Versprechen des Meeres von Schneeblume (Fye x Kurogane) ================================================================================ Kapitel 1: Versprechen des Meeres --------------------------------- Versprechen des Meeres Das Meer. Blautöne gemischt mit klarem Grün, die kein Maler mischen konnte. Tiefen, in die kein Mensch vordringen konnte. Tausend Jahre alte Geheimnisse, die nur das Meer selbst kannte. Eine Vielzahl von Geschöpfen, die es nirgendwo sonst gab. Der Ursprung allen Lebens. Das weite Meer war nicht einfach nur eine Menge Wasser an einem Punkt der Welt. Fye lehnte an der Reling seines Schiffes und schaute nachdenklich auf die unendlichen blauen Weiten. Er war auf dem Meer aufgewachsen und wusste sehr gut, dass es… mehr war. Mit der Zeit lernte man es lieben und hassen, doch vor allem zu respektieren. Im Moment war es friedlich, mit einem seichten Lüftchen als Begleiter. Doch innerhalb eines Augenblickes konnte es tosen, mit meterhohen Wellen, die ein großes Schiff wie eine Streichholzschachtel hin und her warfen. Eine Todesfalle für alle, die das Meer nicht schätzten. Für alle, die glaubten, es beherrschen zu können. Doch Fye, der Kapitän einer starken Piratencrew, hatte gelernt, das mächtige Element als einen Gefährten und nicht als Untertan anzuerkennen, dem er sich anpassen und den er studieren konnte. Außerdem glaubte er, dass alles, was ihm auf dem Meer widerfuhr, zu einem bestimmten Zweck geschah. Vielleicht war es das, was ihn zum Liebling des Meeres machte. Fye ließ den Blick über seine Kameraden wandern. Sie hatten bei dem vergangenen, heftigen Unwetter keinen Mann verloren. Einige waren verletzt, doch nicht lebensgefährlich. Zugegeben, das Beiboot hatte es nicht überlebt, aber das war nur ein geringer Verlust. Der stolzen Weißen Mokona, ein Schiff, das ihnen schon seit Jahren gute Dienste leistete, war nichts geschehen. Der Blondschopf konnte sich ein selbstzufriedenes Grinsen nicht verkneifen. Er war nicht der Typ, der mit seinen Erfolgen prahlte. Doch ein bisschen stolz war er schon, dass er für das Dasein seiner Crew ein glückliches Händchen hatte. Erst vor ein paar Wochen hatten sie einen wertvollen Schatz gefunden, auf den nicht nur sämtliche Piraten des Östlichen Ozeans scharf waren, sondern auch die Marine: Eine kleine Plastik aus Silber in Form einer geschwungenen Feder, die nicht nur äußerst filigran verarbeitet worden war, sondern zusätzlich ihr hübsches Glitzern von hunderten, kleinen Diamanten erhielt. Das Grinsen auf den schmalen Lippen des Käptns wurde noch breiter. Diese Feder besaß einen unschätzbaren Wert und es gab Männer, die für sie töten würden. Wie für eine Frau. „Fye-san!?“ „Aye!“ Fröhlich fuhr der Blondschopf herum und schaute seinen ersten Maat neugierig an. Seinen weiblichen ersten Maat. Sakura salutierte lachend und gesellte sich zu ihm. „Wir nähern uns einer Insel.“, informierte sie ihn und reichte ihm das Fernglas. „Die Bruchstücke im Wasser und das, was man bisher erkennen kann, deuten darauf hin, dass dort Schiffbrüchige gestrandet sind, die nicht soviel Glück hatten wie wir. Da wir aber kein Beiboot mehr haben, bleibt es nur zu hoffen, dass wir irgendwo anlegen können.