Macht Spiele von JinShin ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Plötzliches grelles Licht weckte Farfarello. Beim Bewegen spürte er die vertraute raue Berührung der Zwangsjacke, als er sich auf die Seite rollte, hörte er Kettenrasseln. Er lächelte und schmeckte noch sein eigenes Blut auf den Lippen. Die weißen Kacheln tauchten den Raum in ein steriles Licht, aber ihm kam es vor, als ob er in der Unendlichkeit schweben würde. Er spannte die Muskeln an und spürte die eingearbeiteten harten Dornen an ausgesuchten Kanten der Zwangsjacke, er seufzte zufrieden. Trotzdem konnte er sich nicht wirklich erinnern, was gestern geschehen war. Vielleicht konnte ihm Schuldig einiges erklären, dessen heißen Geruch er schon auf dem Gang wittern konnte. Die Tür schwang ohne ein Geräusch auf, und Schuldig stand in der Öffnung. Schuldig trat nur zögernd näher. Seine Lippen zeigten nicht sein süffisantes Lächeln wie sonst, wenn er diesen Raum betrat; sie bildeten einen schmalen Strich, der seine Anspannung widerspiegelte. Wortlos beugte er sich hinunter und löste die Ketten. Seine Hände zitterten dabei. „Steh auf“, sagte er leise und mit rauer Stimme. Farfarello gehorchte sofort, wie immer bei ihm, allerdings blickte er ihn dieses Mal direkt in die smaragdenen Augen und nicht wie sonst auf den Boden. "Ich rieche deine Angst," raunte er Schuldig zu. "Warum?" Jetzt klang seine Stimme zögernd und klein, wie die eines zurückgewiesenen kleinen Jungen. Doch aus seinem Blick sprach weder Herausforderung noch Zögern, er war leer. „Gleich“, kam die ausweichende Antwort, und wieder war da dieses Zögern. Schuldig sah ihn an, als wollten seine Augen etwas anderes sagen, und doch bekam Farfarello keine mentale Botschaft. „Dreh dich um.“ "Ich ... bitte ..." Farfarello verstummte, selbst erstaunt über diese Worte. Sein Auge zuckte unstet. Er atmete bewusst, wie es ihm beigebracht worden war. In ihm krochen die Dunkelheit und die Gier nach Blut erneut hoch. Ein knurriger Seufzer kam aus seiner Kehle. Er senkte den Kopf, Schuldig würde schon wissen was zu tun ist. Ein warmer Schwall seines, Schuldigs, Geruchs wehte ihn an, und er ließ die Dunkelheit zu und schloss das Auge mit noch immer gesenktem Kopf. Schuldig legte seine Hände auf die Schultern des Iren und drehte ihn gleichermaßen sanft und bestimmend mit dem Rücken zu sich. Er begann, die erste Lederschnalle zu öffnen, als er plötzlich laut aufstöhnte und sich mit beiden Händen an die Stirn fasste. Es dauerte nur einen kurzen Augenblick. Ein dünner, roter Faden lief ihm aus der Nase über die blassen Lippen, Farfarello konnte das frische Blut riechen. Schuldig wischte sich mit dem Ärmel über das Gesicht. „Okay. Du behälst die Jacke an. Komm.“ Seine Stimme klang seltsam ausdruckslos, als er Farfarello vorsichtig Richtung Tür schob. Farfarello lächelte erleichtert und ließ die Schultern ein bisschen sacken. Es gab niemanden sonst, dem er so vertraute, er wollte ihn nicht töten. Mechanisch ließ er sich weiter schieben, wehrte sich weder geistig noch körperlich. Ein kleines Stück seines Geistes war von seiner liebevoll-blutigen Dunkelheit unangetastet. Doch darauf konnte er sich nicht konzentrieren, er schwamm auf einer Welle glühender blutiger Erinnerung. Sein Kopf taumelte leicht zur Seite. Aber er gehorchte Schuldig ohne weiteres. Der junge Deutsche führte ihn schweigend die Treppe hinauf in den oberen Teil des Hauses, das Crawford für die Zeit ihres Aufenthaltes gemietet hatte. Eigentlich müssten die beiden alleine sein, denn ihr Anführer war mit Nagi in der Schweiz, im Hauptquartier. Als Schuldig Farfarello jedoch Richtung Wohnraum drehte, übermittelte er ihm das Wissen, dass sie erwartet wurden. Eine hochgewachsene, kräftige Gestalt in einem langen, schweren Ledermantel mit einem Gürtel, der vorne x-förmig zusammenlief. Der Mann trug seine langen, blonden Haare offen. Farfarello kannte ihn: Marcel Belga, oberster Direktor von Rosenkreuz und ein äußerst begabter Telepath. Der Schwerpunkt seiner Arbeit lag in der Ausbildung von Schülern, daher hatte Farfarello nicht viel mit ihm zu tun gehabt. Farfarello hatte die meiste seiner Zeit bei Rosenkreuz in