elliot… Auch bei seinem Anblick wurde mir warm ums Herz. Er sah mich an, so voller Sorge, so voller Wärme in seinen dunklen Augen… Aber es war etwas anderes… Und er sollte mich wohl besser nicht drängen, wenn er mich nicht verlieren wollte. Doch das tat er leider. Er kam auf mich zu und legte sanft seine Hand auf meinen Kopf und streichelte ihn. Daraufhin ging ich einen Schritt zurück und sah ihn unverwandt an. Ich konnte ihn nicht anlügen. Ich war ihm eine Erklärung schuldig, hier und jetzt. „Elliot… Ich kann zwar nicht von dir verlangen, auf mich zu warten, aber ich bin noch nicht so weit.“ „Ich weiß…“, erwiderte Elliot reuevoll und wich ebenfalls einen Schritt zurück. „Aber sag mir, Chelsea… Lohnt es sich auf dich zu warten? Oder wirst du niemals dasselbe für mich empfinden wie ich für dich?“ Noch bevor ich ihm antworten konnte, holte Elliot tief Luft, schloss einen kurzen Augenblick lang seine Augen um mich dann anzusehen und mir zu sagen; „Ich liebe dich, Chelsea!“ Da war es nun. Das, was ich gewusst hatte, aber noch nicht so recht realisiert hatte. Er hatte nicht gezögert, es mir zu sagen, er hatte sich seiner Gefühle wegen nicht geschämt. Sie waren einfach ausgesprochen worden, weil es an der Zeit war, weil er sich bereit fühlte und sie waren so ernst gemeint, dass es mir die Sprache verschlug. Seine Liebe war Echt! Nicht gespielt, nicht aus einem Impuls heraus erwacht, sondern sie war da und würde wohl so schnell auch nicht wieder verschwinden. Obwohl es wahrscheinlich falsch war… Obwohl ich wusste, dass ich ihm in diesem Moment vielleicht wehtun würde, aber ich konnte nicht anders, als auf ihn zuzugehen und ihn in die Arme zu nehmen. „Elliot… Ich liebe dich auch!“, flüsterte ich leise und er erwiderte meine Umarmung. „Ich liebe dich, nur ich liebe dich nicht so, wie du es dir wünschst… Nicht auf dieselbe Art und Weise wie du mich liebst!“ „Ich weiß, Chelsea!“, sagte er und streichelte sanft meinen Kopf. Sacht küsste er mein Haar und löste sich schließlich von mir. „Ich weiß nicht, ob es sich lohnt zu warten, Elliot…!“, sagte ich und mir war nach weinen zumute. „Es wäre egoistisch von mir, dir etwas zu versprechen oder in Aussicht zu stellen, das ich vielleicht nicht halten kann…“ Da nahm er mein Gesicht in die Hand und zwang mich dazu ihn anzusehen. Sein Blick war so erwachsen geworden, so ernst und so tapfer… Er war tatsächlich ein Mann geworden, auf den ich stolz sein konnte. Nicht nur das, ich bewunderte ihn für seine Stärke. „Ich werde trotzdem warten…“, flüsterte er mit heiser Stimme. „Ich werde warten und darauf hoffen, dass du dich in mich verliebst! Und selbst wenn nicht“, setzte er an und lächelte traurig. „selbst wenn nicht, werde ich alles in meiner Macht stehende tun um dich glücklich zu sehen. Du hast es nämlich verdient!“ „Seine Worte trafen mich richtig und am liebsten hätte ich ihm gesagt, er solle mit einer anderen glücklich werden aber ich konnte es nicht… Ich war egoistischer, als ich dachte. Ich wollte ihn nicht verlieren… Ich wollte ihn nicht missen müssen, deshalb wollte ich auch nicht, dass er aufhörte mich zu lieben… Töricht! „Lass mich dich begleiten, wenn du dich auf den Weg zur Miene machst!“, sagte Elliot schließlich. „Ich würde dich gerne begleiten!“ „In Ordnung!“, sagte ich schließlich und wusste nicht, ob ich ihm wirklich Bescheid geben würde. Schließlich drehte er mir den Rücken zu und ging wieder zurück ins Dorfinnere. Ich sah ihm noch lange nach… Ich war unschlüssig, was meine Gefühle für ihn betraf. Es war unfair, mit ihm zusammen zu sein, obwohl ich doch eigentlich Vaughn liebte. Selbst wenn dieser nicht mit mir zusammen sein wollte, so wäre es Elliot gegenüber doch unfair… Schließlich hatte er jemanden verdient, der sich für ihn entschied. Jemanden, der ohne zu zögern sagen konnte „Ja, er ist der Richtig“! Ich konnte das nicht… Ich konnte es einfach nicht. So sehr ich ihn auch mochte, so viel er mir auch bedeuten mochte, er wäre doch nur eine zweite Wahl… Und das hatte er wirklich nicht verdient. Betrübt senkte ich meinen Kopf… Selbst Lucky lief langsam zu mir her und tat es mir gleich. Mein treuer kleiner Freund schnaufte schwer. Ich tätschelte ihm schließlich das Köpfchen und machte mich wieder an die Arbeit. Ich brachte die Tiere zurück in ihren Stall, verstaute meine Geräte in meinem Haus und holte Lucky zu mir. Ich gab ihm zu Essen und zu Trinken und machte mich schließlich Bettfertig. Auch wenn das nicht gerade von guter Erziehung zeugte, so ließ ich Lucky doch an meinem Fußende schlafen. Ich war einsam, verwirrt und etwas traurig, deshalb tat es mir unglaublich gut, seinem lauten Schnarchen zuzuhören. Es war schon sehr spät und trotzdem konnte ich einfach nicht einschlafen… Die Gedanken kreisten wild um mich, ich fand einfach keine Ruhe. Als ich gerade meine Augen schließen wollte, bemerkte ich ein Licht, draußen vor meinem Fenster. Irritiert blickte ich auf und betrachtete es, doch ich konnte nicht erkennen was es war. Schließlich richtete ich mich auf und in diesem Moment zog sich das Licht wieder zurück. Beobachtete mich etwa jemand?? Langsam bekam ich es mit der Angst zu tun… Wieso war da dieses merkwürdige Licht vor meinem Fenster gewesen? Ich schüttelte ein wenig an Luckys Schulter, alleine wollte ich mich schließlich nicht nach draußen begeben. Dieser öffnete widerwillig seine Augen und warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu als er auch das Licht bemerkte. Da sprang er freudig auf und rannte an die Tür. Er bellte fröhlich und sprang auf und ab, so als wüsste er, wer da mitten in der Nacht vor unserer Türe stand. Ich stand auf, zog mir einen Mantel über und öffnete dem Hund die Türe. Doch vor der Türe war nichts, abgesehen von einem schwachen Licht, das am Ende der Farm leuchtete und sich scheinbar in Richtung des Dorfes bewegte. Wollte der Eindringling womöglich fliehen? Eigentlich wollte ich mich wieder zurück ins Haus bewegen und die ganze Sache vergessen, doch Lucky spurtete Augenblicklich los, und zwar dem Licht hinterher. „LUCKY!!!“, rief ich, doch der Hund rannte mit einem rasen Tempo dem Licht hinterher, so blieb mir nichts anderes übrig, als es ihm gleich zu tun. Wir rannten also ins Dorfinnere, als der Hund plötzlich stehen blieb und wachsam hin und her blickte. Er hatte wohl seine Spur verloren. „Lucky…“, sagte ich ruhig und strich über seinen Kopf. „Da ist nichts. Komm, lass uns jetzt nach Hause gehen!“ Doch Lucky wollte nichts davon hören. Er entzog sich mir und schnüffelte aufgeregt am Boden herum, als ich plötzlich Elliot erblickte der, ebenfalls mit einem Mantel und seinem Schlafanzug, aus seinem Haus kam. Besorgt ging er auf mich zu und fasste mich an der Schulter „Was ist denn passiert?“, fragte er mich nervös und sah mich mit seinen verschlafenen Augen an. „Ist alles in Ordnung? Was machst du denn zu dieser Zeit hier draußen??“ „Mach dir bitte keine Sorgen, Elliot!“, versuchte ich ihn zu beschwichtigen. „Lucky hat wohl etwas gesehen und wollte nach draußen, da bin ich ihm bis hierher gefolgt. Es war vielleicht nur ein kleines Tier… Eine Maus oder etwas Ähnliches…“, sagte ich und verschwieg, dass uns jemand beobachtet hatte. „Verstehe…“, sagte Elliot und sah den kleinen Hund zu seinen Füßen an, der neugierig am Boden herumschnüffelte, als würde er nach einer Verte suchen. Da sahen wir es wieder. Da erleuchtete wieder das Licht, und zwar an der Brücke, die in den Wald, zum Fuße der Miene führte. Laut bellte Lucky los und rannte auf das Licht zu, welches über die Brücke ging. „Bleib du hier, Chelsea! Ich schau nach was da los ist!“, rief Elliot, doch ich konnte ihn nicht alleine gehen lassen und rannte einfach hinterher. Ich konnte immer noch nicht erkennen, was dieses Licht eigentlich darstellen sollte… Es sah aus, als würde eine kleine Lichtkugel vor sich hin schweben, was natürlich unmöglich war, aber doch schien es so zu sein. Wer verbarg sich da… Und wo versuchte er uns hinzulocken?? Ich verstand das alles nicht… Das Licht verschwand hinter einem Gebüsch und Lucky folgte ihm. Es war genau dieses Gebüsch, hinter das Lucky mich schon heute Morgen gebracht hatte… Doch zu diesem Zeitpunkt war dort nichts gewesen…. Was hatte das bloß alles zu bedeuten. Als ich hinter das Gebüsch sprang erschrak ich so sehr, dass mir ein kleiner Schrei entfuhr. Der Platz, an dem ich heute Morgen gestanden hatte, war nicht mehr leer… Ganz und gar nicht! Dort stand nun ein kleines Haus und davor, schwebte immer noch dieses herrenlose Licht, nun ganz nah. Entsetzt starrte ich es mit offenem Mund an. Lucky sprang fröhlich darunter umher und freute sich tierisch über dieses Etwas, was da rumschwirrte. „Lucky, komm her!!!“, rief ich panisch, denn ich wusste nicht was das war! Vielleicht würde es ihn verletzen, vielleicht war das eine Falle. Doch da leuchtete schließlich das Licht hell auf, so hell, dass es alle Dunkelheit durchdrang und mich blendete. Schützend hielt ich meinen Arm vors Gesicht, Elliot tat es mir gleich. Es war überwältigend und furchteinflößend zugleich. Als sich meine Augen schließlich beruhigt hatten und das Licht wieder schwächer wurde, war ich völlig hin und weg von ihrem Anblick. „Eine Hexe….!“ Flüsterte ich und wusste, dass sie eine war. Sie hatte langes blondes Haar, das ihr in Wellen am Körper hinunterglitt. Ihre Augen funkelten rot… Unberechenbar, aber nicht unbedingt bösartig. Sie trug ein schwarzes kurzes Kleid und dunkle Stiefel. Sie war einfach wunderschön, einfach ein magisches Geschöpf, das ich so niemals zuvor gesehen hatte. Elliot schien es genauso zu gehen wie mir. Auch er starrte sie an, suchte in seinem Kopf nach Antworten. Die suchte ich auch, in der Tat! Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass es sie tatsächlich gibt… Hexen! Waschechte Hexen! Argwöhnisch blickte sie uns an und musterte uns von Kopf bis Fuß. Lucky zu ihren Füßen sprang immer noch freudig umher und letztlich beugte sie sich zu ihm herunter und streichelte sachte seinen Kopf. Jetzt wusste ich, wie dieser Hund den Winter überstanden hatte… Dank ihrer Magie, dank ihrer Hilfe! „Willkommen!“, brach sie schließlich das Schweigen und sah uns mit ihren feurigen Augen an. Mir verschlug es komplett die Sprache! Ich wusste nicht mehr weiter, wusste nicht, was ich sagen oder tuen sollte. Ich stand da, wie gelähmt und sah sie an. Ich hatte noch nie etwas so unberechenbares wie sie gesehen. Selbst das tosende Meer schien mir im Vergleich doch um einiges freundlicher! Elliot fasste sich schneller als ich und antwortete ihr: „Hallo… Ich bin Elliot und sie hier neben mir ist Chelsea… Wer bist du und wieso hast du uns hergeführt?“ Die Hexe kicherte leise und antwortete nur: „Ich weiß, wer ihr seid! Ach, diese Menschen…“ Sie drehte sich um und öffnete die Tür zu ihrem Haus, blieb an der Tür stehen und sagte schlicht: „Herein!“ Wir gehorchten und folgten ihr in ihr Haus. „Denkst du, das ist eine gute Idee…?“, flüsterte ich Elliot zu. Komischerweise war dieser ganz ruhig, wirkte gefasst. Ihm schien die Präsenz dieses Wesens keine Angst einzujagen. Leise legte er seinen Arm um mich und sagte nur: „Keine Sorge, Chelsea! Ich bin da!“ So betraten wir also das Haus der Hexe. Es war ein kleines Haus, es befand sich nicht viel darin, doch sie schien sich wohl zu fühlen. „Bitte!“, sagte sie, schnipste mit den Fingern und in Mitten des Saals erschien ein Tisch mit drei Stühlen. Auf einem tat sie es sich bequem während meine Beine einfach nicht aufhören wollten zu zittern. Elliot bemerkte es und drückte mich noch ein wenig enger an sich. Die Hexe musterte uns amüsiert, neugierig. Vor allem an Elliot blieb ihr Blick hängen. Sie betrachtete ihn eindringlich, schien fasziniert von diesem sanften Jungen, der über die Zeit so stark geworden war. „Wieso setzt ihr euch nicht zu mir?“, fragte sie und lächelte verschmitzt. „Du hast dich immer noch nicht vorgestellt, das ist ziemlich unhöflich.“, sagte er schlicht und ich sah ihn entsetzt an. Bestimmt würde sie uns demnächst in Frösche verwandeln und wir würden auf ewig in dieser Gestalt in dem See weiter oben leben. „So geschmacklos bin ich nicht…“, erwiderte die Hexe und lachte leise. Hatte sie etwa meine Gedanken gelesen? „Ich werde euch nicht in Frösche verwandeln. Außerdem, selbst wenn ich es tun würde, so würde euch die Erntegöttin schon wieder zurückverwandeln. So einfach käme ich nicht damit durch...!“ „Erntegöttin??“, fragte ich verwundert. Gab es sie tatsächlich und befand sie sich womöglich hier auf der Insel? „Ja, ganz Recht. Wenn du ihr einen Teil deiner Ernte spendest, dann wird sie sich bestimmt erkenntlich zeigen und deine Ernte schützen. Nicht dass ich dir helfen möchte… Aber es gibt tatsächlich einige hier, auf dieser Insel, die auf dich zählen…“, sagte sie und sah mich geringschätzig an. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass sie mich nicht leiden konnte. „Das… Ist wirklich toll!“, antwortete ich ihr und versuchte mich an einem Lächeln. Ich war mir sicher, sie spürte meine Angst… Ich fühlte mich wie ein Tier, wie ein Hase der von einem Wolf gemustert wird… „Elliot“, sagte die Hexe schließlich. „Ich kann dir nicht sagen, wie ich heiße. Es ist ein Geheimnis und besser für dich, wenn du es niemals in Erfahrung bringst. Für euch, bin ich die Hexenprinzessin, das ist völlig ausreichend.“ „Verstehe…“, sagte Elliot und kratzte sich am Hinterkopf. „Ich verstehe nur immer noch nicht… Wieso hast du uns zu so später Stunde hierher geführt?“ „Ich wollte mich vorstellen!“, sagte sie schließlich und grinste. „Ich finde euch Menschen interessant, ihr amüsiert mich… Außerdem bin ich gar nicht dazu gekommen, mich von diesem kleinen Bengel hier zu verabschieden!“, fügte sie liebevoll hinzu und streichelte Lucky, welcher sichtlich erfreut war, sie wieder zu sehen. „Das tut mir schrecklich leid…!“, sagte ich. „Ich wusste nicht, dass er dir gehört… Ich wollte ihn dir nicht wegnehmen!“ „Schon gut, er gehört mir nicht! Außerdem mag er dich und bei dir wird es ihm wesentlich besser gehen als hier in der Wildnis. Ich habe mich nur um ihn gekümmert, damit er nicht in der Kälte krepiert.“ „Ich verstehe…“ „Ich finde übrigens… Lucky ist ein sehr schöner Name! Er ist tatsächlich ein Glückspilz!“, mit diesen Worten entfuhr ihr ein fürsorgliches Lächeln und da wusste ich, sie konnte nicht böse sein. Ich fasste mir ein Herz und sagte: „Ich würde dich gerne öfter mal besuchen, wenn es dir nichts ausmacht!“ „Aber natürlich!“, entgegnete die Hexenprinzessin entzückt. „Hier draußen kann es sehr langweilig werden… Ich würde mich über ein wenig Gesellschaft wirklich sehr freuen! Ich hoffe, auch du besuchst mich in Zukunft noch des Öfteren, Elliot.“ Dieser sah sie noch lange an bevor er schließlich einwilligte. „Aber natürlich. Es hat mich wirklich sehr gefreut, deine Bekanntschaft zu machen. Ich komme wieder…“ Vergnügt stand die Hexenprinzessin auf und führte uns zur Tür. „Ich weiß, ihr Menschen braucht euren Schlaf, deshalb tut euch keinen Zwang an und geht in eure Häuser. Ich bin hier, wann immer ihr mich gerne mal besuchen möchtet!“ Mit diesen Worten schickte sie uns also nach Hause. Wir verließen das Haus der Hexenprinzessin und ich machte mich mit Lucky und Elliot wieder auf den Weg, zurück nach Hause, weg von diesem magischen, seltsamen Ort… „Geht es dir gut, Chelsea?“, fragte Elliot mich besorgt. Ich wirkte wohl immer noch etwas blass im Gesicht. „Ja… Es geht mir gut. Waren nur irgendwie viel zu viele Eindrücke heute, findest du nicht?