“ Mit einem zustimmenden Laut nickte Fye und spähte durch das Fernglas. Sollte es dort Schiffbrüchige geben – und es sah ganz danach aus – würden diese im Todesfall ausgeraubt oder, wenn sie noch lebten, erst vorsorgt und dann ausgeraubt werden. Piraten, die gewalttätiger waren als die aus Fyes Crew, würden den Überlebenden die Kehle durchschneiden, doch Fye hielt nicht viel davon. Wenn die Bedürftigen ihm nicht dumm kamen, war er sogar bereit, sie bis zur nächsten, bewohnten Insel mitzunehmen – gegen einen kleinen Freundschaftsdienst natürlich. Als Pirat musste man schließlich sehen, wo man blieb. „Dann wollen wir doch mal schauen, wen wir da aufgabeln können. Wie sieht es mit unseren Wasservorräten aus? Müssen sie schon aufgefüllt werden?“, erkundigte sich der Käptn und Sakura schüttelte den Kopf. „Da wir ja gerade erst in der Hafenstadt der letzten Insel vor Anker gegangen waren und der Sturm uns weitestgehend verschont hat, sind noch fast alle Fässer voll.“ „Gut, gut. …Sag mal…“ Mit einem bedeutungsschweren Blick maß Fye seine Freundin. „Wo gerade von unserem letzten Landaufenthalt reden… Du hast nicht zufällig in Erfahrung gebracht…“ „Welchen Kurs unsere Lieblingskonkurrenten eingeschlagen haben? Doch habe ich.“ Sakura grinste spitzbübisch. Sie wusste genau, wie gern sich Fye mit dieser Piratencrew maß – genauer gesagt mit deren Kapitän. „Der Kerl in dem Pub hat behauptet, wir hätten sie nur knapp verfehlt. Sie haben wohl knapp vor uns dort angelegt und sind dann aber in die entgegengesetzte Richtung weitergefahren.“ „Ach so.“ Enttäuscht verzog Fye das Gesicht. Schade, er wäre so gern wieder auf Kurogane getroffen… Der regte sich immer so lustig auf. Und außerdem sah er verdammt gut aus! War es eigentlich außer ihm noch keinem aufgefallen, dass die Luft zwischen ihnen jedes Mal aufs Neue brannte, wenn sie sich gegenüber standen…? Kritisch betrachtete Fye die kleine, aus Palmen und Sandstrand bestehende Insel. „Das Wasser ist zu flach, wir können nicht anlegen.“, bemerkte einer der Männer überflüssigerweise. Fye warf ihm einen viel sagenden Blick zu und er verstummte sofort. Sie hatten die Insel einmal umfahren, doch es bot sich tatsächlich keine Möglichkeit. Dafür lag die Mokona einfach zu tief im Wasser. „Wir gehen hier vor Anker.“, entschied der Käptn und stieg auf die Reling. „Ich werde mir das mal genauer ansehen. …Ihr bleibt hier!“, ergänzte er befehlend, als sich ihm ein paar Männer anschließen wollten. So weit kam es noch, dass jemand anderes den Spaß hatte. Ohne auf die schwachen Proteste einzugehen, erteilte er Sakura das Kommando und sprang kopfüber ins Meer. „Ihr habt ihn gehört! Werft den Anker aus und holt die Segel ein!“ Energisch setzte sich die taffe, junge Frau durch, während sie Fye nachsah. „Aye, aye!“ Mit ruhigen, gleichmäßigen Bewegungen schwamm Fye durch das ruhige Wasser. Es war eine nicht zu unterschätzende Entfernung vom Schiff zum Strand, doch er hatte eine ausgesprochen gute Ausdauer und fühlte sich in dem kalten Nass so sicher wie ein Fisch. Als er schließlich Boden unter den Füßen gewann und aus dem Wasser watete, klebten seine triefenden Klamotten an seinem Körper. Er streifte sich die schweren Stiefel von den Füßen und das weiße Hemd mit den weiten Ärmeln von den Schultern. Zusammen mit seiner Bauchbinde und dem Hut legte er die Sachen in den Sand, damit sie trocknen konnten. Die Hosenbeine krempelte er bis zu den Knien hoch und seinen Degen nahm er in die Hand. Man musste ja auf eventuelle Verrückte vorbereitet sein. Schiffbrüche hatten bekanntlich des Öfteren Realitätsfindungsschwierigkeiten. Fye musste gar nicht weit am Strand entlang gehen, als er auch schon fündig wurde. Offensichtlich ein Mann lag im Sand und röchelte leise vor sich hin. Neben ihm lag ein ausgefranstes Stück Holz, das ihm anscheinend als Schwimmhilfe gedient hatte. Fye ließ sich neben ihm auf die Knie sinken und drehte den Mann behutsam auf den Rücken. Doch als er ihm ins Gesicht blickte, keuchte er erschrocken auf und erstarrte. „Kuro-pii?!