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Missing you

Tendershipping
von

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Prolog

Nun war es schon über ein Jahr her, seit mein Yami in die Schattenwelt verbannt worden war, doch der Schmerz war immer noch der Selbe geblieben. Ich hätte nie geglaubt jemals einen Menschen so sehr vermissen zu können, doch es war mir gerade so, als hätte man ein Stück aus meiner Seele, meinem Herzen gerissen. Sicher mein Yami hatte mir oft weh getan, doch er hatte nie zugelassen, dass jemand anderes als er selbst Hand an mich, seinen Hikari legte.

Nach dem der Geist fort war musste ich es mir eingestehen, ich liebte mein anderes Ich.

Ich begehrte und vermisste es, wie nichts sonst in dieser Welt. Mein Herz schien vor Schmerz beinahe zu zerspringen, so sehr wünschte ich mir meinen Bakura zurück. Es ging so weit, dass ich mich sogar von meinen besten Freunden distanzierte. Ich tat es nicht mit Absicht, es war nur so, dass ich zu nichts mehr Lust hatte. So ging ich nichtmehr mit, wenn sie mich fragten, ob wir etwas unternehmen sollten und irgendwann hörten sie dann auch auf mich überhaupt einzuladen. Anfangs fragten sie noch immer nach, was mich denn bedrückte, doch konnte ich ihnen keine Antwort darauf geben. Sie hätten nie verstanden wie ich mich ausgerechnet in meinen Yami hatte verlieben können, so sagte ich einfach nichts. Jeden Tag wurde meine Sehnsucht nach dem Geist des Ringes größer und mit ihr die Lustlosigkeit, die sich in meine Seele gefressen hatte. Ich hielt es einfach nicht länger aus, meine Wohnung erinnerte mich an Bakura, die Schule erinnerte mich an Bakura, jeder verdammte Stein und jeder Strauch erinnerten mich an Bakura einfach alles in dieser Stadt erinnerte mich an ihn. Es war mir kaum möglich einen Schritt zu tun, ohne dass ich auf irgendetwas gestoßen wäre, was mir sein Gesicht ins Gedächtnis ruft. Es war mir einfach alles zu viel, nicht einen Tag länger wollte ich mich von der Vergangenheit verfolgen lassen, so beschloss ich neu anzufangen, in einer neuen Stadt, einer neuen Wohnung, mit neuen Freunden. Irgendwo, wo er mich nicht hin verfolgen konnte.
 

Und so stand ich nun in dieser neuen Stadt, vor dem Briefkasten meiner neuen Wohnung. Nichts hatte sich geändert, mein Vater schrieb mir immer noch nicht, obwohl er es hoch und heilig versprochen hatte, der Rest meiner Familie hielt es auch nicht für nötig sich einmal nach mir zu erkundigen und das schlimmste, die Erinnerungen an Bakura und die Sehnsucht nach ihm waren nach wie vor die selben geblieben. Im Grunde war alles wie immer, nur das ich neu in einer fremden Stadt lebte, ganz ohne Freunde, die versuchten mich aufzumuntern.
 

Ich lief so schnell ich konnte hinauf in meine Wohnung, hier bekam ich, wonach es mir verlangte. Nach einem schrecklichen Tag wie diesem gab es nur eine Sache, die mich wenigstens für eine kurze Zeit aufheitern konnte und bis jetzt war jeder Tag in dieser verfluchten Stadt schrecklich gewesen und es gab keine Minute in der ich mir nicht wünschte in Domino geblieben zu sein.

Ich stürmte in die Wohnung, knallte die Tür hinter mir zu. Die Schulsachen landeten achtlos in einer Ecke. Es gab nur noch eins woran ich denken konnte und endlich hatte ich mein Ziel erreicht. Leicht außer Atem stand ich vor dem großen Spiegel im Bad und strich sanft mit den Fingerkuppen über das kalte Glas. Mit Tränen in den Augen betrachtete ich mein Spiegelbild, trat noch ein Stück näher an es heran.
 

„Ich bin wieder zu Hause…Bakura.“
 

Ich schloss die Augen und lehnte mich vor. Ganz leicht berührte ich mit meinen Lippen die kühle Glasscheibe, leckte sogar zaghaft mit der Zunge darüber. Der Spiegel war kalt, kalt und abweisend, so wie Bakura immer zu mir gewesen war. Es tat so unendlich gut diese kühle an meinen Lippen zu spüren und mir vorzustellen es wären Bakuras Lippen, die mich berührten. Wie man einem Spiegelbild nur so viel Liebe entgegenbringen kann, wo es doch nicht im Stande ist einem diese zurückzugeben. Diesen Gedanken verbannte ich so schnell wie möglich in die hinterste Ecke. Für derart philosophische Gedankengänge hatte es später noch genug Zeit, jetzt stand ich schließlich nicht vor meinem Spiegelbild, jetzt war es Bakura, der bei mir war.