“ „Ja… Heute ist viel passiert…“, sagte Elliot und starrte in den Himmel. „Sieh nur, Chelsea! Der Himmel ist voller Sterne…“ „Ja…“, flüsterte ich und starrte ebenfalls nach oben. Da standen wir nun, direkt vor Elliots Haus und sprachen kein Wort. Es war wunderschön, einfach zauberhaft zu leben und so viele Dinge zu sehen. Da bemerkte ich, dass Elliot mich ansah und flüsterte: „Einfach wunderschön…!“ Ohne Hast und ganz selbstverständlich nahm er mein Gesicht in meine Hände und küsste mich. Es war zärtlich und es fühlte sich auf eine paradoxe Art und Weise sowohl richtig als auch falsch an. Er legte seine Arme um meinen Körper und drückte mich feste an sich, als könnte er mich so dazu bringen, mich in ihn zu verlieben. Sein Kuss war voller Sehnsucht, so voller Leidenschaft und Hoffnung, doch ich konnte ihn einfach nicht erwidern… Schließlich ließ er mich wieder los und nahm seine Lippen von den meinen. Lange sahen wir uns an. Keiner von uns bewegte sich. Er wusste es. Er wusste, wie es um meine Gefühle stand und dass wir nicht dasselbe für einander empfanden. Er spürte es einfach. Genauso wie ich spürte, dass es unfair war, ihn hoffen zu lassen. „Es tut mir leid, Elliot!“, flüsterte ich, fuhr sanft mit der Hand über sein Gesicht bis meine Hand schließlich an seinen Lippen zur Ruhe kamen. Ich legte noch ein letztes Mal sanft meine Lippen auf die seinen und entfernte mich von ihm. „Du verdienst mehr als mich… Auch wenn du das im Moment nicht wahrhaben willst!“ Er sagte nichts… Er sah mich einfach nur an. Ich hatte das Gefühl, in ihm zerbrach etwas… Der letzte Funke Hoffnung, die letzte Chance existierte nun nicht mehr. Ich wandte mich von ihm ab und machte mich auf den Weg nach Hause, ließ ihn dort stehen, ohne etwas zu sagen. Jedes weitere Wort wäre überflüssig gewesen… Wir wussten beide, was wir tuen mussten. Ich spürte seinen Blick noch lange auf mir ruhen, bis er schließlich in sein Haus zurückging. Bei der Ranch angekommen, fingen unendlich viele Tränen an meine Wangen entlang zu kullern… „Es tut mir so schrecklich leid!“, sagte ich zu mir selbst, doch meine Worte wurden erstickt von den lauten Schluchzern die aus meiner Kehle stiegen. Traurig blickte Lucky mich an und jaulte leise mit mir. Es war mein endgültiges Nein gewesen. Und obwohl es das einzig richtige war, obwohl es war, was ich wollte, so zerriss es mir jetzt schier das Herz. Ich liebte ihn! Ich liebte ihn sogar sehr, aber es reichte einfach nicht aus. Es war einfach nicht genug. Aus diesem Grund musste ich ihn von mir stoßen, sonst würde ich ihn nur noch mehr verletzen. Ich ging ins Haus und nahm Lucky in den Arm. Ich drückte ihn fest an mich, doch nichts konnte in diesem Moment diesen Verlust, diesen Schmerz und diese Leere, die ich verspürte füllen. Es tat mir so schrecklich leid. Kapitel 12: Eifersucht (Natalie) -------------------------------- Meine lieben Leser. Ich habe ja beschlossen, mich nicht nur auf Chelsea und ihre Liebesgeschichte zu konzentrieren, sondern ich wollte für jeden einzelnen Charakter seine ganz eigene Geschichte erfinden und erzählen. Ich hoffe, keiner von euch hasst mich dafür, dass ich sämtliche Paarkonstellationen auf den Kopf stelle, aber ich fand die in dem Spiel total doof und dachte mir, ich misch das alles nochmal neu. Also, heute über Natalie… Um ehrlich zu sein ist sie mein Lieblingscharakter (wäre ich ein Mann, ich hätte sie im Spiel geheiratet ;)), deshalb habe ich mir mit ihrer Geschichte besonders viel Mühe gegeben und es ist zudem auch meine Lieblingsgeschichte. Ich hoffe, ihr seid alle zufrieden damit und ich hoffe auch, ich habe einige von euch für meine Story begeistern können und freue mich natürlich darüber, wenn einige von euch auch weiterhin meinen Epos lesen ^^! Ich werde auch versuchen jeden Monat konsequent ein Kapitel zu schreiben! Also, dann wünsche ich euch viel Spaß beim Lesen! Eure Tori-chan! Mein Bruder hatte Chelsea seine Liebe gestanden, und sie hatte ihm eine Abfuhr verpasst… Das war um ehrlich zu sein, alles was ich bisher wusste. Mein Bruder hatte mir davon erzählt! Schon komisch, schließlich haben wir kein so enges Verhältnis zueinander. Er hatte aber mit mir darüber geredet und ich versuchte nun ihn zu trösten, so gut ich nur konnte. „Ich liebe sie so sehr…!“, hatte er immer und immer wieder gesagt und war wie weggetreten. „Wieso erwidert sie meine Liebe nur nicht? Wieso nicht…?“ „Elliot…“, versuchte ich schwesterlich auf ihn einzureden. „Gegen Gefühle ist man nun mal machtlos…! Es liegt bestimmt nicht daran, dass du kein guter Kerl bist. Sie will nur nicht mit dir spielen oder dich auf etwas hoffen lassen, was vielleicht niemals passiert…!“ Ich wusste es… So sehr sie Elliot auch lieben wollte… Chelsea hegte Gefühle für einen Anderen. „Aber weißt du, Natalie… Keiner, wirklich KEINER, wird so gut zu ihr sein wie ich es bin. NIEMAND wird sie jemals so sehr lieben, wie ich es tue…!“ Betrübt starrte er zu Boden und ich war mit meinem Latein am Ende. Was konnte ich tun, damit Elliot sich besser fühlte…? Ich war leider auch kein Beziehungsexperte… Ganz im Gegenteil. Ich hatte noch nie einen Freund gehabt… Wenn mir ein Junge gefiel, so wollte er meist sowieso nichts von mir wissen… Beziehungsweise, ich versuchte nicht einmal auf ihn zuzugehen, weil ich der festen Überzeugung war, es würde in einem Desaster enden! Außerdem… Seit dem Verlust meines Vaters, da hatte ich mich solchen Gefühlen nie so richtig hingeben wollen. Ich war einfach unauffällig… Ich ging unter in der Menge, war eher verschlossen… Von daher zog ich es vor, einfach für mich zu sein. Dadurch wurde mein Leben auch nicht unnötig kompliziert. Ich verstand Elliot, natürlich verstand ich ihn… Es tat mir aufrichtig leid um ihn, aber so war das Leben nun mal. Er würde einfach einen Weg finden müssen, sie zu vergessen… Jemand neuen in sein Herz und sein Leben zu lassen. Natürlich hätte ich mich für die Beiden gefreut. Ich wusste, dass Elliot recht hatte! Dass Chelsea so schnell nicht wieder einen Mann finden würde, der sie so aufrichtig und innig lieben würde wie er, aber es war ihr Leben und sie hatte das Richtige getan. Sie hätte ihn auch warten lassen können, sie hätte ihn hoffen lassen können… Aber das wäre unfair gewesen und das wusste sie. Sie wusste, dass es das Falsche war und ich war wirklich stolz auf sie. Dieser Schritt war ihr bestimmt nicht leicht gefallen… „Weißt du, Natalie…“, flüsterte Elliot. Es klang, als würde er mit sich selber reden, nicht mit mir. „Ich werde sie für immer lieben… Und ich werde niemals wieder jemanden lieben können…!“ Lange sah ich ihn an, bis ich schließlich seinen zotteligen Kopf streichelte und erwiderte: „Glaub mir Elliot, das wirst du irgendwann!“ Wir saßen am Tisch in unserem Haus. Elliot hatte seine Arme auf dem Tisch verschränkt und seinen Kopf darauf gelegt und ließ sich von mir den Kopf streicheln. Ich blickte aus dem Fenster und sah unsere Mutter, die mit Chen die Straße entlang lief und ihn verliebt ansah. Die beiden sahen sehr glücklich aus. „Glaub mir Elliot…“, widerholte ich noch einmal, während ich meiner Mutter hinterher blickte. „Egal wie schwierig es auch sein mag, du wirst wieder glücklich sein!“ Elliot ahnte noch gar nicht, was sich da zwischen Mutter und Chen anbahnte. Er war wohl zu sehr mit seinem eigenen Liebeskummer beschäftigt um Mutters Neuanfang zu bemerken. Ich freute mich für sie, wirklich! Ich war glücklich, wenn sie es war. Alles, was ich wollte, war sie wieder lachen zu sehen. Mein einziger Wunsch war es, nachts wieder ruhig schlafen zu können, ohne Angst haben zu müssen, dass meiner Mutter etwas zustößt...! Auch für Chen freute ich mich. Er war ein guter Mann und er würde sich gut um Mutter sorgen! Vater…. Ich dachte immerzu an ihn. Ich hatte keine Albträume mehr, träumte nicht mehr vom Meeresgrund der mich festhielt und nicht mehr an die Wasseroberfläche kommen ließ. Natürlich vermisste ich ihn… Natürlich war er noch immer da und ich wusste, er würde auch niemals verschwinden, auch für Mutter nicht. Aber es war an der Zeit, ihn gehen zu lassen… Ihn seinen langersehnten Frieden zu geben. Ich wusste, er würde wollen, dass seine geliebte Frau einen neuen Mann an ihrer Seite fand. Da war ich mir ganz sicher. Plötzlich klopfte es an der Tür und noch bevor ich überhaupt antworten konnte, stürzte auch schon Denny durch die Tür. „Guten Morgen ihr beiden!“, rief er gutgelaunt und kam auf uns zu. Elliot klopfte er herzhaft auf die Schulter und mir wuschelte er neckisch durchs Haar. Er wusste genau, dass ich das nicht mochte. Auch wenn Elliot gerade andere Sorgen hatte, so freute er sich doch über Denny‘s Besuch. Denny war oft bei uns, er war sozusagen schon Teil der Familie geworden. Er war immer fröhlich, immer gut gelaunt… Es war einfach schön und angenehm ihn da zu haben. „Na, Denny! Was machst du denn schon wieder hier?“, fragte ich ihn mit grimmiger Miene, aber er wusste, dass ich es nicht ernst meinte und mich eigentlich darüber freute, ihn zu sehen. Er grinste mich an und wuschelte noch einmal kräftig durch mein Haar, sodass mein Haar nun noch zerzauster aussah. „Na vielen herzlichen Dank auch!“, meckerte ich und kniff ihn in die Seite. Er lachte nur herzhaft. „Ich dachte, vielleicht wollt ihr heute mit mir raus aufs Meer fahren?“, fragte Denny und sah uns neugierig an. „Oder am Abend zum Essen zu mir! Ich hatte vor, heute Sushi vorzubereiten!“ Ich blickte ihn skeptisch an. Ich hatte zwar nichts gegen Sushi, aber völlig begeistert war ich davon auch nicht. Denny bemerkte mein Zögern und fügte beiläufig hinzu: „Ach, fast hätte ich es vergessen! Chelsea hat mir was von ihren Erdbeeren abgegeben… Ich dachte, zum Nachtisch zaubere ich uns also etwas leckeres…“ Er erzählte das so ganz nebenbei, aber ich sah sofort in seinem Blick, dass er der festen Überzeugung war, mich nun dafür begeistert zu haben. Erwartungsvoll sah er mich an. Er wusste, dass ich Früchte liebte. Ich warf einen fragenden Blick zu Elliot. Ich wollte wirklich liebend gerne heute Abend zu Denny gehen und wünschte mir insgeheim, dass Elliot nicht mitkam. Er schien nichts davon zu ahnen, antwortete jedoch trotzdem zu meiner Freude auf meinen fragenden Blick hin: „Nimm es mir nicht übel, Denny, aber ich will heute lieber zu Hause bleiben. Aber wenn du möchtest, Natalie, dann kannst du natürlich gerne gehen. Ich kann dich auch zu Denny bringen und dich später wieder abholen.“ „Ach, mach dir keine Sorgen, Elliot! Ich bringe unsere Kleine dann wohlbehütet wieder nach Hause!“, erwiderte Denny freudig und strahlte mich an. …. Kleine??? „Hey, wer hat dir überhaupt gesagt, dass ich komme? Nur weil Elliot mir „Die Erlaubnis“ gegeben hat, heißt das nicht, dass ich wirklich komme!!!“, erwiderte ich trotzig und verschränkte die Arme vor meiner Brust. Denny lachte leise und meinte schließlich: „Doch, Schätzchen, du WIRST kommen!“ Grimmig funkelte ich ihn an und wurde rot. Natürlich würde ich kommen, das wussten wir beide. Schließlich wuschelte er mir zum Abschied wieder durch das Haar und rief beim Gehen: „Ich erwarte dich so gegen 18 Uhr, Natalie!“ und schlug die Tür hinter sich zu. Nachdem mein Bruder so lange Trübsal geblasen hatte, machten wir uns schließlich wieder an die Arbeit. Taro beschwerte sich schon, worauf wir eigentlich noch warteten. Es war ein wunderschöner Frühlingstag! Ich mochte den Frühling viel mehr als den Sommer. Im Sommer war es immer so unerträglich heiß… Man konnte sich gar nicht richtig bewegen, gar nicht arbeiten, ohne dass es unangenehm wurde. Es wehte ein frischer, sanfter Wind und ich war sehr dankbar dafür. Es war Mittwoch und Vaughn trieb hier in der Stadt mal wieder sein Unwesen. Er geisterte in der Nähe des Tierladens umher und ich fragte mich, wieso er nicht zu Chelsea ging… Er war eigentlich immer oft bei ihr gewesen. Jedes Mal, wenn er hier war, hatte er sie besucht, immer unter dem Vorwand, nach den Tieren sehen zu wollen. Ich glaubte ihm nicht. Ich war mir sicher, er hegte Gefühle für sie. Etwas in ihm hatte sich geändert. Früher, bemerkte er sie kaum, doch nun… Nun sah er, wie die anderen Männer des Dorfes sie ansahen… Seit jenem Tag, an dem Chelsea die Nacht bei Denny verbracht hatte, ging er ihr aus dem Weg. Aber wieso nur… Wir alle wussten doch, dass zwischen den beiden nichts gelaufen war und auch niemals etwas laufen würde. Sie waren Freunde, mehr nicht. Außerdem… Denny wusste über Elliot‘s Gefühle Bescheid. Er würde niemals seinen Freund hintergehen. Unsere Blicke trafen sich, deshalb beschloss ich, auf ihn zuzugehen und ihn zu grüßen. „Hey, Vaughn“, sagte ich schlicht. Keine Regung von Begeisterung oder Freude in meinem Gesicht. Einfach nur ein höflicher Gruß. Genauso höflich begegnete mir nun auch er. „Guten Tag, Natalie“ Er wollte sich gerade zum Gehen wenden, als ich schließlich noch sagte: „Vaughn, ich glaube, Chelsea könnte deine Hilfe heute gut gebrauchen… Sie hat wirklich viel zu tun mit der Feldarbeit… Außerdem hat Chelsea jetzt auch einen Hund! Willst du ihn dir nicht vielleicht ansehen?“ „Kein Interesse…“, erwiderte er schlicht, aber so leicht würde ich nicht aufgeben. „Ok, verstehe… Ich mache mir nur sorgen um sie… Weißt du, sie sah so blass aus die letzten Tage… Du weißt ja wie sie ist, nie passt sie auf sich auf. Aber naja, wie ich sehe bist du schwer beschäftigt, ich wollte dich nicht von der Arbeit abhalten.“ Ich drehte mich um und marschierte davon. Ich hörte noch, wie Vaughn besorgt nachfragte: „Geht es ihr etwa schlecht?“ aber ich tat, als hätte ich ihn nicht gehört. Wenn es ihn interessierte, dann würde er nach ihr sehen und ich wusste, dass er genau das tun würde… Ich hatte ein schlechtes Gewissen meinem Bruder gegenüber… Es würde ihn bestimmt treffen zu erfahren, dass Chelsea einen anderen liebte, aber ich konnte auch nichts daran ändern… Es war eine Tatsache, Chelsea liebte diesen arroganten Dorftrottel und sie war mir schließlich auch wichtig… Außerdem hatte ich ja nichts weiter getan, als den Köder zu legen. Der Rest, würde sich schon von alleine ergeben… Oder auch nicht, je nachdem, wie die beiden sich anstellen würden. Ich konnte den Abend kaum erwarten! Ich freute mich schon darauf, Denny zu sehen. In seiner Nähe fühlte ich mich geborgen… Mit ihm traute ich mich sogar wieder aufs Meer hinaus. Er war immer so fröhlich, so ehrlich und unbesonnen. Ich mochte seine Gesellschaft. Eigentlich beneidete ich ihn sogar um seine unbesorgte Art. Was auch immer passieren würde, ich war mir sicher, Denny würde niemals sein Lachen verlieren. Er würde immer alle Probleme bewältigen, immer eine Lösung finden. Er war stark… So viel stärker als ich. „Natalie!!“, rief mich da plötzlich eine mir sehr vertraute Stimme. „Was gibt’s, Mama?“ „Elliot hat gesagt, du gehst heute Abend zu Denny, stimmt doch, oder???“, fragte sie und beäugte mich neugierig. „Jaaaaa…“, erwiderte ich skeptisch. Die Art, wie sie mich beäugte gefiel mir nicht. „Wieso fragst du?“ „Na ja, also weißt du“, setzte Felicia an und ich dachte mir schon, dass sie nun etwas Dummes sagen würde. „Also Mirabelle meinte, sie hätte euch beide letze Woche aufs Meer rausfahren sehen. Außerdem hat Chen erzählt, Denny hätte sich von Chelsea extra Erdbeeren geben lassen weil er keine im Laden hatte um dich heute Abend einzuladen und… Ich dachte mir nur, vielleicht wird es langsam Zeit, dass wir ein Gespräch unter Frauen führen!“ Ich schluckte bei dem Gedanken, dass Denny sich meinetwegen Umstände gemacht hatte… Dass er sich so darum Bemühte mit mir Zeit zu verbringen, verdrängte aber augenblicklich den Gedanken daran und sah meine Mutter wütend an. „Mutter, ich…“ „Ach, Natalie!