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Am Ende wartet das Glück

Gareas/Erts
von

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Part 1

Autor: Lykos

Fanfiction: The Candidate for Goddess

Titel: Am Ende wartet das Glück

Warnings: Slash!, sap, sad, fluffy, Gareas x Erts, Rio x Yu

Disclaimer: So, eines vorneweg: die Charaktere aus The Candidate for Goddess gehören - leider - nicht mir, sondern sind Eigentum von Yukiru Sugisaki. Ich borge sie mir in meinen Fanfictions lediglich für meine persönlichen Zwecke.

Ich bitte euch, meine Ideen nicht zu kopieren oder zu stehlen. Wer meine Fanworks ausstellen möchte, melde sich bitte bei mir per E-Mail.

Dann noch etwas in eigener Sache: ich musste einfach mal wieder eine Story zu meinem Top-Favoriten-Couple Garu/Erts verfassen, weil ich der Ansicht bin, dass die beiden Jungs sehr gut zusammenpassen, sowohl optisch als auch charakterlich ;)

Und nicht zuletzt deshalb, weil Gareas nach Ernests Tod sowieso ein Auge auf den Kleinen hat. xD

Da ich in meiner letzten FF ‚Immortal love’ ein tragisches Ende vorgeschlagen bekommen und geschrieben hatte, habe ich dieses Mal ein Happy End gewählt, damit die Romantik-Fans auch auf ihr Kosten kommen.

Galew und Erts sind 18 bzw. 15 Jahre alt. Die Geschichte spielt ein Jahr nach dem Tod von Ernest.

Noch ein Hinweis: Ich verwende die geschriebene Form Galew. Im Original schreibt sich der Charakter Gareas, jedoch spricht man den Namen der ersten Variante aus wie er geschrieben wird, daher verwende ich ihn auch, nicht dass sich jemand wundert. XD

Inspiriert zu der Story hat mich der Song ‚Believe’ von Josh Groban (und ja, ich weiß, dass das ein Weihnachtslied ist. Aber es passt halt stückweit so gut. xD). :3

Soweit zum Disclaimer, genug der Worte, viel Spaß beim Lesen. 8D
 

* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *
 

Sternzeit 5026.
 

Schwer atmend sah der blonde Junge an die steril weiße Zimmerdecke.

Die Hitze in seinem lustgepeinigten Körper nahm langsam ab, der Duft der Leidenschaft jedoch lag immer noch dezent in der Luft.

Er sah neben sich. Galew zog sich an.

Erts Virny Cocteau richtete sich mit Mühe auf. Er hatte gehofft, dass sein Teamkollege und inoffizielle Affäre noch bleiben würde, doch offensichtlich hatte dieser nichts dergleichen vor.

„Musst du schon gehen?“

Galew Elidd, der älteste der Top-Piloten, sah kurz über die Schulter, dann fuhr er sich durch seine dichten grünen Haare. „Ja. Tut mir Leid.“

Erts’ freundliche, höfliche Art gebot ihm, ein ‚Schon gut’ zu erwidern, doch er konnte einfach nicht. Zu trocken war sein Hals.

Galew erhob sich und knöpfte seine Hose zu, bevor er sich noch einmal zu dem Jüngeren über das Bett beugte und ihm einen kurzen Kuss auf die Lippen hauchte.

„Man sieht sich.“

Erts versuchte zu lächeln. „Ja. Gute Nacht.“

„Gute Nacht.“

Und dann war er auch schon wieder alleine in seinem Quartier.

Er presste die Lippen aufeinander.

Ja, es war schön gewesen. Es war jedes Mal schön, wenn sie sich vereinten, wenn Galew in ihm war und sie beide so zu einem Ganzen, einem Körper, machte.

Seit etwa vier Monaten nun hatten sie eine Affäre.

Und das Ganze hatte so ungezwungen begonnen. Sie wurden nach Ernests Tod Freunde und gaben sich gegenseitig Halt, um über dessen Tod hinwegzukommen, der eine, weil er seinen Bruder verloren hatte, der andere, weil er einen guten Freund verloren hatte.

Dass es zum Sex kommen würde, davon hatte Erts nie zu träumen gewagt. Geschweige denn zu Beginn überhaupt daran gedacht.

