Sengoku-Jidai Chronicles - Zeit des Wandels von Jenny-san ================================================================================ Kapitel 5: Getrennte Wege ------------------------- Kimie hatte sich kein einziges Mal umgedreht, als sie gemeinsam mit Kagome, Inu Yasha und Shippou aufgebrochen war. Irgendwie hatte sie die Befürchtung gehabt, allein schon ein flüchtiger Blick zurück, hätte sie in ihrer Entscheidung beeinflussen können. Der Weg zum Dorf wurde größtenteils schweigend zurückgelegt, doch kam die Gruppe zügig genug voran. So erreichten sie das Dorf am Kochen fressenden Brunnen bereits am Abend. Anstatt jedoch gleich in die Neuzeit zurückzukehren, wollten Kagome und Kimie noch ihre Freunde begrüßen. Die anfängliche Freude über das Wiedersehen wich rasch einem Gefühl der Irritation, als allen klar wurde, was der genaue Grund für Kimies Besuch war. Kimie selbst verspürte keine große Lust darauf, die Geschichte in allen Einzelheiten wiederzugeben, sondern überließ das gerne Kagome, während sie selbst sich ein wenig in Kaedes Hütte zurückzog. Lediglich Inuki begleitete seine Herrin. Nachdem Kagome den Freunden alles so weit erzählt hatte, begriffen sie es besser. “Verstehe. Und deshalb ist Kimie mit euch hierher gekommen.” Miroku legte sich nachdenklich eine Hand ans Kinn. “Ich muss zugeben, mit so was hätte ich nicht gerechnet. Eine Verlobte…” “Ich finde das unmöglich!”, empörte sich Sango, sprach jedoch nicht allzu laut, damit ihr kleiner Sohn, der gerade auf ihren Armen schlief, nicht aufwachte. Ihre Zwillinge hatte die junge Frau zuvor bereits ins Bett gebracht. “Wie kann Sesshoumaru es wagen, Kimie-chan nichts von dieser Prinzessin zu erzählen? Es ist ja schließlich nicht so, als hätte er all die Jahre nichts von ihr gewusst.” “Auf jeden Fall muss diese Prinzessin eine wirklich wunderschöne Frau sein”, überlegte Miroku, wofür er sich von Sango sofort einen bitterbösen Blick einfing, der ihm einen eiskalten Schauer über den Rücken jagte. “Fall jetzt bloß nicht wieder in dein altes Muster zurück, Miroku!”, ermahnte sie ihn eindringlich. “Außerdem ist es vollkommen egal, wie diese Frau aussieht! Tatsache ist, dass Sesshoumaru zu ihr nicht hätte schweigen dürfen! Wir sehen ja jetzt, was dabei herausgekommen ist.” “Na ja, aber wie hätte Kimie reagiert, wenn er ihr davon erzählt hätte?”, fragte Miroku nun. “Ich meine, hättest du mich geheiratet, wenn ich dir vorher gesagt hätte, ich wäre verlobt?” “Wenn du mir hoch und heilig geschworen hättest, dass diese Verlobung 1. nicht deine Idee war und 2. du die besagte Frau noch nie in deinem Leben gesehen und du auch keinerlei Interesse an ihr hast, dann möglicherweise ja.” “Möglicherweise, aber eben auch nicht hundertprozentig, oder?” “Nimmst du den Kerl etwa in Schutz?”, fragte Sango verständnislos. “Vielleicht ist das ja unter Youkai nichts Besonderes, aber er kann doch nicht von Kimie-chan erwarten, dass ihr das egal ist!” “Ich glaube auch eigentlich nicht, dass Sesshoumaru so denkt”, entgegnete Kagome daraufhin. “Ich vermute viel mehr, die ganze Sache ist komplizierter, als wir denken. Es geht offenbar nicht nur um diese Verlobung.” Miroku horchte auf. “Meint Ihr, die Kitsune aus dem Süden könnten Sesshoumaru und seinem Clan Probleme bereiten, Kagome-sama?” “Vielleicht… Sicher bin ich mir nicht. Allerdings bin ich davon überzeugt, dass Sesshoumaru auch nicht gerade glücklich über die momentane Lage ist.” “Ich glaube, der Typ wird allmählich alt”, mischte sich Inu Yasha plötzlich ein und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. “Früher hätte er einfach mal sein Schwert gezogen und ein bisschen Radau gemacht. Jetzt kommt es mir eher so vor, als hätte er Schiss vor den Füchsen. Offenbar reichen ihm die Prügeleien mit den Ryû-Youkai und der langwierige Kampf gegen Naraku erst mal für die nächsten tausend Jahre.” Zwar glaubte der Hanyou nicht wirklich daran, dass sein Halbbruder tatsächlich Angst haben könnte oder des Kampfes müde war, aber im Augenblick beschrieb diese Aussage seiner Meinung nach die Situation noch am besten. “Oder ihm gefällt die Prinzessin wirklich”, wagte Shippou nun zu behaupten und hatte sofort jegliche Aufmerksamkeit auf seiner Seite. “Wenn das wirklich so ist”, begann Sango ernst, “dann sollte Kimie-chan ihm die Entscheidung abnehmen und ihn auf der Stelle abschießen!” “Klingt ja ziemlich radikal, Sango…”, fand Miroku, doch seine Frau beharrte auf ihrer Meinung. Rin, die die ganze Zeit über schweigend daneben gestanden hatte, hatte diese Unterhaltung doch sehr irritiert. Lief es denn wirklich so schlecht zwischen Sesshoumaru und Kimie? Unbemerkt von den anderen lief das Mädchen schließlich zu Kaedes Hütte, in welche sich Kimie zuvor mit Inuki zurückgezogen hatte. Auch Kaede war anwesend und hatte sich in der Zwischenzeit ein wenig mit der jungen Frau unterhalten, die ihr mittlerweile im Groben geschildert hatte, was sich zugetragen hatte. Als Rin in die Hütte hineinschaute, stand die alte Miko auf. “Du möchtest sicher zu Kimie, habe ich Recht, Rin? Dann lasse ich euch beide mal in Ruhe.” Nachdem Kaede die Hütte verlassen hatte, deutete Kimie dem Mädchen an, sich zu ihr zu setzen, was dieses auch sogleich tat. Obwohl Rin älter und auch größer geworden war, war sie im Grunde noch immer das kleine Mädchen. Das Leben im Dorf hatte ihr sichtlich gut getan. Rin hatte sich schon kurz, nachdem sie von Kaede in deren Obhut genommen war, gut eingelebt und mit den Dorfkindern angefreundet. Natürlich hatte sie Sesshoumaru besonders zu Anfang sehr vermisst und es zunächst nicht so recht verstanden, warum er sie hier hatte zurücklassen wollen. Denn nur zu gerne wäre sie mit ihm in die westlichen Länder gegangen, wie Kimie es getan hatte. Aber schon nach kurzer Zeit hatte Rin die