Etwas unwillig löste ich mich von der Scheibe, wischte den nassen Fleck fort und betrachtete mich für längere Zeit. Bakura war nicht fort, er stand doch direkt vor mir und er sah gut aus, wie immer. Seine Augen waren nicht ganz so Katzenartig und er war auch etwas schmächtiger und kleiner, aber sonst gab es keine Unterschiede. Er war nie weg, er würde mich doch nie verlassen.

Langsam zog ich mich aus, lies ein Kleidungsstück nach dem anderen zu Boden fallen und machte immer eine kurze Pause um mein Spiegelbild zu beobachten. Der schöne flache Bauch meines Liebsten hatte es mir besonders angetan. Mit dem Zeigefinger malte ich kleine Kreise an den Spiegel, wo sein Bauchnabel zu sehen war. Wie Bakura’s Haut sich wohl anfühlen würde, genau an dieser Stelle hätte ich ihn so gern berührt…aber jetzt war es zu spät, jetzt blieb mir nichts weiter als mein Spiegelbild.

Schließlich lies ich auch die Shorts zu Boden gleiten, so dass ich mit nichts weiter bekleidet war als dem Milleniumsring um meinem Hals. Er war das Einzige, was mein Yami mir hinterlassen hatte und somit mein größter Schatz. Vorsichtig spielten meine Finger mit dem goldenen Ring, so dass er im schwachen Licht der Badezimmerlampe funkelte.

Ich sank auf die Knie, ohne den Blink von dem Spiegel, besser dem Spiegelzwilling des goldenen Ringes, zu lassen. Liebevoll lächelte mich mein anderes Ich an, bevor er sich zu mir beugte um mir einen weiteren Kuss zu stehlen.

Voll Gefühl hauchte ich meinem imaginären Yami süße Worte zu, während meine Hand zwischen meine Beine glitt. Nun war er gekommen, der Moment, in dem mich der Gedanke an Bakura in den Himmel befördern würde, nur um mich kurze Zeit später wieder auf den harten Boden der Tatsachen stürzen zu lassen.

Mit dem Bus zu Oma

Nun saß ich wieder hier, weinend auf dem Bordstein und wartete auf den nächsten Bus, der mich von der Schule nach Hause bringen sollte. Ich war ganz allein, alle anderen Schüler waren schon fort, zum Glück. Wieder wartete ich, wie jeden Tag auf einen der späteren Busse. So war ich meinen Mitschülern nicht schutzlos ausgeliefert. Mit ihnen in einem Klassenraum zu sein war schon unerträglich. Immer die gehässigen Blicke in meinem Rücken spürend, das Getuschel und anschließende Gekicher hörend wartete ich auf den Abend, wenn die Schule endlich zu Ende war. Heute war es mir noch relativ gut ergangen. Ich hatte mich nur in einen Kaugummi gesetzt, den ein netter Mitschüler auf meinen Sitz geklebt hatte und auf dem Schulhof wurde mir ein Bein gestellt, so dass ich hinfiel und mir die Handflächen aufgeschürft hatte. Ich war noch gut davongekommen, was sind schon die paar Kratzer. Meine Handflächen brannten wie Feuer und die salzigen Tränen, die darauf tropften verschlimmerten es nur noch, so dass ich davon absah mir mit den Händen die Tränen fort zu wischen. Unglücklich blickte ich auf meinen Milleniumsring hinab, der um meinen Hals baumelte. In Gedanken erzählte ich Bakura alles, was sie mir antaten, wie sehr sie mich mit ihren Worten und Taten verletzten. Aber nie kam eine Antwort aus dem Ring, er war seelenlos, nicht mehr wert als das Metall, aus dem er geformt war. Unweigerlich musste ich aufschluchzen. Wie konntest du mir das antun, wie konntest du mich in dieser Welt nur alleine lassen. Du wusstest doch genau, dass ich zu schwach bin um ohne dich zu sein.

