Spiegel deiner Selbst von Glasfluegelchen (...bis du ganz unten angekommen bist...) ================================================================================ Kapitel 2: Unerklärliche Unruhe ------------------------------- Herzrasen… dieses entsetzliche Herzrasen. Wo kommt das her? Wieso ist es so dunkel? Wo bin ich nur? „Hallo? Hört mich jemand? Hallooo?“ Gebannt lauschte ich, lechzend, hoffend auf ein Zeichen darauf dass ich nicht alleine war. Mein Gleichgewichtssinn sträubte sich gegen den Versuch mich aufrichten zu wollen. Es war zu dunkel, ich konnte nichts sehen. Auf allen Vieren tastete ich mich vor. Was war das nur für ein ekelhafter Geruch? Übelkeit kroch aus den tiefen meines Magens empor. Mein Herz raste schneller und schneller und ein unmenschlich starkes Gefühl von Gefahr zerrte an meinen Gliedern, drohte mich zu lähmen. Irgendwo musste sich doch eine Wand mit einem Lichtschalter befinden. Ich konnte es deutlich fühlen. Die Fugen grober Fließen unter meinen Fingerkuppen gaben mir ganz deutlich zu verstehen das ich mich in einem Raum befinden musste. Wie groß konnte er also sein? Und wie hoch war die Wahrscheinlichkeit in dieser markerschütternden Dunkelheit einen Hinweis darauf zu finden wo ich war. Irgendetwas stimmte nicht. Und mit einem Schlag wurde mir bewusst warum. Es war nicht mehr nur mein Herzschlag der von den unsichtbaren Wänden wieder hallte. Nein. Vielmehr war da ein Röcheln. Das Pfeifen von Lungen die sich unter jedem Atemzug gequält weiteten und in sich zusammenfielen. „Hallo?“ schrie ich kaum hörbar in der Hoffnung auf eine Reaktion. Keine Antwort. Vorsichtig tappte ich weiter. Inzwischen zitterte mein ganzer Körper. Das Röcheln wurde lauter, schien mich von allen Richtungen fluten und einfangen zu wollen. Langsam war ich mir sicher dass dieser widerliche Gestank von verbranntem Fleisch und offenen Wunden stammen mussten. Wer auch immer noch in diesem Raum war, musste schwer verletzt und unfähig sein zu reden. „AAAH!“ Mein eigener Schrei überschlug sich in meinen Ohren. Irgendetwas warmes, flüssiges rann um meine Handflächen herum und tränkte den Stoff meiner Jeans. Meine Güte. Hoffentlich nässte sich der Verletzte nicht gerade ein. Der Gedanke durch fremden Urin zu krabbeln trieb meine Übelkeit in ungeahnte Höhen. Es bräuchte nur noch eine Kleinigkeit und ich würde meinen Brechreiz nicht mehr unterdrücken können. Ich durfte jetzt nicht aufgeben. Auf keinen Fall durfte ich die Angst über mich siegen lassen. Behutsam kämpfte ich mich voran. „Nur nicht aufgeben Alice, alles wird gut… du wirst schon sehn, alles wird gut, hab nur keine Angst..“ flüsterte ich mir ermutigend zu. Doch meine Hoffnungen schwanden mehr und mehr. Mit jeder Sekunde die ich im Dreck kriechen musste bröckelte meine Selbstsicherheit. Und mit jedem Augenblick in dieser bedrohlichen, unwirklichen Umgebung, stemmte sich die Angst in meine Glieder wie eine unsichtbare Gestalt die mein Vorankommen hindern will. „Waaahaaaa!“ stieß ich aus und unweigerlich schossen mir Tränen in die Augen. Irgendetwas versperrte mir den Weg. Panisch tastete ich auf dem Widerstand herum und fröstelte als ich bemerkte dass es warm war… Warm und weich. Es bewegte sich, gab federnd, rhythmisch unter meinen Handflächen nach. Aber…. War das etwa? Konnte es sein dass ich…? Ruckartig wandte ich mich um und gab dem Krampfen meines Magens nach. Platschend ergoss sich der Inhalt auf den Fließen. Ganz Zweifels ohne musste ich auf den Verletzten gestoßen sein. Und ohne es zu