“, unterbrach sie mich. „Ich weiß, das sind befremdliche Gefühle, die du da verspürst, aber glaube mir, das ist völlig normal!“ „Mama…“ „Natalie!“, erneut unterbrach sie mich und fasste mich an den Schultern. „Dieser Moment ist etwas ganz Besonderes im Leben einer jungen Frau, aber bitte, lass dich niemals von einem Mann zu etwas drängen, was du nicht möchtest! Sexualität ist etwas vollkommen…“ „INTIMES, Mutter!“, unterbrach ich sie nun und entzog mich ihr. „Außerdem… Das ist nicht so wie du denkst. Denny und ich, wir sind Freunde, mehr nicht! Zwischen uns gibt es absolut GAR NICHTS, verstehst du? Natürlich, wir mögen uns, wir verstehen uns gut, aber mehr ist da nicht! Du würdest mir wirklich einen großen Gefallen tun, wenn du dich da raushalten würdest, Felicia!“, sagte ich unsanft und drehte mich von ihr weg um mich wieder meiner Arbeit zuzuwenden doch so leicht ließ Felicia mich nicht davon kommen. Sie hielt meinen Arm fest und ich drehte mich wieder zu ihr um. Als ich in ihre besorgten, mütterlichen Augen sah, tat es mir leid, so pampig reagiert zu haben. „Es tut mir leid, Natalie!“ „Nein, Mama… Mir tut es leid!“ Schließlich nahm sie mich in die Arme und drückte mich fest an sich. „Natürlich geht es mich nichts an… Aber weißt du, manchmal, da passieren Dinge, mit denen wir nicht gerechnet haben. Auch zwischen dir und meinem Vater war nicht von vorne herein klar, was wir füreinander empfanden. Anfangs verband uns auch nur Freundschaft.“ Erschrocken blickte ich sie an. Seit dem Tod meines Vaters, hatte sie es immer gemieden, ihn zu erwähnen. Der Schmerz war wohl zu groß gewesen, die Erinnerung zu lebendig. Doch jetzt sah ich in ihren Augen so viel Liebe, so viel Glück… Sie liebte ihn noch immer. Sie liebte ihn und sie würde ihn immer lieben aber die Erinnerung an ihn war nun keine Qual mehr, ganz im Gegenteil. Die Erinnerung an ihn, war eine schöne Erinnerung. Eine Erinnerung, die sie lächeln ließ und die sie glücklich machte. Ja… Genau so sollten wir ihn wohl alle in Erinnerung haben… Nicht als den Grund für unseren Kummer, sondern als den Grund für all die wunderschönen Momente, die wir dank ihm verbracht haben. Sie fing schließlich an zu erzählen: „Dein Vater und ich waren die besten Freunde die es gab. Wir waren unzertrennlich, Taro konnte ihn überhaupt nicht leiden, aber wir trafen uns heimlich, verbrachten unglaublich viel Zeit miteinander“, sie kicherte leise bei der Erinnerung an diese schöne Zeit. „Er hat mir wirklich viel bedeutet und ich ihm auch… Nur, ich habe ihm mehr bedeutet, als ich mir hätte vorstellen können…“. Bei diesen letzten Worten verdüsterte sich ihre Miene ein wenig. „Er hat mich geliebt und ich habe nichts davon geahnt. Es hat mich nie interessiert, ob er sich mit anderen Frauen trifft, ob er verliebt ist, ich habe ihn niemals danach gefragt. Er war selbstverständlich für mich, ich hätte mir niemals vorstellen können, ihn zu verlieren.“ „Hat er dir seine Liebe gestanden?“, fragte ich, gespannt darauf, was als nächstes passierte. Diese Geschichte erinnerte mich zu sehr an Elliot und Chelsea… „Nein… Ich musste ihn erst verlieren um zu erkennen, wie viel er mir bedeutete“. Sie sah mich an und ich wusste, was sie meinte. Er hatte sie so sehr geliebt, er war verrückt nach ihr gewesen und sie hatte ihn verletzt, ohne es zu merken. Sie hatte ihn fortgeschickt und erst danach gemerkt, wie wichtig er ihr war. „Mutter…“, sagte ich leise. „Ich habe niemals geglaubt, dass es sowas gibt. Entweder du liebst jemanden, oder du liebst ihn nicht. Wie kann man jemanden lieben und es nicht merken?“ Liebevoll lächelte sie und antwortete mir: „Weißt du, Natalie… Liebe hat viele Gesichter. Für jeden ist sie anders und… Ich habe ihn geliebt, von Anfang an. Ich habe es nur nicht gewusst. Ich habe in ihm nur einen Freund gesehen, doch als er weg war, da wusste ich, dass ich ohne ihn nicht mehr leben möchte…“ Ich schluckte schwer. Ja, tatsächlich hatte Liebe viele Gesichter… Vielleicht würde Chelsea ja im Nachhinein erkennen, dass Elliot der Richtige für sie war… Auch wenn ich es mir nur schwer vorstellen konnte. Sie liebte schließlich einen Anderen… „Verstehst du, was ich dir damit sagen möchte?“, fragte Felicia und riss mich damit aus meinen Gedanken. „Ich will dir nur sagen, pass gut auf dich auf! Ich weiß nicht, wie Denny für dich empfindet, also lass dich nicht verletzen.“ „Mach dir keine Sorgen, Mami!“, jetzt verstand ich, was sie mir damit sagen wollte… Ich war meinem Vater schon immer sehr ähnlich gewesen… Ich kam ganz nach ihm, was meinen Charakter anging. Bestimmt wollte sie nicht, dass ich so verletzt werde, wie er damals verletzt wurde. „Das mit Denny und mir… Mach dir einfach keine Sorgen, da ist nichts. Wir sind einfach nur gerne beieinander, mehr nicht.“ „Ich bezweifle, dass dem so ist, aber gut. Ich muss so oder so den Dingen ihren Lauf lassen…“, seufzte Felicia. „Aber Natalie, sag mir bitte… Wie geht es Elliot?“, fragte sie besorgt. „Was soll denn mit ihm sein? Keine Sorge, es geht ihm gut!“, log ich. Ich war mir sicher, Elliot hatte meiner Mutter nichts von seinen Gefühlen für Chelsea erzählt. Sie sollte es nicht von mir erfahren. Wenn, dann sollte er selbst mit ihr darüber reden. „Weißt du… Vor ein paar Tagen, da ist er nachts einfach verschwunden und kam erst am frühen Morgen wieder zurück…“ Davon wusste ich. Elliot hatte mir von diesem Abend erzählt. Es war der Abend, an dem er Chelsea gesagt hatte, dass er sie liebte. An diesem Abend waren anscheinend ziemlich seltsame Dinge geschehen… „Es war nichts weiter… Glaube mir, es geht ihm gut!“ „Hat er vielleicht Liebeskummer? Oh, Natalie! So bitte erzähl doch deiner armen Mutter was mit meinem Sohn los ist!“, flehte sie mich an und ich wusste, dass sie es mit Absicht tat. Sie wollte mir ein schlechtes Gewissen machen und mich ausquetschen aber sowas berührte mich nicht. Natürlich wollte ich sie nicht beunruhigen. Aber früher oder später würde Elliot selber mit ihr reden, wenn er soweit war und das wussten wir beide. „Mutter…“, versuchte ich sie zu beschwichtigen. „Bitte glaub mir! Du musst dir um Elliot keine Sorgen machen. Er kriegt schon noch die Kurve!“ „Es ist wegen Chelsea, nicht wahr? Sie liebt ihn nicht…!“, stellte sie traurig fest und schien wohl ein bisschen enttäuscht. Chelsea hätte eine nette Schwiegertochter abgegeben. Wir alle mochten sie. „Ich muss gehen… Wenn ich mich mit der Arbeit nicht beeile, dann komme ich nicht rechtzeitig zum Essen heute!“, versuchte ich mich rauszureden und tatsächlich ließ Felicia das Thema fallen. Sie würde aber Elliot direkt ansprechen, davon war ich überzeugt. „Ach das hätte ich fast vergessen… Kannst du das bitte Mirabelle kurz vorbei bringen?“, fragte meine Mutter und reichte mir eine Tüte. Ich sah sofort, dass es Milch von Chelsea‘s Farm war. „Ich war gestern bei Chelsea zu Besuch und sie hat mir welche mitgegeben. Für uns und auch für Mirabelle und Julia. Wärest du also so freundlich, Natalie?“ „Klar!“, antwortete ich, nahm ihr die Tüte aus der Hand und machte mich sofort auf den Weg zu Mirabelle‘s Laden. Ich öffnete und trat ein, doch es war niemand da. „Julia? Mirabelle?“, rief ich, doch keiner antwortete mir. Ich lief also hinein und sah mich im Haus um. Wieso war die Türe nicht abgeschlossen gewesen? Ich setzte mich an den Tresen und beschloss zu warten. Sie waren bestimmt nur kurz nach draußen gegangen und würden gleich zurück sein. Ich legte die Tüte auf den Tresen und starrte Löcher in die Luft… Ich dachte an all das, was meine Mutter mir erzählt hatte. War das wirklich möglich? Ich glaubte nicht daran. Ich glaubte nicht daran, dass es für die Liebe niemals zu spät sei. Manchmal, da war es zu spät… Manchmal trafen die Menschen Entscheidungen, die unwiderruflich waren. Ein Fehler genügte, um dein Herz zu brechen und dich für immer vor dieser Person zu verschließen… So war es zumindest bei mir… Da dachte ich plötzlich an Denny, an sein strahlendes Lächeln, seine dunklen Locken, seine warmen Augen. Seine Haut, die so rau war, seine Arme, die so stark waren… War ich verliebt in ihn? Ich wollte es nicht Wahr haben. Ich wollte es nicht glauben, wollte es für unmöglich halten, aber eigentlich… Ja, eigentlich hatte ich es schon die ganze Zeit gewusst. An dem Abend, an meinem Geburtstag, als wir zusammen aufs Meer hinausgefahren waren… Hatte ich mich in ihn verliebt. Ich dachte immer an ihn… Jeden Tag! Ich war einfach vernarrt in ihn… Aber so war ich nun mal… Obwohl ich Gefühle für ihn hegte, ich wusste, dass ich nichts unternehmen würde, um ihn für mich zu gewinnen. Es war sowieso unmöglich. Niemand würde je erfahren, was ich für ihn empfand. Niemals würde mich irgendwer durchschauen und dann, eines Tages würde Denny eine Frau finden, die zu ihm passte. Ein makelloses Geschöpf, eine wunderschöne Frau, die er vergöttern würde. Ich… Ich würde immer seine Freundin sein. Das, mehr aber auch nicht. Ich war nicht hübsch… Ich war nicht besonders… Ich konnte mich auch einfach nicht öffnen, wollte es erst gar nicht versuchen, um nicht verletzt zu werden. So lange niemand davon wusste, solange ER es nicht wusste… Konnte ich so tun, als wäre nichts dabei, als seien wir nichts weiter als Freunde… Und irgendwann… Irgendwann würde ich selber nicht mehr wissen, dass ich ihn einst geliebt hatte… Ich seufzte schwer und lehnte mich zurück. Versehentlich schob ich dabei mit meinem Ellenbogen die Tüte mit der Milch bis an den Rand des Tresens und sie fiel dahinter zu Boden. Es hatte zwar ein lautes Geräusch gemacht, aber die Flaschen waren offensichtlich nicht zerbrochen. Ich stand also auf, lief hinter den Tresen und beugte mich runter um die Flaschen aufzuheben, als plötzlich mit einem lauten Knall die Türe aufging und jemand den Raum betrat. Es war Julia… Und sie war in Begleitung. „Verschwinde von hier, Trent!“, hörte ich Julias Stimme und erstarrte. Sie war so kalt, so voller Abscheu gewesen, dass ich wie angewurzelt sitzen blieb. So, wie ich hinter dem Tresen hockte, bemerkten sie mich nicht. „Wieso weist du mich ab, Julia…?“, fragte eine mir unbekannte Männerstimme… Ich vermutete, dass es sich dabei um den Arzt handelte, der schon seit einiger Zeit hier auf der Insel Urlaub machte. Ich hatte ihn, um ehrlich zu sein, noch nie zu Gesicht bekommen, aber zumindest schon von ihm gehört. Was lief da? „Ich bin nun schon eine ganze Weile hier auf der Insel… Ich suche ständig nach dir und du gehst mir aus dem Weg… Wieso? Ich dachte, unsere Liebe sei so groß…“, sagte er und seine Stimme klang zuckersüß, schmachtend. Ich hatte ihn noch nicht gesehen, aber ich fand ihn schon unerträglich. War er nicht eigentlich verheiratet?!? „Trent, ich habe dir gesagt, ich will, dass du von hier verschwindest! Geh endlich zurück zu deiner Frau, geh fort von hier! Du machst mich krank!!“, schrie sie ihn an. Ich lief knallrot an! Es war eigentlich wirklich nicht meine Art, Leute zu belauschen, aber das war wirklich seltsam! Was sollte das alles…?? Trent lief auf sie zu, zog sie an sich und küsste sie. Rasend vor Wut stieß sie ihn von sich und schreite ihn an: „Ich brauche dich nicht!!!“ Es klang eher verzweifelt, als überzeugend. „Ist es etwa, wegen Vaughn?“, fragte Trent und ich hörte an seiner Stimme, wie unglaublich überheblich er war. „Besorgt er es dir besser als ich? Ist das dein Problem?“ Ich hörte, wie sie ihm eine scheuerte. Es war ein lauter Knall zu hören und ich spürte förmlich, wie weh das getan haben muss. „Davon verstehst du nichts!!“, sagte Julia verachtungsvoll. „Du bist ein Schwein! Du bist widerwertig!! Und falls es dich interessiert: Ja, er ist hundertmal besser als du im Bett!“ Ich war wie gelähmt. Julia und Vaughn… Sie… Sie hatten was miteinander? Echt jetzt? Ach du meine Erntegöttin…!! Wie konnten sie…? Wie konnte er…? Aber wussten sie denn nicht…? Chelsea! Ich dachte, Vaughn mag sie! Ich dachte, Julia und Vaughn seien nichts weiter als Freunde! Wie… Was sollte ich nur tun? Sollte ich es ihr sagen? Sollte ich ihr das erzählen? Ich meine, dieser Arzt, dieser Typ… Er und Julia schienen mal ein Verhältnis miteinander gehabt zu haben… Es war gut möglich, dass Julia das nur gesagt hatte, um ihn zu verletzen. Andererseits… Was wenn es die Wahrheit war? „So ist das also…!“, sagte der Arzt und packte sie unsanft an den Schultern. „Lass mich los Trent, du tust mir weh…!“ Das war genug. Hinter dem Tresen stand ein Besen. Ich nahm ihn in die Hand, stand auf und wischte Trent damit eine. Dieser blickte mich entsetzt an und bekam kein Wort raus… Genauso wie Julia auch. „Genug jetzt…!“, sagte ich forsch und funkelte den Doktor böse an. „Geh!“ Mehr brauchte ich nicht zu sagen. Er sah Julia noch einen Moment länger an. Als diese jedoch nichts sagte, ließ er sie los, warf mir noch einen vernichtenden Seitenblick zu und verließ das Haus. Ich war mir sicher, ich hatte mir den Mann gerade zum Feind gemacht… Unangenehmes Schweigen brach ein. Es war eine wirklich merkwürdige Situation… Ich hatte gerade unglaublich viel über Julias Privatleben erfahren… Ohne dass wir es wollten, teilten wir nun wohl einige Geheimnisse… Lange schwiegen wir. Wir wussten wohl beide nicht, was wir sagen sollten, deshalb beschloss ich, direkt, wie ich nun einmal war, das Schweigen zu brechen und sagte schlicht: „Du brauchst mir nichts zu erklären Julia… Es geht mich auch nichts an und ich wollte euch wirklich nicht belauschen… Eigentlich bin ich hier, um dir das zu bringen…“, endete ich und reichte ihr die Milch. „Was muss ich tun, damit du niemandem davon erzählst.“, sagte sie und blickte mich mit ihren eisigen Augen an. Ich schauderte. Ich hatte nicht gewusst, dass sie jemanden auch so vernichtend ansehen konnte. Nun fiel die Fassade. Sie war nicht süß, sie war kein Engelchen. Sie war auch kein schlechter Mensch, das nicht… Aber sie war mehr als sie zu sein schien. Ihre Augen erinnerten mich so sehr an die von Vaughn… Ich bekam Gänsehaut bei dem Gedanken an ihn. „Eine Sache… Ich will wissen, was zwischen dir und Vaughn ist!“, antwortete ich ihr. Mir war klar, dass sie das vorhin nur gesagt hatte, um diesen Typen zu verletzen. Aber da war tatsächlich mehr… Das war meine Chance, um die Wahrheit zu erfahren. Julia antwortete mir, und zwar ohne mit der Wimper zu zucken: „Was wir haben ist rein körperlich.“ „Verstehe…“ „Du würdest mir aber einen großen Gefallen tun, wenn du nicht zu Chelsea rennen würdest um es ihr zu erzählen.“, sagte sie und betrachtete mich bedacht. Sie wusste also über ihre Gefühle Bescheid. „Denkst du nicht, sie sollte es wissen. Denkst du nicht, es wäre unfair, es ihr zu verschweigen!“, protestierte ich. Wieso sollte sie sich Hoffnungen machen… Wenn Vaughn doch offensichtlich… Zumindest seinen Körper schon an eine Andere gab. „Das mit mir und Vaughn… Das letzte Mal, dass wir etwas miteinander hatten, war schon lange her… Er mag sie!“, sagte sie und ich sah ihr an, dass es die Wahrheit war. Sie sorgte sich wohl um ihn. Ich verstand das nicht und ich wollte es auch nicht verstehen. Ich konnte es einfach nicht fassen… Wie konnte man nur etwas so intimes mit einem Menschen teilen, den man offensichtlich nicht liebte… Ich hatte da ganz strenge Wertvorstellungen und war zutiefst erschüttert. Mir war aber auch klar, dass da jeder anders darüber dachte… Eins war aber sicher: Das war nicht gut für Chelsea! Und vielleicht sollte sie sich nicht in etwas so kompliziertes, wie die Beziehung dieser beiden Menschen, einmischen. Julia bemerkte mein zögern, denn sie sagte schließlich: „Ich erwarte nicht, dass du das verstehst. Mir ist auch egal, was du nun von mir denkst. Alles was ich sagen will ist, das sie ihm wirklich wichtig ist. Ich glaube, sie kann ihm näher kommen… Kann ihn erreichen. Ich kann das nicht und will es auch nicht. Vaughn und ich… Alles, was uns verbindet ist unsere Einsamkeit… Und unser Leid.