Bis zu dem einen Abend, an dem sie beide getrunken hatten – Galew mehrere Biere, Erts einen Honigrum. Und dieser eine Honigrum war schon zuviel gewesen.

Sie hatten geredet und geredet, bis es später Abend geworden war. Galew hatte ihn irgendwann zu seinem Quartier begleitet.

Er selbst hatte Galew dann hereingebeten, ganz unverfänglich, hatte sich gar nichts dabei gedacht.

Und dann plötzlich hatten sie sich geküsst. Erts wusste selbst jetzt noch nicht wie es dazu kommen konnte.

Galew war nämlich eigentlich ganz und gar nicht Jungs zugeneigt. Doch anscheinend war es ihm egal gewesen – zumindest bei Erts.

Sie hatten sich geküsst, wieder und wieder, jedes Mal leidenschaftlicher, fordernder und verlangender.

Und dann hatten sie miteinander geschlafen. Es war Erts’ erstes Mal gewesen, aber das hatte er Galew natürlich nicht wissen lassen, um kein schlechtes Gewissen zu hinterlassen.

Sicher, Erts hatte sich sein erstes Mal anders vorgestellt. Romantisch, mit viel Gefühl und tiefer, bezeugter Liebe. Aber nun war es eben anders gekommen. Nicht negativ anders, es war nämlich sehr schön gewesen. Um ehrlich zu sein sogar unvergesslich.

Er wusste nicht, ob er froh oder traurig darüber sein sollte.

Jedenfalls taten sie es wieder. Immer wieder. Zuerst ein paar Mal im Monat. Dann öfter. Und schließlich mehrmals in der Woche.

Galew war ein einfühlsamer Liebhaber. Er wusste genau, wie er seinen Partner berühren musste, um ihn in Ekstase zu bringen. Natürlich. Er hatte als Schürzenjäger immerhin viel Erfahrung.

Erts gab sich ihm jedes Mal aufs Neue ganz und gar hin, ließ seinen Körper von dem älteren Jungen brandmarken, ließ alles mit sich geschehen, bis sie beide die heiße Seligkeit fühlten, das höchste der Gefühle in ihrer Vereinigung.

Kein Zweifel, es fühlte sich jedes Mal wunderbar an. Doch…

Tränen rannen dem jungen Piloten von Reneighd Klein über die Wangen hinab.

Ja, es war schön, doch Galew ging danach immer gleich. Er blieb nie lange.

Zu Anfangs hatte es ihn nicht weiter gekümmert, aber mittlerweile tat es das und, was das Üble an der Sache war, es wurde immer schlimmer.

Er wollte, dass Galew bei ihm bleib. Er wollte bei ihm sein, an ihn geschmiegt einschlafen, seinen ruhigen Herzschlag fühlen, die Wärme genießen, die ihn sanft einlullte und ihm versicherte, dass sie beiden...

Ein unterdrücktes Schluchzen zwang sich zwischen seinen Lippen hindurch. Ja, er wollte, dass sie beiden zusammen waren.

Er wollte Galew ganz gehören. Er wollte keine von Galews vielen Affären sein.

Seine Gefühle wuchsen immer stärker. Er war schwer in Galew verliebt.

Natürlich jedoch hatte er dem älteren Jungen noch nichts davon erzählt. Er wusste nicht einmal, ob er es ihm jemals sagen könnte, ohne dass ihre Verbindung zu Bruch ging oder Galew ihn verwarf.

Aber sein Herz sehnte sich so sehr danach. Es verzehrte sich jedes Mal, wenn sie eins waren, mehr nach Galew.

Ob sein Freund es spürte? Sah er in den jadegrünen Augen seines Geliebten, wenn sie Sex hatten, die Liebe, die ihm entgegenbrannte?

Erts schluckte schwer und wischte die Tränen weg. Er musste stark sein.

Auch wenn seine Affäre nichts von der Liebe zu ihm wusste, zumindest konnte er selbst sich in ganzer Liebe zu ihm hingeben.

Erts stieg aus dem Bett und ging duschen.

Und dabei war Galew so ein Schürzenjäger. Hinter jedem Rockzipfel war der Kerl her. Und das schlimme an der Sache war, er hatte meistens Erfolg. Weil er nämlich verdammt gut aussah. Er war groß, mindestens einen Kopf größer als Erts, und hatte smaragdgrüne Augen, die um einiges dunkler waren als seine eigenen. Und Galew hatte Muskeln wie aus dem Bilderbuche.

