Lost in Germany von Xulina (der Adventskalender) ================================================================================ Kapitel 9: ★˙·•8.•·˙★ --------------------- Es ist Samstag und somit Wochenende. Um 11 Uhr kommen Naomi und Ray in der Innenstadt an, was Ray doch ziemlich enttäuscht. “Ich weiß selber, wie klein das hier ist, aber in soeiner Gegend kannst du nicht viel erwarten”, bemüht sich Naomi ihm die Lage bewusst zu machen. Sie hat wieder Rays Haare hoch gesteckt, auch wenn dieser meinte, er könnte das ja wohl selber. Durch den Schall wird das Gröbste noch zusätzlich abgedeckt, aber jetzt gilt es erstmal ein normales Outfit für Ray zusammenzusuchen, was gar nicht mal so einfach ist, da er die Taktik gleich durchschaut hat und es absolut nicht akzeptieren will seinen Styl zu ändern. Schließlich schaffen sie es aber doch sich noch vor 15 Uhr zu einigen. “Ich seh aus…” “Sowas nennt man schick. Kleider machen Leute”, zufrieden darüber Naomi in ein aufwendiges Outfit rein bekommen zu haben, lächelt Ray sie an. “Dein Blick ist echt schlimm. Ich darf dir nicht mehr in die Augen sehen, wenn du was willst. Im übrigen ist mir das doch etwas unangenehm, wenn du das alles bezahlst.” “Du bist einfach zu nachgiebig. Das müssen wir noch trainieren”, meint Ray siegessicher die Nase zu weit hoch gestreckt und bekommt erst zwei Meter weiter mit, dass Naomi hängen geblieben ist. An einer Art Kasten, voll mit Stoffen. Sie wühlt alle durch und scheint sie einzeln mit den stabilen Fingernägeln zu prüfen. Die schönsten Stücke legt sie sich zur Seite. Noch haben sie etwas Zeit, also erlaubt sich auch Ray mal umzusehen und sieht die dichten Stoffe in weiß und Rot fragend an. Naomi sieht lächelnd zu ihm auf. “Kannst du dir ein Sweatshirt daraus vorstellen?” “Jetzt sag bloß, du kannst nähen”, verwundert sieht Ray ihr nach, wie sie das Geschäft betritt. Mit einer vollen Tüte Angebote kommen sie wieder raus. So lange sie näht, hat Ray sich auch noch was gewünscht und die Materialien dafür selber besorgt - natürlich mit Beratung. Da kann man ja gespannt sein ob es funktioniert. Somit machen sie sich jetzt auf den Weg zum Treffpunkt in ihren neuen Outfits und mit den Tüten in den Händen. “Noch eines”, Ray sieht zu Naomi, wobei sich ihre Blicke direkt begegnen, “dein Blick muss starr wirken oder guck sie nicht an.” Schließlich bleibt sie kurz stehen und holt etwas aus der kleinsten Tasche, dessen Inhalt aus einem der 1€Läden hat. Ray bleibt ebenfalls stehen, woraufhin ihm Naomi das Stirnband abnimmt, die Haare etwas anders legt und eine Brille aufsetzt. “Keine Panik, sind nur normale Gläser.” “Und jetzt noch ein Wort zur Unauffälligkeit.” Einen nachdenklichen Augenblick herrscht Stille. “Du siehst eben aus wie ihr Ex, von daher müssen wir dich etwas tarnen.” “Das hast du mir vorenthalten”, Ray glaubt dies natürlich nicht, aber nimmt es besser so hin, denn schon kommen zwei Gestalten auf sie zu. Am liebsten würde er weglaufen, als er das weibliche Individuum von jenen näher kommen sieht. Sie ist ihm auf Anhieb suspekt. Da doch lieber die stabile und stark geschminkte Freundin, als diese Schrägschraube. Ray hat sie grade nur gesehen und hat schon genug von ihr. Sie wirkt auf ihn falsch und hinterhältig. Stürmisch umarmt sie Naomi, welche nur ein gequältes Lächeln aufsetzt. Das bestätigt nur Ray Theorie. Naomi macht Ray klar, dass sie sie jetzt einander Vorstellen wir, woraufhin dieser die Augen verengt. Diese Tussi wird er sicher nicht auf seine besondere Art