All You Wanted von Nikolaus (Taichi x Yamato) ================================================================================ Kapitel 6: ... That It Was So Cold (Taichi/Yamato) -------------------------------------------------- ~ Taichis POV ~ „Schmeckt gut.“ „Nicht wahr? Yamato kann wirklich gut kochen“, grinste Takeru glücklich und schaufelte den Reis in rasender Geschwindigkeit in sich hinein. Ich wunderte mich wirklich, wann er denn schluckte, geschweige denn, wo er die Zeit zum Reden her nahm. Ich beobachtete ihn einen Augenblick, dann wandte ich mich wieder meinem Essen zu. Wirklich Hunger hatte ich nicht. Noch immer hatte ich ein schlechtes Gewissen, weil ich einfach hier war, ohne gefragt zu haben und sicherlich ohne Yamatos Wohlwollen. Nach Takerus Aussage mochte er mich nicht. Wieso nicht? Unser Gespräch in der Schule war peinlich und eindeutig gewesen, aber so überheblich war ich doch gar nicht, oder? Ich hatte ihn vor Shusuke und Yuri gerettet, half seinem kleinen Bruder zum Fußballstar der Schule zu werden und ich war nett zu ihm. Was hatte er denn dann? „TK?“ „… hm?“ Takeru schaute auf, die Backen voll mit Reis. Sein Anblick erinnerte mich auf skurrile Art an einen Hamster. „Wieso mag Yamato mich nicht?“ Takeru verschluckte sich heftig und ich wartete, bis er sich hustend und mit tränenden Augen aufgerichtet hatte. Hastig schüttete er ein Glas Wasser hinunter und sah mich an. In seinem linken Auge war ein Äderchen geplatzt und eine glasige Röte kroch neben seiner Iris empor. Genauso wie in seinen Wangen. „Wieso willst du das wissen?“, fragte er, sichtlich verlegen. „Keine Ahnung“, ich zuckte mit den Schultern. „Es interessiert mich einfach. Schließlich kann er mich nicht einfach so hassen – denke ich jedenfalls.“ „Dann solltest du das Denken lieber lassen“, neckte mich Takeru. „Yama mag manche Leute nicht. Einfach so, aus heiterem Himmel, ohne jegliche Gründe. Und falls er doch einen Grund hat, dann spricht er ihn nicht aus.“ „Und hat er dir einen Grund genannt, weshalb er mich nicht mag?“ Diesmal zuckte Takeru mit den Achseln. „Bin mir nicht so sicher“, sagte er lahm und stocherte in seinem Rest Reis herum. „Er findet dich überheblich, arrogant und egoistisch, hormongesteuert, rücksichtslos und äh… engstirnig.“ Er grinste mich an. „Schon vergessen?“ Er spielte damit eindeutig auf die peinliche Situation in der Cafeteria an. Ich lächelte und spürte gleichzeitig, wie ich leicht rosa anlief. Ein Glück war ich nicht so blass wie Takeru, sonst würde man es nur all zu deutlich bemerken. „Nein, hab ich nicht.“ „Hm, na ja“, fuhr er fort und aß gemächlich weiter. „Ich glaube, das waren alle Gründe. Aber so wirklich hassen tut er dich nicht. Schließlich hat er sich von dir nach Hause fahren lassen.“ „Ist das denn etwas Gutes?“ „Klar.“ „Und was wäre dann etwas sehr Gutes?“, hakte ich interessiert nach. Den Reis vor mir hatte ich schon längst wieder vergessen. „Äh… ich würde sagen, wenn er sich von dir anfassen lässt“, sagte er nach einer Weile mit vollem Mund. „Anfassen?“ „Nicht so!“, erwiderte er und begann zu lachen. „Tai, nicht jeder denkt so krank wie du.“ Allein anhand dieser Aussage wusste ich, dass er es ebenfalls tat. Er brauchte einige Augenblicke, um sich von seinem Lachanfall zu erholen. Er holte tief Luft und grinste schief mich an. „So was Alltägliches meinte ich eigentlich damit. Umarmung und so… weißt schon.