“ Ich war überrascht von ihrer Ehrlichkeit. Damit hätte ich nicht gerechnet. Ich dachte über ihre Worte nach… Ich wusste nicht, ob ich es Chelsea verheimlichen konnte… Schließlich sollte sie die Wahrheit über ihn wissen… Und wenn sie die Wahrheit nicht ertragen konnte, dann wäre es wohl auch besser, sie lässt die Finger von ihm ihn. Außerdem… Vaughn sollte sich nicht so anstellen. Wenn er sie mochte, dann sollte er endlich aus seiner Schale kommen und um die Frau kämpfen, die er liebte… Und sich nicht mit anderen vergnügen!! Ein trauriges Lachen entfuhr Julia und sie meinte: „Du hältst mich jetzt für Dreck, nicht wahr?“ Entsetzt sah ich sie an. : „Nein!!“, antwortete ich und ich meinte es wirklich ehrlich. „Ich glaube, Julia… Ich glaube, du solltest nur endlich erkennen, wie wunderschön und kostbar du bist… Du brauchst keinen Mann, der dir das sagt… Du solltest es selber wissen. Ich finde es nur schade.“ Lange sah sie mich an. Ich war mir sicher, sie schämte sich. Sie schämte sich, weil sie dachte, sie sei schwach, aber das war sie nicht! Sie musste es nur erkennen. „Julia… Ich mag dich!“, sagte ich schließlich. Ich mochte sie wirklich! Wir kannten uns nun schon eine ganze Weile und… Sie war meine Freundin. Natürlich, sie hatte mich nie an sich herangelassen… Aber wer weiß, dachte ich. Vielleicht ist unser neues, gemeinsames Geheimnis jetzt ja ein guter Grund um näher zusammen zu rücken. „Ja… Auch wenn ich wahrscheinlich deiner besten Freundin das Herz brechen werde, wenn sie von mir und Vaughn erfährt?“ „Nicht du, Julia… Du tust ihr nicht weh…“ Vaughn tat es… Er war es, der ihr das Herz brach. „Aber Natalie… Wenn du es ihr schon erzählen willst, dann erzähl wenigstens auch die ganze Wahrheit! Es ist wirklich lange her, dass Vaughn und ich… Ich meine, seit dem wir hier auf der Insel sind… Das ist lange her und es wird wohl auch nicht wieder vorkommen. Sie bedeutet ihm wirklich viel.“ Sie sah mich an und ich wusste, sie hatte Respekt. Das mit ihr und Vaughn… Es war komisch, aber es war wohl auch keine Liebe. Ich wusste, ich würde es ihr erzählen müssen… Es ging einfach nicht anders… Ich konnte nicht! Sie hatte ein Recht darauf, die Wahrheit zu erfahren, und zwar die ganze Wahrheit! So sehr es sie auch verletzen würde… Aber es war das Richtige. „Gut. Danke, dass du so ehrlich zu mir warst. Ich verspreche dir, von Trent und dir wird niemand erfahren… Aber… Lass ihn los! Um deinetwillen… Du verdienst etwas Besseres! Etwas Besseres als einen Mann, der eine andere liebt oder einen verheirateten Kerl… Viel mehr als das!“ Ich meinte es wirklich ernst. Ich konnte wirklich nicht verstehen, wie ein so umwerfendes Wesen sich so hergeben konnte. Sie war nicht schlecht, sie war auch nicht billig oder böse, nein! Ich sah mehr in ihr… Und ich hoffte, sie würde auch bald anfangen, mehr in sich selbst zu erkennen. „Jap.…“, sagte sie resigniert, verschränkte ihre Arme vor der Brust und blickte erhobenen Hauptes zur Seite. Das war wohl doch ein bisschen zu viel, zu intim gewesen. Vielleicht hatte ich mir zu viel erlaubt. Ich wusste nicht, wie ich sie erreichen konnte… Ob ich sie überhaupt erreichen konnte… Sie war stolz, sie war verschlossen… Sie war über die Zeit eine Schauspielerin geworden und ich hoffte, dass sie sich bald mehr wert sein würde. „Gut… Also ich mache mich dann mal auf den Weg… Es tut mir leid, was passiert ist und… Ich hoffe, wir finden trotzdem einen Weg, Freundinnen zu werden. Wer weiß, vielleicht durchbreche ich ja irgendwann einmal deine Blockade und bekomme mal dein wahres Gesicht zu sehen.“ Julia lächelte schwach und blickte traurig zu Boden. „Vielleicht…“, entgegnete sie schließlich leise und ohne ein weiteres Wort verließ ich ihr Haus. Schon komisch… Das waren so viele Eindrücke gewesen… So vieles, was ich heute erfahren hatte… Schon komisch, was die Liebe alles anstellte… Wie vielseitig, wie komplex doch unsere Gefühle waren. So viele Menschen, sie alle waren so unterschiedlich und doch… Uns alle verband etwas. Etwas, das wir alle gemeinsam hatten: Sehnsucht. Wir alle sehnten uns nach mehr in unserem Leben… Wir alle hatten Fehler gemacht und waren nun hier, um etwas Besseres aus uns zu machen. Um ein besseres Leben zu führen, bessere Menschen zu werden. Um Menschen zu finden, die uns glücklich machen… Weil wir selbst denken, wir könnten alleine nicht glücklich sein. Ich war allein und ich war glücklich. Nicht überglücklich… Aber ich brauchte niemanden, der die Leere in mir füllte! Niemanden, der mich aus meinem Sumpf zog. Ich war stark genug allein… Auch wenn es Dinge gab, die mich verletzten. Auch wenn ich mir wünschte, ich könnte jemanden finden, der mir meine Einsamkeit nahm und mich liebte, so wie ich war… Ich konnte auch alleine sein. Denny nannte mich immer seine Kleine… Ich wusste, er sah in mir ein Kind… Für ihn war ich nichts weiter, als ein junges, unerfahrenes Mädchen… aber ich war erwachsener, als manch andere Frau in meinem Alter… Alles, was ich erlebt hatte, hatte mich stärker werden lassen… Hatte mich reifer werden lassen. Deshalb wollte ich mich auf meine Gefühle für Denny nicht einlassen. Ich war erwachsen. Ich war kein Mensch, der gerne Spielchen spielte… Ich war weder so schön, wie Julia, noch so süß wie Chelsea… Ich war einfach ich. Ich war standhaft, ich war ehrlich und vor allem selbstständig. Nicht gerade Eigenschaften, nach denen Männer verrückt waren… Vor allem nicht solche Männer, wie Denny es war. Ich war gerade zu Hause angekommen, da erwartete mich Elliot auch schon. „Natalie, es ist schon 20 Uhr! Denny ist bestimmt schon verrückt vor Sorge!!“ Entsetzt starrte ich meinen Bruder an. „WAS? Schon so spät… Dann worauf wartest du noch?!?“ Mit diesen Worten packte ich meinen Bruder am Arm und rannte zu Denny‘s Haus. Ich wusste nicht, dass mich dort noch eine unangenehme Überraschung erwarten würde, sonst wäre ich wahrscheinlich gleich zu Hause geblieben. In wenigen Minuten waren wir angekommen. Ich klopfte an seine Tür, doch es war nicht Denny, der mir die Tür öffnete. Ich erstarrte, als ich sie sah. Sie war groß, schlank, blond, hatte große, braune Rehaugen und ein Lächeln, das bis über beide Ohren ging. Sie war süß, war gut gekleidet und war einfach… Viel zu süß für meinen Geschmack. Mir wurde schlecht bei ihrem Anblick… Nicht nur, weil sie mir nicht gefiel… Sondern weil ich mir sicher war, dass sie IHM dafür umso mehr gefiel. „Hallo! Ihr seid auch Inselbewohner, nicht wahr?“, fragte das Mädchen erquickt und strahlte uns mit ihren strahlend weißen Zähnen an. „Mein Name ist Lanna! Es freut mich wirklich sehr, euch kennenzulernen!“ „… Die… Die Freude ist ganz unsererseits!“, erwiderte Elliot schließlich und reichte ihr die Hand. Er schien genau so überrumpelt und perplex zu sein wie ich. „Ich kenne dich irgendwo her…“ „Hahaha, aber natürlich kennst du mich!“, sagte Lanna vergnügt und kicherte munter. „Ich bin Sängerin. Beziehungsweise, ich WAR Sängerin… Ich will einfach ein bisschen Ruhe, weg von dem ganzen Trubel… Na, ihr wisst schon!“, erklärte sie und Elliot und ich konnten nichts weiter tun, als sie mit offenem Mund anzustarren. Na toll! Nicht genug, dass sie wunderschön war… Sie war auch ein Star! Nun kam schließlich auch Denny an die Tür. Er sah verlegen aus. „Hey… Ich hatte schon gar nicht mehr mit dir gerechnet, Kleines!“ „Ach, tatsächlich?“ Antwortete ich und sah ihn eindringlich an. Ich hasste ihn. Ich hasste die gesamte männliche Rasse. Natürlich, kaum sahen sie eine Blondine mit reichlich Oberweite, schon hatten sie kein Gehirn mehr… Einfach zum Kotzen!!! „Aber Denny, ich wusste ja gar nicht, dass du Besuch erwartest!“, verkündete Lanna und stieß mir damit ein Messer durchs Herz. Er hatte mich nicht erwähnt… Natürlich nicht… Wozu auch? Wer war ich schon, damit er mich erwähnte. „Tut mir leid, dass ich so große Verspätung hatte… Aber wie ich sehe warst du ja wenigstens in netter Gesellschaft!“, giftete ich ihn an. „Schon gut!“, sagte Lanna. „Ich wollte sowieso gerade gehen. Ich habe schon den ganzen Tag hier verbracht. Kaum bin ich hier angekommen, schon hab ich Denny kennengelernt und mit ihm Zeit verbracht. Das Essen war wirklich sehr lecker… Du machst hervorragende Fruchtsandwiches! Danke für alles. Es war nett euch alle kennenzulernen. Ich werde mir dann mal mein neues Zuhause ansehen gehen! Viel Spaß euch noch!“ Mit fröhlichen Küsschen links und rechts verabschiedete sie sich von uns dreien und ging gutgelaunt ihres Weges. Denny schaute ihr lange nach (Ich hatte das Gefühl, er starrte ihr auf den Hintern…) und schaute dann schließlich wehmütig zu mir. „Ich hatte wirklich gedacht, du kommst nicht mehr, Natalie…“ „Als ob du mich nicht kennen würdest du verdammter Idiot!!!“, fuhr ich ihn an. Ich war außer mir vor Wut! Ich war mir sicher, dass ich puterrot angelaufen war, doch es war mir egal. Ohne ein weiteres Wort drehte ich mich um und wollte gerade gehen, als er mich am Arm festhielt und wieder zu sich drehte. „Hey, warte mal!“, sagte er und zwang mich dazu, ihn direkt anzusehen. „Was soll das? Jetzt bist du doch hier, also lass uns reingehen! Ich habe extra für dich etwas übrig gelassen! Ich hätte es dir morgen gebracht, wärest du heute nicht gekommen… Aber mich so anzufahren… Was soll das, was ist los mit dir?“ Ich konnte kaum meine Tränen zurückhalten. Ich war so sauer, so enttäuscht von ihm und ich verstand nicht einmal wieso. Wieso war ich so sauer? Woher nahm ich mir überhaupt das Recht heraus, sauer auf ihn zu sein. Wer war ich denn schon? Leise kullerte eine Träne über meine Wange und sowohl mein Bruder als auch Denny, sahen mich beide völlig entsetzt an. „Ich flehe dich an, Kleine, komm rein! Iss etwas mit mir! Du kannst auch bei mir übernachten wenn du willst, aber bitte weine nicht!!“ Wütend wischte ich meine Träne fort und sagte: „Es geht mir nicht um dein blödes Essen! Es geht mir nicht darum, ob du jetzt noch Zeit mit mir verbringen willst! Wir hatten etwas vor, wir wollten gemeinsam etwas machen... Aber wenn ich so leicht ersetzbar bin, dann geh. Scher dich sonst wohin, mir ist es egal!“ Ich löste mich aus seinem Griff und ging. Ich hörte, wie er nach mir rief aber ich reagierte nicht. Ich merkte, dass mein Bruder mir folgte, aber ich beachtete ihn nicht. Natürlich… Denny war so unkompliziert… Er war unbeständig, unbekümmert und leichtfertig. Wie hatte ich denken können, ich sei ihm wichtig und sei etwas Besonderes für ihn. Ich hatte doch sowieso gewusst, dass es so kommen würde. Mir war klar gewesen, dass sowas passieren würde, also wieso tat es jetzt nur so furchtbar weh? Wieso war ich nur so traurig und wieso nagten die Worte dieser Frau noch immer an mir. Sie war alles das, was ich nicht war… Sie war das genaue Gegenteil von mir und Denny fand sie toll. Er fand sie schön, er fand sie süß, weiß die Erntegöttin was er noch alles an ihr fand. Ich… Ich war ein Niemand. Ich war nichts und ich war ein Idiot gewesen mir einzubilden, Denny wäre ein Freund… Er war kein Freund… Er war einfach nur herzlos! „Natalie, sieh mich an…“, sagte mein Bruder und hielt mich fest. Ich konnte nicht anders! Ich weinte, Tränen flossen unaufhaltsam über mein Gesicht und mein ganzer Körper bebte vor Zorn. Laut fing ich an zu schluchzen und vergrub mein Gesicht hinter meinen Händen. Elliot sagte nichts, er nahm mich nur in den Arm. Er wusste, was ich hatte, denn er hatte das Selbe. Er wusste, wie ich mich fühlte, denn er fühlte das Selbe. Es war Eifersucht. Es war Eifersucht, die ich da spürte, weil ich verliebt war. Weil ich nicht gut genug war und weil ich mich so sehr an Denny gewöhnt hatte, dass ich nun Angst davor hatte, ihn zu verlieren. Wir standen lange so da. Es war schon Nacht und niemand befand sich mehr auf den Straßen. Das einzige, was zu hören war, war mein leises Weinen. Wir blieben so lange, bis ich mich beruhigt hatte. Dann wischte Elliot mir die Tränen vom Gesicht, küsste meine Wange und wir gingen hinein um ein wenig zu schlafen und das alles erst einmal zu verdauen. Ich hatte sehr schlecht geschlafen… Ich war die ganze Nacht unruhig gewesen und mein Herz schmerzte… Als ich am nächsten Morgen erwachte, erwachte ich mit… Einer sehr merkwürdigen Überraschung. Denny saß auf meinem Bett und blickte mich wehmütig an. Er hatte Blumen in der Hand und auf meiner Kommode stand ein Teller mit Fruchtsandwiches. „Was zum…???“, sagte ich und richtete mich verschlafen auf. Ich rieb mir den Sand aus den Augen und schämte mich dafür, dass Denny mich so sah… Wie viel Uhr war es denn? Bestimmt erst 8…! „Kleine… Ich wollte mich wegen gestern entschuldigen!“, sagte er, legte die Blumen auf die Kommode und nahm mich in den Arm. Ich erwiderte seine Umarmung schwach und wusste nicht so recht, was ich tun sollte… Eigentlich sollte ich mich entschuldigen… Ich hatte gar kein Recht gehabt, mich so aufzuführen… „Ich hätte auf dich warten sollen! Ich hätte nicht mit Lanna essen sollen, aber glaub mir, ich hatte nichts Böses im Sinn. Ich hatte dich nicht vergessen, ich war nur… Ich meine, sie ist neu hier und ich… Na ja, also ich...“ „Mir tut es leid, Denny!“, unterbrach ich ihn. Ich konnte es einfach nicht ertragen, ihn so reden zu hören. Er war verlegen, es war ihm peinlich… Schlicht und ergreifend, weil er lieber Zeit mit ihr hatte verbringen wollen. Weil er sie süß fand, weil er auf sie stand, deshalb. Weil er mich im Stich gelassen hatte. „Ich habe kein Recht, mich so aufzuführen.“ Plötzlich breitete sich ein freches Grinsen auf seinem Gesicht aus und er sagte neckisch: „Du-warst-ei-fer-süe-chtig-“. Feste wuschelte er mir durchs Haar und drückte mich noch einmal fest an sich. „WAR ICH NICHT!!!“, widersprach ich und lief rot an. Was dachte er sich denn dabei mir so etwas zu unterstellen! „Ach, Kleines…“, sagte er und plötzlich wurde sein Blick ganz weich. Ich erstarrte und sah ihn unbeholfen an. Was war denn das für eine komische Situation… War er etwa… Hatte er etwa erkannt, was ich für ihn empfand?? Hatte er… Hegte er etwa auch Gefühle für mich??? Mit großen Augen sah ich ihn an und wusste nicht, was nun passieren würde. Ich hatte noch nie einen Jungen geküsst… Würde das jetzt etwa passieren? Würde er mich tatsächlich… Aber ich war gar nicht darauf vorbereitet. Ich riss mich zusammen und fasste mir ein Herz. Über die Konsequenzen konnte ich mir auch im Nachhinein noch Gedanken machen. Das Wichtigste war nun, einen klaren Kopf zu bewahren und nichts Falsches zu tun. Ich wartete, schließlich war er der Mann, und sah ihm tief in die Augen. Ich war bereit. Ich würde Denny meinen ersten Kuss schenken und wir würden glücklich sein bis an unser Lebensende. Nun war mir plötzlich alles klar, es war alles so einfach! Wir liebten uns. Es war ja ganz eindeutig und dieser Moment, dieser erste Kuss würde einfach perfekt sein… Langsam kam er mir näher, streichelte meine Wange und ich schmiegte mein Gesicht an seine Hand. Sanft blickte ich ihn an und wollte gerade meine Lippen spitzen, als er plötzlich sagte: „Du bist meine Beste Freundinn, Kleine! Niemand kann dich ersetzen, mach dir da keine Sorgen!!