dem unterirdischen Labor in den österreichischen Alpen verbracht. Belga stand mit dem Rücken zu ihnen, als sie den Raum betraten, und blickte aus dem Fenster in den von dichten Büschen umgebenen, etwas verwilderten Garten. Farfarello gab ein unbewußtes Ächzen von sich, sein Körper spannte sich an und sein Kopf hing, soweit möglich, noch weiter herunter. Aber die demütige Haltung war nur die Hälfte seines Wesens, nur das antrainierte Wesen. Die andere Hälfte wartete ab und wollte zuhören. Belga ließ sich Zeit. Erst nach einem langen Moment wandte er den beiden Schwarz-Mitgliedern seine Aufmerksamkeit zu. Seine stahlblauen Augen streiften kurz Schuldig, dann unterzog er Farfarello einer eingehenden Musterung, begleitet von einem flüchtigen Mentalcheck, den der Ire als fremde Anwesenheit spürte, die leicht an der Oberfläche seines Bewusstseins entlang strich. „Was ist gestern Nacht geschehen?“ fragte er in ruhigem Ton. „Es war meine Schuld, ich habe n...“ Schuldig setzte sofort zu einer Antwort an, wurde jedoch in barschem Ton unterbrochen: „Dich habe ich nicht gefragt, Schuldig! Ich will die Antwort von Farfarello hören.“ Seine schweren Stiefel gaben seinen Schritten einen bedrohlichen Klang auf dem Laminat als er auf Farfarello zuging. //Abwarten und zuhören ist jetzt nicht gefragt//, hallte Belgas telepathische Stimme in seinem Kopf wider, mit einer Prise Autorität gewürzt. Eine Stimme, die keinen Widerspruch dulden würde. „Also?“ Farfarello hob den Kopf, sah erst Schuldig an, ließ dann den Blick an ihm entlang gen Boden wandern, um an Belgas Statur hinauf zu gleiten. Seine Schulter senkten sich wieder ein wenig, als er mit trägem Blick in sein Gesicht sah, den Augenkontakt jedoch vermied. "Ich habe getötet." Belga entdeckte ein kleines Aufblitzen von Aufbegehren in dem einen Auge. „So. Kannst du dich erinnern, wen du getötet hast?“ Das Gesicht des Telepathen blieb völlig ausdruckslos. //Sieh mich an!// Farfarello sah wie von unsichtbaren Fäden gezogen auf, sein Auge suchte diesmal den Blick Belgas. In seinem Geist formte sich willentlich ein einzelner rebellischer Gedanke, mit dem er sein Gegenüber bedachte. //Den Falschen.// "Nein. Kann ich nicht." Dann schwamm er wieder in seine Dunkelheit zurück, das Auge begann wieder, sich unstet zu bewegen, er seufzte rau. Belga bemerkte allerdings, dass Farfarello um sein Bewußtsein kämpfte. Wieder glitt er in seinen Geist, diesmal tiefer, forschend und eingreifend. Er stimulierte ein wenig die Nervenzellen im Schmerzzentrum, was normalerweise als mittelstarker Schmerz wahrgenommen wurde, um Farfarellos Bewusstsein auf sich zu lenken. Er war jetzt als starke Präsenz in Farfarellos Kopf spürbar, ein sehr unangenehmes Gefühl. //Denk an gestern Nacht. Ich will alles wissen!// Ein lautloser Schrei löste sich von Farfarellos Lippen, er sackte in die Knie. Und dann schloss er seinen Geist, riss sich diese Präsenz aus dem Hirn und schnellte hoch, um auf Belga zuzustürmen. Belga trat im richtigen Augenblick einen Schritt zur Seite und nutzte Farfarellos Schwung, um ihn von den Füßen zu reißen und auf den Boden zu werfen. Sofort stellte er einen Fuß auf Farfarellos Kopf und drückte ihn nach unten, während er sich gleichzeitig zu Schuldig umdrehte, der seinem Teamkollegen zu Hilfe springen wollte. Doch so weit kam er nicht. Belgas Augen verschmälerten sich, ansonsten rührte er keinen Muskel. Schuldig verharrte mitten in der Bewegung, doch sein Blick sprühte vor Hass gegen seinen ehemaligen Lehrer. „Lass ihn sofort los!“ Schuldig sagte diese Worte nicht nur, sondern versuchte gleichzeitig, Belgas Schilde zu durchdringen. Stumm fochten sie ihr mentales Duell aus. Ein lauteres Stöhnen kam von Farf, der versuchte, sich mit Winden aus dieser Situation zu befreien. Kurze Zeit danach lag er wieder still, Blut lief ihm aus Mund und Nase. "Was willst du denn?" Völliges Unverständnis von Farfarello, er hatte sich mit dem Sprung auf Belga ebenfalls aus seiner Dunkelheit katapultiert und konnte es nicht wirklich glauben, was er da gemacht hatte. Sein Auge schielte zu Belga hoch. "Wenn da jemand ist, töte ich ihn. Ich denke nicht. Bestraf mich endlich und lass uns dann in Ruhe." Farfarellos Worte kamen in einem jetzt fast gelangweilten Ton, dann leckte er sich nur kurz das Blut von den Lippen. Der Druck der harten Sohle auf seinem Kopf verschwand sofort. //Na bitte//, erklang die Stimme des Telepathen in seinen Gedanken. Gleichzeitig sagte Belga verbal zu Schuldig: „Ich sehe, deine Mentalkraft hat sich verbessert. Dafür lässt hier die Disziplin sehr zu wünschen übrig.