Beweggründe des Youkai nachvollziehen können. Er wollte ihr eben die Möglichkeit offen halten, sich irgendwann entscheiden zu können, wo und wie sie leben wollte. Und da er sie nach wie vor immer regelmäßig besuchen kam, hatte sich Rin irgendwann mit dem Leben im Dorf arrangieren und richtig gefallen daran finden können. “Kimie-san? Du hast dich mit Sesshoumaru-sama gestritten, oder?”, fragte Rin plötzlich. Zunächst wollte Kimie sie fragen, woher sie das wusste, doch konnte sie sich denken, dass die anderen wohl in Rins Gegenwart ausführlich genug über das Thema geredet hatten. “Es ist nicht schön, wenn man sich streitet”, sprach Rin weiter. “Vertragt ihr euch denn bald wieder?” Zunächst zögerte Kimie. Was sollte sie darauf antworten? Schlussendlich rang sie sich zu einem zaghaften Lächeln durch. “Mach dir keine Sorgen, Rin. Es kommt schon alles wieder in Ordnung.” Nur fiel es Kimie doch ein wenig schwer, selbst daran zu glauben, dass das so bald geschehen würde. Sie war sich im Moment nicht mal sicher, ob es unter den gegebenen Umständen überhaupt dazu kommen würde. Eine Zeit lang herrschte Stille in der kleinen Hütte. Doch plötzlich horchte Inuki auf. Bis eben hatte er noch vollkommen entspannt neben Kimie gesessen, doch nun richtete sich seine ganze Aufmerksamkeit auf den Eingang der Hütte. Einen Augenaufschlag später war er schon hinausgelaufen. “Inuki! Wohin läufst du?”, rief Rin dem Hund noch nach, ehe sie und Kimie ihm nach draußen folgten. Inuki befand sich unweit der Hütte und hatte den Blick zum Himmel hinauf gewandt. Schon fast von selbst schauten nun auch Kimie und Rin nach oben, konnten aber außer den Wolken am Himmel nichts Ungewöhnliches entdecken. Die Sache wurde erst recht eigenartig, als Inuki auch noch zu bellen anfing. “Inuki! Jetzt ist es aber genug!”, ermahnte Kimie ihren Hund und ging zu ihm rüber. “Was soll denn das? Was hast du denn auf einmal?” Inuki begann, unruhig hin- und herzutänzeln, als wollte er Kimie auf etwas aufmerksam machen. Dabei schaute er immer noch zum Himmel hinauf. Kimie konnte es sich nicht so recht erklären, aber irgendwie fühlte sie sich im Moment wie in jenen Augenblick zurückversetzt, als sie Sesshoumaru, das erste Mal begegnet war. Damals hatte Inuki sich ähnlich benommen. Moment! War Sesshoumaru vielleicht hier? Augenblicklich folgte Kimie dem Blick ihres Hundes, doch konnte sie nichts Verdächtiges entdecken. Nach einem Moment schüttelte sie den Kopf. War sie denn nicht mit dem Grund fort gegangen, Sesshoumaru erst mal nicht mehr zu sehen? Und jetzt ertappte sie sich dabei, wie sie sich insgeheim wünschte, er wäre hier. Lächerlich… “Inuki, lass es gut sein. Da ist nichts.” >Und selbst wenn… es wäre egal.< Kimie wollte sich soeben abwenden, als sie für einen kurzen Augenblick das seltsame Gefühl beschlich, als würde sie jemand beobachten. >Sesshoumaru?< Kurz blieb sie stehen und schaute noch ein Mal zurück. >Hm… Nein, es ist nicht seine Art, sich zu verstecken. Er ist nicht hier…< Trotzdem fragte sich Kimie, was Sesshoumaru im Moment wohl gerade tat. Indes hatte Inuki sich um keinen Meter vom Fleck bewegt, doch schließlich schien seine Aufmerksamkeit langsam zu schwinden. Er schaute sich zwar noch kurz suchend um, doch das, worauf er sich zuvor noch konzentriert zu haben schien, schien inzwischen verschwunden zu sein. * ~ * ~ * ~ * Auch die von Kagome insgeheim erhoffe Verbesserung im Bezug auf Kimies Gemütszustand trat nicht ein. Eher im Gegenteil; Kimie verschanzte sich Tag für Tag in ihrem Zimmer, nur zum essen gesellte sie sich zu ihrer Familie. Und je mehr Zeit verstrich, umso mehr bekam Kagome den Eindruck, dass sich ihre Cousine immer weiter in ihr Schneckenhaus zurückzog. Mittlerweile war es zwei Wochen her, seit sie das Schloss im Westen verlassen hatten. Kagome wusste sich so langsam keinen Rat mehr. Mehrmals hatte sie Kimie angeboten, mit ihr zu sprechen, wurde aber jedes mal abgewiesen. Trotzdem wollte sie nicht aufgeben, und so startete sie auch an diesem Tag einen weiteren Versuch. Zumindest durfte Kagome ungehindert in Kimies Zimmer. Mit dem geplanten Gespräch wollte es anfangs aber nicht so recht laufen. “Und? Schönes Wetter heute, nicht wahr?”, war die erste Frage, die Kagome ihrer Cousine stellte, allerdings kam sie sich dabei mehr als dumm vor. Kimies Reaktion war auch eher verhalten. “Hm… Kann sein.” Kagome unterdrückte ein Seufzen. Kimie saß mit dem Rücken zu ihr am Schreibtisch und blätterte offenbar eher planlos in einem Buch herum. Wie sollte sie weiter vorgehen? “Wie sieht’s aus? Wollen wir heute nicht ein wenig shoppen gehen? Oder ins Kino?”, fragte Kagome schließlich einfach drauf los. “Ich wollte mich sowieso mal wieder mit Yuka, Eri und Ayumi-chan treffen. Komm doch einfach mit uns mit! Sie würden dich bestimmt auch gerne mal wieder sehen.” Doch Kimie lehnte ab. “Nein, danke. Keine Lust. Aber du kannst sie ja von mir grüßen.” Schon wieder eine Niete. “Kimie…”, begann Kagome schließlich zögerlich. “Seit wir zurück sind, bist du praktisch nur noch hier in deinem Zimmer. Du gehst nicht nach draußen und sprechen tust du mit mir oder unserer Familie nur, wenn es sein muss. Ist vielleicht irgendetwas passiert, was du bisher noch keinem erzählt hast? Hat es was mit Sesshoumaru zu tun?” “Es ist nichts. Ich bin nur nicht gut drauf.” “Das kann ich nachvollziehen, aber das kann doch nicht alles sein, oder?” Kagome näherte sich ihr vorsichtig, ehe sie Kimie ebenso eine Hand auf die Schulter legte. “Kimie, erzähl mir bitte, was du hast. Du kannst mir alles sagen.” Plötzlich und für Kagome völlig unerwartet schlug Kimie ihr Buch zu, stand ruckartig auf, dass ihr Stuhl fast umgekippt wäre, und erwiderte energisch, fast schon aggressiv: “Ich habe dir doch gesagt, dass alles okay ist! Also hör