Noctis - the Black Night von Rakushina (Nur für dich kamen wir zurück...) ================================================================================ Kapitel 5: nach Mitternacht --------------------------- Fünfte Stunde: Fuck, doch zu lang. Ich hatte mir für Noctis eigentlich vorgenommen Kapitel zu schreiben, die unter 5000 Wörter haben, aber anscheinend gelang mir das hier nicht so ganz... Aber irgendwie fehlen mir dieser Monster-Kapitel mit 7000 Wörtern. Ich müsste mal wieder MSTen. Die Szene mit Dorothea hat vielleicht etwas für Verwunderung gesorgt, aber jemand musste sterben, einfach zur Abwechslung und zum Unterstreichen des Genres, ohne dass es Einfluss auf den Manga nimmt. Immerhin spielt die FF mitten in der Story und Dorothea war die Einzige, die ich nehmen konnte. Die ist ja praktisch auch „untot“. Der Teil von Hänsel und Gretel ist wahrscheinlich aus meinem Weblog bekannt. Allerdings habe ich es umgeändert, da die Story ja endlich Struktur hat. Also wehe ihr überspringt. - nach Mitternacht Bitte, bitte, lasst mich gehen! Der Prinz ist in Gefahr! Was interessiert mich dieser Prinz. Du gehörst mir, nicht ihm. Bitte, ich flehe Euch an. Wenn ich nichts tue, werden die Black Lantern ihn bekommen. Was bindet dich an diesen Prinzen, Dorothea? Liebst du ihn? Ja... Aber auch wenn ich es ihm nie sagen kann... Auch, wenn er meine Gefühle nie erwidern wird, so will ich ihm wenigstens dienen und beschützen. Nun, gut, wollen wir mal nicht so sein... Ich lasse dich gehen und gebe dir deine vollen Kräfte. Doch dafür will ich Gold. VIEL Gold! Und solltest du noch einmal hier landen, werde ich „deine Leine enger ziehen“. Hast du verstanden? Ja... König Darius... Mit großen Schritten legte Lisette eine beeindruckende Strecke in kürzester Zeit zurück. Ihre Lungen brannten, doch dachte sie nicht einmal daran stehen zu bleiben. Ihre Flucht endete schließlich damit, dass die über ein matschiges Stück Erde ausrutschte, mit der Nase voraus hinfiel und erst einmal liegen blieb. Vor was rannte sie eigentlich davon? Vor Prinz Ludwig? Nicht wirklich. Eher vor der Wahrheit. Aber davor konnte sie nun einmal nicht fliehen. Dieser bescheuerte Prinz hatte ja Recht, aber musste er sie daran erinnern? Gerade er, innerhalb von Sekunden, obwohl sie Jahre gebraucht hatte und es so ungeheuerschwer gewesen war diese Erinnerungen zu vergessen? Von ihrem Synonymen war sie bis heute nicht losgekommen. Im Grunde hatte der Name ihr anfangs gefallen, sie wollte schon immer so einen Namen haben, schließlich war eine rote Kappe aus Velor ihr größter Kindheitswunsch. Doch so schön wie er war, die Verbindung damit war das genaue Gegenteil. Schließlich war das Märchen vom von dem kleinen Mädchen mit der billigen roten Kappe, dass in den dunklen Pfaden verschwand was ihre Mutter eigentlich verboten hatte und sich von den „bösen Wölfe“ sprichwörtlich fressen ließ im Milieu weit verbreitet. „Scheiße!“, fluchte sie und hämmerte mit ihrer Faust auf den Boden, wenn ihr auch eher zum Heulen zu Mute war. Sie krümmte sich, ihre Arme zitterten, ihr war schlecht. Alles nur wegen diesem Dreckskerl von Prinzen. Ist es nicht anmaßend, immer nur alles auf den Prinzen zu schieben?“ Und als hätte sie ihre Gedanken blickte ihre Mutter auf sie herab, angeekelt und heimlich doch erfreut von dem, was Lisette dachte und für den Prinz empfand – und für sich selbst. „Mutter.. I-Ich wollte ihn töten, ehrlich, doch es ging nicht. Er hat mich wieder ausgetrickst. Bitte lass es mich noch einmal versuchen, diesmal werde ich ihn erwischen!“ „Nein!“, sagte sie und obwohl es nicht sehr laut war, schien ihre Stimme zu beben. „All die Jahre hattest du die Möglichkeit… Und immer wieder hast du es vermasselt. Schon wie damals. Du hättest uns reich machen können.“ „IHR HABT MICH VERKAUFT!!!“, schrie Lisette. Sie war eine temperamentvolle Frau und wusste das, doch dass sie ihrer Mutter so plötzlich wiedersprach wunderte sie. Die ganze Zeit, seit ihre Eltern sie vor dem Angriff des Grafen gerettet hatten, war sie ihnen blind gefolgt. Gemeinsam hatten sie sich überlegt, wie sie den Prinzen endlich beseitigen konnten, obwohl Lisette sie doch angeblich nicht ausstehen konnte. Warum sie es dann tat? Aus Reue und die Hoffnung auf Vergebung? Viertes Gebot, du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, daran hatte sie sich aber nicht gehalten. Und auch nach alledem, was sie ihr angetan hatten wollte sie, dass sie ihr verziehen. Aber nun? „Ja, das haben wir. Aber zu unser aller Wohl. Wäre dir der Hungertod lieber gewesen? Wir haben all unsere Hoffnungen auf dich gesetzt, Lisette… Aber wie auch in diesem Fall hast du uns enttäuscht.