“ //Du Arschloch. Deine Meinung interessiert hier keinen.// Schuldig gab sich keine Mühe, seine Gedanken zu verbergen, da er wusste, dass es sinnlos wäre. Außerdem hatte er trotz seiner deutlichen Nervosität auch gar keine Lust dazu. Belga bedachte ihn mit einem kurzen, gefährlichen Lächeln, in dem gleichsam Belustigung und eine Drohung lagen. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder Farfarello zu: „Ich habe nicht vor, dich zu bestrafen. Aber ich denke, diese Angelegenheit bedarf einer genaueren Untersuchung. Ich werde dich mitnehmen.“ Farfarello wagte einen kurzen, für Schuldig fast flehend wirkenden Blick zu seinem Kollegen. Dann wälzte er sich in eine kniende Position. "Ich komme mit." Fügsam stand er auf. "Packen muss ich nicht, ich hab schon alles." Ein vollkommen klarer, Hass sprühender Blick aus dem bernsteinfarbenen Auge traf Belga und fixierte ihn starr. Die Dunkelheit hatte sich in seinem Hirn auf die Lauer gelegt, seine Konzentration bestand darin, nicht noch einmal zu Schuldig zu sehen. Wieder leckte er unbewusst das Blut von den Lippen „Gut.“ „Moment!“ Schuldig trat wieder einen Schritt vor. „Farfarello geht nirgendwo hin. Crawford hat gesagt...“ „Crawford hat hierbei gar nichts zu sagen“, wurde er von Belga unterbrochen. „Das betrifft Rosenkreuz. Und Rosenkreuz bin ich.“ Er fasste Farf mit einer Hand an der Seite und drückte dabei wie zufällig eine der in die Jacke eingearbeiteten Dornen tief in seine Haut. //Wage es nicht//, warnte er Schuldig und wandte sich zum Gehen. Farfarello vermied es weiter, Schuldig in die Augen zu sehen, obwohl sich alles in ihm danach sehnte. Er war verwirrt wie selten in seinem Leben und obwohl er genau wusste, oder zumindest ahnte, dass Belga so leicht zu seinem Hirn Zugang hatte, wie er in eine Kirche, überdachte er seine Rolle in der letzten Misson. War etwas anders gewesen? Crawford hatte ihm gezeigt, welchen Raum er betreten sollte, und die in ihm anwesenden Personen würden ihm gehören, also so wie immer. Oder nicht? Konzentriert auf sein Nachdenken drückte er sich unbewusst gegen die Hand, die ihn hielt und hasste sich sofort dafür. //Das gefällt dir, nicht wahr?// Der Telepath erwiderte den Druck. Natürlich las er Farfarellos Gedanken, diesmal jedoch ohne dass der junge Ire die stille Anwesenheit bemerkte. Schließlich hatte er Farfs mentalen Schirme und seine Mentalkraft gerade eben getestet. Ebenso wie Schuldigs, und sie waren noch nicht fertig. Schuldig war schneller als die beiden an der Tür und versperrte ihnen den Weg: „Er bleibt hier. Crawford braucht ihn. Und ich bin für ihn verantwortlich.“ „Ich habe dich gewarnt.“ Farfarello spürte das plötzliche Eindringen von Belgas Geist und bevor er reagieren konnte, verschwamm sein Blick und Stille herrschte. Er schwebte. Das Ereignis dauerte nur einen winzigen Augenblick, doch es reichte, um ihn zusammensacken zu lassen, als sein motorisches Zentrum keine Impulse mehr zu seinen Muskeln sandte. //Farfarello!// Schuldigs Stimme war ein gellender Schrei. Belga zog den Iren wieder in den Stand und schob ihn nach draußen. Schuldig lag auf dem Fußboden und ein kleiner See aus Blut lief aus seiner Nase. Farfarellos Körper brannte, aber diesen Schmerz konnte er nicht geniessen. Er ließ sich willig nach draußen zerren. Worte kamen wie von selbst über seine Lippen, hatte er die Worte selbst gedacht? Schu konnte es nicht gewesen sein, er berührte ihn nicht geistig. Die Worte kamen in seiner Stimmlage. "Du machst Fehler und bemerkst sie nicht." Er sehnte sich nach seinem Raum, bei allen Teufeln, und wie er sich danach sehnte. //Scheint so, als könne ich von dir noch lernen, n’est-ce pas?// Belga verbarg seine gute Laune nicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)