auf damit, mir auf die Nerven zu fallen! Kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen? Ist das denn zu viel verlangt?!” Erschrocken hatte sich Kagome von ihrer Cousine zurückgezogen. Noch nie hatte Kimie auf diese Art und Weise mit ihr gesprochen und sie dabei mit einem solchen Blick voller Ablehnung angesehen. Kagome musste schlucken. “Ich… Entschuldige, so war das nicht gemeint. Ich wollte dir bestimmt nicht auf die Nerven gehen, Kimie.” Es war wohl besser, wenn sie erst mal wieder gehen würde. Doch kaum, dass Kagome die Tür geöffnet hatte, hörte sie Kimie reumütig sagen: “Warte, Kagome! Es tut mir Leid… Ich wollte dich nicht so anmachen. Es ist ja schließlich nicht deine Schuld…” Ein leichtes Lächeln huschte über Kagomes Lippen. Mal abgesehen davon, dass sie Kimie sowieso nicht böse gewesen war, war sie nun doch erleichtert, als die Ältere ihr andeutete, sich mit ihr auf das Bett zu setzen. Ohne Wiederworte gesellte sich Kagome zu ihr. “Also, was ist los? Möchtest du doch darüber reden?”, fragte sie erneut. Kimie schaute anfangs nur schweigend zu Boden, als traute sie sich nicht, ihrer Cousine in die Augen zu sehen. “Ich … Ich kann es nicht… Ich kann es nicht sagen…” “Kimie…” Erneut legte Kagome ihr eine Hand auf die Schulter. “Wenn du ein Problem hast, dann wäre es besser, wenn du darüber sprichst. Vielleicht kann ich dir helfen.” Aber Kimie schüttelte den Kopf. “Hierbei kannst du mir nicht helfen, Kagome. Das kann keiner...” Kagome schwieg dazu. Sie war sich nicht sicher, was sie darauf hätte erwidern können. “Sie sind perfekt, oder?”, fragte Kimie plötzlich, ohne jedoch aufzuschauen. “Perfekt? Wen meinst du?”, wollte ihre Cousine wissen. “Die Inu-Youkai. Sie sind gleichermaßen stark und schön. Eigentlich unerreichbar… Und die Füchse sind genau so.” Kimie trat an ihr Fenster und schob den Vorhang etwas zur Seite. Ihr nachdenklicher Blick schweifte langsam über den Hof des Schreingeländes. “Kagome… Die Zeit vergeht so wahnsinnig schnell, findest du nicht auch? Manchmal kommt es mir so vor, als sei es erst gestern gewesen, dass wir in die 1. Klasse der Grundschule gekommen sind. Und dabei haben wir beide längst unseren Abschluss. Wo stehen wir in ein paar Jahren?” Sie wandte sich wieder zu Kagome um. “Machst du dir nicht auch ab und zu Gedanken, über Inu Yasha und dich? Was in 10 oder 20 Jahren mit euch sein könnte?” Auf diese Frage hin war Kagome zunächst doch etwas irritiert. Dann begann sie zu überlegen. Und sie musste sich eingestehen, dass sie sich über dieses Thema noch nie ernsthafte Gedanken gemacht hatte, weshalb sie die Frage ihrer Cousine verneinen musste. Kimie seufzte leise, als sie sich wieder zu ihr setzte. “Der Gedanke an die Zukunft macht mich fast verrückt. Ich könnte es Sesshoumaru nicht mal übel nehmen, sollte er sich doch dazu entschließen, diese Prinzessin zu heiraten.” “Sprich nicht so! Das wird nicht passieren”, wollte Kagome widersprechen, doch Kimie hielt dagegen. “Da wäre ich mir nicht so sicher. Sesshoumaru hat bestimmt keine Lust darauf, mir beim alt werden zuzusehen, während er selbst sich wohl kaum verändert haben wird, wenn ich irgendwann ins Gras beiße.” “Sprich doch nicht so! Und mach dich deswegen nicht so verrückt! Er weiß doch schließlich darüber Bescheid und hat dich trotzdem nie von sich gewiesen.” “Trotzdem… Ich fühle mich bei dem Gedanken daran ja selbst nicht wohl. Das Dumme ist nur, dass es jetzt offenbar zu spät ist, um zu einem sauberen Ende zu kommen.” “Ende? Du willst ernsthaft Schluss machen?”, fragte Kagome nunmehr sichtlich erschrocken. “Kimie, jetzt übertreib bitte nicht so! Es gibt sicher eine bessere Lösung. Sprich dich doch mal richtig mit Sesshoumaru aus. Sag ihm, worüber du dir Sorgen machst, dann kommt sicher schnell alles wieder in Ordnung.” “Nein. Ich hab’s verbockt und darf es jetzt auch ausbaden. So einfach ist es…” “Verbockt? Ausbaden? Ich verstehe nicht...” Kimie holte ein Mal tief Luft. Nach einem weiteren Moment des Zögerns sprach sie endlich weiter: “Es… gibt noch einen anderen Grund, warum ich mit dir und Inu Yasha weg vom Schloss und hierher kommen wollte.” Kagome horchte auf. “Du meinst, es lag nicht allein an den Füchsen?” “Ja.” Kimie nickte ein Mal. “Es ist so… Ich weiß nicht, wie ich anfangen soll. Kagome, ich… Wegen meinem Unwohlsein… Das war nicht der Stress.” “Sondern?” “Ich… Nun… Ich bin…” Das leise Ticken der Wanduhr war das einzige Geräusch, das im Augenblick zu hören gewesen war. Kagome war sich nicht sicher, ob sie Kimie richtig verstanden hatte. Hatte sie sich nicht vielleicht nur verhört? “Äh… Schwanger? Kimie, du… Und du bist dir da auch wirklich sicher?” “Anfangs war ich das noch nicht, aber… jetzt schon.” “Wie das? Du warst weder beim Arzt, noch hattest du die Gelegenheit, es selbst zu überprüfen.” “Mag sein, aber ich bin mir inzwischen eigentlich sehr sicher. Um ehrlich zu sein, hatte mich Kakeru darauf aufmerksam gemacht. Er ist bisher der Einzige, der es weiß.” Kimie schlug die Hände vor das Gesicht. “Ich bin so eine blöde Kuh! Ich hätte besser aufpassen sollen!” “Kimie…” “Aber warum hätte ich aufpassen sollen? Es schien doch alles so perfekt zu sein... Shit!” Erneut stand Kimie auf und machte einige nervöse Schritte durch den Raum. “Sesshoumaru hat mir gegenüber nur ein einziges Mal von Kindern geredet. Das war, kurz nachdem wir damals die westlichen Länder wieder verlassen hatten. Ich muss zugeben, der Gedanke gefiel mir irgendwie, aber ich wollte es auch nicht überstürzen. Hätte ich zu der Zeit die ganze Wahrheit gewusst… Was soll ich jetzt machen? Schlimmer kann es eigentlich kaum noch kommen…” “Und Sesshoumaru weiß nichts davon?”, fragte Kagome nun nach. Als Kimie mit einem Kopfschütteln verneinte, sprach Kagome nun eindringlicher weiter: “Kimie, er