“ „Was ist passiert, Kuro-rin?“ Fye hatte den Schwarzhaarigen vom Strand weggebracht und in dem Palmenwäldchen behutsam wieder abgelegt. Hier im Schatten war es angenehm kühl und zudem vermutete der Blonde einen Süßwasserteich in der Nähe. „Hör auf, mich so zu nennen. Wir sind in den Sturm geraten, der das halbe Schiff auseinander genommen hat, und ich bin über Bord gespült worden, frag nicht so blöd.“ Kurogane musste husten und ergänzte dann mit finsterem Blick: „Und wahrscheinlich hat sich mein erster Maat gleich das Schiff und meine Leute unter den Nagel gerissen und sich zu Käptn erklärt. Es würde mich nicht wundern, wenn er es gewesen war, der gegen mich gestoßen ist.“ Fye hob die Brauen und schüttelte den Kopf. „Ich verstehe nicht, warum du ihn nicht längst aus deiner Crew geworfen hast. Auf mich hat er schon immer einen verschlagenen Eindruck gemacht.“ Kurogane zuckte schwach mit den Schultern und erwiderte Zähne knirschend: „Er ist ein genialer Kopf und mein Vater hat ihm damals vertraut.“ Weiter kam er nicht, denn er riss den Kopf zur Seite und erbrach sich in den Sand. „Verdammt, kann das nicht endlich aufhören?!“, keuchte der Schwarzhaarige und Fye tupfte ihm besorgt den Schweiß von der Stirn. „Du hast ziemlich viel Salzwasser getrunken und dass muss jetzt erst einmal raus. Es wird bestimmt bald besser.“, versuchte er Kurogane zu beruhigen. Als dieser wieder ruhig atmen konnte, ohne erneut Salzwasser ausspucken zu müssen, lenkte Fye das Gespräch wieder auf das vorherige Thema zurück. „Vielleicht solltest du dir trotzdem einen neuen Maat suchen. Gerade diese Position sollte mit jemandem besetzt sein, dem man vertrauen kann. Mein erster Maat, zum Beispiel, ist mir treu ergeben, bis in den Tod.“ „Dein erster Maat ist eine Frau!“ Kurogane schüttelte verständnislos den Kopf. „Sogar du müsstest wissen, dass Frauen an Bord Unglück bringen!“ Doch der Blondschopf winkte ab. „Alles Aberglaube. Ich würde sogar behaupten, dass meine Sakura unser Glücksbringer ist.“ Ein verächtliches Schnauben war alles, was der schiffbrüchige Kapitän von sich gab. Eine Weile blieb es still. Hin und wieder war leises Würgen und Husten zu hören, wenn Kurogane sich erneut übergeben musste, aber nach und nach beruhigte sich sein Magen. Nichtsdestotrotz musste er erst wieder zu Kräften kommen, ehe Fye mit ihm zurück zum Schiff schwimmen konnte. Für den Blondschopf war es selbstverständlich, ihn aufzupäppeln und zu pflegen. Sie versuchten sich seit Jahren gegenseitig zu übertrumpfen und waren hartnäckige Konkurrenten. Jedoch bekämpften sie sich nicht bis aufs Blut, waren auch keine Todesfeinde. Würden ihre Piratenbanden, die beide zu den stärksten zählten, in einem fairen Todeskampf aufeinander treffen, so würde es ein Massaker, aber keinen Sieger geben. Und da weder Fye noch Kurogane daran interessiert war, hatte man sich wortlos darauf geeignet, zwar einen Konkurrenzkampf auszufechten, aber sonst friedlich nebeneinander zu bestehen. So hatte sich mit der Zeit eine Art Freundschaft entwickelt, auch wenn nur Fye es wagte, diese Hassliebe so zu bezeichnen. Außerdem hatte der Blondschopf irgendwann festgestellt, dass er den anderen Käptn ziemlich anziehend fand. Dass auch Kurogane nicht ganz abgeneigt war, war hin und wieder doch ziemlich offensichtlich gewesen – auch wenn er es zu verbergen versuchte – doch bis jetzt war zwischen ihnen nie etwas passiert. …Zugegeben, bis jetzt hatte sich auch nie die Möglichkeit geboten. Fye musste plötzlich grinsen. Gab es denn eine bessere Möglichkeit als eine gottverlassene Insel, wo sie niemand stören konnte?! „Was grinst du so dämlich?