“ „Wieso hat er eigentlich so viel gegen Körperkontakt?“ Takeru starrte mich an. Dachte nach. Seine blauen Augen wurden für einen Moment glasig, dann hatte er sich wieder gefasst. „Da bin ich mir nicht so sicher“, räumte er ein. „Wahrscheinlich ist es für ihn einfach nur ungewohnt. Ich war schon immer dafür ihm ´ne Katze zu kaufen, damit er sich nicht mehr so geniert.“ Er fing wieder an zu lachen und schaufelte den Reis in sich hinein, bis seine Stäbchen auf kalten Schüsselboden stießen. Entmutigt ließ er das Holz sinken und schielte zu meiner Portion hinüber. Grinsend begriff ich und schob ihm mein Essen zu. Mit einem leisen Dankeschön machte er sich darüber her. Für ihn schien das Thema sichtlich beendet, doch für mich nicht. Ich hatte ja nicht wirklich eine richtige Antwort gekriegt. Dass er mich für überheblich, arrogant, egoistisch, hormongesteuert, rücksichtslos und engstirnig hielt wusste ich schließlich schon – und dass er etwas gegen Körperkontakt hatte ebenfalls. Das alles hatte ich allerdings aus seinem Verhalten geschlossen. Den hochgezogenen Schultern, der kühlen Stimme. Dem abweisenden Blick. Langsam verblasste meine Hoffnung, dass ich ihn jemals würde anfassen dürfen. „Du magst ihn, stimmt’s?“ Überrascht hob ich den Kopf und starrte Takeru an. Die Heiterkeit war aus seinem Gesicht verschwunden, die Lippen waren ein harter Strich. Die blauen Augen waren ungewöhnlich… wissend. Wie als bräuchte er meine Antwort eigentlich gar nicht. Hilflos zuckte ich mit den Schultern und sagte: „Etwas.“ „Ich hab’s gemerkt“, meinte er nur dazu und ließ die Stäbchen sinken. „Es zeigt sonst Niemand so großes Interesse an ihm.“ Das klang fast schon wieder vorwurfsvoll. Waren meine Fragen zu persönlich gewesen? „Aber du solltest dir keine zu großen Hoffnungen machen, Tai.“ „Wieso nicht?“, fragte ich leise. „Ich hab schon ganz andere Leute rumgekriegt.“ „Ihn nicht.“ „Wieso nicht?“, wiederholte ich, beinahe trotzig und schob die Unterlippe vor. Die Arme vor der Brust zu verschränken, konnte ich gerade noch verhindern. „Er…“, Takeru stoppte und schien nach den richtigen Worten zu suchen. Mehrmals öffnete er den Mund, aber es kam nur heiße Luft heraus. Letztendlich sagte er etwas, was ich nicht erwartet hatte. Nicht von ihm. „Yama ist anders, Tai. Er liebt die Einsamkeit, er will niemanden an sich ran lassen. Weder mich noch sonst irgendjemanden. Erst recht nicht dich. Versteh mich nicht falsch, aber seit Mum tot ist… “ Er seufzte leise. „Vergiss es einfach.“ „Nein“, entgegnete ich entschlossen. Verwirrt sah Takeru zu mir auf. „Nein?“ „Ich werde es nicht einfach vergessen“, sagte ich und verschränkte nun doch die Arme vor der Brust. „Ich mag ihn, ja. Und deshalb werde ich es nicht vergessen.“ „Aber es wird keinen Zweck haben“, sagte Takeru verständnislos, in dem Ton, in dem er einem Dreijährigen erklärte, das Eins plus Eins Zwei ergaben. Sein Unverständnis rief eine leichte Wut in mir hervor. Er war doch auch schon mal verliebt gewesen, oder etwa nicht? Ich konnte jetzt einfach nicht so tun, wie als wäre Yama nie in meinem Leben aufgetaucht! Und wenn schon, dann war er eben anders, ich würde nicht aufgeben. Niemals. „Vielleicht hat es einfach nur noch niemand richtig versucht“, redete ich stur weiter. „Ich kann…“ „Er hat bei Mums Beerdigung nicht geweint“, unterbrach Takeru mich plötzlich. „Was?