muss davon erfahren! Du musst es ihm so schnell wie möglich sagen!” “Auf keinen Fall!”, widersprach Kimie jedoch vehement. “Ich will nicht, dass er ausgerechnet jetzt davon erfährt!” Denn sonst hätte sie das Gefühl gehabt, Sesshoumaru würde sich nur wegen dem Kind darum bemühen, der ganzen Angelegenheit so schnell wie möglich ein Ende zu setzen. “Aber er muss es erfahren!”, hielt Kagome dagegen. “Wenn nicht jetzt, wann denn dann? Du kannst es doch nicht ewig vor ihm verschweigen! Früher oder später kommt er dahinter.” “Darüber mache ich mir Gedanken, wenn es so weit ist. Ich werde ihm erst davon erzählen, wenn er mir gegenüber deutlich gemacht hat, wo er steht.” Kimie verstummte einen Augenblick lang. “Bitte, Kagome… Erzähl niemandem davon, ja? Ich will nicht, dass außer der Familie jemand etwas davon weiß.” Obwohl sie davon nicht wirklich begeistert war, erklärte sich Kagome einverstanden. “Dann wirst du also Tante Akie und Onkel Kimata informieren?” “Ich werde sie anrufen. Heute noch.” Und das tat Kimie dann einige Stunden später, nachdem auch der andere Teil der Familie über die Umstände in Kenntnis gesetzt worden war. * ~ * ~ * ~ * Indes sorgte Kimies lange Abwesenheit im Schloss in den westlichen Ländern für ausreichend Gesprächsstoff unter den Inu-Youkai. Dass die Gerüchteküche offenbar mit jedem neuen Tag, der verstrich, neue und teils pikante Zutaten erhielt, war natürlich auch Sesshoumaru nicht entgangen. Noch immer hielt sich Aoshi mit seinem Gefolge im Schloss auf. Zwar hatte Sesshoumaru schon mehr als ein Mal mit dem Gedanken gespielt, seine “Gäste” einfach wieder vor die Tür zu setzen, aber das konnte er sich nicht so einfach erlauben. Dazu wäre ein triftiger Grund von Nöten gewesen, und diesen gab es bisher nicht. Sesshoumaru war inzwischen sogar so weit, dass er sich gelegentlich wünschte, einer von Aoshis Leuten oder gar Aoshi selbst würde die Beherrschung verlieren und vielleicht was Unüberlegtes sagen oder tun. Dann hätte er endlich das entscheidende Machtwort sprechen können, aber da konnte er wohl lange warten… Um sich die Zeit zu vertreiben, beschäftigte sich Sesshoumaru in letzter viel mit dem Lesen der zahlreichen Bücher und Schriftrollen aus der Schlossbibliothek. Zudem war dieser Raum, mit Ausnahme seiner eigenen Gemächer, der einzige, in dem er so ziemlich ungestört war. Außerdem konnte er die Zeit nutzen, um in Ruhe über alles nachzudenken. Inzwischen fragte sich Sesshoumaru ernsthaft, ob es richtig von ihm gewesen war, Kimie einfach so gehen gelassen zu haben. Er hätte ihr zumindest seinen Standpunkt nochmals deutlich machen können. Mal abgesehen davon, dass er den starken Eindruck hatte, dass mit ihr etwas nicht in Ordnung gewesen war, abgesehen von ihrem Frust, den sie wegen Saori geschoben hatte. Obwohl Sesshoumaru den starken Verdacht hegte, dass Kakeru diesbezüglich mehr wusste, hatte dieser sich bisher mit erhabener Ruhe dagegen entschieden, seinem jungen Herrn genauere Auskunft zu erteilen. Mittlerweile starrte Sesshoumaru seit einigen Minuten auf die immer selbe Zeile des Buches, welches aufgeschlagen vor ihm lag. Er fragte sich, wie es Kimie wohl ging und was sie gerade machte. Ein unerwartetes Klopfen an der Tür erregte nun Sesshoumarus Aufmerksamkeit. Er vermied es, allzu laut zu seufzen, als er dem Besucher die Erlaubnis erteilte, einzutreten. Zu seiner eigenen Überraschung war es Prinzessin Saori. “Sesshoumaru-sama. Ich hoffe, ich komme nicht allzu ungelegen.” Mit einem freundlichen Lächeln schloss sie die Tür hinter sich wieder. Dass Sesshoumaru ihr lediglich zunickte, schien Saori nicht sonderlich zu beirren. Stattdessen gesellte sie sich zum ihm an den großen Tisch, an welchem er saß. “Einer Eurer Krieger hat mir gesagt, dass ich Euch hier finden kann. Man sieht Euch so gut wie gar nicht mehr, seit Eure Gefährtin Euer Schloss verlassen hat.” Da die Prinzessin sich nicht gesetzt hatte, hätte Sesshoumaru zu ihr hochgucken müssen, wollte er sich auf das Gespräch mit ihr einlassen. Da es jedoch überhaupt nicht sein Stil war, zu jemandem in der Form aufzublicken, stand er nun von seinem Stuhl auf. “Ich frage mich, weshalb Euer Vater sich nicht dazu entschließt, wieder in seine eigenen Ländereien zurückzukehren. Ich habe ihm alles gesagt, was es zu sagen gab.” Es war Saori nicht entgangen, dass Sesshoumarus Laune nicht die beste war. Offenbar hatte sie mit der Erwähnung von Kimies Weggang bei ihm nicht gerade positive Empfindungen freigesetzt. Nichts desto trotz bewahrte sich die Prinzessin ihre ruhige und beherrschte Ausdrucksweise. “Bitte denkt nicht von mir, ich würde mich Euch aufdrängen wollen. Vielmehr möchte ich mich bei Euch für die Unannehmlichkeiten entschuldigen, die der Besuch meines Vaters bei Euch verursacht hat.” Sesshoumaru jedoch war misstrauisch. Wollte Saori ihn mit ihrem freundlichem Getue nur um den Finger wickeln? Steckte dahinter eine berechnende Strategie? “Kümmert es Euch nicht, wo sich Eure Gefährtin zur Zeit aufhält oder wie es ihr geht?”, fragte Saori plötzlich, nachdem Sesshoumaru nichts auf ihre letzte Aussage erwidert hatte. Sein Blick verfinsterte sich daraufhin etwas. “Meine Gefährtin hat Euch nicht zu interessieren und sie geht Euch auch nichts an.” “Natürlich nicht.” Saori verbeugte sich ehrfürchtig. “Verzeiht mir bitte. Ich wollte bestimmt nicht indiskret sein. Im Grunde wollte ich Euch auch nur sagen, dass Ihr Euch nicht von irgendjemandem beeinflusst fühlen sollt.” “Es ist unnötig, dass Ihr mir das sagt. Ich habe schon immer nur so entschieden, wie ich es wollte, und dabei werde ich auch bleiben.” “Dann solltet Ihr auch genauer darüber nachdenken, was Ihr im Moment tun wollt.” Erneut verneigte sich die Prinzessin, ehe sie zur Tür zurückging. “Ich wünsche Euch einen angenehmen