“ Misstrauisch musterte Kurogane ihn, erhielt jedoch keine besonders viel sagende Antwort. Die Stunden verstrichen und Kurogane ging es langsam wieder besser, sodass Fye ihm gesammelte Früchte zu essen und Saft aus Kokosnüssen zu trinken gab. Sie unterhielten sich über Lappalien, diskutierten die Zuverlässigkeit von Schatzkarten und was ihnen sonst so einfiel. Zwar war Fye derjenige, der die meiste Zeit redete, während Kurogane aufmerksam zuhörte, doch die Atmosphäre war trotzdem angenehm vertraut – auch wenn der Schwarzhaarige das niemals zugegeben hätte. Zudem hatte der Schwarzhaarige mit einem unschönen Juckreiz zu kämpfen, denn sein Körper war voller Sand und Salz, und besonders Letzteres brannte in kleineren Wunden und Kratzern. Außerdem fühlte er sich schmutzig, weil er sich so oft hatte übergeben müssen. Er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, doch, wie konnte es anders sein, Fye bemerkte es schließlich und schlug vor, sich in dem sehr kleinen Süßwassersee waschen zu gehen, den er bei seiner Suche nach Früchten gefunden hatte. Auch wenn es dem Schwarzhaarigen absolut nicht passte, stützte Fye ihn auf dem Weg dorthin und half ihm dann beim Entkleiden. Er wurde jedoch entschädigt, als er sich aufatmend in das saubere, angenehm kühle Nass gleiten lassen konnte. Unterdessen schüttelte Fye die mittlerweile trockenen Klamotten ordentlich aus, sodass Kurogane sie anschließend gleich wieder anziehen konnte, bevor er sich selbst die Hose auszog und zu ihm ins Wasser stieg. Eine Weile saßen sie sich schweigend gegenüber, in dem etwa ein Meter tiefen Wasser, und schauten sich mehr oder weniger offen an. Es schien, als würden beide auf etwas Bestimmtes warten, doch es fehlte jemand, der den Startschuss gab. Dabei war die Gelegenheit einmalig, niemand konnte sagen, ob sie sich noch einmal bieten würde – und sie saßen hier rum und warteten. Fye musste lachen und sah, wie sein Gegenüber die Augenbrauen hob. Der Blonde grinste viel sagend, schwamm auf Kurogane zu und ehe dieser sich versah, hatte er eine große Ladung Wasser im Gesicht. Der Schwarzhaarige schnaufte empört über diesen Mangel an Respekt und versuchte Fye mit einem erdolchenden Blick davon abzuhalten, zum Wiederholungstäter zu mutieren. Vergeblich. Noch zwei, drei weitere Male ließ er es über sich ergehen, dann war das überlaufende Fass voll. Kurogane rächte sich mit einem noch viel größeren Schwall, nutzte den Moment, in dem Fye von diesem Angriff geschwächt war und fing ihn in eine fest Umklammerung, nur um ihn unter Wasser zu ziehen. Der Blonde, der es gerade noch geschafft hatte, die Luft anzuhalten, schaute Kurogane mit großen Augen an, denn diesmal war es an dem Schwarzhaarigen, triumphierend zu grinsen. Das konnte der blonde Pirat nicht auf sich sitzen lassen und er tat das Einzige, was ihm auf die Schnelle einfiel – natürlich. Da Kurogane gerade in Reichweite war, brauchte er sich nur vorlehnen, und er küsste ihn fest auf die Lippen. Beinahe sofort reagierte der Größere und erwiderte den Kuss leidenschaftlich. Sie pressten ihre Lippen solange verlangend aufeinander, bis ihre Lungen