“ „Nein, sag das nicht… Mutter…“, klagte Lisette, beinah weinerlich. Doch hörte sie den Kies knistern und sprang zur Seite, ehe der schwarze Dolch, den der Black Lantern in Gestalt ihres Vaters in der Hand hielt ihr in den Rücken rammen und ihr Herz herausschneiden konnte. Nun standen beide vor ihr, Vater und Mutter und blickten voller Abscheu auf sie herab. „Vater…“ „Hör auf dich weiter dagegen zu wehren, Lisette. Ale deine Bemühungen waren umsonst. Du hast nichts zustande gebracht. Wenigstens dein Herz kannst du uns geben. Wenigstens das kannst – Nein – MUSST du für uns tun!“ Lisette´s Vater trat einen Schritt näher an seine Tochter immer noch mit dem Dolch in der Hand. Doch diesmal wich sie nicht aus, sie blieb weiter auf dem Boden knien und fühlte sich wie ein Tier auf der Schlachtbank. Aber es machte ihr nicht aus. Sie konnte die beiden nicht hassen, kein bisschen, nicht einmal Ludwig konnte sie hassen. Nur sich selbst. Und sie hatte es nicht anders verdient. „LISETTE!!! STOP, NICHT!!!“, hallte Will´s Stimme in ihrem Kopf und sie hielt es erst für eine Einbildung, bis der junge Mann bei seiner wagehalsigen Aktion ihren Vater regelrecht überrannte. Will fiel hast auf die Nase dabei, die beiden Lantern sprangen von ihm weg um mehr Sicherheitsabstand zu gewinnen. „WILL?! WAS TUST DU HIER?!! Verschwinde von hier!“, schrie Lisette, doch Will betrachtete sie erst, als er einen langen Stock aufgehoben hatte und ihn wie ein richtiges Schwert in der Hand hielt. „Ich habe versprochen, dass ich ein Ritter werde und bei dir bleibe und dich von jedem Leid fernhalte! Diese Gestalten sind nicht deine Eltern, nur Schatten die ihr Aussehen angenommen haben, um dich leiden zu lassen. Und das lasse ich nicht zu.“ Will… Dieser Trottel, der nicht einmal „Nein“ sagen konnte… Dessen Herrn und Freund sie umbringen wollte… Gerade er wollte sie beschützen? Nach alldem, was passiert war? Lisette verstand es nicht, so sehr sie es versuchte. „Du willst mir helfen? Dir schlottern doch jetzt schon die Knie und eine richtige Waffe hast du auch nicht!“ „I-Ich gebe trotzdem nicht auf“, sagte er, versuchte dabei selbstsicher zu wirken. Allerdings zerstörte seine wacklige Haltung und das aschfahle Gesicht dieses Erscheinungsbild und ließen ihm mehr als jämmerlich erscheinen, sogar die beiden Lantern schienen sich über ihn lustig zu machen. „Verschwinde, du bist mir nur im Weg.“ „N-Niemals! Ich werde diese… Wesen von dir fernhalten.“ „Sollen wir uns auch um ihn kümmern? Sein Herz schreit förmlich vor Angst.“ „Wenn dem so ist… Wieso nicht?“, lachte die beiden Lantern, den Blick abwechselnd zu Will und Lisette bis einer von ihnen verschwand. Lisette schreckte zurück und suchte überall nach ihrer Mutter, während das Grinsen ihres Vaters immer breiter und Will immer nervöser wurde. Lisette entdeckte ihrer Mutter schließlich – direkt vor ihr und mit einem Gewehr in der Hand. Sie blickte direkt in den Lauf. „Pass auf, Lisette!“, rief Will und sprang vor sie und hielt seinen Stock als Schutz entgegen, als ob es irgendetwas bringen würde. Aber Will war ja nicht dumm. Naiv ja, aber nicht dumm. Lisette´s Mutter wollte ihn schon auslachen, da holte er allerdings aus und schlug ihr den Stock in die Seite. Das Gewehr fiel aus der Hand und wurde wieder zum Ring um ihren Finger. Zumindest diesen Angriff hatte er abwehren können, wenn er nun auch mit einem langen Gesicht auf seinen Sock starrte, der in der Mitte in zwei gebrochen war und nun wirklich nur noch als Brennholz verwenden konnte. „WILL!! VORSICHT!!“, rief Lisette ihm zu, doch er verstand den Ruf nicht und konnte nicht mehr ausweichen, als der Lantern wieder vor ihm stand. Lisette´s Mutter packte ihm am Hals und hob ihn hoch, um somit auch wieder in ihr und ihres Gatten alte Fangsystem zurückzukehren – während der eine die Opfer provozierte, sollte der andere auf den richtigen Moment dauern. Und wohlmöglich würde das auch nicht mehr lange dauern. Lisette kochte wieder vor Wut und Hass und Will schlotterte vor Angst, wenn er auch versuchte es zu unterdrücken. „Lass ihn gehen, er hat nichts damit zu tun! Du wolltest doch mich!“, rief Lisette zwar, doch es führte nur dazu, dass der Würgegriff um Will´s Hals enger wurde. „L… sette… De… Ri.. Ring… zer… zerstö…“, stöhnte Will so laut es ging, bis seine Stimme schließlich versagte. Doch sie verstand dennoch, was er sagen wollte. Sie sollte diesen dubiosen Ring, der zuvor noch ein Gewehr war zerstören. Ihr eigenes Gewehr lag nicht weit von ihr entfernt auf den Boden, doch ihr Vater versperrte den Weg. „Na, na, wohin des Weges, mein Kind?“ „Geht dich nichts an!