“ Perplex starrte ich ihn an, begriff den Sinn seiner Aussage nicht. ** „Wir haben alle schrecklich geheult – Dad, meine Oma, ich und der Rest der Leute“, fuhr Takeru mit leiser Stimme fort. Seine Augen waren auf einen unsichtbaren Punkt im Nichts gerichtet und mir wurde klar, dass er sich gerade daran erinnerte. Aus irgendeinem Grund wollte ich ihn unterbrechen, ihm sagen, dass er mir das nicht erzählen musste, aber ich tat es nicht. Meine Zunge klebte an meinem trockenen Gaumen. „Yama stand nur daneben. Er hat nachts in seinem Zimmer geweint, ich hab es gehört. Aber nicht auf der Beerdigung. Auch nicht auf der von Oma.“ Sein Blick suchte den Meinen und ich konnte mich nicht abwenden. Irgendetwas hielt mich davon ab. Ich erkannte den Schmerz in seinen Augen. Mein Magen krampfte sich zusammen. „Er hat sie gefunden“, Takerus Stimme klang hohl, „Aber er hat nie mit mir darüber geredet. Wenn Dad ihn darauf angesprochen hat, dann hat er das Thema gewechselt oder eisern geschwiegen. Ich dachte, dass es ihm vielleicht helfen würde, wenn wir mehr Zeit bei unserer Oma verbringen würden, aber als wir dann in den Ferien bei ihr waren… Sie hat viel über Mum gewusst, weißt du? Sie hat uns viel erzählt, aber Yama…“, er stockte. „Ich hab bei jeder Geschichte geheult.“ „Es klingt dumm, ich weiß. Und es hat auch gar keinen Sinn“, fuhr er fort und senkte den Blick. „Das hätte ich dir nicht erzählen sollen. Das war wirklich idiotisch von mir. Es interessiert dich doch gar nicht…“ Er seufzte. „Wieso hast du es mir dann erzählt?“, fragte ich mit heiserer Stimme und sehnte mich gleichzeitig nach einem Glas Wasser, um meine Kehle zu benetzen. Ich fühlte mich, als hätte ich seit Tagen nichts mehr getrunken. „Damit du weißt, dass es sinnlos ist! Dass er viel zu verkrampft ist, um seine Gefühle an die Oberfläche kommen zu lassen!“, sagte er heftig und ballte die Hand zur Faust. „Vielleicht lässt er dich ein bisschen an sich ran, aber spätestens wenn er mit blauen Flecken nach Hause kommt und dir nicht erzählen will, woher sie kommen, wirst du einsehen, dass es bescheuert ist! Yamato kann keine Beziehung führen! Er… er ist einfach unfähig!“ Ich räusperte mich. „Sag mal, TK…“, fing ich vorsichtig an, „kann er das nicht oder willst du das nur nicht?“ Zuerst reagierte er gar nicht. Dann schnellte sein Kopf in die Höhe und aus den blauen Augen schossen Blitze. Er knallte mit der Faust auf den Tisch und erhob sich ruckartig. Der Stuhl knarrte auf dem Boden, die Schüsseln klirrten. Ich zuckte überrascht zurück. „Er hat mir nie etwas über Mum erzählt!“, fauchte er mich wütend an. „Und auch kein Wort über diese Schlägereien! Ich bin sein Bruder verdammt, aber ich habe nicht das Gefühl, dass er das auch weiß!“ Tränen stiegen ihm in die Augen. „Ich weiß gar nichts über ihn… verdammte Scheiße.