wollen hatte ich meine Finger in seine Wunden hinein gebohrt. Oder war bereits der ganze Mensch eine einzige Wunde? Meine Gedanken überschlugen sich, drückten mich zu Boden und ließen keine logische Schlussfolgerung mehr zu. Doch irgendetwas hatte sich schon wieder verändert. Was war es nur? Ich drehte mich herum um mich erneut zu versichern ob ich gerade wirklich auf etwas lebendes gestoßen war. Allen Erwartungen zum Trotz griff ich ins Leere. Und mit einem Mal hörte ich nur noch mein eigenes, hektisches Atmen. >Klack< „Aaaah!“ Das grelle Licht einer Taschenlampe wanderte direkt in mein Gesicht. „Wer bist du, was willst du von mir?“ rief ich panisch. Innerlich zählte ich bis vier. Es hieß, das menschliche Auge brauche vier Sekunden um sich an veränderte Lichtverhältnisse zu gewöhnen. Diese Sekunden vergingen so unmenschlich langsam. Als meine Pupillen das beißenden Licht endlich akzeptiert hatten, blickte ich mich vorsichtig um und versuchte die Dinge zu deuten die außerhalb des Brennpunktes lagen. Entsetzt erkannte ich dass es nicht Urin gewesen war, wodurch ich die ganze Zeit gewatet war. Nein, viel schlimmer. Der ganze Raum war über und über mit Blut besuhlt und ich hatte mich auch noch damit beschmutzt. Das schnarrende Geräusch setzte wieder ein. Das Licht kam näher, immer auf mich fixiert. Näher… immer näher… bis..? „ NEIN!“ schrie ich verzweifelt und folgte meinem Reflex zu fliehen. Doch ich kam nicht auf die Beine, rutschte aus und landete Bäuchlings auf dem Boden. Wieder kam es ein Stückchen näher. Das Röcheln. Das Pfeifen. Es kam es ganz eindeutig auf mich zu. Erneut startete ich einen Versuch auf die Beine zu kommen, blickte mich um und traute meinen Augen nicht. Jetzt musste ich endgültig den Verstand verloren haben. Schützend hielt ich meine Hand vor die Augen. Das, was mich eben noch mit der Taschenlampe fixiert hatte und schleppend auf mich zugekommen war, griff nach meinem Arm, riss mich zu sich nach oben und schrie mir entgegen. Erst war es nur ein unverständliches, gebrülltes Murmeln, dann aber wurden mit jeder Wiederholung verständliche Worte daraus. „Waaa…. Ha… n… get….“ „Waaaha… du… n… etaaan?!“ „Was… hast du nur…. GETAN?!“ „Nein… bitte… Lass mich los“ flehte ich. Doch mein Handgelenk wurde immer stärker gequetscht. Diese Situation… das Knacken meines Handgelenkes… es war mir auf unheimliche Art und Weise so seltsam vertraut. „LASS mich LOS“ wiederholte ich mit Nachdruck und stemmte mich mit aller Kraft gegen den Griff der mich fixieren wollte. In Panik riss ich mich los und taumelte rückwärts weg. Was nun passierte, rettete meinen Verstand wohl vor dem endgültigen kollabieren. Ich stolperte, stürzte, fiel in ein tiefes, tiefes Loch das schier nie Enden wollte… bis ich am Ende angekommen war. Und erst durch den Aufprall bemerkte ich dieses surrende, nervige Geräusch das mehr und mehr zu einem taktischen, elektronischen Piepen wurde. Mit einem lauten Schrei befreite ich mich aus meinen Kissen und trampelte meine Bettdecke von mir. Verstört packte ich den schreienden Wecker und pfefferte ihn an die Wand. „STILL JETZT!“ Dieses Mal hatte ich es wohl endgültig geschafft. Das kleine Ding das mir bisher immer treue Dienste erwiesen hatte, mich aber dennoch das eine oder andere mal verschlafen ließ zerschellte und erstarb nach einem langen, verebbenden Krächzen. „Klasse, jetzt kann ich mir also auch noch einen neuen Wecker kaufen.