Ich verschränkte die Arme über den Knien und verbarg mein Gesicht in dem weichen Stoff meiner Schuluniform. Alles, was ich wollte war einfach nur nach Hause, nicht die kalte leere Wohnung, die ich hier bewohnte, nein viel mehr meinte ich damit mein zu Hause in Domino, wo meine Freunde waren. Sie hätten mich beschützt. Wie konnte ich nur so dumm sein und das alles aufgeben.

„Warum weinst du Onkel? Hast du dir weh getan?“

Eine niedliche kleine Stimme drang an mein Ohr. Es dauerte eine Weile, bis ich realisierte was los war. Eine kleine Hand streichelte tröstend über meinen Rücken und diese süße Kinderstimme sprach erneut zu mir. „Wenn du dir weh getan hast, dann musst du zu meinem Papa gehen, der ist Arzt und macht das wieder heile…“

Nun wollte ich mir doch den Quell dieser lieben, naiven Worte ansehen. Ich schluckte kurz den Tränenkloss, der sich in meinem Hals angesammelt hatte, herunter und wandte den Kopf zu dem Kind, das so rührend versuchte mir Trost zu spenden. Ungläubig blickte ich in zwei große glänzende Kinderaugen, ein liebliches lächeln in dem süßen runden Gesicht, dass auffälligste waren allerdings die silberweißen Haare des Jungen. Ich musste erneut schlucken. Neben mir stand eine perfekte Kopie von Meiner selbst, nur gute 15 Jahre jünger. Verwirrt strich ich dem Kleinen durch die leicht zerzauste weiße Mähne, fuhr die Konturen seines weichgeschnittenen Gesichtchens ab und starrte in die funkelnden braunen Augen. „B-bakura?“ Fragte ich ungläubig. Konnte das sein, war mein Yami in dieser Gestalt zu mir zurück gekehrt. Aber er sah so unschuldig, so niedlich aus. Der Ausdruck in seinem Gesicht glich ehr dem meinen und nicht dem ernsten harten meines Ringgeistes. Lächelnd legte mein kleines Ebenbild den Kopf schief und musterte mich genauer. „Du bist komisch.“

„Schau mal in den Spiegel Zwerg!“ Freundlich tippte ich ihn mit dem Zeigefinger auf sein Stupsnäschen, was ihn nur noch mehr zum lächeln brachte. „Ich bin Ryou und wie heißt du?“

„Ich bin Ray und auf dem Weg zu meiner Oma.“

Der Kleine war einfach zu niedlich. „Wo ist denn deine Mama, du fährst doch bestimmt nicht ganz alleine mit dem Bus zu deiner Oma oder?“ Ich blickte mich suchend um, irgendwo musste doch jemand sein, der auf den kleinen Ray aufpasste. „Doch, mein Papa wollte mich eigentlich von der Kita abholen und zu meiner Oma bringen, aber er hat immer ganz arg viel zu tun, darum ist er nicht gekommen…“ Traurig blickte der Junge zu Boden. „Mein Papa kümmert sich auch nie um mich…“ Ich seufzte und starrte vor mich hin, in fünf Minuten sollte der nächste Bus eigentlich kommen. „Mein Papa kümmert sich um mich, er ist ganz lieb und macht immer ganz tolle Sachen mit mir. Aber er hat nur wenig Zeit, weil er so viel arbeiten muss.“

„Und darum schickt er einen kleinen Jungen alleine los um mit dem Bus zu seiner Oma zu fahren und das um sechs Uhr Abends?“ Was war denn das für ein verantwortungsloses Stück von einem Vater? Der Kleine war wenn es hoch kam gerade mal fünf Jahre alt. Was wenn er sich auf dem Weg zu seiner Oma verirrte, was wenn er in den falschen Bus stieg?

„Papa hat mich nicht geschickt, ich bin ganz allein hierher gelaufen. Papa hat gesagt ich soll warten bis er kommt, aber ich hab sooooooo lang gewartet und dann hatte ich keine Lust mehr.“

Entsetzt sah ich ihn an, das durfte doch nicht wahr sein. Dieses Gör war einfach abgehauen, sein Vater machte sich bestimmt schon unglaubliche Sorgen.

„Wo ist denn die Kita, bei der dich dein Papa abholen wollte?“

Ray legte nachdenklich den Kopf etwas schief und sah mich einfach nur an. „Weiß nicht?“

„Würdest du dahin zurück finden?“ Nur ein Kopfschütteln als Antwort. Na toll und was nun? Ich saß hier mit einem kleinen Kind an der Bushaltestelle und hatte keine Ahnung, wie ich es zu seinen Eltern zurück bringen konnte. Und wenn ich den kleinen Bakuraverschnitt einfach behielt? Er war einfach zu niedlich und am liebsten hätte ich ihn mir einfach geschnappt und durchgeknuddelt. Aber seine Eltern vermissten ihn bestimmt, behalten war also wohl doch nicht drin.