“ Er drehte sich um und stürmte aus der Küche. Ich hörte, wie eine Türe laut knallte und zuckte zusammen. Etwas fiel dumpf zu Boden. Mit klopfendem Herzen starrte ich auf den verlassenen Platz vor mir. In meinen Ohren rauschte das Blut. Wieso hatte ich nur etwas gesagt? ~ Yamatos POV ~ Der Nyman Saloon machte seinem Namen alle Ehre. Das Foyer war mit Sesseln ausgestattet und einer großen Garderobe, die außerhalb der Blicke der Gäste lag. Ein vornehmer Franzose begrüßte die Leute am Eingang und wies sie ihren Plätzen zu, sein starker Akzent ließ alles nur noch edler wirken. Die Tische im Innenbereich waren mit schneeweißen Tischtüchern gedeckt, Silberbesteck und je eine blutrote Rose prangten im Schnee. Der Teppich, unter den Stühlen mit goldener Garnitur, war dunkelblau, durchsetzt mit goldenen und silbernen Ovalen und kunstvollen Mustern. Die Decke hing über all dem, als Kuppel getarnt und mit einem Bild eines berühmten Malers verziert; Eine Frau zog mit einem weißen Tuch an einer Sternschnuppe und zog das bildliche Glück zu sich hinunter. Ich seufzte. Das Gefühl nicht hier her zu gehören, welches sich schon kurz nach meiner Ankunft eingestellt hatte, wandelte sich nun in Unbehagen aus. Mein Magen krampfte sich zusammen, als mein Blick die Tische streifte und über die Rosen glitt. Meine Hände zitterten. Der Saal war komplett verlassen. Die letzten Gäste waren vor einer halben Stunde gegangen. Ich verstärkte den Griff um das Tablett und sammelte die schmutzigen Teller ein. Ein paar vereinzelte Gläser standen auf den Tischen. Ich stellte sie neben die Teller und drehte mich zum Ausgang um. Goldener Türrahmen. Rote Vorhänge. Kleine, glitzernde Steine an dem roten Stoff. „Ishida, steh nicht in der Gegend rum. Wir wollen zu machen.“ Die herrische Stimme von Yuusuke ließ mich zusammen schrecken. Hastig nickte ich und eilte über den Flur. Unter meinen Füßen gab der weiche Teppich nach. Ich öffnete mit einem Stoß meiner Hüfte die Küchentüre und stellte das Tablett ab. Der Tellerwäscherjunge sah auf, als ich eintrat und lächelte mich an. Zaghaft erwiderte ich das Lächeln und gab ihm das schmutzige Geschirr. Er senkte verlegen den Blick und nuschelte ein leises „Dankeschön.“ Bevor ich etwas erwidern konnte, ertönte Yuusukes Stimme aus dem Foyer. „Ishida!“ Ich zuckte erneut zusammen. Yuusuke Kanami war einer der Gründe gewesen, weshalb ich mich hier nicht wohl fühlte. Schon den ganzen Abend jagte er mich unermüdlich durch das Lokal und halste mir mehr auf, als ich ertragen konnte. Aber ich sagte nichts. Es hatte mir noch nie etwas gebracht und ich setzte nicht darauf, dass mein Vorgesetzter auf mich hören würde. Er schien mich nicht zu mögen, doch es beruhte auf Gegenseitigkeit. Yuusuke stand ungeduldig neben dem Franzosen, der gerade seine Jacke anzog. Jean-Michel Baptist. Er war eigentlich ganz nett, ich hatte nur kurz mit ihm gesprochen. Außer dem Tellerwäscher war er der Einzige, der mich nicht mit jedem Blick aufzuspießen schien. Zu meiner eigenen Überraschung hatte ich festgestellt, dass mir ihre Ablehnung nichts ausmachte. Und mit Schrecken war mit bewusst geworden, dass es mich mehr verwundert hätte, wenn sie mich angenommen hätten. „Wiedersehen Yamato“, sagte Jean leise neben mir und klopfte mir auf den Rücken. Erschrocken sah ich zu ihm auf und erblickte das freundliche Lächeln. Ich spürte, wie sich meine Mundwinkel hoben, doch ich war mir sicher, dass es eine sehr klägliche Erwiderung war. „Wiedersehen“, sagte ich leise. Er band sich seinen blauen Schal um den Hals und rückte ihn zurecht. Als er merkte, dass ich ihn beobachtete, fing er an zu lachen. Sofort schoss mir die Röte ins Gesicht. „Wenn ihr fertig damit seid“, sagte Yuusuke scharf, „dann kannst du mir sicherlich dabei helfen, sauber zu machen, nicht wahr, Ishida?