“ Es war Zeit aufzustehn. Schwächlich schwang ich meine Beine aus dem Bett und griff nach meinem schmerzenden Kopf. Mein Körper fühlte sich an als hätte ich einen 24-stündigen Dauerlauf hinter mir. Erst nach langem tasten und fühlen bemerkte ich diese klebrige Substanz die meine Handflächen benetzte. Was zum Teufel war hier los? Merkbar verunsichert schlich ich ins Bad. Ich fühlte mich verdreckt, beschmutzt. Erst als ich das Licht angeschaltet hatte erkannte ich den Grund für all das Grauen. Ich hatte Nasenbluten. Es war schon fast zum lachen. Dieser Geruch den ich die ganze Zeit in der Nase hatte, der 99% meines Traumes bestimmte, er stammte tatsächlich von Blut. Von meinem eigenen. Beruhigt lachte ich auf und atmete tief durch. Mein Puls beruhigte sich spürbar. Eines jedoch wollte mir nicht aus dem Kopf. Dieses Gesicht. Dieser verletzte Mann. Woher kannte ich ihn nur? Ich hatte ihn bestimmt schon einmal gesehen, aber wo? „Ach Alice. Hab dich nicht so. Es war nur ein Traum. Er hatte gar nichts zu bedeuten…. Herr Gott, jetzt führ ich sogar schon Selbstgespräche“. Ein zartes Klopfen an der Tür ließ meine Gedanken verstreichen. „Ja bitte?“ „Alice?“ rief eine freundliche, aufgeweckte Stimme „Alles ok bei dir?“ „Ja Mama, alles ok“ grinste ich und öffnete die Badezimmertür. „Gütiger Himmel ALICE?! Was ist denn mit dir passiert?!“ Ich konnte es mir nicht nehmen lassen den entsetzten Gesichtsausdruck meiner Mutter auszukosten. „Och, das Traumgespenst ist über mich hergefallen und hat mir die Nase blutig geschlagen“ gab ich ernst von mir. Ihre Augen weiteten sich bedrohlich. „Mein liebes Fräulein!“ fauchte sie los und ich konnte mein lachen nicht mehr länger unterbinden: „Ich habe dir eine normale Frage gestellt, also antworte bitte auch entsprechend!“ „Entschuldige Mama“ kicherte ich. „aber ich hab doch nur Nasenbluten, kein Grund zur Beunruhigung. Ich werde jetzt erstmal ordentlich duschen, so kann ich wohl schlecht vor die Tür gehen. Am Ende glauben noch alle du wärst mir wieder mit der Bratpfanne hinterher gewetzt“ „Also ALICE“ plusterte sie sich auf. Lachend schloss ich die Tür hinter mir ehe sie endgültig die Nerven verlor. „Entschuldigeee, es tut mir ja sooo leid Mamilein. Jetzt muss ich aber wirklich duschen“ Heute war mein großer Tag und auf gar keinen Fall durfte ich es mir erlauben einen negativen Eindruck zu hinterlassen. Denn was würde wohl mein zukünftiger Chef dazu sagen wenn ich als Empfangsdame eines renommierten Hotels müffelnd und ungepflegt aufkreuzen würde. Gar nicht auszudenken. „Die Konkurrenz ist hart. Also, auf unter die Dusche Alice!“ Das heiße Wasser prasselte vibrierend meinen Nacken hinunter und lockerte meine verspannten Muskeln auf. Ein herrlicher, wahnsinnig belebender Moment. Wie gerne wäre ich jetzt geblieben um dieses Gefühl so lange wie möglich auszukosten. Aber ich musste jetzt unbedingt fertig werden. Rasch trocknete ich mich ab, föhnte meine Haare und schwang mich in meine weiße Bluse, den knielangen schwarzen Faltenrock und die passenden Schuhe die ich gestern Abend bereit gelegt hatte. Zielstrebig glättete ich meine langen blonden Haare und verpasste ihnen das letzte Finish, indem ich die Spitzen in verspielte Wellen formte, die meine Schultern umspielten. Mit Kajal und Wimperntusche betonte ich meine grauen, katzenhaften Augen und ein letzter Blick in den Spiegel gab mir das sichere Gefühl fast perfekt zu sein. Erst nach diesem morgendlichen Ritual war ich gewappnet für diesen aufregenden Tag. Ich konnte es kaum erwarten meine große Prüfung zu bestehn…. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)