Diese Muskeln zauberten solch schöne Schauspiele, wenn sie sich vereinigten, dass es Erts fast den Atem raubte.

Er trocknete sich ab und cremte sich ein. Währenddessen betrachtete er seinen eigenen Körper, der kaum Ansätze für Muskeln hatte. Er war einfach nicht der Vorzeigekerl wie man ihn kennt.

Er war schwach, klein, fast mädchenhaft. Aber er hatte eine verdammt gute Fähigkeit. Er konnte Gedanken und Gefühle auf Berührung lesen, manches Mal auch so, wenn sie nur stark genug waren. Und genau das hatte ihn bis ganz nach oben befördert. Er war unter den Top 5 Piloten von G.O.A.. Was konnte man mehr erreichen? Sicher, es war nicht das, was er sich gewünscht hatte, aber seine Eltern sehr wohl. Und die hatten ihn nicht nach seiner Meinung gefragt. Hatten sie überhaupt nie seit er lebte.

Erts ging in sein Schlafzimmer zurück und vergrub sich unter seiner Decke. Die Matratze war immer noch warm.

Er fühlte sich einsam und kämpfte gegen erneut aufsteigende Tränen an.

Warum konnte Galew nicht einfach sein fester Freund sein? Es musste ja nicht einmal jemand erfahren. Sie konnten in der Öffentlichkeit tun als ob sie nur Freunde waren. Dann würde sich Galew nicht einmal genieren oder schämen müssen. Das wollte er ihm ja auch nicht zumuten.

Aber er wünschte sich so sehr, dass sein Freund seine Gefühle erwiderte. Dass das zwischen ihnen nicht einfach nur bloßer Sex war.

Er sehnte sich danach, Liebe und Geborgenheit von Galew zu bekommen. Beides hatte er selbst als Kind niemals bekommen. Umso mehr sehnte er sich nun danach.

Er wusste nicht, ob er sich mit dem Unvermeidlichen abfinden sollte, denn obendrein waren Gefühle für Personen des gleichen Geschlechts etwas Verpöhntes. Wie würde wohl Galew damit umgehen? Würde er jemals dazu stehen, käme es je so weit, dass er einen Kerl liebte?

Die Tränen gewannen die Oberhand und flüchteten sich über Erts’ heiße Wangen hinab.

Niemand wusste von der Affäre zwischen ihnen. Er konnte sich niemandem anvertrauen, weil er befürchtete, man würde ihn auslachen, doch mehr noch machte ihm Sorge, dass Galew wegen ihm verspottet werden konnte. Und das wollte er seinem Teamkollegen niemals antun.

Und so weinte sich der 15-jährige, der jüngste der Piloten der In-Grids, in den Schlaf, so wie fast jede Nacht in den letzten Tagen.
 

* * * * *
 

Die Top-Piloten saßen am Tisch in der Mensa. Es gab vorgeschriebenes Mittagessen, jeder bekam das gleiche. Wegen den Nährstoffen. Ob es schmeckte, war wieder eine andere Sache.

Erts stocherte lustlos in seinem Teller herum. Der Appetit hatte ihn verlassen, seit er so unglücklich verliebt war.

Sein Blick schweifte langsam durch den ganzen Saal.

Die Schüler und Anwärter lachten, schmatzten und grölten herum wie eh und je.

Sein Blick wanderte weiter, um dann verstohlen in Galews Richtung zu schweifen, der schräg gegenüber von ihm neben Rio saß.

Er erwiderte den Blick nicht und scherzte mit seinem besten Freund und gleichzeitig größten Rivalen herum.

Galew und Rio, sie waren das Chaotengespann von ganz G.O.A., dafür waren sie bekannt. Und auch dafür, schöne Fluglotsen-Anwärterinnen aufzureißen.

Rio in letzter Zeit nicht mehr – warum auch immer –, aber das tat seinem Ruf nichts ab.

Besagter Pilot, der nur ein Jahr jünger war als sein bester Freund, sah nun ebenfalls verstohlen herüber. Sein Blick galt Yu, der neben Erts saß und gedankenverloren ins Weltall hinaussah. Er war ein schweigsamer Tagträumer, nur ein paar Monate jünger als Rio und so groß wie Erts.