an ihren Grenzen stießen. Fye zog seinen Kontrahenten wieder an die Wasseroberfläche und beide schnappten gierig nach Luft. Doch diese Verschnaufpause währte nur kurz. Gleich trafen ihre Lippen wieder aufeinander und wieder zogen sich die Kapitäne gegenseitig unter Wasser – bis sie erneut zum Luftholen an die Oberfläche kommen mussten, nur um das Spiel von vorn zu beginnen. Doch um der ungestillten Sehnsucht Ausdruck zu verleihen, reichten die feurigen Küsse nicht aus. Kurogane presste den Kleineren noch fester an sich, während dieser seine Hände über den muskulösen Körper des Schwarzhaarigen wandern ließ, die kalte Haut innig liebkosend. Bald mussten sie ihre Lippen nicht nur zum Luft holen trennen, sondern auch, weil ihnen immer mehr Laute der Lust entwichen. Je fahriger und leidenschaftlicher ihre Bewegungen wurden, mit denen sie einander verwöhnten, desto aufgewühlter schlug das Wasser gegen ihre vereinten Körper – solange bis es mit einem ekstatischen Aufbäumen über das Ufer schwappte… „Hmm…“, schnurrte Fye in Kuroganes Halsbeuge, „Das war längst überfällig.“ Der Schwarzhaarige grinste versteckt und gab ein zustimmendes Brummen von sich, während er seine Nase in den nassen blonden Haaren vergrub. Fye lachte leise und verteilte kleine Küsschen auf die bronzene Haut. Sie befanden sich noch immer in dem kleinen See, und der Kleinere hatte es sich auf Kuroganes Schoß bequem gemacht, lehnte sich nun an den muskulösen Körper. „Du…? Kuro-tan?“ Der Schwarzhaarige brummte erneut, als Zeichen, dass er zuhörte. „Also…“, begann Fye langsam und schaute unschuldig bittend in die blutroten Augen, „Jetzt, wo du ja sozusagen ein Käptn ohne Schiff bist… Könntest du dich uns doch anschließen. Ich bin mir sicher, wir würden zusammen die stärkste Crew der sieben Weltmeere auf die Beine stellen. Das wäre doch lustig.“ Skeptisch erwiderte Kurogane den Blick und musste feststellen, dass Fye es wirklich ernst meinte. „Soll ich mich dir als dein erster Maat anschließen oder wie stellst du dir das vor?“ Fye schüttelte den Kopf. „Der Posten ist schon vergeben. Aber vielleicht können wir ja beide…“ „Vergiss es. Mit zwei Kapitänen eine mächtige Mannschaft anzuführen, das funktioniert nicht. Wir sind zu verschieden. Wir müssten immer einer Meinung sein und das ist unmöglich – schon allein, weil du viel zu gutgläubig bist, das habe ich dir schon einmal gesagt. Du siehst in jedem Wesen etwas Gutes, aber wir leben in einer Welt, in der die Seelen beschmutzt sind. Du darfst niemandem vertrauen – nicht einmal, nein, ganz besonders nicht mir –, doch genau das wäre das zwingende Muss bei deiner Idee. Und eine andere Möglichkeit gibt es nicht, denn du weißt genauso gut wie ich, dass für keinen von uns eine andere Position als die des Käptns in Frage käme.“ Ernst sah der Schwarzhaarige seinen Konkurrenten an, welcher den Blick senkte und versuchte, sich seine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Kurogane seufzte innerlich und zwang den Blonden sanft, ihn wieder anzusehen. „Fye, ich wollte das hier genauso sehr wie du. Aber mehr als das hier… kannst du vom Schicksal nicht verlangen. Nicht in dieser Welt…“ Der Blondschopf schwieg. Er war anderer Meinung, doch er schwieg und akzeptierte, indem er ein freudloses Lachen ausstieß. Wortlos legte Kurogane seine Lippen auf Fyes Stirn und schob ihn von sich, damit sie endlich aus dem Wasser steigen konnten. „Warte…“, stoppte ihn der Kleinere und schaute ihm aufrichtig in die Augen, „Wenigstens in einem Punkt muss ich dir widersprechen. Ich vertr-…“ Kurogane legte ihm schnell seinen Zeigefinger auf die Lippen, bevor dieser den Satz beenden konnte, und sprach leise: „Nein. Du darfst niemals vergessen, was ich dir eben über Vertrauen gesagt habe.