“ Ich wandte mich ihm zu und sah das böse Funkeln in seinen Augen. Er wirkte nicht wirklich sauer auf mich, eher… eifersüchtig? Kurz huschte mein Blick hinüber zu Jean, der amüsiert den Kopf schüttelte. Yuusuke schnaubte verärgert und strich sich das braune Haar aus der Stirn. Die Geste hatte etwas Trotziges. „Wir sehen uns morgen!“, sagte Jean lachend und verschwand aus dem Lokal. Die Türe fiel hinter ihm ins Schloss und die Glocke klingelte leise. „Jetzt mach schon, Ishida“, fauchte Yuusuke mich an. „Natürlich“, erwiderte ich zerstreut und wandte mich zum Speisesaal. Zwei Frauen, die heute Abend ebenfalls bedient hatten, saugten den Teppich. Yuusuke drückte mir einen Lappen und einen Eimer mit Wasser in die Hand. „Ich werde die Tischdecken einsammeln und zum Waschen bringen, du übernimmst das Wischen der Tische, verstanden?“ „Ja.“ Er ging mit großen Schritten voraus und schnappte sich energisch die erste Tischdecke. Am Anfang des Abends waren alle Schneeweiß gewesen, nun waren auf den meisten Flecken und kleine Essenreste. Eigentlich hatte ich immer gedacht, dass reiche Leute niemals kleckern würden, doch nun war mir eindeutig das Gegenteil bewiesen worden. Ich tauchte den Lappen in das lauwarme Wasser, wrang ihn aus und wischte damit die braune Kirschholzplatte sauber. Auf Tisch zweiundzwanzig war ein unansehnlicher Fleck zu sehen und ich verbrachte gefühlte Ewigkeiten damit, ihn zu beseitigen. Hinter mir unterhielten sich die zwei Frauen angeregt über den Koch und dessen schlechte Manieren. Nach einiger Zeit wechselte das Thema zu Schuhen und Kleidern. Dann redeten sie über Jean. Yuusuke kam zu mir herüber geschlendert und griff nach der letzten Tischdecke. Er warf mir einen herablassenden Blick zu und ich konnte ihm förmlich vom Gesicht ablesen, worüber er gerade nachdachte; Soll ich ihm noch mehr Arbeit aufhalsen? Er schien sich dagegen zu entscheiden, denn er sagte ruppig: „Wenn du damit fertig bist, kannst du gehen, Ishida. Wir sehen uns am Freitag.“ „Danke, Herr Kanami“, erwiderte ich höflich und in gewissem Maße überrascht. Er schnaubte nur und drehte sich um. _ Kalte Luft schlug mir entgegen, als ich den Nyman Saloon verließ. Ich schloss den Kragen von Takerus roter Jacke, die ich mir ausgeborgt hatte, und steckte die Hände in die Hosentaschen. Hinter mir ertönte die Rufe der beiden Frauen und ich hob zum Abschied die Hand. Es war mir egal, ob ich damit überheblich oder unhöflich erschien. Ich hatte einfach keine Lust, jetzt noch freundlich zu sein. Dazu war es zu kalt und zu spät. Und mit einem kurzen Blick auf meine Uhr, stellte ich fest, dass es schon kurz nach zwei Uhr Nachts war. So spät fuhr kein Bus mehr und die letzte U-Bahn hatte ich gerade verpasst. Die nächste würde erst wieder in einer Stunde kommen. „.. super.