Ein Pfeifen nun riss den brünetten Jungen aus seinen Gedanken und er und Erts starrten überrascht Galew an, um danach seinem Blick zu folgen.

Der galt einer Blondine mit langen Haaren und Beinen, die wahrscheinlich so lang waren wie die von Yu und Erts zusammen.

„Wow, die sieht heiß aus“, grinste Galew und Rio lachte herzlich, während Teela, die Nummer Eins der Piloten und gleichzeitig einzig weibliche Vertreterin, nur genervt den Kopf schütteln konnte. Das Chaoten-Duo übertrieb es wieder einmal.

Galew legte noch einen drauf und rief: „Hey, heute Abend schon was vor, Schönheit?“

Sie drehte sich in die Richtung der Top-Piloten und schenkte Galew einen leidenschaftlichen Augenaufschlag aus den braunen, dunkel geschminkten Augen.

Erts hielt den Atem an, während sein Brustkorb sich schmerzhaft zusammenzog.

Das Mädchen wusste genau, wer Galew war. Er war DER männliche Top-Pilot schlechthin. Und damit auch der begehrteste. Zeigte man sich an seiner Seite, kannte einen am nächsten Tag jeder.

Und diese Gelegenheit, so schoss es Erts bitter durch den Kopf, würde die sich sicher nicht entgehen lassen.

Und so war es auch. Sie kam zum Tisch.

„Nein, bis jetzt noch nicht, aber das kann sich ändern. Kommt ganz auf dich an, Galew.“

Sie lächelte, die Locken umschmeichelten gefährlich ihr süßes Gesicht.

Erts’ Hände verkrampften sich unter dem Tisch zu geballten Fäusten. Er wollte aufstehen, wollte ihr eine schmieren, wollte sie wegschubsen und ihr laut und deutlich sagen, dass Galew zu ihm gehörte und dass sie ihre dreckigen Finger von ihm zu lassen hatte oder sie würde ihr blaues Wunder erleben.

Galews Arm wanderte hinter Rios Rücken vorbei und schlang sich um die Hüfte der Blondine, um sie zu sich herzuziehen.

„Sag’ mir deine Quartiernummer und ich hole dich um zwanzig Uhr ab und wir zwei machen uns einen unvergesslichen Abend.“

Sie kicherte und mit jedem einzelnen Laut spürte Erts schlimmere Schmerzen, die davon herrühren mussten, dass sein Herz auf grausamste Weise entzweigerissen wurde.

Sicher, Galew hatte auch die letzte Zeit mit Mädchen geflirtet, seit sie eine Affäre hatten, aber er war noch nie so weit wie heute gegangen und hatte ein eindeutiges Date mit der Absicht auf mehr ausgemacht!

Erts biss die Zähne so fest aufeinander wie er konnte. Er musste sich zusammennehmen. Er würde sich keine Blöße geben. Nicht hier, nicht jetzt.

Das Mädchen nannte ihrem Date die Quartiernummer und zwinkerte ihm dann zu, bevor sie mit einem lasziven Hüftschwung die Mensa verließ.

Rio grinste breit. „Wow, da hast du dir ja was Heißes geangelt.“

„Nicht wahr?“, triumphierte Galew.

„Das wird eine schlaflose Nacht geben, was, du Schwerenöter?“

Oh ja, das würde es werden, das sah Erts kommen. Ihm wurde schlecht und am liebsten wollte er sein ganzes Mittagessen wieder erbrechen, doch er beherrschte sich.

Stattdessen erhob er sich gezwungen ruhig vom Tisch. „Ich bin fertig. Wir sehen uns nachher beim Training.“

Galews Augen streiften und musterten ihn, das konnte der blonde Junge sehr wohl spüren, doch er ignorierte Galew kalt. Er wusste, wenn er jetzt den Blick erwiderte, dann wäre es um seine Selbstbeherrschung geschehen und dann würde er nicht mehr wissen, was er tat.

Also sah er tapfer nach vorne und ließ die anderen vier Piloten zurück. Nachdem er sein Tablett abgegeben hatte, verließ er fast fluchtartig die Mensa.

Er lief die langen Flure entlang, bis er einen der mehreren Entspannungs- und Freizeiträume erreichte.