„Wo wohnt denn deine Oma?“ Fragte ich hoffnungsvoll, vielleicht konnte ich ihn ja da absetzen. Alleine wollte ich den Süßen Fratz auf keinen Fall durch die Gegend rennen lassen. „Rosenstraße 8?“ Gespannt sah er mich an. Normalerweise hätte ich mit dem Namen einer Straße und einer Hausnummer rein gar nichts anfangen können, zumal ich neu in der Stadt war und mich so gut wie überhaupt nicht auskannte. Aber langsam schien mir das Glück wieder hold zu sein, denn die Rosenstraße 8 war mir gut bekannt. Wie könnte es auch anders sein, schließlich war das die Adresse des Wohnblockes, in dem sich meine neue Bude befand. Erleichtert nahm ich Ray bei der Hand und stand auf, da der Bus gerade vorfuhr. „Soll ich dich zu deiner Oma bringen, Ray-chan?“

Ein fröhliches Lachen war mir Antwort genug und ich zog den Jungen mit mir in den Bus. Wenig später standen wir dann auch vor den unzähligen Klingelknöpfen und ich rätselte, hinter welchem Namen sich wohl eine alte Dame verbergen konnte, die schon sehnsüchtig auf ihr Enkelchen wartete. „Wie heißt denn deine Oma, Ray-chan?“

„Oma Sayuri.“ Oh toll, dass war ja sehr hilfreich, aber was hatte ich von einem kleinen Kind auch anderes zu erwarten. So entschloss ich mich schließlich dazu alle Knöpfe durchzuprobieren, bis ich ‚Oma Sayuri‘ gefunden hatte. Hoffentlich hat Ray mir wenigstens die richtige Adresse gesagt, sonst zeigt mich seine Mutter noch wegen Kindesentführung an…

Nach gefühlten 325.000 Klingelknöpfen hatte ich es auch endlich geschafft. Mir viel ein riesen Felsbrocken vom Herzen, als sich endlich eine Frau meldete, die Sayuri hieß und tatsächlich einen weißhaarigen Enkelsohn namens Ray hatte.

Meine Überraschung war nicht gering, als eine für eine Oma relativ junge Frau vor ihre Wohnungstür trat und Ray überglücklich in die Arme schloss. Ihre dunkelbraunen Haare hatten zwar schon einige weiße Strähnen doch war ihr fein geschnittenes Gesicht so gut wie Faltenfrei. Sie war wohl kaum älter als 50. „Oma, das ist Ryou, er hat mich her gebracht.“

Ihre klaren blauen Augen sahen mich dankbar an. „Vielen Dank, junger Mann, wir haben uns schon solche Sorgen um Ray gemacht. Mein Schwiegersohn ist außer sich, weil er ihn nirgends finden kann…aber jetzt ist ja alles gut.“ Sie erhob sich mit dem Jungen auf dem Arm und machte eine einladende Geste Richtung Haustür.

„Kommen sie doch bitte rein. Für ihre Mühe möchte ich ihnen wenigstens einen Kaffee und ein Stück Kuchen anbieten. Mehr habe ich gerade leider nicht da…“ Es schien ihr beinahe etwas peinlich zu sein. Normalerweise war es mir unangenehm einfach bei fremden Leuten in die Wohnung zu platzen und mich obendrein noch bedienen zu lassen, aber ich war schon so lange nicht mehr unter Leuten, unter netten Leuten wohlgemerkt, so dass ich mich doch hinreißen lies. Außerdem wollte ich noch ein bisschen länger bei dem kleinen Ray sein. Wer weiß, vielleicht brachte ich die Oma ja soweit, dass er mich hin und wieder besuchen durfte.

„Nehmen sie einfach irgendwo Platz, am besten auf dem Sofa, ich komme gleich. Oh könnten sie bitte kurz auf Ray aufpassen, damit ich meinen Schwiegersohn anrufen kann. Er ist schon ganz krank vor Sorge.“

Ich nahm ihr den Jungen ab und setzte mich mit ihm auf das große braune Sofa im Wohnzimmer. Es war unglaublich gemütlich in der kleinen Wohnung und diese Caoch war der absolute Hammer, hier könnte ich für den Rest meines Lebens sitzen. Am besten mit Ray auf dem Schoß.