Tag, Sesshoumaru-sama.” Als Saori gegangen war, ließ sie einen etwas verwirrten Daiyoukai zurück. Sesshoumaru wusste nicht so recht, was er von den Worten seiner “Verlobten” halten sollte. Warum erzählte sie ihm so etwas? War das etwa eine indirekte Aufforderung an ihn gewesen, ohne jegliche Gedanken an etwaige Folgen, Kimie aufzusuchen? Oder sollte er ihre Worte als eine Art Warnung verstehen, sich bloß nicht falsch zu entscheiden, wollte er keine fatalen Konsequenzen heraufbeschwören? Sicherlich hätte Sesshoumaru die Situation einfacher einschätzen können, wenn er Saori besser gekannt hätte. Aber so… “Und, Sesshoumaru-sama? Was gedenkt Ihr zu tun?” Das erste Mal in seinem Leben traf Sesshoumaru fast der Schlag, war er schließlich der felsenfesten Überzeugung gewesen, allein in der Bibliothek zu sein. Als er sich umdrehte, sah er Kakeru an einem der Bücherregale stehen. “Wo kommst du her, Kakeru? Und wie lange bist du schon hier?” “Ich war die ganze Zeit hier. Ihr habt mich nur nicht bemerkt. Das ist äußerst ungewöhnlich, denn normalerweise ist kaum jemand so aufmerksam, wie Ihr es seid.” Kakeru setzte sich an den Tisch. Wortlos tat Sesshoumaru es ihm gleich. “Will sie mich hinters Licht führen?”, fragte er seinen einstigen Mentor nach einem Moment. Kakeru war sofort klar, was sein junger Herr meinte. “Der Charakter der Prinzessin ist mir genau so fremd, wie Euch. Oberflächlich betrachtet, würde ich jedoch sagen, dass sie einen netten Eindruck macht. Aber wie gesagt: oberflächlich betrachtet.” Erneut verging ein Augenblick der Stille. “Kakeru”, ergriff Sesshoumaru schließlich erneut das Wort. “Ich möchte jetzt, dass du mir die Wahrheit sagst. Du weißt irgendwas, du brauchst es nicht zu leugnen. Was hat Kimie dir erzählt, bevor sie gegangen ist?” Eine sofortige Antwort erhielt Sesshoumaru nicht, denn Kakeru hüllte sich zunächst in geheimnisvolles Schweigen, ehe er ebenso ruhig wie ernst erwiderte: “Ich bitte Euch untertänigst um Vergebung, Sesshoumaru-sama, aber ich sprach mit Kimie-dono im Vertrauen und bin der Meinung, dass sie Euch selbst erzählen sollte, was Ihr wissen möchtet.” Mit so einer Reaktion hatte Sesshoumaru im Grunde schon gerechnet. Er unterließ es daher, das Thema weiter zu vertiefen. Wenn Kakeru sich dazu entschieden hatte, kein Wort darüber zu verlieren, dann änderte er seine Meinung auch nicht. Wollte Sesshoumaru mehr in Erfahrung bringen, dann gab es für ihn wohl nur einen Weg… Hätte Sesshoumaru genauer gewusst, wie sehr die herrschende Unklarheit im Bezug auf seine Verlobung mit Prinzessin Saori und Kimies überstürzte Abreise hinter vorgehaltener Hand die Gespräche unter den Inu-Youkai beherrschten, hätte er sie allesamt wohl am liebsten mundtot gemacht. Auch bei dreien von ihnen, die für die heutige Torwache eingeteilt waren, gab es an diesem Tag nur ein Thema. Einer von ihnen war Subaru, die anderen waren zwei Krieger namens Tôru und Yutaro. Das Trio stand auf der Schlossmauer, doch nahm Subaru an der regen Unterhaltung seiner beiden Kameraden gar nicht wirklich teil, sondern hörte nur stumm zu, während er auf den Wald starrte, der sich vor ihm erstreckte. “Die kommt nicht wieder. Ich glaube nicht daran”, war Yutaro fest überzeugt. “Ich auch nicht”, pflichtete Tôru ihm bei. “Und seien wir mal ehrlich, verwunderlich wäre es nicht. Immerhin ist sie ein Mensch.” “Eben! Und Menschen ändern gerne mal ihre Meinung. Im Grunde sind sie sehr einfach gestrickte Wesen, die sich schnell langweilen.” Subaru unterdrückte ein genervtes Seufzen. So langsam war er das dumme Gerede leid. Schon seit dem Tag, als Kimie gegangen war, musste er sich diesen Quatsch anhören. Es war immer wieder das selbe und wurde ihm allmählich lästig. Da war es ja um ein Vielfaches aufregender, dem Gras beim Wachsen zuzuschauen… “Aber wenn unsere Herrin wirklich nicht wieder zurückkommt, dann heißt das doch, dass sie Sesshoumaru-sama endgültig verlassen hat”, überlegte Yutaro nun. Er und Tôru kamen ins Grübeln. Dass ihr Herr je von einer Frau praktisch sitzen gelassen werden würde, noch dazu von einem Menschen, hätten sie sich selbst in ihren verrücktesten Träumen nicht ausmalen können. “Oder aber, Sesshoumaru-sama hat sie doch von sich heraus fortgeschickt”, wagte Yutaro auf einmal zu behaupten. “Du meinst, um doch noch Prinzessin Saori zu heiraten?”, fragte Tôru und dachte kurz darüber nach. “Nun, verstehen könnte ich ihn ja. Saori-sama gehört zu den schönsten Frauen, die ich bisher gesehen habe. Hast du gemerkt, dass alle in ihrer Familie schwarze Haare haben, nur sie nicht?” “Ich habe gehört, sie soll ihrer verstorbenen Mutter sehr ähnlich sehen.” “Wie auch immer, wenn ich an Sesshoumaru-samas Stelle wäre, würde ich nicht lange überlegen. Es liegt doch klar auf der Hand, dass Saori-sama die bessere Wahl ist. Und das nicht nur, weil sie ein Youkai ist.” “Und wenn ich an eurer Stelle wäre, würde ich lieber die Klappe halten!”, mischte sich Subaru letztendlich ein, und der laute Ton seiner Stimme ließ keinerlei Zweifel daran zu, dass er inzwischen mehr als einfach nur genervt war. “Wenn Sesshoumaru-sama euch reden hört, könnt ihr froh sein, wenn er euch nur zum Gemüse putzen in der Küche verdonnert.” Seine beiden Kameraden schwiegen im ersten Moment perplex. “Tu mal nicht so, als wärst du hier der Boss, Subaru!”, beschwerte sich Yutaro patzig, woraufhin Subaru ebenso entgegnete: “Das tue ich auch nicht. Ich wollte euch nur einen gut gemeinten Rat geben.” “Sag bloß, du bist der Meinung, Sesshoumaru-sama sollte Saori-sama nicht heiraten!?” “Was hast du erwartet?”, fragte Tôru, während er abfällig zu Subaru rüberschaute. “Immerhin versteht er sich offenbar sehr gut mit der Miko, die mit Inu Yasha-sama zusammen ist. Vielleicht sehnt sich unser guter Subaru ja auch mehr nach einer