“ Mit diesen Worten schloss er mich wieder lächelnd in die Arme. Ich… Ich bewegte mich nicht. Ich rührte mich keinen Zentimeter. Was war nur in mich gefahren. Bitter lächelte ich vor mich hin. Natürlich… Natalie, wach auf! Wo war denn gerade dein Kopf… Hast du etwa den Plan vergessen? Hast du denn vergessen, du wolltest dich verschließen. Wolltest, dass er niemals etwas über deine Gefühle erfährt, damit du irgendwann selber auch vergisst, was du einst für ihn empfunden hast… Damit du niemals darunter leiden musst, diesen Mann zu lieben, obwohl er deine Liebe doch niemals erwidern wird. Wie konnte ich nur so anmaßend sein… Auch nur für eine Sekunde daran zu glauben, er könnte meine Gefühle erwidern. Wie töricht von mir. Wie dumm... Dumm, dumm, dumm!! „Natürlich, Denny“, sagte ich und löste mich langsam aus seiner Umarmung. „Natürlich sind wir Freunde! Tut mir leid, wenn ich überreagiert habe!“ Ich schenkte ihm das beste Lächeln, das ich in dieser Situation zu Stande bekommen konnte. „Danke für die Sandwiches! Das freut mich wirklich sehr! Freudig machte ich mich über sie her und Denny sah mir amüsiert dabei zu, wie ich sie verschlang. Er machte sich lustig über die Art, wie ich aß, ärgerte mich, so wie er es immer tat. Es war, als wäre nichts passiert… Als wäre alles wieder gut, wieder normal zwischen uns. Aber es hatte sich etwas geändert. Alles hatte sich verändert. „Also Kleine, komm dann morgen Abend zum Essen vorbei, in Ordnung? Aber diesmal sei bitte Pünktlich, ja? Sonst muss ich mir eine andere Gesellschaft suchen!“, sagte er neckisch und streckte mir die Zunge raus. „Ja, ja, ja, schon gut! Und jetzt geh endlich, bevor ich es mir anders überlege!!“ Denny war überglücklich über meine Antwort, denn er strahlte übers ganze Gesicht, drückte mir einen flüchtigen Kuss auf die Wange und verließ das Haus. „Ist alles in Ordnung mit dir, mein Schatz?“, fragte Felicia und kam auf mich zu. Sie kannte mich… Sie sah es mir einfach immer an, wenn ich traurig war, egal wie sehr ich versuchte, es zu verbergen. „Mach dir keine Sorgen, Mutter, es geht mir Bestens!“, sagte ich und drückte ihr einen dicken Kuss auf die Stirn. Draußen regnete es, deshalb fragte mich auch keiner, wieso ich wieder zurück auf mein Zimmer ging anstatt nach draußen. Ich schloss hinter mir die Tür und legte mich zurück ins Bett. Ich verkroch mich unter meiner Bettdecke und weinte… Leise und ganz für mich allein. Kapitel 13: Die Wilden (Julia) ------------------------------ Worte vom Autor: Also erst einmal danke, an alle die meine FF lesen und so nett kommentieren :)! Hier also das 13. Kapitel, genau rechtzeitig zu meinem Geburtstag hochgeladen hehe! Ich bin mit meinem Ergebnis zufrieden, wenn man bedenkt, dass ich mit dieser Geschichte lange unschlüssig war... Dafür bin ich jetzt umso begeisterter davon und ich freue mich schon darauf, bald wieder diese Geschichte aufzugreifen :D! Viel Spaß beim Lesen! Eure Tori-chan Es war ein Tag wie jeder Andere auch… Es regnete ein wenig und da ich im Laden nichts zu tun hatte, ging ich ein wenig spazieren. Gannon hatte eine neue Brücke gebaut… Ich dachte, ich könnte mir dort ein wenig die Zeit vertreiben und sehen, was sich dort alles befand. Bei Regen waren die Tiere immer traurig… Ich hegte eine große Tierliebe und normalerweise leistete ich den Tieren bei schlechtem Wetter immer Gesellschaft. Aber heute, da brauchte ich ein wenig Zeit für mich… Ich brauchte meine Ruhe. Natalie hatte mich und Trent gesehen… Wie dumm! Und auch die Sache mit Vaughn… Wahrscheinlich würde Chelsea ihn nun nie wieder sehen wollen. Ich kannte sie zwar nicht besonders gut… Aber so wie ich sie einschätzte, würde sie ihm in Zukunft aus dem Weg gehen… Schon allein aus Prinzip! Weil sie dachte, wir seien Freunde und um mich nicht zu verletzen. „Wie töricht!“, sagte ich zu mir selbst. Es gab keine Frau, die auf die Gefühle anderer Frauen Rücksicht nahm. Wir beschweren uns immer, dass Männer so herzlos seien, dass sie auf den Gefühlen der Frauen herum trampeln würden… Untreu seien und verletzend… Dabei sind wir Frauen doch um einiges schlimmer! Wir wissen, wie es ist betrogen zu werden. Wir sind selber verletzlich und wünschen uns Treue von unserem Partner… Aber doch lassen wir uns auf Männer ein, die schon zu einer anderen Frau gehören. Obwohl wir selbst uns wünschen, niemals hintergangen zu werden, so hintergehen wir doch diejenigen Frauen, die nichtsahnend zu Hause auf ihren Mann warten, während dieser sich in unseren Armen befindet. Also, wieso Sie!? Wieso sollte Chelsea dann Rücksicht auf mich nehmen?? Vor allem, wenn es mich sowieso nicht verletzen oder stören würde… Ganz im Gegenteil! Ich würde mich für sie beide freuen… Und das muss schon was heißen, denn ich freue mich nicht über vieles im Leben! Ich habe mich darüber gefreut, als Trent sagte, er würde seine Frau verlassen… Und war dafür umso enttäuschter, als er es letztlich doch nicht tat. Die Tage vergingen, Wochen, Monate… Und an unserer Situation hatte sich nichts geändert. Ich war immer noch allein. Ich war immer noch nichts weiter als die zweite Wahl… Seine Geliebte. Wie dumm von mir, so naiv gewesen zu sein! Einfach dumm, mich auf so ein Spielchen eingelassen zu haben! Ich war hin und weg von ihm gewesen, schon vom ersten Augenblick an hatte er mir gefallen. Es war Liebe auf den ersten Blick gewesen! Immer gab ich vor krank zu sein um unseren neuen Hausarzt aufsuchen zu können. Ich war noch jung… Und ich wusste, dass er verheiratet war… Natürlich wusste ich es! Aber ich hätte niemals gedacht… Dass meine Gefühle ihn jemals erreichen würden! Haben sie auch nicht, wenn ich so darüber nachdenke… Er hat mich benutzt! Er hatte seinen Spaß mit mir, mehr nicht. Es ist bitter, das einzusehen… Es tut schrecklich weh, aber so ist die Wahrheit nun mal! All diese Lügen… All diese Male, in denen er behauptet hatte, er würde mich lieben und ich sei etwas Besonderes für ihn… Ich will sie vergessen! Ich will IHN komplett vergessen, nie wieder an mein Herz heranlassen, nie wieder unter dieser Liebe leiden! Deshalb waren Mirabelle und ich auch hierhergekommen. Sie hatte immer gedacht, es läge an dem Verlust meines Vaters, dass ich weg wollte, aber das war es nicht. Natürlich fehlte mir mein Vater, natürlich hatte auch das mich sehr mitgenommen. Aber ich war weggelaufen vor dem Mann, der mich zerstört hatte. Der jegliches Vertrauen, jegliche Hoffnung auf Liebe in mir kaputt gemacht hatte. Ich war so in meinen Gedanken versunken gewesen, dass ich gar nicht gemerkt hatte, dass ich schon an der Brücke angekommen war. Ich blieb davor stehen und betrachtete sie lange. Auf der anderen Seite, schien sich ein Turm zu befinden… Es wirkte fast schon wie ein Urwald, voller Bäume und Wildnis. Sollte ich wirklich hinüber gehen? Was soll‘s, dachte ich. Was soll mir schon schlimmes passieren? Und überhaupt… Was sollte ich schon gegen ein kleines Abenteuer einzuwenden haben. Es war ein komisches Gefühl diese Brücke zu überqueren… Gannon hatte die Brücke gerade erst fertig gestellt und bisher war noch niemand drüben gewesen… Mein Herz schlug schnell und ich wurde das Gefühl nicht los, dass mich etwas ganz besonderes… Etwas Unglaubliches auf der anderen Seite erwarten würde! Ich lief einige Schritte weiter, als mich plötzlich ein dumpfer Schlag auf den Hinterkopf traf. Ich konnte nicht einmal aufschreien, so schnell geschah alles… Dann wurde mir schwarz vor Augen. Als ich erwachte, befand ich mich… Na, wo befand ich mich denn? Ich öffnete langsam meine Augen und sah mich vorsichtig um. Keiner war da… Ich schien mich in einer Hütte zu befinden, in der Mitte war sowas wie ein Feuerplatz und es lag ein Pelz auf dem Boden... Mir schauderte bei seinem Anblick… Schließlich war ich eine Tierliebhaberin und das Fell da so liegen zu sehen brach mir das Herz. Es sah aus, wie das Fell von einem Bären! Langsam richtete ich mich auf und tastete die Beule auf meinem Hinterkopf ab. Sie pochte immer noch und tat weh, aber es schien nichts Schlimmes passiert zu sein. Dann betrachtete ich den Rest von mir eindringlich, suchte meinen Körper nach Verletzungen ab, tastete in meinem Gesicht nach Wunden, aber nichts. Ich war unversehrt und fragte mich, wer mich da wohl gerade KO geschlagen hatte… Wer besaß eine derartige Frechheit?? Ich stand auf und wollte mich gerade aus dem Staub machen, als ein Mann hineintrat. Bei seinem Anblick stockte mir der Atem! Er sah definitiv aus wie ein Wilder, wie ein Urmensch. Ein wahrlich hübscher Wilder, zugegeben. Seine Haut war dunkel, seine Miene ernst und gefasst. Er trug nichts weiter als einen… Rock, sozusagen. Ein Rock, in dem Muster eines Tigers. Er wirkte gefährlich, wie ein Jäger. Die Augen immer wachsam, sein Haar struppig, unbändig, mit einem Band aus demselben Stoff, aus dem auch seine restliche Bekleidung bestand, um die Stirn gebunden, damit seine Haare ihm nicht die Sicht versperren und in seinem Gesicht hängen. Seine Haltung glich der einer Raubkatze! Sein Körper, muskulös und gespannt. Und seine Augen… Seine Augen sahen mich unverwandt an und ich hatte Mühe damit, seinem Blick standzuhalten. Da zückte der Fremde plötzlich ein Messer und ich sah ihn mit großen Augen an. Er würde mich töten, ganz sicher… Doch ich schrie nicht. Wozu auch? Egal, was ich tat, egal was ich unternahm, er würde mich sowieso besiegen. Er war stärker als ich, er war bewaffnet. Ich hatte keine Chance… Natürlich hatte ich Angst, natürlich wollte ich nicht sterben, aber ich wehrte mich auch nicht, winselte nicht. Es war ein merkwürdiges Gefühl, denn ich spürte förmlich die Kraft, die in mir lauerte. Ich gab mein Leben nicht auf, nein. Ich stellte mich nur diesem Fremden, der mich in wenigen Sekunden abstechen würde. Ich würde keine Beute sein… Und auch nicht meine Würde verlieren. Hier stand ich und wich keinen Schritt zurück sondern sah ihn nur gefasst an, wartete auf das Ende… Auf mein Ende. Sein Blick durchbohrte mich noch immer. Er ließ nicht locker, sah nicht eine Sekunde weg. Er bewegte sich nicht sondern war genau so ruhig wie ich. Was für wunderschöne Augen, dachte ich… Katzenartig, wild und… Frei! „Fremder…“, sagte der junge Mann. Verdutzt starrte ich ihn an, denn ich hatte nicht damit gerechnet, dass er sprechen kann. „Fremder mutig.“, fuhr er fort und legte das Messer beiseite. Er steckte es nicht etwa zurück in die Lederscheide, die er an seiner Seite trug, er legte es auf den Boden und zeigte mir seine Hände. War das etwa so etwas Ähnliches wie ein Friedensangebot? Hatte ich mir seinen Respekt verdient? Ich hatte zwar kein Messer bei mir, aber ich hielt ihm ebenfalls meine nackten Handflächen entgegen und sagte: „Ich bin eine Fremde, aber ich bin kein Feind!“. Ich hoffte inständig, dass er versteht, was ich damit sagen wollte und offensichtlich hatten meine Worte die gewünschte Wirkung erzielt. Freudig strahlte er mich an und mir entfuhr fast ein Lachen bei dem Anblick dieser leuchtenden Augen. In diesem Moment sah er aus, wie ein Kind, nicht wie ein Wilder. Seine Augen leuchteten, seine Muskeln entspannten sich und es kamen seine strahlend weißen Zähne zum Vorschein. „Freunde?“, fragte er und hielt mir seine Hand hin. Ich nahm das Angebot an und reichte ihm ebenfalls meine Hand. „Freunde!“, bestätigte ich schließlich und wir besiegelten diese neue Freundschaft mit einem festen Händedruck. So war ich also noch mal glimpflich davon gekommen mit meinem Leben. Ich hatte wirklich gedacht, das sei mein Ende gewesen… „Shea!“, sagte der Junge und zeigte mit der rechten Hand auf seine nackte Brust. „Du?“, fragte er und zeigte auf mich. Er hatte also sogar einen Namen, mein Wilder, und wollte nun meinen in Erfahrung bringen. „Julia.“, antwortete ich kurz. Ich wusste nicht, wie viel er verstand, wie gut er die Sprache tatsächlich beherrschte, deshalb hielt ich mich an das Nötigste, damit er mich nicht missverstand. Verwirrt blickte er mich an und zog seine Augenbrauen zusammen. „Julia?“, fragte er, als hätte er so einen merkwürdigen Namen noch nie zuvor gehört. Dabei ist er der wohl gewöhnlichste Name, den ich mir vorstellen kann… „Julia… Merkwürdiger Name. Was bist du?“, fragte er und musterte mich eindringlich. „Du siehst anders aus als Shea und Wada…“, sagte er und starrte ganz offensichtlich auf meinen Busen. Ich errötete nicht, als ich merkte, dass er mich anstarrte sondern musste ganz im Gegenteil, eher lachen. Er hatte wohl noch nie zuvor eine Frau gesehen! Wie süß! „Ich Frau! Du und Wada, Mann!“, versuchte ich zu erklären und fragte mich, wer dieser Wada wohl war. Vielleicht sein Vater? Und tatsächlich bekam ich bald die Antwort auf meine Frage, denn in diesem Moment öffnete ein Mann die Tür und trat hinein. Er war genau so sonderlich gekleidet, wie mein neuer Freund Shea, schien aber doch um einiges älter zu sein als er. Er hatte langes, verfilztes Haar, das er sich zu einem Zopf zusammen gebunden hatte. Anstatt einem Stirnband aus Pelz, wie Shea eines trug, trug er eines aus Tierknochen, was nicht gerade mein Vertrauen in diese Truppe förderte. Verbissen kaute er auf einer vertrockneten Eidechse herum und starrte grimmig durch die Gegend. Seine Reaktion war ganz und gar nicht wie die von Shea. Er schien sehr wohl den Unterschied zwischen einer Frau und einem Mann zu kennen, denn er starrte mich mit großen Augen an und wurde rot. „Was für schöne Frau!“, sagte er und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Was machst du hier?“, fragte er und musterte mich neugierig. „Dein kleiner Gefährte hat mich niedergeschlagen und dann bin ich in diesem Zelt hier aufgewacht.“, sagte ich schlicht und blickte ihn kühl an. Ich ging davon aus, dass er besser sprach als Shea, deshalb gab ich mir keine große Mühe dabei, jedes Wort deutlich und betont auszusprechen. Wütend blickte der Mann, bei dem es sich wohl um Wada handeln musste, meinen neuen kleinen Freund an, stapfte auf ihn zu und schlug ihm mit der Faust kräftig gegen den Kopf. Ich wollte schon protestieren, doch Shea schien hart im Nehmen zu sein. Mich hätte solch ein Schlag bestimmt bewusstlos gemacht, Shea jedoch rieb sich nur den Kopf und blickte seinen Gefährten verständnislos an. „Aber wieso, Wada…?“, fragte er beleidig. „Aua…!“ „Siehst du nicht, das ist Frau, kein Mann!!“, schimpfte Wada mit seinem kleinen Schützling. Shea musste wohl sein Schützling sein, denn man sah ganz deutlich, wer in dieser kleinen Gruppe, bestehend aus zwei Leuten, das Sagen hatte. „Frau nicht stark, wie Mann… Frau sanftes Wesen, musst du schützen, nicht angreifen!“, erklärte er ihm eindringlich. Verwirrt sah der arme Shea mich an. Natürlich, er hatte noch nie zuvor eine Frau gesehen. Wie konnte so etwas nur möglich sein… Ich konnte mir gar nicht vorstellen, wie ich mich fühlen würde, oder was ich denken würde, wenn ich zum aller ersten Mal einen Mann vor mir sehen würde, und das im Alter von etwa 20 Jahren… Eigentlich verfluchte ich ja den Tag, an dem die Männer in mein Leben getreten waren… Ich hasste die ganze Rasse, ich hasste sie einfach allesamt. Aber eigentlich nicht die Männer… Eigentlich hasste ich die Menschen. Ich hasste es, dass sie sich alle so perfekt gaben, so makellos, so ehrenhaft… Dabei wusste ich, jeder Mensch schleppt auch seine schlechte Seite mit sich herum. Die meisten verbargen so vieles, waren eigentlich doch so viel schlechtere Menschen als sie vorgaben zu sein. Doch Shea… Auch wenn unsere erste Begegnung nicht gerade glücklich verlaufen war und er mich bewusstlos geschlagen hatte… So rührte mich doch das Licht in seinen Augen. Er war rein. Einfach rein, unschuldig… Wie ein kleines Kind in dem Körper eines Erwachsenen. Er starrte mich nicht auf die Brüste, weil er mich begehrenswert fand, sondern weil er noch nie zuvor so etwas gesehen hatte. Leise lächelte ich bei dem Gedanken in mich hinein. Wer hätte gedacht, dass solche Menschen überhaupt existierten. Ich fing seinen Blick auf, sah zu, wie er mich betrachtete und sich wohl fragte, was jetzt genau der Unterschied war zwischen ihm und mir. Langsam ging er auf mich zu und fasste an die Stelle an meinem Hinterkopf, an der er mich heute Morgen niedergeschlagen hatte. Er musste gar nicht danach suchen, er wusste genau, wo er mich getroffen hatte. Leise hauchte er ein „tut mir leid“ und strich sanft über die kleine Beule, fuhr mir durch das lange goldene Haar, saugte meinen Geruch ein, speicherte das Gefühl von meiner Haut in seinen Fingern. Ich… Ich tat nichts weiter, als ihm in die Augen zu sehen. In diese Augen, deren Farbe für mich Freiheit bedeuteten. „SHEA!!!