Niemand war dort; sie waren wohl alle noch beim Mittagessen.

Erts schaffte sich mit letzter Kraft zu einer Bank in der Ecke und ließ sich schluchzend nieder. Er weinte und weinte, und es tat so gut. Es befreite ihn, er bekam auch etwas besser Luft, doch die Hilflosigkeit und der Schmerz, zu wissen, dass Galew nun jemand anderes haben würde, nagten sich brutal durch seine Seele.

Erts wusste nicht, wie viel Leid er noch ertragen konnte, ohne unter dieser ganzen Last zu zerbrechen.

Und in diesem Zuge erkannte der junge Pilot, dass es kein Zurück mehr für ihn gab. Es war nicht nur bloße Verliebtheit; er liebte Galew von ganzem Herzen. Der Schwerenöter von G.O.A. war seine erste große Liebe. Und eine aussichtslose dazu.

Ganz zu schweigen davon, dass er sich in diesem Moment schwor, niemals wieder jemanden zu lieben außer Galew, denn er würde solch einen Schmerz kein zweites Mal ertragen können. Dafür war er charakterlich viel zu labil und loyal gleichermaßen.

Sein Schluchzen wurde lauter, er unterdrückte es nicht mehr. Warum nur sah Galew nicht, wie sehr sein Teamkollege sich nach ihm verzehrte? Was, wenn er es gar nicht sehen wollte? Vielleicht war er ja auch nur ein Spielzeug für ihn, ein Druckventil?

Die Tränen des Jungen flossen schneller. Er wollte doch einfach nur von Galew geliebt werden. Nichts weiter. Mehr wünschte er sich nicht, zumindest seit diesem Moment. Es war sein einziger Wunsch, an den er sich klammerte.

„Erts?“, erklang eine verzerrte Stimme hinter ihm.

Der Angesprochene zuckte zusammen und zwang sich sofort, mit dem Weinen aufzuhören, doch es klappte nicht.

Langsam sah er über die Schulter.

Es war nicht Galew, es war Tune, seine Fluglotsin.

Schüchtern trat sie näher. „Ich habe deinen gequälten Gesichtsausdruck in der Mensa gesehen.“

Erts sah vor sich auf den Boden. Er wusste, sie war in seinen Bruder verliebt gewesen. Dass sie ihn nicht genauso akzeptierte wie Ernest, das war ihm auch klar. Doch sie gab sich Mühe, auch ihn als Piloten anzunehmen und ihm eine gute Lotsin zu sein.

Und er selbst war so erbärmlich. Er weinte, schlimmer als ein Mädchen.

„Ich komm’ schon irgendwie klar“, versuchte er sich herauszureden.

Das kam er natürlich nicht, aber er wollte sich Tune nicht anvertrauen. Sie würde ihn nicht verstehen, denn er war nicht Ernest. Er war ein blasser Hauch seines Bruders und stand in dessen Schatten mit dem Zwang, das Gleiche zu leisten wie er.

„Bist du sicher?“, hakte Tune leise nach.

Erts wagte kaum, sie anzusehen und wischte sich die Tränen weg. „Ich möchte dich nicht mit noch mehr Kummer belasten, Tune.“

Sie wurde blass vor Schreck.

Erts fuhr fort. „Ich weiß, dass du immer noch an Ernest hängst. Ich spüre es jeden Tag aufs Neue. Und bis du dich ganz mit seinem Tod und deiner Liebe zu ihm abgefunden hast, werde ich nichts von dir fordern, was dich belasten könnte.“

Tune schluckte und strich sich nervös eine silberfarbene Haarsträhne hinters Ohr. Sie wusste, sie war ihm nicht die Hilfe, die er eigentlich brauchte. Erts sah ihr Innerstes. Er wusste genau, wie sie fühlte. Sie konnte ihm nichts verheimlichen.

„Ich weiß, du gibst dir Mühe und das schätze ich auch, Tune. Aber ich werde meine eigene Last selbst tragen.“

„D-Danke“, hauchte sie, während sich nun auch ihre Augen mit Tränen füllten. Und ehe sie fielen, machte sie kehrt und verließ den Raum.

Erts wusste nicht, was er nun denken sollte. Sie war gekommen, um ihn zu trösten und er hatte ihr geholfen, sich selbst zu helfen.