menschlichen Freundin.” “Damit er zusehen kann, wie sie mit der Zeit langsam alt wird und irgendwann krepiert? Wer will denn so was…?” Subaru unterdrückte nur mühsam ein verärgertes Knurren. “Du musst doch zugeben, Subaru”, fuhr Tôru nun fort, “dass es kein echtes Argument gibt, das gegen eine Heirat von Sesshoumaru-sama mit Aoshi-samas Tochter sprechen würde. Prinzessin Saori verkörpert das perfekte Bild einer Youkai-Prinzessin. Eine Frau, die über alle Zweifel würdig ist, an der Seite unseres Herrn zu sein. Gut, Kimie-sama hat zwar auch bewiesen, dass sie vorzeigbare Eigenschaften hat, aber was nützt das? Letzten Endes ist und bleibt sie ein Mensch. Und Menschen haben die Angewohnheit, schnell zu altern und früh zu sterben. Mal ganz abgesehen davon, dass sie mittlerweile einige Jahre mit Sesshoumaru-sama zusammen ist und ihm trotzdem noch immer kein Kind geboren hat.” Im Hintergrund hörte man Yutaro sich leise darüber amüsieren. “Wer weiß? Vielleicht ist sie dazu ja gar nicht in der Lage.” “Nun, das würde zumindest erklären, warum Sesshoumaru-sama sie so einfach hat gehen lassen.” Als er die beiden daraufhin lachen hörte, platzte Subaru der Kragen. “Ihr seid Idioten! Haltet doch die Klappe, wenn ihr keine Ahnung habt!” “Klar! Und du hast natürlich den vollen Durchblick, Subaru”, meinte Tôru jedoch nur von oben herab. Für Subaru war das Maß nun endgültig voll. Von einer Sekunde auf die andere packte er Tôru am Kragen und stieß ihn von der Mauer. Beide fielen mehrere Meter tief und nahmen zeitgleich ihre dämonische Hundegestalt an. Wie zu einem kämpfenden Knäuel ineinander verkeilt, prallten die Kontrahenten schlussendlich auf den Boden auf, wo sie ihr Gefecht sogleich fortsetzten. Die Bäume unweit der Mauer zerbrachen wie Streichhölzer unter der gewaltigen Kraft der beiden Youkai, verschreckte Vögle stürmten in alle Himmelsrichtungen davon. Zähnefletschend gingen Subaru und Tôru immer wieder aufeinander los. Tôru versuchte mehrere Male, seine Reißzähne in Subarus Nacken zu schlagen, während Subaru immer wieder mit seinen scharfen Krallen nach seinem Gegner schlug. Doch musste sich Subaru bald nicht mehr nur auf Tôru allein konzentrieren, denn plötzlich mischte sich auch Yutaro ein. Jetzt hatte Subaru es mit zwei Widersachern zu tun gehabt. Einschüchtern lassen, wollte er sich aber auf keinen Fall. Auch dann nicht, als die beiden damit begannen, ihn von zwei Seiten einzukesseln. Bedrohlich knurrend fletschte Subaru die Zähne. Die Youkai belauerten sich gegenseitig voller Argwohn. Gerade, als Tôru und Yutaro gemeinsam zum Angriff übergehen wollten, nahmen sie einen großen Schatten über sich wahr und hielten inne. Nur einen Augenaufschlag später stand Tôya in seiner dämonischen Form an Subarus Seite. “Das reicht! Hört sofort auf!”, befahl er mit strenger Stimme. Tôru und Yutaro wichen sofort zurück. “General!” “Ihr seid wohl wahnsinnig geworden, was?!”, schnaubte Tôya verärgert. “Verwandelt euch zurück! Alle drei, und zwar auf der Stelle!” Die drei taten anstandslos, wie ihnen geheißen, und auch Tôya legte seine dämonische Gestalt wieder ab. Als endlich wieder etwas Ruhe eingekehrt war, forderte Tôya sogleich eine Rechtfertigung für das Verhalten der drei anderen Inu-Youkai ein. “Was sollte das? Ich verlange eine Erklärung!” Es dauerte ein wenig, ehe Subaru nach erneuter Aufforderung als Erster das Wort ergriff: “Eine kleine Meinungsverschiedenheit. Es war meine Schuld, ich habe die Beherrschung verloren und Tôru zuerst angegriffen.” “Was für eine Meinungsverschiedenheit? Spuckt es aus!” Tôya wandte sich den anderen beiden zu. Nur widerwillig berichteten Yutaro und Tôru ihm nun, was der Auslöser für den Streit gewesen war. Zwar versuchten sie ein, zwei Mal, hier und da etwas zu verschweigen oder ein wenig anders darzustellen, doch wurden sie rasch durchschaut. Dementsprechend gereizt war Tôya am Ende, nachdem er alles erfahren hatte. “Anstatt euch wie die Waschweiber das Maul zu zerreißen, solltet ihr euch lieber um eure Aufgaben kümmern! Mit euch beiden beschäftige ich mich noch. Haut ab!” Nachdem sich Yutaro und Tôru zurückgezogen hatten, widmete sich der junge General wieder Subaru. “Du hättest dich nicht so provozieren lassen dürfen. Egal, was die beiden gesagt haben.” “Ich weiß”, entgegnete Subaru ruhig und schien sein Tun bereits zu bereuen. “Aber in diesem Moment ist es irgendwie mit mir durchgegangen. Es war eine unüberlegte Reaktion.” “Schon gut. Ihr hattet ja glücklicherweise nicht genug Zeit, um euch richtig gegenseitig an die Kehle zu springen.” Da bemerkte Tôya einen verdächtigen Geruch. “Hm? Subaru, du blutest!” Er deutete auf den rechten Arm seines Kameraden, an welchem eine blutige Spur hinunterlief. Die Wunde befand sich an Subarus Oberarm, knapp unterhalb des kurzen Ärmels seiner Oberbekleidung. Subaru besah sich kurz die Verletzung. “Oh… Das habe ich gar nicht mitbekommen. Da hab ich mich wohl wirklich zu sehr in diese Sache hineingesteigert. Das wird wohl noch mächtigen Ärger geben…” “Wenn du damit auf Sesshoumaru-sama ansprichst, ich werde ihm nichts davon erzählen”, erklärte Tôya. “Er scheint auch zum Glück nichts mitbekommen zu haben. Was Tôru und Yutaro angeht, ich werde den beiden nahe legen, bezüglich dieses Vorfalls den Mund zu halten.” “Es sollte mich wundern, wenn keiner was von diesem Streit mitbekommen hat”, meinte Subaru zweifelnd. Zumindest musste man den Kampf gehört haben. “Belassen wir es trotzdem erst mal dabei. Und du kümmerst dich am besten umgehend um deine Verletzung.” Tôya schulterte sein Naginata. “Mir scheint, die Fronten verhärten sich. Einige von uns sind fest davon überzeugt, dass Sesshoumaru-sama nun doch Prinzessin Saori heiraten wird. Die anderen hingegen rechnen mit Kimies baldiger Rückkehr. Wenn wir nicht