anschauen, höchstens, wenn er sie danach nie wieder sehen muss. “Sie heißt mit richtigem Namen Theresa, aber alle nennen sie nur Tes. Der Typ neben ihr ist ihr Freund. Ich kenn ihn nur als Jacko.” Auch dieser ist Ray ungeheuerlich. Er wirkt etwas klein neben seiner Freundin, trotz der Größe. Die Marken der Klamotten sind ihm auch schon aufgefallen. Vermutlich was teures, das eh nicht viel bringt, so wie er es einschätzt. Sie sehen aus wie jeder andere. Da mag er den längeren Ballonrock Naomis doch wesentlich lieber. Es selber wird ihnen als Raymond Kon vorgestellt. Ray überlegt, wann er ihr seinen vollen Namen genannt hat, aber im Prinzip ist es eigentlich egal. Hauptsache er könnte sich bald wieder mit Naomi verdrücken. So schnell soll ihm der Gefallen aber nicht getan werden. “So ist das also”, die von Ray als Tussi bezeichnete Person sitzt mit überschlagenen Beinen im dem Cafe und rührt in ihrem Capuccino rum, “du hast also doch mal Brieffreunde von weiter weg. Von wo den genau?” “Aus Shanghai”, Naomi versucht sich so knapp wie möglich zu fassen um bald wieder los zu kommen und lässt sich schon diverse Ausreden durch den Kopf gehen, was allerdings auch Ray so geht. Er versteht zu allem übel kaum ein Wort, wenn Naomi es ihm nicht übersetzt. Eigentlich währe es ihm ja egal, aber irgendwas ist da ganz und gar faul an dieser Tussi. Die Befürchtung liegt nahe, dass sie aus der Highsociety stammt und nach Kennys Theorie eben blanden und somit ihn kennen würde. Damit währe die Tarnung von Naomi gar nicht so schlecht. Die Tatsache, dass diese Person bei ihrem Verhalten und dem Umgang in einen solch kurzen Rock, einen Kerl abbekommen hat und bei Naomi anscheinend keiner ist, wundert ihn doch sehr. Wenn man sich jenen Typen nun wiederum anschaut, wird das Bild jedoch wieder klarer. Er hat bis jetzt anscheinend noch kein Wort gesagt. “Shanghai… Wo liegt das noch gleich?” “An der Küste Chinas. Zumindest, als ich es das letzte Mal im Atlas nachgeschlagen habe.” “An der Küste? Nicht in den Bergen?”, fängt sie an zu spekulieren, “Außerdem ist Shanghai ja ziemlich groß. Was hältst du von einem kleinen Dorf?” “Nei-en”, versichert Naomi, “Shanghai, Großstadt. Deswegen Raymond. Das ist nämlich ein europäischer Name und der würde sicher nicht bis in irgendein kleines Kaff rutschen.” “Sachen gibt´s…”, sie hat anscheinend noch was als Gegenargument, “Du hast einen japanischen Namen und lebst in einem kleinen Kaff in Deutschland.” “Ja, aber geboren wurde ich hier nicht, das weißt du.” “Hm, das könnte ein wichtiger Faktor sein.” Naomi bemerkt, wie Tes Ray mustert. Sie hofft, dass nichts auffälliges dran ist und schließlich stellt die andere ihre Tasse auf den Tisch. “Mir reicht das Versteckspiel! Wie hast du so einen Typen gefunden?! Der sieht genauso aus wie-” “Das kann dir doch egal sein!”, unterbricht Naomi mit einer deutlichen Stimme ihr piepsiges Gebrüll, “Du hast dich für so was doch sonst nie interessieret, warum sollte ich dir jetzt verraten, wo ich meinen Brieffreunde kennengelernt habe?” Der Blickaustausch zwischen den Mädels ist eindeutig gespannt. Doch schließlich schleicht sich ein lächeln über Tes’ Lippen. “Ich sollte mal ein paar Fotos in deiner Schule weiterzeigen”, während sie dies sagt, ruft Naomi die Kellnerin zu sich um zu bezahlen, “He! Hast du mir zugehört?!” Naomi sieht sich zu ihr um. “Klar hab ich das”, bestätigt sie und pacht ihre Geldtasche wieder weg, während Ray schon aufsteht und erleichtert ist endlich weg zu können, “Ich habe nur endlich richtige