“ Mein Atem bildete weiße Wölkchen vor mir in der Luft und löste sich in der Dunkelheit auf. Ich sah mich missmutig um und konnte weit und breit keine Menschenseele erkennen. Die Straßenlaternen beleuchteten schwach den Gehsteig und die sauberen Straßen. Den Weg nach Hause kannte ich nur grob. Für einen Augenblick musste ich an Taichi denken. Und an seinen Wagen. Wenn er jetzt hier wäre, könnte er mich einfach nach Hause fahren. Stell dich nicht so an! … Weichei. Ich vergrub die Hände tiefer in den Taschen und zog die Schultern hoch. Der Wind wehte schneidend um die nächste Hausecke und blies mir die Haare ins Gesicht. Es fühlte sich an wie in Schlag mit einem eisgekühlten Stock. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken, mühsam hielt ich mich davon ab, einfach stehen zu bleiben. Es würde schon nichts passieren. Schließlich war niemand außer mir hier und das würde sich auch nicht so schnell ändern. Ein Auto fuhr rasend schnell an mir vorbei, die Scheinwerfer erleuchteten für einen Moment den Weg vor mir. Ich sah eine Katze. In ihren großen Augen spiegelte sich das Licht. Mit einem lauten Fauchen und einem Geräusch, kratzender Krallen auf Stein, verschwand sie vom Bürgersteig, hinein in die Dunkelheit einer anliegenden Gasse. Als ich davor ankam, blieb ich stehen. Hielt den Atem an und lauschte. Mir war bewusst, wie dämlich ich mich gerade anstellte, aber ich hatte… Angst. In all den Krimis, sowohl im Fernsehen, als auch in den Büchern, wurden die Leute nachts verschleppt. Wenn es dunkel war. Vor solch einsamen Gassen. Ich riskierte einen Blick über meine Schulter und versuchte dann etwas in der Gasse zu erkennen. Gähnende schwarze Leere blickte mir entgegen und für eine Sekunde war es so, wie als würde sie atmen. Kalter Wind fuhr über meine Haut. Hastig ging ich weiter, beschleunigte meine Schritte. Bis ich rannte. Den restlichen Weg zu meiner Straße lief ich. Als ich vor der Haustüre des Hochhauses ankam, hatte ich fürchterliches Seitenstechen und meine Lunge brannte. Jeder Atemzug tat weh und allein der Gedanke an die vielen Treppenstufen bis zum fünften Stock, ließ mir die Knie weich werden. Dennoch klopfte mein Herz nun vor Anstrengung und nicht mehr vor Angst. Ich konnte wieder die Stille um mich herum hören und nicht das Rauschen meines Blutes. Erleichterung erfüllte mich und mit zitternden Händen kramte ich in meinen Taschen nach dem Schlüssel. Da hörte ich ein Knacken. Sofort gefror mir das Blut in den Adern. Mein Atem setzte aus. Wieder hörte ich das Knacken und etwas, das klang wie… lautes Ein- und Ausatmen. Das Rascheln von Stoff. Hektisch steckte ich den Schlüssel ins Loch, öffnete die Türe und ließ sie hinter mir zufallen. Das Geräusch kam mir unglaublich laut vor, aber es war nicht so laut wie das Klopfen meines Herzens, das praktisch wieder in Panik verfallen war. Mein ganzer Körper zitterte wie verrückt und selbst als ich das Licht im Treppenhaus anschaltete, wurde es nicht besser. Die Wände kamen mir kalt und steril vor. Im ganzen Haus herrschte Stille. Niemand war mehr auf. Kurz sah ich hinter mich, aber durch das Milchglas der Türe war nichts zu erkennen. Ich war viel zu feige, um sie zu öffnen und nachzuschauen, ob dort wirklich jemand war, und machte mich an den Aufstieg. Schon auf halber Strecke hatte ich das Gefühl, eines grausamen Todes zu sterben, aber ich hörte nicht auf. Meine Paranoia war wirklich schrecklich. Ich musste etwas dagegen tun. Denn wer um Himmels Willen sollte mich denn schon verfolgen? Jedoch konnte ich nicht leugnen, dass ich unglaublich