aufpassen, könnten wir uns demnächst mit weiteren handfesten Konflikten in den eigenen Reihen herumschlagen.” Und genau diese Befürchtung teilte auch Subaru. * ~ * ~ * ~ * Nachdem sie auch die zwei nachfolgenden Tage größtenteils in ihrem Zimmer verbracht hatte, hatte Kimie beschlossen, das Haus doch endlich mal wieder zu verlassen und einen kleinen Spaziergang zu machen. Ihre Eltern und auch Kagome hatten ihr zwar angeboten, sie zu begleiten, aber Kimie hatte es vorgezogen, dieses Mal allein unterwegs zu sein. So konnte sie wenigstens in aller Ruhe darüber nachdenken, was sie als Nächstes tun sollte. Mittlerweile lief Kimie aber bereits seit gut drei Stunden durch die Stadt, ohne, dass sie zu einer guten Idee gekommen war. Zumindest hatten ihre Eltern relativ ruhig reagiert, als sie diese vorhin angerufen und über die aktuellen Neuigkeiten in Kenntnis gesetzt hatte. Akie und Kimata waren sogar regelrecht entzückt von der Vorstellung, bald Großeltern zu werden. Nur die nachfolgende Tatsache, dass Sesshoumaru seit Jahrhunderten eine Verlobte hatte und Kimie sich deshalb zur Zeit in der Neuzeit aufhielt, hatte besonders bei Akie nach der anfänglichen Freude für einen regelrechten Tobsuchtsanfall gesorgt. Während Kimie mit ihrem Vater gesprochen hatte, hatte sie ihre Mutter im Hintergrund lauthals über Sesshoumaru fluchen hören. Teilweise waren sogar Begriffe gefallen, die Kimie selbst Kagome gegenüber besser nicht hatte wiederholen wollen. Akie und Kimata hatten ihrer Tochter angekündigt, spätestens am nächsten Tag in Tokio zu sein. Auf ihrem Weg zurück zum Higurashi-Schrein blieb Kimie irgendwann an einer Kreuzung stehen. Die Ampel hatte kurz zuvor auf Rot umgeschaltet. >Ich frage mich… wie Sesshoumaru reagiert, wenn er davon erfährt…<, überlegte sie angespannt. Besonders ging in ihr die Frage um, wann er davon erfahren würde. Bisher hatte Kimie ja nicht gerade den Eindruck gehabt, als hätte Sesshoumaru schon Bescheid gewusst, als sie das Schloss verlassen hatte. Denn sonst hätte er sie bestimmt darauf angesprochen. So wortkarg konnte schließlich nicht mal Sesshoumaru sein! Plötzlich und vollkommen unerwartet packte Kimie eine unbändige Wut, die sie im selben Augenblick an Ort und Stelle herausschreien musste: “Argh!! Der Blödmann soll mir meine Zeit, meine verliebten Blicke und mein gebrochenes Herz zurückgeben! Und meine Würde, die er mir so einfach gestohlen hat!” Andere Passanten waren erschrocken zurückgewichen, wurden von Kimie aber gekonnt ignoriert. Ihre Wut verflog ebenso schnell wieder, wie sie gekommen war. >Was mache ich hier überhaupt? Ich benehme mich, wie der hinterletzte Vollidiot…< Gedankenverloren stand Kimie noch so lange an der Bordsteinkante, bis sie mehr nebenbei registrierte, dass keine Autos mehr fuhren. In ihrem Unterbewusstsein schloss sie daraus, dass die Ampel inzwischen auf Grün umgeschaltet hatte. Ohne sich noch zur Sicherheit davon zu überzeugen, setzte Kimie den ersten Fuß auf die Straße. Die verwirrten Blicke der anderen Passanten nahm sie überhaupt nicht wahr. Sie war gerade mitten auf der Kreuzung angekommen, als das schrille Geräusch einer Autohupe und das Quietschen von Reifen Kimie wieder aus ihren Gedanken riss. Als sie aufschaute, erkannte sie, dass die Ampel nach wie vor auf Rot stand. Im Verkehr hatte es lediglich eine kleine Lücke gegeben. Kimies Herz schien kurzzeitig auszusetzen, als sie zeitgleich diesen monströsen Lastwagen wie ein gewaltiges Ungetüm direkt auf sich zurollen sah. Ihr entsetzter Schrei ging im tosenden Lärm des Straßenverkehrs unter. Im nächsten Moment spürte sie einen kräftigen Ruck. Kimie hatte die Augen geschlossen und hielt sich mit den Händen die Ohren zu. Das plötzlich aufkommende Gefühl, sie würde schweben, bestärkte sie in der Annahme, dass sie wohl nicht länger auf dieser Erde weilte. Sie traute sich gar nicht, ihre Augen wieder zu öffnen. Hatte sie diese überhaupt geschlossen? Na ja, zumindest war es schnell gegangen… “Unfassbar! Und dafür bist du extra hierher zurückgekommen?” Kimie stutzte. Diese Stimme… Träumte sie vielleicht? Vorsichtig öffnete sie ihre Augen. Vor lauter Schreck hielt sie den Atem an, als sie Sesshoumaru erkannte. Und nicht nur das: Er stand mit ihr auf dem Dach eines Hochhauses und hielt sie in den Armen. “Eh?! A-Aber… Wa-Wa-Was… Was machst du denn hier?!”, brachte Kimie nur stotternd hervor. Sesshoumaru bedachte sie mit seinem üblich kühlen Blick. “Eigentlich hatte ich eine etwas freudigere Begrüßung von dir erwartet, und keine Schockstarre.” Ehe sie darauf etwas erwiderte, wagte Kimie es, einen vorsichtigen Blick hinunter auf die Straße zu werfen. Der Lastwagen war zum Stehen gekommen, ebenso wie einige andere Autos. Zum Glück schien es keinen Unfall gegeben zu haben. Allerdings herrschte unter einigen Autofahrern und Passanten augenscheinlich große Verwirrung im Bezug auf Kimies Verbleib. Der Fahrer des Lastwagens riskierte es sogar, unter seinem Fahrzeug nachzusehen, fand natürlich zu seiner eigenen Erleichterung jedoch nichts. Kimie beschloss, besser nicht zu dieser Kreuzung zurückzugehen. Wie hätte sie ihre Rettung schließlich erklären sollen? Stattdessen schaute sie nun skeptisch zu Sesshoumaru hoch. “Du hast meine Frage noch nicht beantwortet”, erinnerte sie ihn. “Verrätst du mir endlich, was du hier machst? Warum bist du überhaupt in dieser Zeit? Bist du mir etwa nachgeschlichen?” Bevor er ihr antwortete, setzte Sesshoumaru sie erst einmal wieder ab. “Die Frage stellt sich so nicht. Wäre es dir lieber gewesen, ich wäre dir nicht gefolgt?” “Hm…” Angesichts der Tatsache, dass sie jetzt wohl platt wie eine Flunder wäre, hätte er nicht eingegriffen, antwortete Kimie nicht auf diese Frage. Dieses mögliche Gefühl der Bestätigung wollte sie ihm auch wieder nicht