“, antwortete sie barsch und warf ihm ihren Umhang samt sich selbst entgegen. Noch mit dem roten Stoff im Gesicht, dass sich um seinen Kopf gewickelt und verheddert hatte blieb er auf den Boden liegen, zappelte wie ein Käfer, der nicht mehr auf die Beine kam, während Lisette zu ihrem Gewehr griff. Will sah, wie sie zielte und fuhr mit seinen Fingernägeln tief in das Fleisch seiner Angreiferin, die ihn augenblicklich losließ und sehen musste, wie die abgefeuerten Kugeln dass schwarze Schmuckstück um ihren Finger zersprang. Ihr Gesicht verzog sich noch einmal voller Entsetzen, bis ihr Körper zu Asche wurde und vom Wind fast vollständig davongetragen wurde. Lisette´s Vater, der endlich den Umhang losgeworden war und dieses Szenario nur noch mit großen Augen verfolgen konnte fluchte ein letztes Mal vor sich hin, ehe er schnell in den dichten Wäldern verschwand, beinah schon panisch. Lisette trat ein paar Schritte näher heran und sah auf die Überbleibsel des schwarzen Ringes, der ihre Mutter beherrscht hatte. Oder hatte er sogar unbewusst sie beherrscht? Lisette schrak auf und schrie beinah, als sich Will an sie lehnte, vollkommen geschwächt von seinem Kampf. Sein Gesicht und sein Hemd waren voller Dreck. „Ist dir nichts geschehen, Lisette?“ „DU VOLLIDIOT!!! DU SPINNST DOCH TOTAL!!! Du ungeschickter Tölpel hättest uns noch beide ins Grab geschickt! Lern lieber erst, wie man eine Waffe hält, bevor du versucht andere zu retten“, schrie sie Will an und schlug mit den Fäusten – wenn auch sachte – immer wieder auf ihn ein. Er winselte leise wie ein kleiner Hund und kniff die Augen zusammen. Als er aber die Augen wieder öffnete, da keine Schläge mehr kamen sah er nur noch, wie Lisette sich an ihn klammerte, ihre Lippen waren nur noch ein schmaler Strich. War sie den Tränen nahe? „Danke Will… Wärst du nicht gekommen, dann…“ „Das war doch selbstverständlich. Ich habe es doch versprochen.“ Richtig, Will hatte immer, als sie klein waren geschworen, dass er ein Ritter werden und sie beschützen würde. Lisette hatte nie wirklich daran geglaubt, sie hielt ihn für zu feige und gutmütig. Aber zumindest für diesen Moment hatte Will ihr das Gegenteil bewiesen. „Komm her, du Idiot. Du kannst ja kaum richtig stehen“, fauchte sie wieder in ihrer gewohnten Art und stütze Will ein wenig, als dieser versucht hatte einen Schritte alleine zu gehen. „Dich kann man nicht alleine lassen. Wo hast du überhaupt den bescheuerten Prinzen gelassen?“ „Prinz Lui… Er ist zurückgeblieben mit Dorothea. Ich weiß nicht, wo sie sind. Aber ich hoffe, es geht ihnen gut.“… „Gut“ war für eine Situation wie diese eher relativ. Natürlich kam es immer auf den Betrachter an und auch wenn die Hauptsache war, dass er am Leben war – oder zumindest noch – hätte die Lage um einiges besser sein können. Prinz Lui hatte zwar schon unangenehmerer Dinge gesehen und erlebt, wie Männer, die ihm an die Wäsche wollten und ein ganzes Silbertablett mit Schweinefleisch süßsauer mit Ananas, aber das Erlebnis, nun knietief im Wasser zu stehen und von seiner selbsternannten Sklavin bedroht zu werden könnte es gut mit den anderen beiden Dingen aufnehmen. Oder vielleicht übertraf dieses Erlebnis die beiden nun doch, da sich hinter ihm ein Wasserfall befand und jeder weitere Schritt fatal wäre. Sein eigentlicher Plan war es ja dem Strom zu folgen, an einer geeigneten Stelle abzutauchen und sich dann so weit wie es ging einfach treiben zu lassen, um so dieser untoten Nervensäge zu entkommen. Doch nachdem er einige Zeit gelaufen war und es nur noch abwärts ging, saß er fest, versuchte der Kraft des Wassers stand zu halten und nebenbei noch einen Fluchtplan aus dem Ärmel zu ziehen. „Es ist vorbei, Prinz. Nun kannst du meiner Liebe nicht mehr entkommen“, lachte Dorothea höchstamüsiert. Sie schwebte über der Wasseroberfläche, kaum fünf Meter von ihm entfernt und streckte die Hand nach ihm aus. Dieselbe Hand, an dem sie auch den schwarzen Ring trug. „Schade schon, es war gerade so lustig. Ihr hättet es schon von Anfang an einfach hinnehmen sollen, dass wäre für uns alle leichter gewesen. Auch als ihr erfahren habt, dass meine Bindung zu euch bereits meinen Tod eingebüßt hat. Aber ihr habt euch nicht beirren lassen… Ihr scheint mich doch zu schätzen, sonst hättet ihr es nie gemerkt, mein Prinz.“ „Rede nicht so viel dummes Zeug daher“, maulte der Prinz und wünschte sich etwas schweres, dass er ihr an den Kopf werfen könnte, dann hätte er zumindest seine Ruhe, die er zum Nachdenken brauchte. „Auch wenn ich ein oberflächlicher Kerl bin, bin ich nicht blind. Nur weil dein ganzes Outfit schwarz ist, bedeutet das nicht automatisch, dass man den Ring an deinem Finger nicht sieht. Es ist einer der Ringe, die beim Schmieden mit dem „Black Lantern“-Zauber belegt wurden. Die Unterhaltung zwischen Dorothea und Will war sehr lehrreich und nur ein Lantern kann so widerlich aufdringlich sein und so viel Schwachsinn reden, nur damit ich einen Gefühlsausbruch bekommen soll. Zudem kann ich echte Brüste von denen einer billigen, untoten Kopie unterscheiden.