“ Der Schwarzhaarige schaute in die meerblauen Augen und fand Schmerz, Verwirrung und vor allem Trotz, und er wusste, dass Fye nicht auf ihn hören würde. Als sie ein wenig später wieder hinaus zum Strand marschierten, war der Blonde wieder guter Dinge. Das ernste Gespräch war, zumindest vorübergehend, vergessen, und die Stimmung entspannt, dem lang ersehnten zweisamen Treffen sei Dank. Da Kurogane bereits unter Beweis gestellt hatte, dass er körperlich wieder einigermaßen fit war, entschieden sie, zur Weißen Mokona zurück zu schwimmen. Mit fast synchronen Zügen bewegten sie sich durchs Wasser und erreichten gleichzeitig den Bug. Etwas seltsam war es schon, dass sie noch niemand entdeckt hatte. Faules Pack, dachte der Blonde, fand aber nichts Besorgniserregendes daran und rief lauthals nach Sakura. Es dauerte nicht lange bis die Strickleiter zu ihnen herabfiel. Fye kletterte als erster hinauf und landete auf dem Deck, wo er dann doch stutzte. Seine Mannschaft stand aufgereiht an der Reling ihm gegenüber und schaute ihm stumm entgegen. „Leute, was ist denn das für ein Empfangskomitee?“, rief er verwundert aus, als sich niemand regte. „Entschuldige, wenn wir dich nicht herzlicher begrüßen können.“, ertönte plötzlich eine schneidende Stimme neben ihm und ehe er etwas tun konnte, hatte er eine Schwertklinge an seiner Kehle. Fye drehte den Kopf ein kleines Stück und erkannte Kuroganes ersten Maat. In diesem Moment trat hinter seinen eigenen Männern die dazugehörige Crew hervor. Kuroganes Männer hatten sie in ihrer Gewalt. „Da staunst du, was Blondie?“, lachte der Schwarzhaarige und drückte sein Schwert fester an die Kehle des Blondschopfes, sodass ein Rinnsaal Blut an ihm hinab floss. „Kyle!“, ertönte just in diesem Augenblick Kuroganes tiefe Stimme warnend hinter ihnen und der Angesprochene knirschte lautlos mit den Zähnen: „Käptn. Ihr seid wohlauf.“ Diese höfliche Floskel verbarg nur bedingt, dass Kyles Freude weitaus größer gewesen wäre, wenn Kurogane dieses kleine Spielchen nicht überlebt hätte. „Kann mir mal jemand verraten, was das soll?“, verlangte Fye barsch zu wissen, versteckte damit seine Unsicherheit. „Kuro-sama?!“ Bevor dieser jedoch antworten konnte, ertönte unter Deck Geschrei und kurz darauf führten ein paar der gegnerischen Piraten Sakura nach oben, die wild und zornig um sich trat. Schamesröte brannte ihr auf den Wangen, denn die Männer hatten sie mit anzüglichen Witzen aufgezogen. Doch die Witze waren nicht der Grund für ihre Wut; nein, dieser befand sich in den Händen eines Mannes: Die wertvolle Plastik der Diamantenfeder. „Was hat das zu bedeuten?!“ Nun war Fye selbst aufgebracht und durchbohrte Kyle mit einem scharfen Blick. Dieser antwortete listig grinsend: „Wir hatten erfahren, dass euch die Feder in die Hände gefallen ist und fanden, dass sie viel besser in unsere Sammlung passen würde. Also haben wir auf der letzten Insel herumerzählt, wir würden in die andere Richtung segeln. So konnten wir uns unbemerkt an eure Fersen heften. Zugegeben, der Sturm hat uns ziemlich zugerichtet, aber als der Käptn unglücklicherweise“ – Seine Stimme triefte vor übertriebener Ehrbietung, sodass Kurogane angewidert das Gesicht verzog – „dabei über Bord ging und du ihn fandest, bot sich für uns die perfekte Gelegenheit. Es verschaffte uns genug Zeit, euch einzuholen und deine Männer zu überwältigen. Übrigens muss ich ja schon mal anmerken, dass deine Leute nichts besonders aufmerksam sind.