„Ähm, sie können mich ruhig Ryou nennen, das ist mir viel angenehmer.“

„Ok, Sayuri, sehr angenehm. Aber jetzt muss ich wirklich telefonieren.“ Damit verschwand sie dann auch ins Nebenzimmer und ließ mich mit dem Kleinen allein zurück. Glücklich betrachtete ich Ray’s niedliches Gesicht und zog ihn noch näher an mich. Er war mittlerweile eingeschlafen, aber dadurch nicht minder niedlich, ganz im Gegenteil. Von dem Jungen ging eine angenehme Wärme aus, je länger ich ihn ansah, desto wohler wurde mir ums Herz. Es war das erste Mal seit langen, dass ich mich nicht von Gott und der Welt verlassen fühlte.

„HIMMELDONNERWETTER NOCHMAL! WO ZUR HÖLLE STECKT DAS BALG?!!“
 

Die Wohnungstür knallte, ich fuhr erschrocken auf und hielt mir die Ohren zu. Wie konnte man nur so laut sein? Aber diese Stimme…das konnte doch nicht sein…
 

Ray war in der Zwischenzeit von dem Lärm aufgewacht und rieb sich verschlafen die Augen.
 

„WAS DENKST DU DIR EIGENTLICH DABEI, EINFACH ABZUHAUN?!!! ICH SAG DIR WARTE BIS ICH DICH HOLE, ABER NEIN, DER HERR MUSS SICH JA WIDERSETZEN!“
 

Ungläubig starrte ich in das wutverzerrte Gesicht meines Yami. Wie konnte das sein, er war doch…oder etwa doch nicht? Für einen kurzen Moment schien mein Herzschlag auszusetzen, das war Bakura, ohne Zweifel. Ok, langsam beschlich mich das Gefühl, dass ich nicht mehr alle Sinne beisammen hatte.
 

„DIE GANZE STADT HABE ICH NACH DIR ABGESUCHT! ABER INTERESSIERT DICH DAS? NEIN, NATÜRLICH NICHT!“
 

Etwas ängstlich presste ich die Hände auf die Ohren. Wie konnte ein einzelner Mann nur so laut und furchteinflößend sein? Nicht nur ich war ziemlich eingeschüchtert von dem wutschnaubenden Bakura. Ray hatte sich schutzsuchend an mich geklammert und heulte mit einer ziemlichen Lautstärke los. Verzweifelt drückte ich den Kleinen an mich und versuchte ihn zu trösten. Böse wandte ich mich an meinen Yami.
 

„Musst du ihn so anschreien, er ist doch nur ein kleines Kind!!“
 

Doch mein Yami schien mich zu ignorieren. Mit einem völlig versteinerten Gesicht sah er seinen kleinen Jungen an und ich konnte etwas wie Reue in seinen Augen aufblitzen sehen. Mit einem Mal hatte er mir Ray aus den Armen gerissen und drückte ihn an sich. Er schien wie verwandelt. Im einen Moment vor Wut tobend und im nächsten so unglaublich zärtlich. Sacht wiegte er das süße Kerlchen und flüsterte ihm tröstende Worte ins Ohr.
 

„Papa hat das doch gar nicht so gemeint, er hat sich nur so große Sorgen um dich gemacht. Was soll ich denn ohne dich machen, mein kleines Bärchen?“
 

Ray hatte sich ein klein wenig beruhigt und davon abgesehen das Haus zusammen zu schreien. Jetzt saß er nur noch schluchzend auf dem Arm seines Vaters und lies sich trösten.
 

„Shht nicht mehr weinen. Papa tut es leid, dass er dich so angeschrien hat. Na komm, jetzt geht’s ab ins Bett und dann wird auch nicht mehr geheult, du bist doch schon ein großer Junge, oder?“
 

Stumm nickte Ray und lies sich forttragen. Ich seufzte auf, wie gern hätte ich den Kleinen hier behalten und noch ein bisschen mit ihm gekuschelt. Ganz neben bei hatte ich ziemlich Schiss davor allein mit Bakura zu reden und da hätte ich gerne was kleines Niedliches zum festhalten gehabt. Wer konnte schon sagen wie mein Yami reagieren würde und ob er mich überhaupt sehen wollte. Ich hatte so viele Fragen an ihn, die ich los werden wollte, aber bis zu diesem Zeitpunkt hatte er mich ja komplett ignoriert.
 