“, fuhr Wada ihn an und schlug ihm erneut mit der Faust eins über. „AUA!!! Was das soll, Wada?!? Wieso schlagen Shea?“, fragte der kleine Jaeger betrübt und ich lächelte sanft. Dieses Kind, dieses gefährliche Kind, war mir schon jetzt ans Herz gewachsen. „Schon gut, Wada!“, sagte ich beschwichtigend und fuhr Shea ebenfalls durchs Haar. Dieser sah mich dankbar an und schmiegte seinen Kopf an meine Hand. Er musste sich zu mir herunter beugen, damit ich ihn streicheln konnte. Ich wuschelte ihm durchs Haar und für mich fühlte es sich an, als würde ich einen Tiger streicheln. Jetzt fehlte nur noch, dass er anfing zu schnurren, er schien sich nämlich über diese Geste sehr zu freuen. Lange beobachtete Wada uns und sagte nichts. Dann schließlich, nachdem ich Sheas Kopf freigegeben hatte, wandte er sich wieder an ihn und sagte: „Du bringst neue Freundin jetzt nach Hause. Beschütze sie, denn Frau, Mutter allen Lebens! Besitzt besondere Kräfte, deshalb verdient unseren Respekt und all unsere Vorsicht! Aber Vorsicht, dass dich nicht zu viele Leute sehen…“ Auch wenn das alles für mich ziemlich verwirrend klang, so schien Shea doch voll und ganz zu verstehen, was er damit sagen wollte. Er nickte, nahm mich an der Hand und führte mich nach Draußen. Tatsächlich war das hier ein Wald, es gab nichts weiter als Bäume und man hatte den Eindruck, in jeder Ecke, hinter jedem Busch, lauerten Kreaturen die nur darauf warteten, sich auf uns zu stürzen. Es war schon Nacht und mir lief es eiskalt den Rücken herunter. Fest grub ich meine Hand in die seine und hielt mich nah bei ihm. Shea spürte meine Angst und nahm sein Messer in die Hand, was mir wohl zeigen sollte, dass er jeden töten würde, der mir zu nahe kam. „Keine Sorge, Julia! Shea beschützen!“, sagte er und grinste mich an. Da war wieder das Kind in ihm aber ich ließ mich davon nicht täuschen… In diesem Mann steckte sehr viel mehr als nur ein unschuldiges, reines Herz! Er begleitete mich durch die Wildnis und ich war traurig, dass ich mir die Gegend gar nicht hatte angucken können. Es schien ein großer Wald zu sein, aber jetzt in der Dunkelheit machte dieser Ort mir Angst und ich wollte so schnell ich nur konnte weg von hier. Wir erreichten die Brücke und da erschienen wieder die Lichter der Zivilisation. Während ich mich nun entspannte und augenblicklich wohl fühlte, schien es bei Shea genau anders herum zu sein. Jetzt war er es, der sich in fremden Gebieten befand, der nicht wusste, was sich hinter den Geräuschen und Bewegungen der Stadt verbarg. Diese Welt war ihm fremd, furchteinflößend. Doch Wada hatte ihm eine Aufgabe aufgetragen und er würde sie gewissenhaft zu Ende bringen. Ich wollte die Straße entlang bis zu mir nach Hause laufen, doch Shea bestand darauf, abseits zu laufen, wo es keine Lichter gab. Trotz vieler Proteste konnte ich ihn nicht abwimmeln. Ich versicherte ihm, dass mir nun nichts mehr passieren konnte, und ich auch alleine sicher nach Hause kommen würde, aber ich konnte ihn nicht davon überzeugen. Leise schlichen wir also im Dunkeln abseits der Straßen wie zwei Verbrecher unbemerkt an allen möglichen Leuten vorbei bis wir schließlich vor dem Tierladen ankamen. „Hier wohne ich!“, flüsterte ich, denn Shea hatte mir verboten laut zu sprechen, geschweige denn sonst irgendwelche Geräusche von mir zu geben. „Zu Hause?“, fragte Shea und musterte das Haus. Es sah natürlich wesentlich anders aus als das, was er von dem Wald aus kannte. „Zu Hause!“, bestätigte ich geduldig und strich sanft durch sein Haar. Lange sah er mich an und so standen wir noch eine ganze Weile vor meinem Haus. Irgendetwas war seltsam. Dieser Wilder… Dieser Mann, dieses Kind… Was auch immer… Ich fühlte mich auf merkwürdige Art mit ihm verbunden… Als wäre ich durch den heutigen Tag ein Teil seiner Familie geworden. Heute hatte ich sein Vertrauen gewonnen, seine Freundschaft… Und vor allem auch seine Loyalität, das war mir bewusst. Ihm bedeutete unsere Beziehung etwas. Das, was uns verband war… Echt! Er würde mich mit seinem Leben verteidigen, würde sich auf mich verlassen, egal was passiert. Trotz all dieser neuen Eindrücke fühlte ich mich nicht müde… Ganz im Gegenteil. Ich freute mich schon auf den nächsten Tag. Ich freute mich jetzt schon darauf, Shea bald wieder zu sehen… Mehr über ihn zu erfahren, dieses neugeknüpfte Band zwischen uns gründlicher zu erkunden. Seine Augen hatten mich in seinen Bann gezogen. Die Augen eines Jägers. Auch wenn er mir immer noch Angst machte… So hatte er mich auch fasziniert. „Danke, dass du mich beschützt hast!“, sagte ich schließlich um das Schweigen zu brechen… Auch ich schien ihn in meinen Bann gezogen zu haben, denn er ließ meine Augen nicht eine Sekunde lang aus den Augen, forderte, dass ich seinen Blick erwiderte. „Gute Nacht!“, fügte ich noch hinzu als er meine Hand nahm und fragte: „Freunde? Wiedersehen…?“ Er war offensichtlich verwirrt, offensichtlich spürte auch er diese… Verbindung zwischen uns. „Natürlich!“, antwortete ich und kraulte seinen Kopf. „Natürlich wiedersehen! Wir sind jetzt Freunde, Shea! Ich bin jetzt eine von euch!“ Es fehlte nur noch, dass mein Tiger anfing zu schnurren unter meiner Hand und meinen Worten. Er schien zufrieden und glücklich darüber zu sein. Da geschah etwas, was ich nicht hatte kommen sehen. Er beugte seinen Kopf zu mir herunter und kam meinem Gesicht ganz nah, viel zu nah… Erst rieb er seine Nase an meiner, dann seine Wange an der meinen… Und plötzlich leckte er mit seiner Zunge leicht über meine Wange und dann kam seine Stirn auf der meinen zur Ruhe. Meine Haut kribbelte, alles in mir bebte und er spürte bestimmt dasselbe. Aber er bewegte sich nicht. Er sah mich nur an, suchte in meinen Augen nach Antworten aber er fand sie nicht… Denn ich suchte in seinen Augen dieselben Antworten auf dieselben Fragen, die er sich auch gerade stellte. Da löste er sich schließlich von mir und verschwand wieder in der Dunkelheit. Ich konnte nichts weiter tun als seiner Gestalt zu folgen bis er schließlich verschwand. Ich wusste, dass ich ihn schon bald wiedersehen würde… Und ich freute mich darauf! Mit einem Lächeln bis über beide Ohren ging ich also zurück in mein Haus, zurück in mein Leben. Kapitel 14: Der Geburtstag (Vaughn) ----------------------------------- Worte des Autors: Ich weiß, viele werden sich darüber freuen, dass Vaughn endlich mal wieder auftaucht ;). Ich versuche natürlich immer über alle zu schreiben und möglichst auf jeden der Charaktere und seine jeweilige Geschichte einzugehen, also habt bitte ein bisschen Verständnis. Viel Spaß beim Lesen :) Und so befand ich mich wieder einmal auf dieser wunderschönen Insel, der Insel des Glücks. Nach unzählig langen Wintertagen schien endlich wieder die Sonne und die Tiere konnten wieder draußen sein. Es freute mich zu sehen, wie alles gedieh und die Tiere auf Chelseas Farm heranwuchsen. Ich musste gestehen, sie machte einen hervorragenden Job. So groß meine Abneigung gegen sie auch sein mochte, sie leistete großes mit den Tieren und gab Tag für Tag ihr Bestes. Was mir manchmal Sorgen bereitete… Manchmal, da hatte ich das Gefühl, nichts funktionierte hier ohne sie. Wenn sie lachte, dann lachten alle hier auf der Insel. Wenn sie stark war, dann waren alle anderen auch stark. Sie trieb hier alles voran. Doch ich wusste, dass auch sie keine unermesslichen Kraftreserven besaß… Irgendwann würde sie letzten Endes doch an den vielen Aufgaben und Lasten brechen, wenn ihr nicht irgendjemand bei der Arbeit half. Seitdem Natalie mir von Chelseas Zustand erzählt hatte, konnte ich nicht anders, als jede Woche, wenn ich mich auf der Insel befand, nach ihr zu sehen. Ich wollte mich vergewissern, dass es ihr gut ging, brachte die Tiere auf das Feld und half ihr bei der Pflege. Ich wusste, wie glücklich sie über meine Hilfe war… Nicht etwa, weil ich ihr half… Von jedem anderen Menschen hier auf dieser Insel, hätte sie bestimmt keine Hilfe angenommen… Nur von mir. Meine Hilfe nahm sie entgegen, denn das war ihre einzige Möglichkeit Zeit mit mir zu verbringen… Zeit, mit dem Mann zu verbringen, in den sie verliebt war. Wie dumm nur, dass ich mich auf solche Gefühle nicht einlassen wollte. Ich konnte es einfach nicht. Doch sie… Sie bewegte einfach so vieles in mir, weckte so viele Sehnsüchte, die ich seit so langer Zeit schon unter Verschluss gehalten hatte. Sie war ständig in meinem Kopf, immerzu dachte ich an sie und nichts half. Egal, wie abweisend ich mich ihr gegenüber verhielt, egal, wie oft ich sie auch ablehnte… Sie war immer da. Jedes Mal kam sie erneut auf mich zu, brachte mir Geschenke, versorgte mich. Sie fand immer Zeit für mich, obwohl doch auch andere Männer hier auf der Insel gerne mit ihr Zeit verbringen würden… Diese Brillenschlange und der Fischer… Ich mochte sie nicht. Insbesondere hasste ich den Fischer, der es gewagt hatte, Chelsea so nachzustellen… Sie waren mir beide einfach zuwider. Immer fröhlich. Immer lächelnd, nichtsahnend durch die Welt stapfend, oberflächlich und naiv. Einfältig. Nicht für jeden war das Leben so einfach und sorglos, wie für diese beiden. Man war nicht immer wohlbehütet auf dieser Welt, konnte sich nicht auf seine Familie verlassen oder einfach den ganzen Tag am Strand sitzen und Fisch essen… In der Stadt, da war das Leben ganz anders… Fressen oder gefressen werden… Das waren die Gesetze der Großstadt. Wer überleben wollte, der hatte keine Wahl, der musste raus und sich mühevoll seine Brötchen verdienen… Inmitten dieser Menschenmassen und doch völlig allein. Ich will es gar nicht leugnen… Ich habe nie Elternliebe erfahren. Ich habe einiges an Prügel einkassiert in meinem Leben, wurde nur schlecht behandelt. Der einzige Mensch, der gut zu mir gewesen war, war Mirabelle. Sie und Julia waren immer für mich da gewesen oder hatten zumindest versucht für mich da zu sein. Tatsächlich war ich nämlich kein Mensch, der gerne die Hilfe anderer Leute annahm. Das bedeutete nur, dass ich in ihrer Schuld stand. Das brachte Verantwortung mit sich und Verpflichtungen auf die ich mich nicht einlassen wollte. Trotzdem waren sie die einzige Familie die ich besaß. Die einzigen beiden Menschen auf dieser Welt, die sich um mich scherten. Abgesehen von Chelsea… Aber eine Beziehung mit ihr würde sehr wohl Konsequenzen haben. Sie würde mir das Gefühl von Geborgenheit geben… Mir eine Illusion erschaffen, in der ich mich bei ihr sicher fühlte und dann… Dann würde sie doch schnell wieder die Nase voll haben von dem armen Tierjungen. Der kein Geld hatte. Der immer mürrisch war. Der nie lachte. Außerdem hatten es Frauen einfach so an sich, Erwartungen gegen einen Mann zu richten. Niemals waren sie zufrieden. Nie konnten sie einfach glücklich sein, diese Weiber. An ihrer Seite war die Welt oftmals so viel schöner, so viel komplizierter und so viel zerschmetternder, als wenn man alleine war. Natürlich… Wenn ich ehrlich war, dann hegte ich nur aus einem einzigen Grund diesen Groll gegen Chelsea. Weil sie mir Hoffnung machte. Hoffnung auf etwas Größeres… Etwas tieferes, was ich schon lange aus meinem Leben ausgeschlossen hatte weil ich der festen Überzeugung war, es niemals zu erfahren. Niemals geliebt zu werden… Und vor allem niemals zu lieben. Wie sollte ich denn einen Menschen lieben, wenn ich doch nicht wusste, wie das geht? Meine Eltern hatten mich nicht geliebt. Die Frauen, die in mein Leben getreten waren hatten mich auch nicht geliebt. Julia liebte mich nicht. Das was uns beide verband, war etwas ganz anderes, wesentlich emotionsloseres. Und Mirabelle… Liebe war ein zu großes Wort um das zu beschreiben, was sie für mich empfand. Ich würde es eher als Mitleid oder mütterlichen Urinstinkt bezeichnen, aber als mehr auch nicht. Und Chelsea… Vielleicht wusste sie ja selber nicht, was sie vom Leben wollte. Und überhaupt, sie kannte mich kaum. Wie konnte sie da von sich behaupten, mich zu lieben, geschweige denn, sich von mir Liebe erhoffen? Es war aussichtslos. Ich wollte mich einfach nicht öffnen, wollte einfach nicht aus meiner Schale kriechen, also war Chelsea sowieso besser dran ohne mich. Sie würde irgendwann die Brillenschlange heiraten und mich schnell vergessen. So war es bestimmt am Besten. Es sollte einfach nicht sein, das mit uns beiden. Ich würde sie im Endeffekt doch nur unglücklich machen. Das war eines meiner großen Talente… Menschen unglücklich machen. Deshalb hielt ich mich lieber von ihnen fern. Keine Verbindungen-Keine Verpflichtungen! So einfach war das und so funktionierte meine kleine Welt. Aber auch wenn ich für Chelsea nicht der Mann sein konnte, den sie sich wünschte, so konnte ich doch wenigstens der starke Arm sein, den sie brauchte. Ich wollte mich gerade auf den Weg zur Ranch machen, da kam mir der Grund meiner unermesslichen Kopfschmerzen auch schon entgegengerannt. „Vaughn, ich habe dich schon erwartet!“, begrüßte Chelsea mich freudestrahlend und schloss meine Hände in ihre ein. Ich ließ es zu und wehrte mich nicht dagegen, auch wenn ich mich in dieser kurzen Berührung viel zu wohl fühlte… „Wie geht es den Tieren?“, fragte ich kurz, musterte sie aber eindringlich. Mir konnte sie nichts vormachen, Chelsea, mit ihren stämmigen Beinen und dem breiten Becken. Sie wirkte auf den ersten Blick vielleicht Stabil und Standfest, aber der Schein trog! Sie war mager, wie immer… Erschöpft und ihre Augen sahen müde aus. Trotzdem strahlte sie bis über beide Ohren, wie sie es immer tat. Ich war mir sicher, niemand bemerkte, wie schwach sie eigentlich war. Niemand sah, wie schwer sie sich eigentlich tat. „Den Tieren geht es wunderbar!“, antwortete Chelsea auf meine Frage. „Kannst du mir heute vielleicht wieder bei der Arbeit helfen? Ich weiß, ich sollte dich nicht immer Fragen, aber…“ „Schon gut! Ich komme mit.