Freunde gefunden und die wissen, was ich nähe und wie ich manchmal rumlaufe. Wenn du also gerne Geld ausgibst kannst du das ruhig machen.” Nun wird es der anderen anscheinend zu bunt mit den Argumenten, sie steht auf, geht auf die frühere Freundin zu und holt aus um ihr eine Backpfeife zu verpassen, doch während Ray das erstarrte Mädchen zu sich hinzieht, reagiert Driger. Ansonnten hat der Tiger nur mit leuchten seine Reaktion gezeigt, doch dieses Mal geht eine Druckwelle von ihm aus und schleudert die für ihn dastehende Gefahr mehr als nur zwei Meter weit weg. Perplex steht Naomi da und weiß nicht was sie tun soll. Ray hat im ersten Augenblick nur den Fluchttrieb und greift nach Naomis Hand, welche ihn jedoch bremst. Erst hat sie noch einen geschockten Blick, dann ein Schmunzeln und schließlich lacht sie laut los. “He, pass das nächste mal auf, der Boden ist frisch gewienert, da kann man schnell ausrutschen”, sie mustert die andere ein weiteres Mal, “Aber wenigstens bist du weich gelandet. Na ja - schade um die Torten.” Nur einmal kurz die Kamera gezückt und das war´s. “Bis Bald!” “Rück das Foto raus!”, mehr als Rufen und Schreien ist in ihrer Position nicht mehr möglich. Selbst Jacko muss bei dem Anblick schmunzeln, wie Ray feststellt. Dennoch stellt sich die Frage, wie er das mit Driger erklären soll. Würde Naomi es verstehen, wenn er es ihr erklärt? Auf den Weg zur Bushaltestelle fällt zwischen ihnen kein Wort. Die zügige Gangart erlaubt keine näheren Kontakte, als der Handgriff, den Ray sowieso schon kontrolliert. Bis sie wieder zurück im Haus sind ist es Zeit fürs Abendessen. Dieses Mal kann Ray das nun machen. Unterdessen widmet sich Naomi wieder dem Adventskalender und öffnet schon das achte Türchen. Ein Drittel der Zeit bis Weihnachten ist also schon um. Was die Wahrsagerin ihr wohl für heute vorausbeschworen hat? Vielleicht sollte sie den Kalender nun doch immer am Anfang des Tages öffnen um besser vorzuplanen. >8. Dezember: Unhöffliche Menschen rutschen leichter aus als andere. Glücksbote: Seelenverwandter< Zum Essen kommt Naomi wiederum in die Küche. Weiterhin herrscht Funkstille, auch wenn das Essen noch so gut schmeckt, mag Naomi kein Wort an Ray verlieren. Sie ist verwirrt. Nach dem Duschen legt sich das verunsicherte Mädchen einfach ins Bett. Es ist noch früh, aber sie will sich nur hinlegen und nachdenken. Über das Geschehnis von eben grübeln und etwas für sich sein. Das leise anschleichen von Ray bekommt sie gar nicht mit. Erst als er schon mit der Hand durch ihr Haar streicht zuckt sie zusammen. “Kommst du runter? Wir wollen noch spielen.” Ray versucht sie nun zu etwas anderen zu Animieren, aber das funktioniert anscheinend nicht. Ehe sie jetzt so weiter schweigen gibt er sich jedoch geschlagen. “Hörst du auf zu schmollen, wenn ich dir alles erkläre?”, fragt er kleinlaut und überlegt schon, wo er anfangen soll, doch Verwunderlicherweise schüttelt sie den Kopf. Schließlich dreht sie sich zu ihm um. “Ich-”, stottert sie langsam, während sie sich aufsetzt, “hatte solche Angst, sie würde mir wirklich etwas antun. Sie hätte es sicher getan, wenn du nicht gewesen währst. Danke Ray.” Somit ist erst einmal eine Umarmung fällig. “So etwas macht man eben für Freunde”, meint dieser nur heilfroh, ihr nichts erklären zu müssen. Irgendwann würde er ihr aber doch erzählen, was los ist. Vielleicht würde er ihr sogar mal das Bladen beibringen. Wer weiß. “Ray?” “Ja?” “Du kannst echt gut kochen.” Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)