“ „Hach, mein Prinz, ihr reduziert mich nur auf mein Aussehen, so wie alle andere Frauen auch. Kein Wunder, dass ihr immer noch als Junggeselle durch das Land zieht.“ „Ich habe nun einmal hohe Ansprüche.“ Das Lächeln, dass ihr daraufhin über das Gesicht huschte wirkte so steif und künstlich wie das einer Maske. Sie trat einen Schritt vor und Lui lief bereits die erste Schweißperle über die Stirn. Ahr, Dorothea, warum hatte sie nicht richtig aufgepasst, dann wäre sie nie so geendet. „Hier ist es nun zu Ende. Aber… Wenn sie mir einen Kuss geben und gestehen, wie sehr Sie mich lieben, überlege ich es mir vielleicht.“ „Sicher nicht!“ „Hm, Schade…“, seufzte sie geknickt. „Aber wenn dies Ihr Wunsch ist. Ich mache es auch kurz und schmerzlos. Schließlich gibt es heut Nacht noch viel zu tun und viele Herzen zu sammeln. Will´s mitleidiges Herz schreit förmlich danach. So ein herzensguter Kerl, er wird sein Herz bestimmt freiwillig hergeben.“ „Das wagst du nicht…“, knurrte er, sofort aber biss er sich auf die Lippen und ballte die Hände zu Fäusten. Er wusste zwar auf was dies hinausging, dass sie nur versuchte ihn zu reizen, aber Lui konnte sich nicht zurückhalten. Er war einfach wütend. Wütend auf diesen Dreckskerl, die irgendwo hier war und dabei zusah, wie er von seinen Nächsten verfolgt wurde, weil er selbst zu feige war. Lui wünschte ihn die Pest an den Hals, dafür, was er Will und Dorothea antat. Dorothea´s Aufschrei riss ihn wieder in die Realität. Er hatte nicht gemerkt, wie nah sie ihm gekommen war, wäre dieses Explosion nicht gewesen, wäre er… Er wollte gar nicht daran denken. Das Wasser spritzte und die Wellen hätten ihn fast von den Beinen gerissen, wohlmöglich noch beinahe in eine der Strömungen, dann wär es erst Recht vorbei gewesen. „Pardon, aber niemand vergreift sich an unserem Ziel. Das ist unser Job, also halte dich da raus, okay?“, lachte die Stimme eines jungen Mädchens und Lui sah sie auf einem großen Fels stehen. Aus ihrer Kanone stieg noch der Rauch, also hatte sie ihn vor einem grausamen Schicksal bewahrt, wenn ihre Absichten auch nicht gerade nobel zu sein schienen. „Wer seid ihr?“ „Das ist nicht von Bedeutung, du sollst nur eins wissen, Hexe. Wir wurden damit beauftragt den Prinzen zu töten und niemand vermasselt uns die Tour, egal ob lebendig, tot oder was immer du und deine Artgenossen sein sollt.“ „Das hatte grade noch gefehlt“, seufzte Lui. Lisette und die Lantern hatten schon gereicht, noch mehr von der Sorte konnte er nun wirklich nicht gebrauchen. „Verzeihung, aber das kann ich euch nicht durchgehen lassen. Ihr müsst wissen, sein Herz schreit praktisch nach mir, hi, hi.“ „Dann... holen wir ihn uns einfach“, antwortete nun die tiefere Stimme ihres Begleiters, den Lui aufgrund des dunklen Mantels erst gar nicht gesehen hatte. Umso deutlicher sah er aber seine Waffe, eine große Axt mit ebenso großer Klinge aufblitzen und Lui fragte sich, ob es nun noch schlimmer werden konnte? „Verschwinde Hexe, oder du wirst mit ihm gegrillt.“ „Von wegen, ich war zuerst hier!“ Während sie sich tatsächlich darum stritten, wer ihn nun töten durfte, hatte Lui wieder einen Moment zum Denken gefunden und versuchte eine Entscheidung zu treffen. Sollte er sich zum Zombie machen oder zu Häppchen verarbeiten lassen? Oder sollte er springen? Er musste gestehen, die Vorstellung als Wasserleiche zu enden, war ihm um einiges sympathischer als die anderen beiden Optionen. „Langsam wird´s kindisch. Los, schnappen wir ihn uns, Hänsel!“, rief das junge Mädchen, ihr Begleiter sprang und ließ dabei seine Axt in der Luft herumwirbeln. Als diese auf ihn herabfiel, sprang Lui zur Seite – direkt in die starke Strömung und er hörte nur noch, wie sie alles aufschreien, als er von dem Wasser mitgezogen und in die Tiefe gerissen wurde. Und vielleicht hatte Gott mit ihm Erbarmen gehabt, dass er dies heil überstand. Er verfehlte die Steine, die unten auf ihn gewartet hatten nur knapp, die Strömung riss ihn hinunter, aber schnell fort. Und gerade im letzten Moment trieb sie ihn wieder an die Oberfläche um ihm nach Luft schnappen zu lassen und Lui war wieder an einem anderen Ort. Das Wasser war ruhig und der Wald war dicht. Wie weit er wohl davongetragen wurde? Egal, Hauptsache er war diese drei Irren losgeworden. Er zog sich aus dem Fluss, seine Kleidung war schwer und klebte an seiner Haut. Lui seufzte und drückte das Wasser aus seinen orangenen Haaren. „Na ja, es hätte schlimmer sein können...