Hard to breathe von Kagetsu (Yuu and Alma's Past) ================================================================================ How to smile ------------ Hinter verschlossenen Augen sehe ich sie. Die Ziffer. Ihr Wert sinkt. 3,.. 2,.. 1,.. Ich höre eine Stimme. Leise, gedämpft; aber ich höre sie. Ich verstehe sie nicht. Sie ist so leise. Sie ruft etwas, doch der Druck auf meinen Ohren will nicht verschwinden. Ich will die Augen öffnen, doch um mich herum ist Wasser. Ich lasse sie geschlossen. Ich bewege mich. Strecke die Beine aus, richte meinen Kopf, hebe einen Arm. Ich erreiche die Wasseroberfläche. Über ihr ist es kalt. Meine Hand zittert. Sie friert. Etwas berührt mich, zieht an mir. Mein Körper wird getragen, wird nach oben gezogen. Noch immer habe ich die Augen zu. Mein Körper friert. Jetzt kann ich die Stimme deutlich hören. Eine Jungenstimme, direkt neben mir. Sie ruft jemanden her, fragt nach etwas. Ich öffne die Augen. Es ist dunkel. Neben mir ein Junge mit einem dümmlichen Lächeln. Er legt mir einen Kittel über die Schultern, zieht mich hoch, stellt mich auf meine Beine, stützt mich. Zusammen verlassen wir den kalten Raum. Es herrschte Tumult im Speisesaal. „Beruhigt euch wieder!“, riefen sie alle. Doch sie verstanden nicht. Er war mir schon wieder gefolgt. Alma... Langsam reicht es. Versteht mich denn keiner? Will mir niemand zuhören? Mit einen tiefsitzenden Schlag treffe ich ihn. Im hohen Bogen fliegt er gegen die Wand auf der anderen Seite. Es wird niemanden stören, er wird sich ja sofort wieder heilen. Jeder noch so große Riss wird in Sekundenschnelle verheilt sein. Ohne Narbe, ohne irgendetwas, das auf eine Wunde hätte hinweisen können. Bei unseren ewigen Kämpfen gibt es keinen Verlierer, denn keiner von uns wird sterben... Wie jedes Mal werden wir zwei auseinander gebracht. Jeder sitzt auf einer separaten Liege. Die Leiterin des Projektes mahnt uns, wie sonst auch. Doch ich habe keine Lust mehr darauf. Es ist seine Schuld... Er folgt mir, beobachtet mich hinter meinem Rücken und nennt dies Freundschaft. Lächerlich. „Er läuft mir die ganze Zeit nach, dieser verdammte Stalker!“, rief ich laut und warf ihm einen zornigen Blick entgegen. Alma drehte sich um, erwiderte meinen zornigen Blick und sprang auf mich los. Heftig wehrte ich mich gegen seine Schläge. Er traf mein Gesicht, meine Arme und da war es mir egal, was die Chefin gesagt hatte. Diese miese, kleine Missgeburt! Ich schlug zurück, schrie ihn an und versuchte gleichzeitig, aus seinen Fängen zu fliehen. Das übernahmen schließlich die Leute der Wissenschaftsabteilung. Ein Mann nahm mich an der Hand und führte mich zu einem bekannten Ort. Es war die Höhle, in der ich entstanden war. Es war kalt und trotz meine dicken Jacke fror ich. Meine Beine schlotterten. Überall waren kleine Teiche angelegt, in je einem ein lebloser Körper. Es waren so viele, und bisher hatten es nur zwei davon geschafft, sich frei bewegen zu können... Obwohl... Frei waren wir nicht. Wir standen ständig unter Beobachtung, es wurden Tests gemacht und täglich mussten wir zur Untersuchung. Er führte mich herum, zeigte mir die Löcher und erzählte mir den Grund für meine Existenz. Er sagte, ich sei ein Apostel, ein Diener Gottes. Er erzählte mir Geschichten von der Geburt der Menschenwesen, von Liebe und Müttern. Vielleicht interessierte es mich nicht, denn ich verstand es nicht. Was war Liebe? Wie entstand sie? Und wieso konnte sie einfach so Leben schaffen? Ich bin kein Mensch und verstehe nichts von Menschen. Doch warum sind wir so anders? Wir sehen ihnen doch so ähnlich. Zu beobachten war einfach, zu lernen ein Leichtes. Was mir Probleme bereitete war das Verstehen. „Genau wie wir...