„Hier, eine heiße Schokolade und Kuchen. Kaffee hatte ich leider doch nicht mehr.“
 

Entschuldigend lächelte mich Sayuri an und stellte ein Riesenstück Torte vor meine Nase.
 

„Ist mir eh lieber, als Kaffee. Danke! Das ist ja Wahnsinn!“
 

Vorsichtig nahm ich einen Schluck von der dampfenden Flüssigkeit und betrachtete die Monstertorte. Wie ich das alles schaffen sollte war mir schleierhaft.

Aber sie hatte es ja gut gemeint. Nachdenklich musterte ich meine Gastgeberin. Sie war wirklich eine für ihr Alter sehr attraktive Frau mit diesen unglaublich blauen Augen und den kleinen Lachfältchen, welche ihre Mundwinkel zierten.

Eine sehr angenehme Gesellschaft und perfekt um mehr über Bakura herauszufinden.
 

„Ist er eigentlich immer so zu Ray?“
 

„Nein, das war das erste Mal, dass er ihn angeschrien hat. Er ist in letzter Zeit furchtbar unter Stress und das heute hat ihm wohl den Rest gegeben.“
 

Sie schien durch mich hindurch zu sehen, als sie mir antwortete. Ihr Blick war verklärt und es lag ein merkwürdiger ausdruck darin, den ich nicht zu deuten wusste.
 

„Sayuri, Ray fragt nach dir.“
 

Sofort war ihr Blick wieder klar und sie nickte ihrem Schwiegersohn zu, stand langsam auf und ging an ihm vorbei zu dem Zimmer ihres Enkels.

Unruhig rutschte ich auf meinem Platz herum und spielte nervös mit den Knöpfen meiner Schuluniform. Jetzt war ich mit ihm allein, das war die Gelegenheit und doch brachte ich keinen Ton heraus.

Ein dicker Kloß schnürte mir die Kehle zu und ich konnte nichts weiter tun als ihn anzustarren. Ruhig ging er an mir vorbei und lies sich in den Sessel gegenüber fallen. Ich spürte seinen durchdringenden Blick auf mir ruhen.

Jede Faser meines Körpers begann vor Aufregung zu kribbeln. Oh, bitte Bakura sag doch was, ich halt das einfach nicht mehr aus. Mir war so was von schlecht und ich war Gott froh noch keinen Kuchen gegessen zu haben, den wäre ich nämlich spätestens jetzt wieder losgeworden.
 

„Danke!“
 

Ein Wort und alles in mir schien in Bewegung zu geraten. Alle Gefühle, die sich so lange in mir angestaut hatten gerieten völlig außer Kontrolle. Angst, Trauer, Wut und eine unbändige Freude kämpften um die Vorherrschaft.
 

„Bakura…“
 

Ich wollte ihm nah sein, ihn berühren, ihn küssen, ihn…

Doch nichts dergleichen konnte ich, mein Körper verweigerte mir den Dienst und mir blieb nichts weiter übrig als einfach nur da zu sitzen und ihn sehnsüchtig anzuschauen.

Stumme Tränen liefen über mein lächelndes Gesicht.
 

„Bakura…“
 

Leise hauchte ich ihm seinen Namen entgegen und wartete auf eine Reaktion. Doch er sah mich nur schweigend an.

All meine Kraft zusammennehmend stand ich auf. Meine Beine zitterten vor Aufregung, doch es gelang mir trotzdem mich aufrecht zu halten.

Wie ein kleines Kind, dass gerade seine ersten Schritte wagt stolperte ich auf meinen Yami zu und lies mich schließlich vor seinem Sessel auf die Knie sinken. Beinahe automatisch umschlangen meine Arme die schmale Taille meines mehr als überraschten Gegenübers und zogen es an mich. Die aufkommenden Schluchzer suchte ich in dem weichen weißen Hemd meines anderen Ichs zu ersticken.
 

„Bitte…bitte, lass mich nie wieder so lang allein!“
 

Er antwortete mir nicht, versuchte nicht mir etwas Tröstendes zu sagen. Hoffnungsvoll wartete ich auf ein liebes Wort. Doch er schwieg. Stumme Tränen rannen immer weiter meine Wangen hinunter, ohne dass ich es hätte verhindern können.
 

Wie konnte er nur? Wieso war ich ihm so egal?