“, unterbrach ich sie. Sie brauchte sich keine Ausreden einfallen lassen, schließlich wussten wir beide, weshalb sie mich eigentlich um Hilfe bat. Wir liefen also die Straße entlang, hinauf zu ihrem Haus. An solch sonnigen Tagen war es einfach herrlich hier auf der Insel zu sein und nicht in der Großstadt. Ich würde es niemals zugeben, aber ich genoss die Stunden mit Chelsea… In ihrer Nähe fühlte ich mich wohl, was mir Sorgen bereitete. Bei der Ranch angekommen, brachten wir zuallererst die Hühner und den Hund nach draußen. Lucky kümmerte sich pflichtbewusst um seine Schützlinge, während wir die Kühe bürsteten, molken und hinaus auf die Weide brachten. Chelsea hatte Grass angepflanzt und hungrig machten sich die drei Kühe nun über ihre Mahlzeit her und tankten ausgiebig Sonne. Ich half Chelsea sogar dabei die Blumen zu gießen, obwohl sie anfangs meine Hilfe partout nicht annehmen wollte. Ich war zwar kein Experte, aber sie zeigte mir schließlich, welche Pflanzen ich gießen musste und wie viel Wasser sie jeweils benötigten. Sie kannte sich wirklich gut aus, bisher hatte sie zu jeder Jahreszeit das Erntefest gewonnen, welches immer zur Erntezeit stattfand. Dieses Jahr würde der Rancher gewinnen, der die besten Kartoffeln anpflanzte. Ich beobachtete, mit wie viel Hingabe sie sich um alles hier kümmerte… Die Tiere, ihre Ernte, sogar das Feld war von jeglichem Unkraut befreit. Ich verstand, wieso sie so erfolgreich war. Die Stunden vergingen, Chelsea pflanzte noch einige Rüben an und wir spielten ein wenig mit Lucky, bis es dunkel wurde und wir die Tiere wieder in ihre Hütten hineinbrachten, damit keine wilden Hunde sie angriffen. Lucky begleitete uns noch mit zu Chelseas Haus. Eigentlich wollte ich schon wieder zurück nach Hause, aber Chelsea bestand darauf, dass ich sie noch nach Hause begleiten solle, deshalb tat ich ihr den Gefallen und folgte ihr. In ihrem Haus angekommen bat sie mich darum Platz zu nehmen und holte etwas aus dem Kühlschrank. Kurze Zeit verschwand sie in der Küche und es fing an herrlich zu riechen. Was machte sie denn so lange dort in der Küche? Als sie wieder kam traute ich meinen Augen kaum. Sie trug eine Kochschürze, zwei riesige Backhandschuhe. In ihren Händen hielt sie ein riesiges Blechtablett voller heißem, frischem Milchreis. Sie betrachtete mich schüchtern und sagte plötzlich: „Ich wünsche dir alles Gute zum Geburtstag, Vaughn…“. Ihr Gesicht wurde rot und sie blickte verlegen zu Boden. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich war perplex, schließlich hatte sogar ich meinen eigenen Geburtstag vergessen. Sie sah so süß aus, wie sie da stand mit ihrer Schürze und den Handschuhen… Am liebsten hätte ich sie geküsst. Am liebsten würde ich sie in meine Arme schließen und anstelle des Milchreises auffressen, aber so leicht war das alles nicht. Mit jeder anderen Frau hätte ich es tun können, jedoch nicht mit ihr. Nicht mit ihr, denn sie… Mit ihr war einfach alles anders. Ein falsches Wort, eine falsche Bewegung und es gab kein Zurück mehr. Dann wäre ich an sie gebunden und sie hätte Macht über mich. Die Macht, mich zu verletzen, mich mit einem falschen Wort und einer falschen Tat einfach zu zerbrechen. Genau aus diesem Grund hielt ich mich zurück. So behielt ich die Kontrolle… So konnte ich das Tempo angeben und auf diese Weise konnte ich entscheiden, wie nahe ich sie an mich heranlassen würde. Doch während ich so in ihrem Wohnzimmer saß und dieses wunderschöne Geschöpf mit den großen blauen Augen und dem glatten Haar betrachtete ahnte ich noch gar nicht, wie viel Macht sie bereits über mich erlangt hatte. Ohne es zu wissen, geschweige denn es zu wollen. Es gab Dinge, die ließen sich nicht kontrollieren, ließen sich nicht aufhalten, aber in diesem Moment… Diesem Moment, in dem sie dastand und wir beide nichts sagten sondern verlegen unseren eigenen wirren Gedanken nachgingen, da wussten wir beide nur eine einzige Sache. Und zwar dass es schön war gemeinsam hier zu sein und nichts zu sagen. Nichts zu sagen um diesen Moment einfach so lange hinaus zu zögern wie es nur irgend möglich war. Die Präsenz des anderen zu genießen… Heimlich, jeder für sich ohne sich das so recht eingestehen zu wollen. Also tat ich nichts. Ich sah sie nur an und es kam kein Wort aus meinem Mund. Wahrscheinlich war ich auch rot geworden. Ich muss ziemlich verdattert geguckt haben, denn Chelseas Miene hellte sich augenblicklich auf. Leise kicherte sie und ich konnte nicht anders als ihr auch ein kleines Lächeln zu schenken. „Ich liebe es, wenn du lachst!“, sagte sie und umarmte mich. „Ich wünsche dir von Herzen alles Gute, Vaughn. Und ich danke allen Göttern dieser Welt, dass es dich gibt!“. Ihre Worte waren so ungezwungen, so unschuldig und so ehrlich, dass es mir das Herz brach. Wieso waren die Frauen nur so? Oder besser gesagt: Wieso war sie so? Wieso war Chelsea so erpicht darauf, mich für sich zu gewinnen? Wieso gab sie sich so viel Mühe um mich obwohl ich ihr nichts zurück gab? Schüchtern entfernte sie sich wieder von mir denn sie spürte, dass das etwas zu viel Körperkontakt für meine Verhältnisse gewesen war. Dieses kleine Mädchen wusste gar nicht, was sie mit mir anrichtete. Was für Sehnsüchte und Wünsche sie in mir weckte. „Danke, mein kleiner Kopfschmerz.“, erwiderte ich mürrisch und lief zur Küche und holte uns zwei Schüsseln und zwei kleine Löffel. Chelsea schien etwas verwirrt über ihren neuen Kosenamen zu sein, deshalb sah sie mir lange nach bis sie sich schließlich wieder fasste und fragte: „Willst du deinen Milchreis vielleicht mit Zimt essen?“ Sanft tätschelte ich ihren Kopf und antwortete ihr, so nett ich nur konnte. „Gerne! Vielen Dank nochmals… Das wäre wirklich nicht nötig gewesen.“ Chelsea war sichtlich erfreut, genauso wie Lucky, denn dieser hüpfte fröhlich zwischen unseren Beinen hin und her. „Keine Sorge du kleiner Frechdachs! Ich habe dich nicht vergessen!“, sagte sie zu Lucky und brachte auch ihm einen Futternapf voller Hundefutter. Glücklich gesellte sich der Kleine also zu uns, futterte selig sein Futter und ließ sich von mir kraulen. Chelsea und ich aßen den Milchreis und unterhielten uns lange. Über das Leben in der Stadt, über das Leben hier auf der Insel… Darüber wie wir uns unser zukünftiges Leben vorstellten. „Ich würde gerne hier auf der Insel leben… Irgendwann.“, gestand ich und trank einen Schluck von dem Tee, den Chelsea mir gemacht hatte. „Ich finde es hier schön… Viel schöner als in der großen Stadt!“ „Ja, das finde ich auch!“, erwiderte Chelsea. „Ich habe auch lange in der Stadt gelebt… Ich hatte zwar nie damit gerechnet eines Tages eine eigene Ranch zu leiten… Ich muss zugeben, das war so nicht geplant… Aber ich bin sehr glücklich hier! Viel glücklicher als ich es mir jemals hätte vorstellen können! Die frische Luft tut so gut, das leckere Essen, dass ich mit meinem eigenen frischen Gemüse zubereite.“ „Du leistest hier großes, Chelsea… Wenn es dich nicht gäbe, dann wären wir alle hier arbeitslos.“, sagte ich und daraufhin lachte sie herzlich. „Du übertreibst, Vaughn… Ich weiß gar nicht, was ich ohne euch alle machen würde! ICH wäre arbeitslos!“ „Chelsea…“, sagte ich leicht gereizt, denn es nervte mich wenn sie so selbstlos war. „Ohne dich würde hier nichts funktionieren! Deshalb solltest du besser auf dich aufpassen. Ich bin nicht immer hier… Ich kann dir nicht immer helfen. Du darfst dich nicht immer so überanstrengen!“, ich betonte meine Worte und funkelte sie mahnend an. Ich wollte nicht, dass ihr etwas zustößt. Sie schien zu verstehen, dass ich mich um sie sorgte denn ein sanftes Lächeln umspielte ihre Lippen als sie mir schließlich antwortete: „Mach dir um mich keine Sorgen! Ich werde besser auf mich aufpassen, versprochen.“ Auch wenn ich wusste, dass sie ihr Versprechen wieder brechen würde, wollte ich mich für heute mit damit zufrieden geben und mich wieder meinem Milchreis und meinem Tee widmen. Ich liebte Milchreis und er schmeckte auch wirklich hervorragend. Sie hatte sich wirklich viel Mühe gemacht und ich wusste das sehr zu schätzen. Die Wahrheit ist, ich wusste nur zu gut, dass was ich tat nicht gut war. Ich ließ mich auf sie ein, obwohl ich das nicht sollte. Sie verdiente etwas Besseres. So sehr ich auch versuchte, sie schlecht zu reden… In Wahrheit fand ich sie fantastisch. In Wahrheit, war ich total hin und weg von ihr. Ich wollte am liebsten jeden Mann, der ihr zu nahe trat töten und wenn ich könnte, so würde ich sie am liebsten Tag und Nacht an meiner Seite haben um Sicher gehen zu können, dass ihr nichts passierte und sie nicht bei einem anderen war. Eigentlich sah ich sie wie mein Eigentum, das war die Wahrheit. Aber es war egal, ob ich das wusste oder nicht. Dieser Abend, mein Geburtstag war noch nicht der richtige Augenblick für derartige Eingeständnisse. Wir aßen eine Menge und Chelsea packte mir sogar den Rest ein um ihn mit zu Mirabelle zu bringen. „Gib den beiden etwas davon ab! Und grüß sie bitte ganz lieb von mir!“, betonte Chelsea als sie sich von mir verabschiedete. „Mache ich, keine Sorge! Sie werden sich bestimmt sehr darüber freuen.“ „Das hoffe ich… Komm gut nach Hause und pass auf dich auf!“ „Bis morgen.“, erwiderte ich knapp und machte mich auf den Weg nach Hause. Draußen war es schon dunkel und es war ein kühler Wind aufgezogen. Ich fragte mich, wie das Wetter morgen wohl sein würde. Ich hoffte, Chelseas Ernte würde durch das Unwetter nicht zu Schaden kommen. Ich lief also die Straße entlang zu Mirabelle und Julia. In Gedanken war ich noch immer bei Chelsea… Bei ihrem Geschenk zu meinem Geburtstag, bei ihrer süßen Stimme und ihrem sanften Lächeln. Niemand sah mich, niemand war zu dieser Uhrzeit noch auf und selbst wenn… Niemand konnte in mein Herz sehen und wissen, was sich dort befand… Welcher Gedanke mich gerade warm ums Herz werden ließ. Zu Hause angekommen erwartete mich die zweite Überraschung dieses Tages. Das Haus war dekoriert, Luftballons lagen verstreut auf dem Boden und ein großer Schokoladenkuchen stand auf dem Wohnzimmertisch. Mit einem lauten „Happy Birthday“ empfingen mich die zwei Frauen und nahmen mich freudig in die Arme. „Das wäre nicht nötig gewesen…“, sagte ich ruhig doch in mir bewegte sich so einiges. Damit hätte ich wirklich nicht gerechnet… Ich hätte nicht gedacht, dass sie alle an mich denken würden. Für mich… Hatte dieser Tag noch nie eine Bedeutung gehabt. Der Tag meiner Geburt. Ich hatte nie den Eindruck gehabt, irgendein Mensch interessiere sich dafür, ob ich existierte oder nicht. „Vaughn, wir wünschen dir von Herzen alles Gute zum Geburtstag!“, sagte Julia freudig und hielt mich fest umschlungen. „Ich hoffe, Chelseas Überraschung war auch ein voller Erfolg…“, fügte sie kichernd hinzu und ich konnte nichts dagegen tun, dass mir die Röte ins Gesicht schoss. Die beiden bemerkten es und kicherten vergnügt. Ich bemühte mich erst gar nicht um eine schnippische Antwort denn ich wusste, dass ich sie nicht zum Schweigen bringen würde. Da bemerkte ich plötzlich zwei andere Gestalten, die sich im Hintergrund aufhielten. Mir stockte der Atem, als ich sie sah. Sie sahen aus wie zwei Neandertaler und sie musterten mich neugierig. Julia bemerkte wie ich sie anstarrte, da lächelte sie sanft und erklärte: „Das sind Freunde von mir. Sie leben schon seit Jahren in der Wildnis und ich wollte, dass ihr sie kennenlernt!“ Skeptisch betrachtete ich die beiden. Vor allem den jüngere mit den hellen Haaren der mich feindselig ansah. Er schien angespannt und gefasst. Da bewegte sich Julia zu ihm hin und strich ihm uebers Haar, da entspannte er sich augenblicklich und stellte sich schützen vor sie. Julia bewegte amüsiert ihre Lippen zu einem „So ist er nun mal“ und lächelte glücklich. Sie sah glücklich aus… Er sah ihr in die Augen und sie erwiderte seinen Blick, da schien die Welt für die beiden wieder in Ordnung zu sein. Wir aßen, unterhielten uns, auch wenn die beiden Neandertaler nicht so gut sprachen, aber es war doch sehr angenehm. Julia saß neben mir und ich legte unauffällig meinen Arm um sie und sagte leise: „Er ist hundert Mal besser als der Arzt. Ein bisschen primitiv, aber er scheint dich sehr zu mögen!“ Verlegen blickte sie zu dem jungen Mann hinüber der sich mit Mirabelle unterhielt. Sie schien sich unglaublich mit ihren Gästen zu amüsieren. Sie war so ein offenherziger und guter Mensch… „Ich weiß noch nicht so ganz was es ist, was uns verbindet…“, sagte Julia und betrachtete den Mann namens Shea. „Ich glaube, für sie gehöre ich sozusagen zu ihrem Rudel…“ Leise lachten wir und sie blickte mir in die Augen. „Du siehst glücklich aus…“, sagte sie. „Ich schätze mal, es liegt an Chelsea.“ „Ich habe mich lange nicht mehr so wohl gefühlt…“, gestand ich nach langem Zögern. „Du solltest es ihr sagen bevor es zu spät ist…“, sagte Julia mit Nachdruck und ich fragte mich wieso. Es war nicht ihre Art sich in meine Angelegenheiten einzumischen. Andererseits… Normalerweise mischte ich mich auch nicht in ihre Angelegenheiten… Ich nahm diesen Vorschlag hin und ging nicht weiter darauf ein auch wenn ich merkte, dass Julia mir etwas sagen wollte… Dass es da wohl etwas gab, was sie beschäftigte. Doch der Abend war so schön gewesen, das waren so viele neue Eindrücke gewesen… Ich beschloss mich zurück zu lehnen und den Abend zu genießen… Meinen Kuchen zu essen (wahrscheinlich würde ich heute an Überzuckerung sterben, aber das war mir egal) und einfach die letzten Stunden meines Geburtstags zu genießen… Die zwei Tage die ich hier in diesem kleinen Paradies verbringen konnte bevor ich wieder zurück in die Stadt musste… Kapitel 15: Der Konflikt (Natalie) ---------------------------------- Erst einmal ein paar Worte vom Autor: Es tut mir echt Leid, dass das mal wieder so lange gedauert hat. Ich hoffe ihr habt immer noch alle Interesse an meiner Geschichte! Ich hatte in letzter Zeit nur so einiges an Prüfungsstress aber ich schau dass ich jetzt mal ein bisschen zügiger meine Geschichte weiter schreibe :-)! Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen! Eure Tori-chan Die ganze Sache zwischen Vaughn und Chelsea war äußerst kompliziert geworden... Gestern hatte ich den Entschluss gefasst es ihr zu sagen... Ich wollte Chelsea die Wahrheit erzählen über Vaughn und Julia doch ich konnte nicht... Wieso musste sie nur immer so bis über beide Ohren grinsen, wenn sie ihn ansah? Wieso war sie in seiner Gegenwart nur immer so glücklich? Und er... Wieso suchte er überhaupt ihre Nähe? Ich fing an, Vaughn dafür zu hassen dass sie ihn so liebte! Wie sollte sie denn glücklich werden... Wie konnte er sie denn schon glücklich machen? Ich hätte doch lieber versuchen sollen, Chelsea mit meinem Bruder zu verkuppeln anstatt Vaughn auf sie aufmerksam zu machen. Doch nun war es sowieso zu spät und ich hockte betrübt in meinem Zimmer und grübelte vor mich hin. Einerseits zwang mich mein Gerechtigkeitssinn förmlich dazu es ihr zu sagen, andererseits... Wie konnte ich es übers Herz bringen das, was gerade dabei war zwischen den beiden zu entstehen, einfach so zu zerstören? Schwierig... Aber sollte ich meine beste Freundin denn einfach eine Lüge leben lassen? Alles in mir sträubte sich dagegen das zuzulassen. Sie sollte wissen, worauf sie sich einließ und wenn er wirklich der Richtige war, so würden sie auch trotzdem zusammenfinden. Aber wie sollte ich ihr das nur erklären... Schließlich glaubte ich Julia und das zwischen ihr und Vaughn schien zum einen nichts Ernstes und zum anderen nichts aktuelles mehr zu sein... Trotzdem... Sie musste es wissen! Sie hatte ein Recht darauf es zu erfahren! So lag ich in meinem Bett und grübelte vor mich hin. Es war ein regnerischer Tag, weshalb meine gesamte Familie, mich eingeschlossen, heute zu Hause blieb. Ich trug meinen Schlafanzug und hörte den Regentropfen zu, die laut gegen meine Scheibe prasselten. Ich war so in Gedanken versunken. Dass ich gar nicht bemerkte wie sich Danny an mich heranschlich und plötzlich nach meinen Füßen schnappte. "Was zum..." Schrie ich erschrocken auf doch zu spät... Danny kitzelte mich an den Fußsohlen (obwohl er nur zu genau wusste, dass ich das gar nicht mochte) und lachte herzhaft. Vergeblich versuchte ich mich mit aller Kraft zu wehren, wand mich wie ein Fisch im Trockenen unter seinem Griff, doch es war vergebens. Seine starken Hände ließen mich nicht los und mit einem Ruck zog er mich aus dem Bett direkt in seine Arme. Was hatte dieser Mensch nur so wenige Hemmungen vor Berührungen?? Immer kam er mir so nah... Viel zu nah und bemerkte gar nicht, was er mit diesen kleinen Berührungen und Gesten in mir für Gefühle auslöste... Er wusste es nicht. Er ahnte nicht einmal, wie viel Es mir bedeutete... Wie viel ER mir bedeutete... Und er würde es auch nie erfahren denn ganz offensichtlich war er total hin und weg von dieser Lanna, die seit neustem hierhergezogen war. „Bist du des Wahnsinns?!?