“... „So ein verdammter Mist!“, schrie Gretel noch einmal auf und trat mit voller Wucht gegen einen Baum, der durch die entstehende Vibration einige Blätter verlor. „Wir hatten ihn fast, wär diese blöde Hexe nicht dazwischen gegangen. Zu blöd, dass sie geflüchtet ist, ehe ich sie mir vorknöpfen konnte!“ „Du scheinst schlecht gelaunt...“ „Nein, bin ich nicht... Aber dieser Wald, er macht mich wahnsinnig! Aber wir haben Herrn Julius versprochen ihm den Prinzen feingeröstet und in Scheibchen zu servieren. Jetzt ist er uns wieder durch die Lappen gegangen, in einem finsteren Wald, ohne zu wissen, ob es hier einen Ausgang gibt. Es ist einfach...“ Gretel versuchte ein passendes Wort für ihre Lage und auch für ihre Gefühle zu finden, doch fiel ihr nichts ein und ein Schauer lief ihr über den Rücken. Aber Hänsel musste innerlich gestehen, dass es ihm nicht anders ging. Dieser Wald weckte unschöne Erinnerungen, Erinnerungen an Einsamkeit, Hunger und Angst und seine Narben, die sich fast über seinen ganzen Körper erstreckten, fingen an zu schmerzen, wenn er sich es nur vorstellte. Aber wie sehr wussten die Narben schmerzen, die Gretel in ihrem Inneren trug? „Sieh an, sieh an. Dieser Prinz scheint ja einen richtigen Fanclub zu haben. Da wird man ja richtig neidisch“ „Wer ist da?“ Beide warfen ihre Köpfe zur Seite und untersuchten ihren Aufenthaltsort mit ihre Blicken und fast gleichzeigt erblickten die beiden die Gestalt Rumpelstilzchens, der auf sie herabblickte, als seien sie Beutetiere. „Was bist du denn für eine Witzfigur? Los, antworte!“ „Das könnt ihr selbst erraten. Aber ich weiß, wer ihr seid. Ihr gehört zu Prinz Julius.“ „Wäre möglich…“, antwortete Gretel vorsichtig. Eine goldene Regel in ihrem Job war, nichts oder so wenig wie möglich von sich oder den Auftraggebern preiszugeben. Aber Gretel verstand nicht, woher er dann von ihnen wusste. „Nun, Prinz Julius hat mich beauftragt diesem lästigen Ludwig und dem verräterischen Rotkäppchen das Licht auszublassen.“ „Und weil wir deinem Job im Weg sind, willst du uns auch loswerden?“ „Das kommt auf meine Laune an… Und wie ihr euch verhaltet. Wir können dass so oder so klären. Aber seit versichert, der Gewinner bleibe in jeder Hinsicht ich. Julius muss ja nichts davon erfahren. Ich erzähle ihm einfach, es war ein tragischer Unfall. Oder ich schiebe es auf den Prinzen.“ „So leicht wirst du uns aber nicht los und unseren Job kriegst du auch nicht!“ „Wollen wir wetten?“, lachte er spöttisch und langsam, fast elegant stieg seine Hand empor. Gretel rechnete mit einem Zauber, doch er schnipste nur mit den Fingern – und augenblicklich huschte etwas durch die Büsche, dass aber keiner von beiden erkennen konnte. Gretel spürte einen Luftzug und etwas, dass ihren linken Zopf um fünf Zentimeter kürzer machte. Sie blickte zur Seite und sah direkt in das süße, aber boshaft verzehrte Gesicht Albertinas, der Gänsemagd. Augenblicklich flüchtete Gretel an die Seite ihre Bruders, ließ aber weder Albertina, noch das schwarze Schwert in ihrer Hand aus den Augen. „Hänsel!“ „Ich weiß… Es ist dasselbe Mädchen. Die Gänsemagd, die ich schon einmal getötet habe“, sagte Hänsel, beinahe fassungslos und blickte auf das Grinsen, dass Albertina wie eine Verrückte erschienen ließ. „So trifft man sich wieder. Nun, seid ihr stolz auf euch? Ich habe so lange planen müssen, so viele Jahre. Ich habe meinen besten Freund Fallada opfern müssen, um endlich glücklich werden zu können. UND IHR HABT ALLES ZERSTÖRT!!!“, schrie Albertina auf und wie ein Berserker stürzte sie sich auf die Geschwister. Das Schwert, dass Albertina dabei schwing blieb im Boden stecken, nachdem einer ihrer Angriffe ins Leere ging. „Ich… Ich wollte heiraten… Ich hatte meine Rache und wäre beinahe sogar Königin geworden. Und ihr habt alles zerstört! Macht euch das etwa Spaß, anderer Menschen Leben zu zerstören.“ „Sagt wer?“, konterte Gretel und langsam stieg ihre schlechte Laune wieder auf. Zwar war das eigentliche Motiv ihrer Ermordung dies gewesen, überflüssige Zeugen loszuwerden, doch sie hatte das Gespräch zwischen Albertina und Prinz Ludwig genau mitbekommen. „Du hast ein unschuldiges Mädchen hinrichten lassen und ein ganzes Königreich zum Narren gehalten. Und dann willst du auch noch Mitleid von uns, obwohl du die wahre Böse bist?!