“, flüsterte jemand hinter meinem Rücken. Es leuchtete und strahlte weiß. Doch als ich nachsah... war es verschwunden. Durch den Golem, der bei uns war, erfuhren wir von Almas Verschwinden. Ein Niesen halte durch die Höhle. Und ich erkannte sofort, wer es war. Die Nachricht, dass Alma wahrscheinlich wieder hinter mir her war, bestätigte meine Vermutung. Hinter einer hohen Säule versteckte er sich und zitterte. Ich weiß bis heute nicht, ob es daran lag, dass wir uns glichen oder ob es Schicksal war, aber ich konnte ihn hören; seinen Herzschlag. Grimmig blickte ich in seine Richtung. Ich hatte ihn gewarnt. Ich wusste nicht wirklich, was Freundschaft war, doch ich wusste, dass das, was Alma tat, nicht das war, für was er es hielt. Wütend schritt ich an ihm vorbei. Er stammelte etwas, doch ich ignorierte ihn. Während ich davon rannte, hörte ich ihn hinter mir weinen. Weichei... Ich drehte mich noch einmal um, sah den Mann, der mich wütend anschrie, und rannte noch viel schneller. Wieder hatte ich sein dümmliches Lächeln im Kopf, dieses Grinsen; als ob er es verstand. Doch er verstand nichts, rein gar nichts. Ich hatte es satt. Ihn, sein Grinsen und seine ständige Beobachterei. Wie konnte er lachen, wenn er doch hier eingesperrt war? Meine Haut riss auf und ein heftiger Schmerz breitete sich in meinem Körper aus. Die Kämpfe mit Alma waren nichts gegen diesen Versuch. Diese zwei Gestalten faselten etwas von Synchronisation, Zahlen, Sekunden. Ich zählte jede einzelne. Jede einzelne; wollte, dass die Zeit schneller vorbei ging, wollte einfach nur liegen bleiben und ich wusste, dass ich es gekonnt hätte, würden sich meine Wunden nur nicht immer wieder schließen. Und wieder zerrten sie mich zu diesem Etwas, diesem „Innocence“, wie sie es nannten. Ich hasste dieses abscheuliche Ding. Es zerstörte meinen Körper, verursachte furchtbare Schmerzen, quälte mich. Tief in mir drin, fühlte ich Trauer und Leid, zum aller ersten Mal. Ich vernahm einen Schrei. Ob es nun Almas war oder meiner, oder... Schrieen wir beide? Tat man ihm das Gleiche an wie mir? Im Geiste wünschte ich ihm alles Gute... Wieder fuhr diese Energie in meinen Körper. Und ein weiteres Mal war der Versuch missglückt. Es sollte aufhören, flehte ich innerlich, doch wer wusste schon, wie es im Inneren eines Testkörpers aussieht? Völlig erschöpft kehrte ich zurück. Die Höhle war kalt wie immer, doch dieses Mal war es weniger Kalt. Ich war in meiner Jacke eingehüllt, meine Beine waren bandagiert. Aller Kräfte beraubt lehnte ich mich gegen die nächste Säule. Sie war kühl und war genau das Richtige gegen mein Fieber und gegen die Schmerzen. Meine Wunden hatten sich am Ende nicht mehr ganz geschlossen, zu verraucht war meine Kraft. Es kostete einiges an Willensstärke, diese Schmerzen zu ertragen. Wenn ich noch einmal einschlafen könnte, so wie damals... Diese Welt ist so dunkel und es ist so schwer zu atmen... Was bin ich...? Eine Träne verließ mein Augen und wieder erschien dieses weiße Licht vor mir. Es nahm Gestalt an, und bewegte sich. Mit ausgestreckten Armen lief ich darauf zu. Hinter mir schrie jemand: „Vorsicht!“ Doch es war zu spät. Ohne das Gespenst zu erreichen, stürzte ich in eines der Wasserlöcher. Und es war wieder Alma, der mich hinauszog. „Bist du mir schon wieder nachgelaufen?“, fragte ich wütend. Ich schüttelte meine Haare, wrang sie aus und sah ihn zornig an. Das letzte Mal, dass ich in so einem Loch gelegen hatte... damals waren meine Haare noch lang gewesen, doch diese wären mir beim Kampf gegen diesen Schwachkopf nur hinderlich gewesen. „Ich bin dir nicht gefolgt! Ich habe hier nur was gegessen und ein Buch gelesen!“, antwortete er Perplex. „Wo... Ist die Frau hin?“, fragte ich ihn wenig später. Doch die Frau war verschwunden. Noch bevor er mir antworten konnte, stoppte er. Mit schmerzerfülltem Blick hielt er sich seinen rechten Arm. Ich sah zu Boden und bemerkte, dass er seinen rechten Unterarm verloren hatte. Er stöhnte ein wenig vor Schmerz. „Ich hatte vergessen, dass ich noch ein wenig von den Tests geschwächt bin, entschuldige.