“, schrie ich ihn an und schlug mit der Faust feste auf seine Brust. „Du hast mich zu Tode erschreckt!“ „Du sahst so nachdenklich aus!“, erwiderte Denny, wenig beeindruckt von meinem Schlag und wuschelte mir durch das Haar. „Ich dachte, ich kann dich ein bisschen aufheitern. Was ist denn los“ Was los ist? Meine beste Freundin ist einen Mann verliebt, der sie gar nicht verdient hat. Mein Bruder ist genau so unglücklich verliebt wie ich in eine Person, die nichts von mir wissen will, nämlich in dich!- Schrie ich ihn in Gedanken an doch aus meiner Kehle gelang nichts weiter als ein mürrisches Grummeln. Ich wandte mich von ihm ab, damit er nicht sah, wie mir die Röte ins Gesicht stieg. In letzter Zeit, da war seine Gegenwart einfach unerträglich… Elliot hatte mir erzählt, er habe Denny mit Lanna letztens im Dog Diner’s zusammen essen gesehen… Die Vorstellung, dass die beiden bald ein glückliches Liebespaar sein würden raubte mir schier den Verstand. „Ach komm schon, Kleine!“ unterbrach Denny meine Gedanken und drehte mich mit Schwung wieder zu sich her. „Ist alles in Ordnung bei dir?“, fragte Denny mit sorgenvoller Miene. „Du bist in letzter Zeit so… Anders. Ich vermisse dich ja richtig…“ „Du hast ja jetzt Lanna…“, erwiderte ich schnippisch. Ich konnte meine Liebe vor ihm zwar verstecken, jedoch nicht meine Eifersucht… Ich hatte die Nase voll davon so zu tun, als würde ich sie gutheißen… „Ach Natalie…“, beschwerte sich Denny. Ich wusste, dass er solche Komplikationen hasste. Er war manchmal so einfältig… So unkompliziert und sorglos, dass er es einfach nicht ausstehen konnte, wenn man ihn mit so negativen Gefühlen wie den meinen konfrontierte. Ich wusste es… Natürlich war ich viel zu kompliziert für ihn… Niemals würde er die Geduld und die Ausdauer finden mit jemandem wie mir zusammen zu sein… Aber verändern konnte ich mich nun mal nicht… Wollte er also meine Freundschaft, so musste er mich so akzeptieren, wie ich war. „Du weißt, ich mag sie nicht…“, unterbrach ich ihn schnippisch. „Außerdem, wer wollte denn lieber mit ihr essen als auf mich zu warten?“ „Jetzt fängst du schon wieder an!“, meckerte Denny und funkelte mich böse an. „Hör auf so nachtragend zu sein!“ „Weißt du was, Denny? Ich will dass du gehst und mich in Ruhe lässt. Ich hab keine Lust darauf deine zweite Wahl zu sein. Wieso bist du heute überhaupt hierhergekommen? Hatte Lanna etwa keine Zeit für dich?“, fragte ich ihn sarkastisch. Wir beide kannten die Antwort. Wir beide wussten, dass er nur deshalb hier war. Mit großen Augen blickte er mich an. Er verstand einfach nicht, wie ich so abweisend sein konnte… Wieso es mich so störte. Ich fühlte mich ein wenig schlecht, denn woher sollte der Ärmste denn auch wissen, was ich für ihn empfand. Jeder andere würde es vielleicht wissen, jeder andere wüsste wahrscheinlich die Zeichen der Eifersucht richtig zu deuten… Aber nicht Denny. Er wusste nicht, was mich bewegte, was in mir vorging… Er wand sich also von mir ab und lief zur Tür, blieb jedoch davor stehen und warf mir noch einmal einen wehmütigen Blick hinüber. „Willst du wirklich, dass ich gehe…?“, fragte er und ich sah in seinen Augen, dass er nicht gehen wollte. „Nein, Denny…“, antwortete ich. „Natürlich wünsche ich mir nichts sehnlicher, als das du bleibst…!“ Natürlich blieb er bei mir… Und natürlich vertrugen wir uns wieder… Auch wenn ich tief in meinem, Inneren wünschte, ich sei stärker… Ich wünschte, ich könnte ihn wegschicken! Könnte einfach sagen, dass er sich nie wieder bei mir blicken lassen sollte… Aber ich wollte es nicht. Ich wollte nicht ohne ihn sein. Selbst wenn er meine Gefühle nicht erwiderte… Und selbst, wenn alles umsonst war… Selbst wenn es hoffnungslos war, an eine Zukunft mit ihm zu glauben. Früher oder später würde der Tag kommen, da würde er tatsächlich weggehen… Er würde sich für eine Andere entscheiden. Aber so weit war es ja noch nicht, deshalb beschloss ich, einfach die Zeit, die mir noch mit ihm blieb zu genießen obwohl ich nur zu genau wusste, dass das nicht gut für mich war… Wir beschlossen, Chelsea einen kleinen Besuch abzustatten. Es regnete, deshalb konnte sie sich heute auch eine Pause von der Feldarbeit gönnen. Bestimmt würde sie aber bei ihren Tieren sein und sich um diese kümmern. Als wir bei Chelseas Haus ankamen war sie tatsächlich gerade dabei ihre Kühe zu melken. Doch sie war nicht alleine dort… „Guten Morgen ihr zwei…“, begrüßte Denny die beiden munter, obwohl ich nur zu genau wusste, dass er nicht gerade begeistert über Vaughns Gegenwart war. Die beiden konnten sich auf den Tod nicht ausstehen. Dementsprechend antwortete Vaughn auch auf diese Begrüßung. „Guten Morgen, Natalie!“, sagte er knapp und ignorierte Denny, was diesen die Zornesröte ins Gesicht steigen ließ. „Hey ihr beide!“, erwiderte Chelsea freudig und rettete somit die Situation. „Was macht ihr hier? Seid ihr auch gekommen um mir zu helfen?“ „Ja!“, sagte ich und ging hinüber zu meiner Freundin um sie zu umarmen. „Aber wie ich das sehe, bist du in besten Händen!“ Freudig lächelte Chelsea und ich wusste, dass sie überglücklich war. Und wieder waren meine Gedanken überflutet von den Fragen, die ich mir schon den ganzen Morgen gestellt hatte… Soll ich ihr die Wahrheit über Vaughn sagen oder nicht? „Ihr könnt trotzdem gerne hier bleiben und uns helfen. Es ist genug Arbeit für alle da!“, scherzte Chelsea und lachte vergnügt. Offensichtlich hatte Denny auch nicht vor, sich von seinem Erzfeind verscheuchen zu lassen. Schließlich war auch er Chelseas Freund und er konnte es nicht auf sich sitzen lassen so behandelt zu werden. „Natalie, wie wärs, wenn wir beide uns um das Essen kümmern würden und die Männer sich so lange hier um die Tiere?“, fragte Chelsea. „Ich halte das für keine so gute Idee…“, erwiderte ich vorsichtig. Ich wusste nicht ob es so gut sein würde, die beiden Männer hier miteinander alleine zu lassen… Sie würden sich womöglich noch gegenseitig die Köpfe einschlagen. Doch da mischte Denny sich auch schon sichtlich vergnügt in das Gespräch ein. „Chelsea, das ist ja wirkliche eine FANTASTISCHE Idee! Nicht war, Vaughn ?“ Dieser warf Denny nur einen verächtlichen Blick zu und kümmerte sich weiter um die Kühe. „Also, Abgemacht!“, sagte Chelsea, packte mich am Arm und zog mich aus dem Stall. Wir liefen also hinüber ins Haus und da fing dann die Diskussion erst richtig an… Was sollten wir überhaupt kochen? Gebratene Pilze? Das mochte Vaughn aber ich konnte Pilze nicht ausstehen. Chelsea und ich mochten gerne Feldfrüchte, aber die konnte Vaughn auf den Tod nicht ausstehen… Wir beschlossen es also mit ewas einfachem zu versuchen, wogegen niemand etwas sagen konnte. Wir machten also eine ordentliche Portion Spaghetti mit Tomatensoße und dazu noch einen schönen Salat. Als Nachtisch machte Chelsea noch Pudding. Wir standen also in der Küche und bereiteten Essen für unsere beiden Herzensmänner vor (wobei Chelsea wahrscheinlich gar nicht wusste, wie es um meine Gefühle für Denny stand) und ich fragte mich, ob jetzt vielleicht der richtige Zeitpunkt wäre, um ihr die Wahrheit zu sagen. Aber wie? Wie sollte ich anfangen? Wie sollte ich es ihr erklären? Doch Chelsea kam mir schon mit etwas anderem zuvor… „Weißt du Natalie… Wenn du nicht bald über deinen Schatten springst und Denny erzählst, wie du fühlst, dann wird Lanna ihn dir wegschnappen!“ Mit großen Augen sah ich sie an. Ich hatte ihr nie davon erzählt und sie wusste es… War es denn so offensichtlich? Wussten es vielleicht schon mehr Leute, als mir eigentlich lieb war? Und überhaupt, was wusste sie schon… Sie hatte mich nie gefragt… Plötzlich war ich wütend auf sie. „Und woher willst du wissen, was ich für Denny empfinde? Vielleicht macht es mir ja nichts aus, wenn er mit Lanna zusammenkommt. Außerdem ist das sowieso nur noch eine Frage der Zeit. Siehst du nicht, wie er sie ansieht? Siehst du nicht, wie sie miteinander lachen? Sie haben dieselben Hobbies, dieselben Vorlieben und außerdem…“ Sie ist hübsch, zierlich, weiblich… Alles das was ich nicht bin. Also wie kommt Chelsea darauf mir Mut machen zu wollen. Es ist sowieso zwecklos. Chelsea legte ihre Hand auf meine Schultern und grinste leicht als sie schließlich sagte: „Du bist also tatsächlich verliebt in Denny!“ Sie hatte es also nicht sicher gewusst… „Wie kamst du darauf?“, fragte ich sie unsicher. „Ist es so offensichtlich?“ „Offensichtlich? Nein… Aber ich kenne dich. Ich weiß, wie du bist und ich glaube nicht, dass du so viel Zeit mit einem Mann verbringen würdest, der dir nicht am Herzen liegt. Ich befürchte nur, dass Denny ein bisschen zu naiv ist um zu erkennen wie es dir geht… Geschweige denn, das zu schätzen. Ich mache mir ein bisschen sorgen um dich…“ Natürlich… Sie macht sich sorgen um mich, weil sie sieht, dass ich meine Hoffnungen und Gefühle vielleicht in den falschen Mann investiere… Genau so geht es mir auch. Ich mache mir auch Sorgen um sie und darum, dass sie verletzt wird. Vaughn hat sich geändert… Die beiden machen große Fortschritte aber die Wahrheit muss einfach ausgesprochen werden. Das war mir in diesem Moment bewusst geworden und nichts und niemand waren wichtiger, als Chelseas Gefühle. Sie hatte in Recht darauf, die Wahrheit zu erfahren. „Chelsea… Ich muss dir etwas sagen, was dich vielleicht verletzen wird…“, setzte ich an und blickte sie mit fester Miene an. Chelsea schien etwas perplex zu sein. Mit einer derartigen Wendung des Gesprächs hatte sie nicht gerechnet. „Was ist denn passiert? Geht es euch allen gut… Ist Elliot etwa was zugestoßen?“ „Nein… Uns geht es allen gut!“, versicherte ich ihr. „Es geht um Vaughn und Julia.“ Chelseas Augen wurden groß und ich sah ihr an, dass sie bereits ahnte, was jetzt als nächstes kommen würde. Ich war mir plötzlich nicht mehr so sicher darüber ob ich das richtige tat, deshalb sprach ich schnell und versuchte ihr zu erklären: „Es ist vorbei! Es war nie etwas ernstes, nie etwas Tiefes… Vaughn fängt langsam an sich dir zu öffnen und du scheinst ihm wichtig zu sein aber… Da war was, zwischen den beiden und… Ihr kanntet euch bereits und… Ich wollte nur dass du es weißt um selber zu entscheiden, ob du damit umgehen kannst oder nicht. Es ist nun mal die Wahrheit und du hast ein Recht dazu es zu wissen…“ Chelsea war sprachlos und ich fing an mir Sorgen zu machen. Trotzdem ließ ich das eben gesagte erst einmal einige Sekunden auf sie wirken bevor ich sie schließlich fragte: „Chelsea… alles ok mit dir?“ Sie wartete noch einen Moment lang bis sie mir schließlich antwortete: „Ja, alles gut… Ich bin nur… etwas verwirrt“ Arme Chelsea… Ich wusste nicht was ich tun konnte, um ihr zu helfen. Eigentlich war es ja doch nicht so schlimm… Eigentlich war es ja sowieso Vergangenheit aber Julia war auch unsere Freundin und Chelsea würde das bestimmt nicht so schnell vergessen können. „Es ist nur…“, fing Chelsea an. „Sie ist so wunderschön. Sie kennt ihn so gut… Viel besser als ich. Da frage ich mich, ob ich überhaupt eine Chance hab… Ob ich ihn überhaupt jemals erreichen kann…“ „Ach Chelsea…“, unterbrach ich sie schnell. „Du bist so kostbar! Du bist so ein toller Mensch und Vaughn mag dich… Er will es vielleicht noch nicht zugeben, aber er ist nun mal auch… Schwierig, genauso wie ich. Aber ich kenne keinen anderen Menschen, der so eine Gabe besitzt wie du… Der so leicht in die Herzen der Menschen dringen kann wie du. Mit ihm wirst du es nicht immer leicht haben… Aber wenn du ihn wirklich liebst, dann kämpfe!“ Chelsea, die bisher starr zu Boden geblickte hatte, hob nun ihren Kopf und sah mir in die Augen. „Du aber auch!“, sagte sie und sah mich eindringlich an. „Du musst auch kämpfen, wenn er es dir wirklich wert ist.“ Das war wirklich nicht das, was ich hören wollte… Ich war nicht der Typ zum Kämpfen. Ich konnte es nicht und ich würde es auch nicht tun. Vaughn und ich, wir hatten eigentlich mehr Gemeinsamkeiten, als ich es mir am Anfang zugestehen wollte. Wir waren beide Alleingänger. Und so sehr ich Denny auch um sein Lächeln bewunderte… So sehr ich seine Unbeschwertheit und seine Lebenseinstellung auch beneidete… So gerne ich auch immer an seiner Seite sein würde, um auch ein bisschen von diesem Lächeln abzubekommen… So gerne ich auch der Grund für all sein Glück wäre, ich kann es nicht erzwingen. Wenn er mich nicht sieht, wenn er nicht erkennt, was er an mir hat… Dann werde ich es ihm auch nicht klar machen. Er wird mit Lanna zusammen sein und mit ihr vielleicht sogar viel glücklicher werden als er es mit mir jemals geworden wäre. Chelsea wartete noch auf eine Antwort. Ich wollte sie unterstützen, deshalb lächelte ich schwach und nahm sie in die Arme. „Natürlich, Chelsea!“, log ich (nur eine kleine Notlüge) und ohne ein weiteres Wort wanden wir uns wieder dem Essen zu. Als wir schließlich wieder in den Stall kamen war es erschreckend ruhig da drinnen. Die Kühe muhten vor sich hin, Lucky sprang fröhlich hin und her und die Männer standen, so weit wie nur möglich voneinander entfernt. Es lag eine drückende Stimmung in der Luft, die sich ein klein wenig aufhellte, als wir den Raum betraten. Wir aßen alle gemeinsam, ohne dabei viel miteinander zu reden. Jeder schien seinen eigenen Gedanken nach zu hängen und keinen störte die Ruhe. Schließlich, nach dem Essen, verließen Denny und ich die beiden. Vaughn blieb komischerweise bei Chelsea. Auch wenn ich mir gut vorstellen konnte, dass Chelsea jetzt lieber alleine gewesen wäre, so wich er doch nicht von ihrer Seite. Das freute mich um ehrlich zu sein, denn es schien so, als würde bald ein heftiger Sturm aufziehen. Denny bestand darauf, mich nach Hause zu begleiten, obwohl ich ihm versicherte, dass ich seine Hilfe nicht brauchte. Wir standen vor meiner Haustüre und Denny sah mir nach, wie ich auf die Haustüre zulief und nach den Schlüsseln suchte. Seltsam… Irgendetwas schien komisch zwischen uns. „Was ist nur los mit dir, Denny?“, fragte ich ihn, denn ich konnte sein Schweigen nicht ertragen. Das war nicht er… Der fröhliche, gutgelaunte Denny den ich kannte. Denny zögerte, doch schließlich fragte er mich: „Wirst du immer bei mir bleiben, Natalie?“ „Natürlich…“, erwiderte ich vorsichtig. „Wie kommst du darauf?“ „Ach… Vaughn hat da etwas Komisches zu mir gesagt im Stall…“ „Und was hat er gesagt?“ Denny sah mich lange, nachdenklich an, bevor er schließlich antwortete: „Er sagte, ich solle endlich die Augen aufmachen und dich ansehen… Bevor es zu spät ist und ich dich für immer verloren habe“ Mir stockte der Atem. Offensichtlich wusste tatsächlich schon die ganze Welt über meine Gefühle Bescheid, wenn sogar Vaughn es wusste… Offensichtlich hatte ich ihn unterschätzt. Vaughn war wohl viel sensibler und viel Aufmerksamer, als ich anfangs gedacht hatte. Denny lief auf mich zu und kam mir erschreckend nahe. Ich bekam fast keine Luft mehr, so nervös war ich. Auch Denny schien einen Moment zu zögern. Verwirrt sah er mir in die Augen, beugte sich zu mir herunter und nahm mich in die Arme. „Gute Nacht meine Kleine!“, sagte er, ließ mich schnell wieder los und ging schnellen Schrittes davon, zurück nach Hause. Ich sah ihm nach, wie er verschwand. Er drehte sich nicht mehr um, kam nicht wieder zurück… Morgen würden wir uns wieder sehen… Aber ich fragte mich, ob morgen noch alles so zwischen uns sein würde, wie es vorher war… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)