Bewahre mich als dein Geheimnis von Ange_de_la_Mort (Saix/Xigbar, Isa/Braig) ================================================================================ 2/2 --- Es gab viele sogenannte Feiertage, die Braig nicht mochte. Geburtstage zum Beispiel – seinen eigenen, weil er dadurch daran erinnert wurde, schon wieder ein Jahr älter geworden zu sein, und die anderer Leute, weil er sie meistens vergaß. Weitere dieser Tage waren Beerdigungen. Tote Leute waren unschön. Positive Lügen, die über tote Leute verbreitet wurden, noch unschöner. Und die trauernden Hinterbliebenen absolut nicht auszustehen. Außerdem gab es da noch Hochzeiten – auch, wenn er wohl zugeben musste, bisher auf noch keiner Hochzeit gewesen zu sein. Er war eben von ewigen Junggesellen umgeben – und generell Tage, an denen man Menschen vorheucheln musste, dass man sie mochte. Umso schlimmer und unvorstellbarer war es für Braig also gewesen, nun doch einmal einen solchen Tag zu finden, an dem er wirklich jemandem, den er mochte, eine Freude bereiten wollte. Valentinstag. Das Fest des Kommerzes. Das Fest der pralinenfressenden und jammernden Singles. Das Fest miserabler Ehemänner, die an einem einzigen Tag im Jahr all ihre Missetaten, Missgeschicke und Mistbauten wiedergutmachen wollten, Und vor allem war es das Fest, das Braig zum ersten Mal mit jemandem zusammen feiern konnte. Wenn er es nur nicht vergessen hätte. Gut, um genau zu sein, hatte er es nicht vergessen, es war ihm nämlich siedend heiß eingefallen, als er am Morgen zufällig aufgewacht war, einen Blick auf den Wecker geworfen hatte und sich schon wieder umdrehen und weiterschlafen wollte – als ihm das Datum aufgefallen war. Natürlich war dann nicht mehr an Schlaf zu denken gewesen. Fieberhaft hatte er überlegt, hatte nach Einfällen gesucht, hatte … dabei komplett versagt und sich schon fast damit abgefunden, mit leeren Händen vor Isas Tür zu stehen und sich komplett zu blamieren. Aber das wollte er einfach nicht. Er würde es nicht ertragen, in Isas Augen zu sehen, die erwartungsvoll und freudig leuchteten; zu sehen, wie Isa selbst ein Geschenk in den Händen hielt, ihn anlächelte – und wie das Lächeln dann erlosch, weil Braig eben nichts hatte, um diese Nettigkeit zu erwidern. Und das konnte ja nicht angehen! Also rasch zum Handy gegriffen und den Notfallplan in Kraft gesetzt! Es tutete. Und das geschätzte fünfzig Mal, bis sich endlich eine Stimme meldete und ein mürrisches „Hallo?“ erklang. „Dilan!“ „Braig? Es ist - “ Eine Pause. Wahrscheinlich sah Dilan gerade auf die Uhr. „- halb sieben morgens! Was zum Teufel willst du?“ „Weißt du, was für ein Tag heute ist?“ „Es ist Samstag. Deswegen wundert es mich, dass du nicht wie sonst betrunken in einer Ecke liegst, sondern mich um diese Uhrzeit belästigst.“ „Es ist Valentinstag, Dilan.“ „Ah, verstehe. Du willst mir was schenken, aber hast keine Ahnung, was mir gefallen könnte. Weißt du, Schlaf wäre schon einmal ein sehr geiles Geschenk.“ „Dilan!“ Ein Seufzen erklang am anderen Ende der Leitung und Braig konnte vor seinem geistigen Auge sehen, wie Dilan die Augen verdrehte. „Schon gut. Du suchst also was für deine Freundin, hmm?“ So konnte man es ausdrücken. Auch, wenn Isa nicht seine Freundin war. Aber das musste Dilan ja nicht wissen. Der hielt 'Isa' für einen Mädchennamen. Und Braig hatte es noch nicht übers Herz gebracht, ihm zu sagen, dass er schwul war. Wobei … er ja eigentlich gar nicht schwul war. Er stand ja nicht auf Männer, er stand auf Isa. Und Isa war androgyn genug, um als Mädchen durchzugehen. Moment … hieß das, er stand auf Mädchen mit Penissen? Er schüttelte den Kopf und fuhr sich durch die Haare. Es war eindeutig zu früh am Morgen, um solch dämliche Gedanken zu haben. „Braig, hörst du mir überhaupt zu?“ „Natürlich! Wofür hältst du mich?“ Er zögerte kurz. „Was hast du gerade gesagt?“ Man konnte förmlich hören, wie Dilan sich mit der flachen Hand vor die Stirn schlug. Dann seufzte er noch einmal. „Ich sagte, Frauen stehen auf Pralinen, Blumen und so einen Kitsch. Wär das was?“ „Ich glaube nicht.“ Isa würde ihn auslachen, wenn er mit Blumen vor der Tür stünde. „Dann … Reizwäsche?“ Braig spürte, wie ihm die Röte ins Gesicht stieg, als er sich Isa in einer engen Spitzenunterhose – okay, nein, böse Gedanken. Böse Gedanken, die zu den Mädchen mit Penissen zurückführten. „Dein Schweigen soll ein 'nein' sein?