“ Albertina knirschte laut mit den Zähnen und ihre Hände umklammerten fest den Griff ihres Schwertes. Sie war dabei es wieder aus dem Boden zu ziehen, doch dass schaffte sie nicht mehr. Hänsel monströse Axt erfasste sie und schleuderte sie gegen einen dicken Baumstamm, die Klinge steckte in ihrem Rumpf und hielt sie am Baum fest. Sie hing fast bewegungslos da und als Hänsel seine Waffe wieder aus dem Baum zog, zerfiel der Körper der Gänsemagd. Zwar erleichtert schauten sie auf den Aschehaufen, aber Gretel dachte nicht daran, dass dieser heftige Schlag alles gewesen sein konnte. Ihr war, als hätte sie dabei noch etwas gehört, als sie von der Axt erfasst wurde, etwas Wichtiges. Dieses leise Geräusch, als sei etwas zersplittert… „War das schon alles?“, lachte Gretel und schaute erneut zu Rumpelstilzchen auf. Doch sein überzeugtes Grinsen war weg, sein Blick war starr und sein Ausdruck im Gesicht eisig. „Ja... Ihr seht ihm ähnlich... Ihr seid definitiv seine Kinder. Die Kinder dieses Holzfällers, mit dem dieses Unglück begonnen hat.“ „Von was redest du?“ „Unwichtig. Es macht keinen Unterschied, ob ihr nun alles wisst oder nicht. Dies war nur zum Aufwärmen für euch. Meine Rache werde ich schon noch bekommen“, rief er ihnen nach, obwohl sein Körper sich schon aufgelöst hatte und verschwunden war. Hänsel und Gretel starrten beide auf die Stelle, wo dieser merkwürdige Kerl noch gestanden hatte und schließlich auf die Überreste Albertinas. Zum zweiten Mal hatte sie ein bemitleidendes Ende gefunden, ironischer weise auf dieselbe Art, durch dieselbe Person. Dieses Mädchen hatte es nicht anders verdient. Sie war böse und hatte alle getäuscht, dafür mussten eine unschuldige Prinzessin und ein armes Tier sterben. „Kurz um, sie war eine richtige Hexe und musste verbrannt werden von solch noblen Menschen wie euch. So ist es doch, nicht wahr? Zehn Jahre und ihr beide lebt immer noch in eurer kleinen Welt, zwischen Elfen und Engeln. Dass dein Bruder nicht der Hellste ist, habe ich schon sofort gewusst. Aber dich hielt ich für etwas klüger, Gretel.“ Gretel ahnte, welcher Untote hinter ihr stand, ebenso Hänsel und keiner von beiden musste über die Schultern schauen um es genauer zu wissen. Es war einige Jahre her, aber noch immer sahen sie das Gesicht dieser Frau – dieser Hexe, die so schrecklich böse war und sie verbrannt hatten vor sich, als sei es erst gestern gewesen. Sie hörten wie sie den Rauch ihrer Zigaretten in die Luft blies, wie immer wenn sich sie an etwas erfreute und dann erklang ihr Kichern und statt lieblich wie früher, klang es wie das eines Dämons, der sich auf sein Mahl freute. Vielleicht bildeten sie sich es auch ein, dass es einst mal freundlicher klang, zumindest glaubte Gretel das. Schließlich hatte sie diese Hexe immer für einen rettenden Engel gehalten. Wie konnte ich nur, diese Hexe wollte mit uns spielen und mich fast dazu gebracht, auf meinen Bruder zu schießen. Ich hätte Hänsel TÖTEN können! „Sollen wir sie verbrennen... Gretel? Sie ist immer noch böse, oder? Noch mehr als vorher? Nun, da sie eine von denen ist…“ „Sicher, Hänsel Brüderchen. Sollte sie etwas Dummes versuchen, werden wir sie wieder brennen lassen, so wie es Hexen verdient haben“, antwortete Gretel selbstbewusst, ihre Kanone umklammerte sie aber mit zitternden Fingern. Schließlich wusste sie es besser, wie viele Löcher sie ihnen zwischen die Augen schossen, wie oft sie ihnen die Brust durchbohrten, sie standen immer wieder auf. Und bei dieser untoten Hexe würde es nicht anders sein. Sie musste sich was einfallen lassen, noch bevor sie wohlmöglich Hänsel etwas tun konnte, wie damals. „Was ist? Hast du Angst?“, kicherte die Hexe, freizügig in schwarzes Leder gehüllt, ihr schwarzes, welliges Haar ließen sie fast wie ein Schatten wirken in der Dunkelheit, nur die Glut ihrer Zigarette stach hervor. An ihrem Finger der schwarze Ring Rumpelstilzchens, der das sachte Mondlicht reflektierte. „Bestimmt nicht“, antworte Gretel mit ihrem süßen Lächeln, dass meist ihr Gesicht zierte und sie oft jünger erscheinen ließ, wie sie eigentlich war. „Gretel, tu nichts Unüberlegtes...“ „Mach dir keine Sorgen, Hänsel. Das früher einmal so, aber ich bin kein kleines Mädchen mehr. Ihr bösartigen Wesen macht mir keine Angst!“ „Und du bestimmst, wer böse ist und wer nicht?“, lachte sie laut, dabei schnipste sie ihre Zigarette weg, die sie bis auf den Stummel heruntergeraucht hatte. „Das zeigt, dass ihr immer noch dumme Kinder seid, denn Selbstjustiz ist nur etwas für Schwache. Du teilst die Menschen in „gut“ und „schlecht“ und die „Schlechten“ werden von euch niedergemetzelt. Und dann ziehst du auch noch deinen Bruder mit rein. Ich weiß ja nicht, wie du darüber kennst, aber ich finde so etwas widerlich.“ „WIDERLICHER WIE KINDER ZU FOLTERN?!