erleichtert war, als ich in der Wohnung und die Türe fest hinter mir geschlossen war. Es war albern. Ich war albern! Aber die Angst vor der Dunkelheit schien ich doch nicht so gut abgeschüttelt zu haben, wie ich angenommen hatte. Mit noch immer zitternden Fingern streifte ich mir die Jacke von den Schultern und zog die Schuhe aus. Erst auf den zweiten Blick fiel mir auf, dass das Licht in der Küche noch brannte und auch, dass Wohnzimmer und Flur hell erleuchtet waren. Ich sah in der Küche nach, erblickte niemanden und knipste das Licht aus. Als ich im Wohnzimmer ankam, traf mich fast der Schlag. Dort, auf dem Sofa, lag Taichi Yagami! Einen Augenblick konnte ich mich nicht bewegen, dann ging ich vorsichtig zu ihm hinüber. Er schien zu schlafen. Seine Beine hingen über der Sofalehne; er war eindeutig zu groß. Wenn Takeru ihn eingeladen hatte – und es gab keine andere Möglichkeit als diese, denn ich hatte es sicherlich nicht getan – wieso hatte er ihm dann nicht einen besseren Ort zum Schlafen angeboten? Zum Beispiel Dads Bett, schließlich war der bis nächste Woche weg. Zaghaft stupste ich ihn an der Schulter an. Er rührte sich kein Stück. Erneut stieß ich an, diesmal etwas fester und flüsterte: „Taichi?“ Er murrte etwas Undeutliches und sein linkes Bein zuckte. Aufwachen wollte er jedoch nicht. „Taichi!“ Eigentlich wollte ich fest zuschlagen, aber als meine Hand auf seine Wange traf, ähnelte es mehr einem Streicheln. Hastig und von mir selbst erschrocken, zog ich die Hand zurück und starrte Taichi an, der sich erneut regte. Flackernd öffneten sich seine Lider und braune Augen musterten mich irritiert. Er rollte sich herum und wurde sich zu spät der Tatsache bewusst, dass das Sofa dafür nicht breit genug war. „Au!“ Taichi war schwer. Sehr schwer. Er war direkt auf mich gefallen und meine rechte Hand war in einem sehr ungünstigen Winkel, unter meinem Körper eingeklemmt. Mit einem Ruck zog ich sie hervor und stemmte dann beide Hände gegen Taichis Brust. „Geh von mir runter“, forderte ich ihn unfreundlich auf. Taichi brummte und rappelte sich hoch. Er fuhr sich durch das wirre Haar und sah mich verschlafen an. „Yamato?“ Wer denn sonst?! „Wieso schläfst du auf dem Sofa?“, fragte ich und ärgerte mich über mich selbst, weil ich so besorgt klang. „Keine Ahnung“, antwortete er benommen und unterstrich seine Aussage mit einem Achselzucken. „Takeru… ich wollte ihn noch wütender machen.“ „>Wütender_>' (ab ** beginnt das, was ich irgendwie nicht richtig kontrollieren konnte ._.) Allerdings viel mir auch nach etlichem Kopfzertrümmern keine schöne Alternative ein. Also hab ich den fünften Versuch gelassen uu' Und mir ist aufgefallen, dass die Situation nur halb so Gänsehaut-feeling-mäßig rüber gekommen ist, wie es eigentlich wollte. In meiner Vorstellung was viel schöner... Fazit: ich bin noch etwas unbeholfen, was das Beschreiben von Körperkontakt angeht >_< Es gibt wirklich so unendlich viel, was mir an diesem Kapitel nicht gefallen hat - und natürlich auch etwas, das mir gefallen hat :D Ich hoffe, ihr seid ehrlich und sagt mir, was euch auch nicht gefallen hat. Dann kann ich so etwas in Zukunft vermeiden :) Alles Liebe, Nikolaus PS: I need a Beta-Leser. Hat irgendjemand Lust? óo Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)