“ Kyle grinste schadenfroh und nickte seinen Männern zu, damit sie Fyes Crew zusammen trieben. Doch der Blonde Käptn hatte nur Augen für Kurogane. „Sag, dass das nicht wahr ist!“, rief er wütend und verletzt, „War das alles geplant, reine Berechnung?“ Kurogane musterte ihn schweigend und deutete dann ein Nicken an. „Fast alles, ja.“, erwiderte er kühl und ergänzte leise, während seine Crew sich zurückzog: „Ich hab dir gesagt, dass du zu gutgläubig bist. Ich hab dich davor gewarnt, mir zu vertrauen. …Fye.“ Nach einem letzten, langen Blick drehte sich der Schwarzhaarige um und rannte seinen Leuten nach, stieß sich von der Reling ab und sprang. Erst jetzt registrierte Fye das zweite, vom Sturm gezeichnete Schiff, das die Mokona die ganze Zeit verdeckt hatte. Doch wirklich wahr nahm er es nicht. Viel zu tief saß der Schock, von Kurogane verraten worden zu sein. „Fye-san?“ Sakura trat neben ihn, während er aufs Meer hinaus blickte. Es war etwa eine halbe Stunde vergangen und die Crew ging, ein wenig angeschlagen, wieder ihrer Arbeit nach. Der Blonde drehte ihr den Kopf zu und sah sie schweigend an. Sakura lächelte betrübt, als sie Schmerz in den tiefen Blauen entdeckte. „Es klingt wahrscheinlich sehr abgedroschen, wenn ich das jetzt sage, aber… Ich glaube, dass Kurogane-san dich liebt.“ „Und das zeigt er mir, in dem er mich hintergeht und bestielt?“ Der Käptn schnaubte verächtlich. Vor jedem anderen hätte er ein unbeeindrucktes Lächeln gezeigt und hätte ihn fortgeschickt. Doch bei seinem weiblichen ersten Maat war das ein hoffnungsloses Unterfangen. Fye seufzte: „Na schön. Sag schon, was hast du dir zusammengereimt?“ „Kurogane-san ist der Überzeugung, dass du zu gut gläubig bist.“ „Den Zahn hat er mir gezogen.“, unterbrach der Blondschopf seine Freundin, doch sie fuhr fort: „Vielleicht war das genau seine Absicht. Früher oder später würde mit Sicherheit jemand kommen, der dein Vertrauen missbraucht. Er wollte, dass du daraus lernst. Und er wollte selbst derjenige sein, der dir das beibringt. Manchmal… wenn es unausweichlich ist, dass einem geliebten Menschen Schmerz zugefügt wird, übernimmt man selbst den Part des Peinigers. Weil niemand anderes es wagen soll, diesen geliebten Menschen zu verletzen.“ Fye starrte das Mädchen an und schüttelte nach einem kurzen Augenblick mit einem gezwungenen Lächeln auf den Lippen den Kopf. „Wer ist hier zu gut gläubig, Sakura-chan?! Das ergibt doch keinen Sinn.“ Sie zuckte mit den Schultern und grinste mit einem abenteuerlustigen Funkeln in den Augen. „Wie auch immer. Auf jeden Fall werden wir uns die Feder wieder zurückholen, richtig Käptn? Kurogane-san und seine Crew – besonders diese verblödeten… Kerle… – sollten sich besser warm anziehen.“ Fye schaute sie mit erhobenen Brauen an, ehe sich ein Grinsen auf seinen Lippen festsetzte. „Aye!“ Erneut wandte sich der Blonde dem Meer zu. Es würde seine Wege sich wieder mit Kuroganes kreuzen lassen. Irgendwann. Und dann würde dieser Mann nicht so einfach davon kommen. Dieses Gefühl zwischen ihnen… war im Grunde genommen genau wie das Meer. Rau und ungestüm, gefährlich, tödlich. Doch auf der anderen Seite sanft und wunderschön. Und so beständig wie die unendlich weiten Ozeane. ~ Owari ~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)