“, schrie Gretel, von sich selbst überrascht, dass sie plötzlich die Beherrschung verloren hatte. Ihre Kanone hielt sie hoch und der Finger war am Abzug, doch konnte sie sich noch fangen, ehe sie abdrückte. „Was du Hänsel und mir angetan hast war mehr als widerlich, es war einfach nur krank!“ Ich hätte Hänsel TÖTEN können! „Und dann wagst du es über mich zu urteilen?!“ „Ich hab es aber nicht nötig über meine Taten zu urteilen. Ich folge nur meinen Trieben, aber ihr stellt euch über andere und bestimmt über Leben und Tod. Ihr seid zwar berüchtigte Auftragskiller – Hut ab – aber einerseits hängt ihr noch an eurer kindlichen Vorstellung, auch wenn es euch nicht gefällt. Denkt ihr ernsthaft, Engel und Feen, an die ihr glaubt tun das auch? Garantiert nicht! Vielleicht sind ja alle anderen Menschen gut und nur ihr schlecht, müsst ihr euch dann nicht selbst töten?“ „HALTS MAUL!“ Hexe! Hänsel wollte sie noch zurückhalten, aber da seine Reaktionen wie seine Sprache langsamer waren wie bei jedem anderem, konnte er nicht verhindern, dass Gretel den Abzug drückte und der Hexen den linken Arm von den Schultern riss. Der Arm überschlug sich mehrmals in der Luft und landete mit einem dumpfen Schlag auf den trockenen Waldrasen. Gretel starrte auf den Arm, als sei es ein merkwürdiges Tier und schien erst gar nicht zu realisieren, was sie getan hatte. Doch aus dem Starren wurde ein Beobachten, da sie glaubte, der Arm bewegte sich. Als die Finger sich plötzlich streckten und der Arm aufrecht vor ihnen stand wie ein Wiesel, schlug Gretel sich auf den Mund, ehe ein verängstigtes, quietschendes Geräusch ihrer Kehle entwich. Entsetzt sahen die beiden Geschwister zu, wie sich der Arm von selbst wieder an die Schultern der Hexe befestigte und sich das abgefallene Fleisch und die Haut um die offenen Stellen legten wie ein Verband, bis es aussah, als sei nichts gewesen. Sie wussten zwar, dass sie sich wieder regenerieren konnten, aber das hatte ihre Vorstellungskraft überstiegen. Demonstrativ bewegte sie ihren Arm auf um ab und ja wirklich, der Arm hing wieder. „War das alles? Komm Gretel, dass kannst du doch besser. Ansonsten werde ich den nächsten Schritt machen und meine neuen Fähigkeiten an euch ausprobieren. Das wird sicher ein lustiges Spiel... Findest du auch, Hänsel?“ „LASS IHN IN RUHE!!“ Wieder zog Gretel am Abzug, diesmal unter vollem Bewusstsein und schoss wieder ihren Arm weg, doch während er noch in der Luft schwebte, setzte sich dieser wieder an die offene Körperstelle. Wieder zog Gretel am Abzug, die Hexe wisch spielend aus mit einer enormen Geschwindigkeit, doch hatte sie noch die Rippen gestreift. Hexe! Wieder ein Schuss, dass halbe Gesicht war verbrannt. Rosafarbenes Fleisch fiel ab. Hexe! Ein weiterer auf ihr Knie. Hänsel sagte in einem ungewohnten groben Ton, dass sie aufhören sollte, es bringe doch nichts, aber sie überhörte ihn einfach. Hexe! Hexe! Und wieder ein Schuss! Man konnte Knochen sehn. Hexe, HEXE!!! Doch die Hexe stand immer noch. Wie oft Gretel sie abschoss, nach einigen Sekunden waren ihre Wunden geheilt. Selbst die Bluttropfen schienen wieder zurück in die Venen zu fließen. Gretel stand nur erschöpft da, vollkommen außer Atmen, ihre Angst und ihr Zorn hatten ihr in kürzester Zeit die Kraft geraubt. Selbst ihre Kanone wurde ihr zu schwer (obwohl sie aus Prinzip nur sehr leichte Modelle kaufte) und sie glitt ihr aus der Hand, sie zitterte vor Wut auf dieses Miststück, aber auch aus Angst um ihren Bruder. Hänsel war zu weich wenn es um sie ging, er würde alles tun. Aber was sollte sie noch machen? Wie betäubte starrte sie auf ihre Waffe, zu lange um zu bemerken, wie der unauffällige Ring zum Schwert wurde und die Klinge über dem Kopf der Hexe zu schweben schien, bis diese wie ein Falke auf sie herabstürzte. Schließlich verschleierte der Umhang ihres Bruders den Anblick, der sich samt seinem hochgewachsenen und starken Körper um sie schlang. Kaum einen Zentimeter vor ihrem Gesicht sah sie jedoch wieder die Spitze der schwarzen Klinge, die aus Hänsels Schultern ragte. Gretel riss ihren Augen weit auf, als ebenso Blut sich auf der Spitze sammelte und schließlich auf ihren Rock tropfte. „Oh, hat der große Junge etwa Angst um sein Schwesterchen? Na, sag schon?“, kicherte die Hexe, nun es klang wie das einer alten Frau. Ihr Griff wurde fester und schob die Klinge weiter durch die Wunde, bis Gretel nicht nur die Spitze sehen konnte und die Klinge sich immer weiter durch das Fleisch bohrte. Hänsel selbst wimmerte und verkrafte sich, je weiter sie die Klinge durchzog, aber jedes schmerzliche Stöhnen oder einen Schrei unterdrückte er. „Na komm Gretel, tu was! Oder willst du nicht? Soll ich ihn entgültig fertig machen?! Los, spring mich nur an damit ich dein wutentbranntes Herz aus deiner Brust reißen kann, oder soll dein Bruder wieder für dich herhalten?! Soll ich ihn für dich töten?! Du hast doch gesagt, dass du kein kleines Mädchen mehr bist, dann zeig es mir! NA LOS, ODER ER MUSS DRAN GLAUBEN!!!