Freie Texte von Jananas (Nonsense) ================================================================================ Kapitel 18: Brief ----------------- "Diesen Brief mit „Hallo“ oder irgendeiner anderen Floskel anzufangen scheint mir unpassend, deswegen komme ich direkt zur Sache. Setz dich am besten hin, weil du jetzt zu Lesen bekommst, was dir wahrscheinlich so überhaupt nicht gefällt. Ich habe mich nach langem Nachdenken dazu entschlossen, den Kontakt zu dir/euch abzubrechen. Keine Skype-Telefonate, E-mails, Briefe, Postkarten, Geschenke, Besuche mehr. Du und sie, ihr bekommt jetzt ein Baby. Ihr seid eine Familie. Und das tut mir weh. Du hast mich damals sehr verletzt. Du hast mich alleine gelassen. Ich war noch ein Kind, ein Baby, noch nicht einmal geboren, als du dich gegen mich entschieden hast. Jetzt hast du die Frau, die du liebst und das Kind, das du willst. Und das Kind, das du damals nicht wolltest, hat jetzt genug. Ich kann dich niemals als Vater akzeptieren, weil du diese Rolle in meinem Leben nie gespielt hast. Ich will nicht, dass du dich rechtfertigst. Ich kann es sowieso nicht nachvollziehen. Für mich klingt das alles nach leeren Entschuldigungen. Es macht mich nur noch wütender. Ich wollte wirklich versuchen eine große Schwester zu sein. Geschenke kaufen. Mich freuen, wenn das Kind da ist und eine fröhliche Karte schreiben. Aber dann war ich in einem Babygeschäft. Und mir wurde klar, dass du das nie für mich gemacht hast. Strampler kaufen, Kinderzimmer einrichten, bei meiner Geburt dabei sein, Umziehen, Einschulung, Arztbesuche, Haustiere, Geburtstage, Ostern, Weihnachten, Neujahr, Baumhaus, Landschulheim, Klavierunterricht, Vereinsfeste, Asthmaanfälle, Urlaube und so vieles mehr, das mich geprägt hat und zu dem Menschen hat werden lassen, der ich heute bin. Der Gedanke, dass ich das niemals haben kann, tut weh. Und da Zeitreisen noch nicht erfunden wurden, kannst du auch nicht eben in die Vergangenheit zurückspringen und alles nachholen, was du verpasst hast. Was wir hätte gemeinsam erleben sollen. Wenn wir Vater und Tochter gewesen wären. Fakt ist, dass du es nicht mehr gut machen kannst. Du kannst mir Geschenke kaufen und Unterhalt zahlen und mich auf deine Gigs und ihre Auftritte einladen und dir meine Selbstmitleidtiraden anhören und dir einbilden, dass du mich kennst, weil du ja alles nacherzählt bekommen hast. Damit beruhigst du vielleicht dein Gewissen. Aber mein Schmerz bleibt. Und meine Wut. Es tut mir leid für euch, sie und dich. Und auch für das Baby, weil es keine große Schwester haben wird. Das Baby kann natürlich nichts dafür, dass es das bekommt, was ich niemals haben werde, aber das ändert nichts an meinen Gefühlen. Und mir tut das alles nicht mehr gut. Ich habe mir immer wieder eingeredet, dass die negativen Gefühle verschwinden und ich eine halbwegs normale Beziehung zu euch aufbauen kann. Aber es funktioniert nicht. In meinem Leben ist schon einiges schief gelaufen und ich habe es lange einfach geschehen lassen, weil ich es nicht besser wusste. Immer wurde meine Energie von Dingen aufgezehrt, die mich belastet haben, gegen die ich aber nichts unternahm. Ich will mein Leben aufräumen. Darum bitte ich euch inständig: Keine Postkarten, E-mails, Anrufe, Besuche, Einladungen, Fotos, Geschenke. Es tut immer noch weh. Und ich will, dass es aufhört. Jetzt. Ich hoffe, ihr könnt es wenigstens teilweise nachvollziehen. C." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)