Ich zuckte unwillkürlich zusammen, als sich plötzlich eine kalte Hand in meinen Nacken legte und begann diesen sanft zu kraulen. Genießerisch schlossen sich meine Augen und ein leises schnurrendes Geräusch entkam meiner Kehle. In diesem Moment wurde mir bewusst, dass es keinerlei Worte bedurfte. Was er tat war tröstlicher als alles, was er hätte sagen können.
 


 


 

Mhh, was ist passiert?

Ein Traum?

Verwirrt sah ich mich um. Ich lag in eine Decke gewickelt auf diesem unglaublich bequemen Sofa der alten Lady.
 

„Na, wieder wach?“
 

Die Hausherrin war gerade dabei das Wohnzimmer etwas in Ordnung zu bringen.
 

„Sayuri? Wo ist Bakura?“
 

Fragend sah ich mich nach ihm um.
 

„Bei der Arbeit, was denkst du denn?“
 

„Mhh wie spät ist es denn? OH NEIN! Das darf doch nicht wahr sein!“
 

Entsetzt starrte ich auf die Uhr über der Tür. Zwei Uhr Nachmittags! Ich hatte die Schule verpasst! Ich ließ mich wieder in die Kissen sinken. Eigentlich auch nicht schlimm, ein Tag voll Schikanen weniger.
 

„Ich hätte dich ja früher geweckt, aber du hast so friedlich geschlafen und Bakura war der Meinung, dass du Ruhe brauchst.“
 

Er hatte mir einen freien Tag verschafft? Das ließ mich schmunzeln. Er sorgte sich also doch um mich. Ob er wohl ahnte, wie es mir in der Schule erging? Wenn er es wüsste, würde er nicht zulassen, dass sie mich weiterhin so behandeln!
 

„In zwei Stunden hole ich Ray vom Kindergarten ab. Möchtest du mitkommen?“
 

Sayuri riss mich aus meinen Gedanken. Dabei lächelte sie so freundlich, dass ich gar nicht anders konnte als zurück zu strahlen.
 

„Natürlich und ob ich das will!“
 

Jede Gelegenheit mehr über Bakura und sein neues Leben herauszufinden war mir mehr als willkommen und wenn ich dann noch diesen niedlichen Knirps in meiner Nähe haben konnte…
 


 


 


 

Es war schon ziemlich dunkel und verdammt kalt. Ich wanderte mit Sayuri durch die Straßen auf dem Weg zu der Kindertagesstätte Rays. Wäre die Kälte nicht so schneidend würde ich mich rundum wohl fühlen. Ray’s Oma hatte mich vor unserem Aufbruch mit dem besten Essen seit langem beglückt. Der Kleine war wirklich um seine Familie zu beneiden so eine liebe Großmutter und ein Vater der sich um ihn kümmert. Wenn ich da an meine liebe Verwandtschaft dachte...
 

„Ryou-kun, geht es dir nicht gut?“
 

„N-nein, alles in Ordnung.“
 

Schnell wandte ich meinen Kopf so, dass sie mir nicht ins Gesicht sehen konnte. Ich wollte nicht, dass sie sich Sorgen machte.
 

„Kennst du meinen Schwiegersohn?“
 

„Häh?“
 

„Du hast ihn bei seinem Vornamen genannt, ohne dass ihn dir jemand verraten hätte…also musst du ihn doch kennen. Aus dem Krankenhaus vielleicht?“
 

„Nein, ich, also ich weiß nicht…vielleicht kenne ich ihn. Also nun, ich kenne ihn aber das ist ziemlich kompliziert.“
 

Sie fragte nicht weiter, nickte nur kurz. Sayuri hatte wohl gemerkt, dass mir dieses Thema etwas unangenehm war. Ich würde ja selbst gerne einige Dinge über Bakura erfahren…
 

Etwas rot um die Nase versuchte ich die mir wichtigste Frage überhaupt zu klären.
 

„Wo ist eigentlich Ray’s Mutter?“
 

Mein Herz schlug mir bis zum Hals, die Antwort machte mir Angst. Es zerriss mich beinahe innerlich. Ich wollte nicht, dass mein Bakura mit einer anderen Frau glücklich war. Aber genau so wenig wollte ich ihn unglücklich sehen. Nervös sah ich zu meiner Begleiterin, die mir noch eine Antwort schuldig war. Im nächsten Moment tat mir meine Frage beinahe leid. Das freundliche Gesicht Sayuri’s hatte wieder diesen eigentümlichen Ausdruck angenommen, den es schon am gestrigen Abend hatte. Ein bitteres Lächeln schlich sich auf ihre Lippen und ihre blauen Augen funkelten mich an, dass mir heiß und kalt wurde.
 