“ „DAS KANNST DU HABEN!!“, schrie Gretel und sie sprang auf, obwohl Hänsel sie daran hindern wollte. Die Hexe zog die Klinge aus seinen Schultern, die über und über mit seinem Blut war und wollte selbiges bei Gretel tun. Doch sie sprang sie nicht an, sondern griff wieder zu ihrer Kanone, die ihr nicht mehr so schwer fiel. Die Hexe musterte sie aber überrascht, da Gretel zwar die Kanone auf sie richtete, aber den Abzug nur halbgedrückt hielt. Schließlich zog Gretel ihn ganz durch und statt einer kleinen Feuerkugel, kam ein ganzer grellleuchtender Feuerball herausgeschossen. Der Lauf explodierte und Gretel wurde nach hinten auf den Boden geworfen, direkt neben ihren verletzten Bruder, der sie aber sofort wieder zu sich zog. Die Feuerkugel traf direkt in das Gesicht der Hexe und das Licht war so grell, dass alle drei erst davon geblendet waren. Die Geschwister steckten die Köpfe unter Hänsels Umhang, sie sahen nichts, sondern hörten nur noch einen grotesken und langgezogenen Schmerzensschrei und die Explosion von Gretel´s Feuerkugel. Nur langsam zogen sie die Köpfe hervor und waren überrascht, als sie nichts mehr sahen. Sie hatten die Hexe verbrannt. Von ihr war nicht mehr wie ein Aschehaufen übriggeblieben und kleine Bruchteile ihres schwarzen Ringes. Vorsichtig berührte Gretel die Asche, aber nichts schien sich aus ihr zu erheben, die Hexe war verbrannt und tot, so wie es sein sollte. „Haben wir sie verbrannt?“ „Ja...“, antwortete Gretel ihrem Bruder noch etwas benommen, sie war ungewöhnlich blass im Gesicht geworden. Sie begriff nicht ganz, wieso es plötzlich funktioniert hatte. Normalerweise hätte sie sich doch heilen können. Und der ominöse Ring, der plötzlich zerbrach. Lag es eventuell an der Feuerkraft, oder an dem grellen Licht? Es wäre zumindest eine Erklärung und eine Möglichkeit, wie sie sich diese Gestalten vom Leib halten könnten. Feuer und Licht waren eben stärker wie jede Hexenmacht. Sie ging wieder zu Hänsel und riss sich ein Stück Stoff von ihrem Rock, dass sie ihm und die Schultern Band. Zwar blutete sie noch ein wenig, aber stark verletzt schien er nicht zu sein. „Verzeih mir, Gretel... Dass ich nichts... getan habe. Das nächste Mal... werde ich dir helfen.“ „Sag so etwas nicht, Hänsel. Ich habe auch nicht immer Recht“, antworte Gretel ihrem Bruder ein wenig traurig und schaute wie in Trance auf seinen Verband mit dem karierten Muster ihres Rockes. Sie war ein sauer auf sich, da sie sich hatte so provozieren lassen. Weil es um Hänsel ging. Ich hätte Hänsel TÖTEN können! Und Gretel war wütend auf sich, da sie immer noch die kleine Schwester war. Dabei brauchte Hänsel selbst auch Hilfe. Ihre Unfähigkeit machte sie wütend und die Hexe wusste das. Wahrscheinlich wussten es sogar die anderen Untoten, die neben Prinz Ludwig, seinem Gefolge und Rotkäppchen nun auch sie suchen würden. Ob Herr Julius das wusste? Er würde nie zulassen, dass man sie töten ließ. „Ich muss auf dich aufpassen... Gretel“, sagte Hänsel weiter, als hätte ihn seine Schwester überhaupt nicht unterbrochen. „Du denkst zu viel nach. Pass auch mal auf dich selbst auf. Wie willst du auch mich aufpassen, wenn du tot bist?“, erklärte sie ihm, aber ob er es machen würde war fraglich, da Hänsel trotz seiner Langsamkeit irgendwo doch einen trotzigen Willen hatte, den jeder Junge und jeder Mann besaß. Doch Gretel schmunzelte darüber. „Ruhe dich aus, Hänsel, ja? Geschwächt wie du bist kommen wir nicht vorwärts.“ „Und du...?“ „Ich halte Wache. Wenn einer von diesen Zombies hier auftaucht, puste ich ihm den Schädel weg. Wir haben anscheinend eine ihrer Schwächen gefunden, das erschafft uns einen Vorteil“, antwortete sie, wieder ganz von sich überzeugt, wie man es von ihr kannte. Hänsel lehnte sich an einen Baum direkt neben sie. Ob er schlief wusste sie nicht, sie konnte es nicht genau sehn, da sein Kragen, der Umhang und der Hut fast sein gesamtes Gesicht verdeckten. Ihr Körper zitterte. Nicht wegen der Kälte, sondern vor der Anspannung, dass jeden Moment erneut ein Untoter auf sie zukommen würde. Auch wenn sie die vermutliche Schwäche in ihrem Wesen kannte fürchtete sie, dass sie erneut die Beherrschung verlieren würde und sie wieder schreien und feuern würde, ohne zu merken, dass ihr Zorn sie noch umbringen würde und wie sehr sie Hänsel damit in Gefahr brachte... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)