“ „Ja!“, rief er ein wenig zu schnell ins Telefon. „Na gut. Ein feines Abendessen? Und hinterher geht ihr tanzen oder ins Kino oder so?“ Schon besser. Auch, wenn Braig nicht tanzen konnte. Aber Essen und Kino klangen gut. Allerdings war die Gefahr groß, dass Isa auch auf diese Idee gekommen war. „Irgendwas fehlt da noch.“ „Tja, dann kann ich dir nicht helfen.“ „Klasse, Mann. Bist'n wahrer Freund!“ „Braig, es ist halb sieben. An einem Samstag. Du kannst nicht von mir erwarten, dass ich funktioniere und hilfreich bin.“ Nun gut, das war wahr. Leider. „Tschuldige.“ „Schon gut. Aber wenn ich dir noch einen Tipp geben darf: Mach was, das wirklich von Herzen kommt.“ Und damit war Braig wieder auf sich alleine gestellt. Von Herzen, wie? Das war ein guter Tipp. Ein verdammt guter sogar, aber wie sollte er das anstellen? Und damit begann die Planungsphase. Ideen wurden geschmiedet und verworfen. Ein romantisches Ständchen? Braig konnte nicht singen. Eine lange Reise, nur sie beide? Isa hatte Schule. Und sie beide nicht genügend Geld. Irgendwann war Braig so verzweifelt, dass er einfach überlegte, sich selbst nackt an Isas Bett zu fesseln – der Plan wurde allerdings auch sehr schnell wieder verworfen. Einmal, weil Isa ihn sicherlich erwürgen würde. Was war an Sex schon romantisch und besonders genug für so einen Anlass? Sex hatten sie ständig. Das reichte nicht. Das war nichts für einen solchen Tag. Und außerdem hatte Braig keine Ahnung, wie man sich selbst an ein Bett fesselte. Das war eine Kunst, die er erst viele Jahre später erlernen sollte. Als er sich schließlich aus dem Bett quälte und den ersten wohlverdienten Kaffee des Tages kochte, da hatte er schon aufgegeben, und gerade, als er sich bereits die Enttäuschung auf Isas Gesicht ausmalte, da kam ihm die rettende, die brillante Idee. Zugegeben, eigentlich war sie weder das eine noch das andere, denn sie würde Braig Schweiß kosten, Blut, Tränen und Verzweiflung – aber es war eine Idee. Und eine Idee war besser als nichts. Er war nervös, als er an diesem Abend bei Isa klingelte, war nervös, als Isa öffnete – und so unverschämt gut aussah, dass Braig beinahe das Herz stehen blieb. Er war es nicht gewohnt, ihn in anderen Klamotten zu sehen als diesem furchtbaren blauen T-Shirt, deswegen beeindruckte es ihn nur umso mehr, wie Isa das Haar streng zurück gekämmt hatte, wie eine dunkle Krawatte sich eng um seinen Hals legte, wie er das Shirt gegen ein weißes Sakko ausgetauscht hatte. Ah. Also war Isa ebenfalls auf die Idee mit dem fein essen gekommen. Gut, dass Braig keinen Tisch reserviert hatte. „Guten Abend“, begrüßte Isa ihn lächelnd, nahm ihn bei der Hand und zog ihn ins Haus hinein. Braig lächelte unsicher, küsste seinen Freund auf die Lippen. „Abend.“ „Ich … hoffe, du hast Hunger“, murmelte Isa und Braig fühlte sich doch ein wenig sehr erleichtert, als er sah, dass er nicht der einzige war, der vor Nervosität Unsinn redete. „Weil wir gleich essen gehen, meine ich. Also, nur wenn du willst. Ich meine … ich kann auch absagen … “ Braig lachte leise und gab Isa einen weiteren Kuss. „Ich freu mich schon.“ Aber zuvor … zuvor hatte er noch etwas, das er loswerden musste, dass er tun musste. Er griff in seine Jackentasche und holte einen Zettel hervor. „Ich hab da was für dich“, sagte er leise. Er erntete einen fragenden Blick, als Isa den Zettel entfaltete. Und nach und nach erschien ein Lächeln auf seinen Lippen. „Das ist … “ „Es ist nicht viel“, sagte Braig schnell. „Das weiß ich selbst. Aber … “ „Es ist wunderbar“, widersprach Isa und ergriff Braigs Hand, hauchte einen Kuss darauf. „Es ist perfekt.“ Das war gelogen. Das wussten sie beide. Es war ungeschickt geschrieben, weil Braig in solchen Situationen einfach nicht mit Worten umgehen konnte. Es klang teilweise gezwungen, reimte sich nicht immer. Es war wirklich nicht viel, dachte Braig noch einmal, als Isa das Gedicht behutsam auf den Tisch legte, als sein Blick auf die letzten beiden Zeilen fiel. Dein zu sein, bin ich bereit Jetzt – und in alle Ewigkeit. Es war nicht viel, dachte er noch einmal. Aber es kam von Herzen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)