„Entschuldige…“
 

„Es muss dir nicht leid tun! Es ist nur, dass meine Tochter mich sehr enttäuscht hat.“
 

Sie wandte ihren Blick ab und seufzte leise.
 

„Bakura und Hana, so heißt meine Tochter, haben sehr jung geheiratet. Sie war schwanger und Bakura war bereit die volle Verantwortung für Hana und das Baby zu übernehmen und das obwohl er mitten in seinem Studium steckte. Ich beschloss sie zu unterstützen, damit Bakura sein Studium beenden konnte. Er hat sehr hart gearbeitet um so bald wie möglich ein fertiger Arzt mit festem Einkommen zu sein. Ich war unglaublich stolz auf ihn und auf Ray, so ein süßes Kind…aber ich schweife ab.

Wie gesagt, hat Bakura sehr hart gearbeitet. Hana muss sich gelangweilt haben, denn eines Tages kam sie mit einem anderen Mann an und stellte uns vor vollendete Tatsachen.

Sie hatte sich neu verliebt und wollte mit ihrem neuen Freund zusammen leben. So lies sie sich scheiden.

Das an sich ist ja an sich nicht schlimm. Wenn man so jung heiratet kann es ja schon mal vorkommen, dass man sich doch noch einmal um entscheidet.

Allerdings wollte ihr neuer Mann nichts mit Kindern zu tun haben. Also hat sie Bakura das Baby in die Hand gedrückt und ist einfach abgehauen.

Das hat mich wirklich aufgeregt. Ich hätte nie von ihr gedacht, dass sie uns hier mit einem einjährigen Baby sitzen lässt! Ray war ihr ganz egal…“
 

Gebannt hing ich an ihren Lippen. Mein armer Bakura, das war bestimmt nicht leicht für ihn und auch meine neugewonnene Freundin tat mir leid. Es gab also auch Momente, in denen diese fröhlich wirkende Person traurig war.

Trotzdem konnte ich das in mir aufkeimende Glücksgefühl nicht unterdrücken.

Keine Ehefrau, die mir im Weg stand, noch dazu war es vier Jahre her, dass Hana ihn verlassen hatte, er war also schon darüber hinweg gekommen. Besser konnte ich es ja gar nicht treffen.

Es war einfach alles perfekt. Hätte ich zu diesem Zeitpunkt gewusst, was noch alles auf mich zukommen würde, so wäre ich wohl nicht voll solch naiver Freude gewesen aber dazu später.
 


 


 


 

Wir hatten noch einen sehr schönen Abend zusammen.

Ich sah mir mit Ray auf dem Schoß die Sesamstraße an und anschließend gab es noch ein großartiges Abendessen von der lieben Oma.

Da war es auch noch zu verkraften, dass Bakura diesen Abend nicht kam. Sayuri erklärte mir, dass er bis zum Nachmittag des nächsten Tages arbeiten musste.

Die letzten beiden Tage waren die schönsten seit langem.

Es war beinahe so als hätte ich eine Familie, also eine Familie, der ich etwas bedeute.



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Kommentare zu dieser Fanfic (2)

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Von: abgemeldet
2009-10-07T12:43:58+00:00 07.10.2009 14:43
Man ist das niedlich. Der kleine Ray, wie er nachfragt, warum Ryou weint...und Ryou, der den kleinen beim Schlafen beobachtet.

Ich bin schon auf das nächste Kapitel gespannt, obwohl ich glaube zu ahnen, was in etwa passieren wird...

-Run-
Von: abgemeldet
2009-09-09T17:12:18+00:00 09.09.2009 19:12
Hey, du hast ja was Neues geschrieben...
Wundert mich nicht, dass es diesmal Tendershipping ist. Man kann ja schon an deiner One - Shot - Sammlung sehen, dass du das Pair liebst. Ich mag ja Ryou und Bakura auch total.

Aber jetzt mal zu der FF. Es ist sehr gut geschrieben. Kurz und präzise. Ohne unnötige Füllworte und dadurch sehr leicht zu lesen. Der Inhalt ist etwas traurig. Ryou, der seinen Yami vermisst und ganz alleine ist. Seine Familie, die sich nicht wirklich für ihn interessiert, dass alles hat mich wirklich gerührt.

Bin mal gespannt, wie es weitergeht.

_Run-


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