geben. “Trotzdem will ich wissen, was du hier zu suchen hast”, beharrte sie weiter. Sesshoumaru verschränkte die Arme vor der Brust. “Es ist inzwischen zwei Wochen her. Es wird allmählich Zeit, dass du Vernunft annimmst und zurückkommst.” Kimie zog eine Augenbraue hoch. “Vernunft annehmen? Zurückkommen? Einfach so? Was ist denn mit deinen Gästen?” “Wenn du Aoshi und sein Gefolge meinst, sie sind noch im Schloss.” “Dann lautet meine Antwort: Nein!”, kam es wie aus der Pistole geschossen von ihr, als sie zugleich den Blick demonstrativ von Sesshoumaru abwandte. “Offenbar hast du mich nicht richtig verstanden, Sesshoumaru. Ich setze keinen Fuß zurück in deine Ländereien oder gar in dein Schloss, bevor du nicht für klare Verhältnisse gesorgt hast!” Da der Youkai schon mit so einer Reaktion gerechnet hatte, war er nicht allzu überrascht von Kimies Reaktion. Aber was sollte das mit den klaren Verhältnissen? Traute sie ihm etwa wirklich zu, dass er sie hintergehen und einfach fallen lassen könnte? Sesshoumaru war eigentlich mit dem Vorhaben hergekommen, Kimie über alles aufzuklären. Auch, dass er Aoshi gegenüber deutlich gemacht hatte, dass er sie nicht gegen Saori “austauschen” wollte. Aber zunächst erwiderte er nur ruhig: “So einfach, wie du dir das vielleicht vorstellst, ist das nicht. Da du das Schloss verlassen hast, kursiert nun das Gerücht, dein Fortgang wäre endgültig. Und so lange du nicht zurückkommst, wird sich daran auch nichts ändern. Ich kann zwar mit Worten versuchen, das Gerede zu beenden, doch kehre ich ohne dich zurück, wird das nicht viel nützen. Ich ließ dich nur gehen, weil ich zu diesem Zeitpunkt dachte, es wäre besser für dich gewesen.” Die Tatsache, dass die Gerüchte inzwischen sogar so sehr den Tagesablauf im Schloss bestimmten, dass ernste Spannungen unter den Inu-Youkai drohten, verschwieg Sesshoumaru ihr bewusst. Auch wollte er nicht gleich mit seinen Fragen, die er an sie hatte, auf sie einhämmern. Kimie, die sich so gar nicht beeindrucken lassen wollte, verschränkte nun ebenfalls die Arme vor der Brust. “Seit wann bist du denn unter die Redner gegangen? Mach’s doch mit brachialer Gewalt, so wie früher. Da hast du doch auch gerne mal mit der Holzhammermethode das bekommen, was du wolltest. Hm… Außer Tessaiga…” Früher hätte Sesshoumaru so eine Bemerkung vielleicht noch gejuckt, aber inzwischen war das längst nicht mehr so. “Du hast Recht”, erwiderte er stattdessen nach einem Moment. “Ich würde die Sache auch anders zu einem Ende bringen, doch entscheide ich inzwischen längst nicht mehr allein für mich, wie es früher der Fall war. Als Herr des Westens trage ich die Verantwortung für meine Ländereien und besonders für meine Leute. Sicher, sie würden in den Kampf ziehen, wenn ich es von ihnen verlange, doch ist es meine oberste Pflicht, unnötige Kämpfe zu verhindern, wenn dies möglich ist.” Kimie war von diesen Worten nun doch ziemlich überrascht. So hatte sie Sesshoumaru bisher noch gar nicht sprechen hören. Zumindest konnte sie sich an nichts derartiges erinnern. Es war irgendwie seltsam. Obwohl er im Grunde schon damals beim Kampf gegen die Ryû-Youkai dieses Verantwortungsbewusstsein für seine Leute an den Tag gelegt hatte. Nur war dieser damalige Kampf unvermeidbar gewesen. Im Gegensatz zur gegenwärtigen Situation… Kimie senkte den Blick. “Tut mir Leid, dass du dich extra herbemüht hast… Aber ich werde hier bleiben.” Dadurch, dass sie momentan zu Boden schaute, sah Kimie Sesshoumarus kurzzeitig recht verwirrtes Gesicht nicht. Doch vernahm sie dafür umso deutlicher seine folgende Fragen: “Was soll das heißen? Hast du mir eben nicht zugehört?” “Doch! Ich habe sehr wohl zugehört, aber momentan kann und will ich nicht für alles Verständnis haben”, konterte Kimie fast schon trotzig. “Ich verstehe deinen Standpunkt, Sesshoumaru, aber was ist mit dir? Verstehst du meinen denn auch? Was soll ich deiner Meinung nach tun? Zurückkommen und im stillen Kämmerlein hocken, bis hoffentlich endlich mal irgendwann alles geklärt und geregelt ist? Vielleicht können Youkai das ja, ich aber nicht! Und vor allem nicht jetzt!” An diesem Punkt sprach Kimie erst einmal nicht weiter. Kurz spielte sie mit dem Gedanken, Sesshoumaru die ganze Wahrheit zu verraten, entschied sich dann aber dagegen. Jedoch befürchtete sie, dass Sesshoumaru allein aus ihren letzten Worten schließen könnte, was eigentlich Sache war. Glücklicherweise schien dies nicht der Fall gewesen zu sein. Zumindest hakte er nicht weiter nach. “Nun gut”, sagte er letztendlich. “Ich zwinge dich nicht zur Rückkehr. Mach, was du willst.” Diesen Ton kannte Kimie nur zu gut. Es war der selbe, den sie schon von früher her kannte. Dieser typisch unnahbare Unterton in Sesshoumarus Stimme… Aber er klang auch irgendwie beleidigt. Ein Seufzen unterdrückend, wollte Kimie nun besser gehen. Also steuerte sie geradewegs auf die Tür zu, die zum Treppenhaus des Hochhauses führte, auf dem sie sich befanden. Zumal das Gespräch ohnehin beendet zu sein schien, denn Sesshoumaru hielt sie nicht auf. Als Kimie den Türknauf zu fassen bekam, stellte sie allerdings rasch fest, dass die eiserne Tür fest verschlossen war. Der einzige Weg nach unten war für sie somit versperrt. Noch zwei, drei Mal rüttelte sie am Knauf, aber selbstverständlich tat sich nichts. >Typisch! Das war ja mal wieder so was von klar…< Kimie wagte es nicht, sich in diesem Augenblick ein weiteres Mal zu Sesshoumaru umzudrehen. Ob er in diesem Moment wohl so etwas wie Genugtuung empfand? “Hey…”, war schließlich ihre knappe Ansprache an den Youkai, ehe sie etwas peinlich berührt murmelte: “Danke für die Rettung von vorhin, aber sei wenigstens noch so nett und schaff mich wieder von diesem Dach hier runter.” Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)