“ Dieser abgefallene Arm auf dem Boden... Dieses Bild war furchtbar. Er hatte soeben einen Teil seines Körpers verloren und machte lediglich Witze darüber. Wieder dieses verdammte Lächeln... „Bist du denn in Ordnung?“, fragte er mich zitternd. Ich stellte mich hin, baute mich auf und antwortete gelassen: „Mit mir ist alles in Ord...“, weiter kam ich nicht, denn auch ich verlor einen meiner Arme. Eigentlich wollte ich es nicht zugeben, aber ich war auch geschwächt. Schmerzvoll zuckte ich zusammen, rollte mich wie eine Kugel ein. Der Schmerz war grauenvoll. Schließlich hatte ich gedacht, dass es nach den Tests besser wird. Damit uns keiner bemerkte, beschlossen wir zu warten, bis sich unsere Wunde wieder verschloss. Ein unangenehmes Schweigen herrschte zwischen uns. Man hörte nur leise das Wasser in den Becken. Hin und wieder bewegte sich etwas, doch niemand erwachte. „Was wolltest du eigentlich vorhin sagen?“, warf ich in die Runde. „Ich-...Eigentlich dachte ich nur, dass es vielleicht ein Geist sein könnte, das ist alles!“ Unschuldig blickte er mich an. Ich glaubte ihm kein Wort. Es gab keine Geister, doch es rechtfertigte nur, dass Alma immer noch ein Kind war. Ungläubig blickte ich ihn an. Da war es wieder! Er zog die Mundwinkel nach oben, lachte ein wenig und schloss vergnügt die Augen. Mir reichte dieses Lachen allmählich. Ich stand auf um zu gehen, doch... „Ich meine es ernst! Mir ist hier auch mal ein Geist begegnet! Sie hieß Pho, ein kleines Mädchen. Als ich damals geweint hatte, weil der Synchrotest so schmerzvoll war, da ist sie mir erschienen und lächelte für mich. Aber warte mal... Könnte es sein, dass du geweint hast, Yuu?“, flötete er. Dieser nervige Bengel... „Natürlich nicht!“ Und wieder lachte er! Ich verstand ihn nicht. Sollten wir nicht gleich sein? Wir waren doch beide zum Schmerz verdammte Testobjekte! Wieso um alles in der Welt war er fähig zu lachen? Ich trat ihm in den Bauch, schleuderte ihn weg von mir, sodass ihm sein Lächeln im Halse stecken blieb. „Hör gefälligst auf damit so zu lächeln! Deine ganze angeblich so freundliche Art macht mich krank! Du und dein dummes Grinsen!“ Er stand auf, zielte mit seinem Fuß genau in mein Gesicht und traf. Ich fiel, sehr weit... Uns beiden reichte es. Wir warfen unsere Jacken fort und blickten und direkt in die Augen. Da stand er und machte mich wütend, auch wenn er dieses Mal nicht lächelte. Wir holten aus, zielten beide auf das Gesicht des anderen und... Stoppten in unserer Bewegung. Der Verband hatte nachgegeben und die Wunden hatten sich aufgerissen. Das Blut tropfte durch den Verband auf den Boden. Schmerzerfüllte Schreie hallten durch die Höhle. Und da lagen wir. Drehten dem anderen unseren Rücken zu. War das nicht kindisch? Alma fing an zu schmunzeln. Ich dachte nach. War es nicht vielleicht die Eifersucht? War ich eifersüchtig auf dieses echte Lächeln? Ich selbst hatte, seitdem ich aus dem Loch gestiegen war, noch nicht einmal gelächelt oder gelacht. Jetzt verstand ich, was es bedeutete, einen Freund zu besitzen. Mit einem Freund konnte man lachen. Und auch ich fing an zu kichern. Es war ein einmaliger Moment für mich. Alma hatte mich unbewusst gelehrt, fröhlich zu sein. Wir beide lachten aus tiefstem Herzen. Wenn ich noch einmal einschlafen könnte, so wie damals... Diese Welt ist so dunkel und es ist so schwer zu atmen... Aber in diesem einen Moment, als ich mit dir lachte,... ...da hatte ich das Gefühl, ich könnte nun ein wenig unbeschwerter atmen. Alma. Genau 193 Tage später... ....tötete ich dich. Es war eine kurze Freundschaft. Gerade erst hatte ich dich akzeptiert, da musste ich dich fallen lassen. . Und wieder wurde die Welt, in der ich nun lebte, ein klein wenig schwärzer. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)