Der junge Pilot seufzte leise und strich sich durch die blonden Haare.

Er musste ebenfalls sich selbst helfen, nicht nur anderen.

Er versuchte, den Tatsachen ins Auge zu sehen. Es half alles nichts. Galew und er waren nicht zusammen. Sie hatten nur eine Affäre und damit hatte er keinen Besitzanspruch auf Galew.

Fakt war doch eigentlich, dass Galew tun und lassen konnte, was er wollte und Erts konnte nur hilflos dabei zusehen, wie sein Herz nach und nach daran zerbrach.

Er fragte sich, was wohl das Beste war. Der Affäre den Laufpass geben und abschließen?

Nein, das konnte und vor allem das wollte er nicht. Er hing viel zu sehr an seinem Freund.

Er musste die Affäre weiter aufrechterhalten. Nur so konnte er Galew nahe sein. Es war nur die Frage, wie lange Galew ihn noch wollte.

Erts wollte gar nicht weiterdenken, nicht den Wenn-Fall in Betracht ziehen, falls Galew ihn nicht mehr wollte; wie einsam er dann wäre und welch Zerstörung seiner Selbst das zur Folge haben konnte.

Er musste weiterspielen. Das schien die einzige Lösung zu sein. Die einzige Lösung, bei der er Galew so nahe war, dass sie zu einem Ganzen wurden, zu etwas Perfektem.

Und er war bereit, dafür zugrunde zu gehen. Bereit, dafür sogar zu sterben.
 

* * * * *
 

Zum Training erschien Erts nicht weniger pünktlich oder später als sonst auch.

Die anderen waren fast alle da, nur Nummer Eins, Teela Zain Elmes, fehlte noch.

Galew redete gerade mit Rio, der gedanklich jedoch nicht bei seinem besten Freund war, sondern wohl irgendwo anders, denn sein Blick schweifte in die Richtung von Yu und ihm.

Erst wusste längst, dass Rios Neigung in die homosexuelle Art abzudriften schien.

Aber keiner außer ihm schien das zu bemerken. Erts war in diesem Moment froh über seine Gabe. Dann wanderte sein Blick suchend weiter.

Galew hatte ihn noch nicht einmal bemerkt. Erts wollte am liebsten alles tun, was nötig war, um seinen Freund auf sich aufmerksam zu machen.

So viel Aufmerksamkeit der grünhaarige Schwerenöter ihm abends, wenn sie zu zweit waren, schenkte, so wenig interessierte er sich scheinbar für ihn, wenn der normale Tagesablauf im Gange war.

Und das kränkte den Top-Piloten der In-Grid Reneighd Klein.

Wütend zog er seine Trainingsuniform an, nichtachtend des guten Stoffes, der sich den Trainierenden immer perfekt anpasste und eigentlich recht belastbar war, wenn man sorgfältig mit ihm umging.

Yu sah irritiert zu ihm herüber.

Erts fing seinen Blick, schwieg jedoch und machte kurz darauf weiter.

Sein Teamkollege wusste nicht recht, wie er damit umgehen sollte. Sie waren beide eigentlich recht ruhige, introvertierte Menschen. Sicher, wären sie Freunde, würden sie sich prima verstehen, das wusste Yu genau. Aber dazu mussten sie erst einmal Freunde werden.

Und das fiel dem Piloten der In-Grid Tellia Callisto schwer. Aber er konnte sich vorstellen, dass es Erts mindestens genauso schwerfallen musste. War er doch anstelle von seinem großen Bruder nun Pilot in einer Gruppe, die ihm fremd gewesen war und mit der er niemals zusammen in der Anwärterzeit trainiert hatte.

Yu beschloss, sich einen Ruck zu geben und über seinen Schatten zu springen.

„Du bist heute viel anders als sonst. Es muss etwas Größeres vorgefallen sein, wenn du schon so weit bist, deine Emotionen nicht mehr unter Kontrolle zu haben.“

Es war eine Feststellung, keine Vermutung.

Und nun war es an Erts, Yu Rede und Antwort zu stehen oder es sein zu lassen und damit den Anflug einer Freundschaft mit dem anderen Jungen, der ihm von allen in der Gruppe am ähnlichsten war, in den Wind zu schießen.

Und Erts konnte Freunde momentan mehr als dringend gebrauchen, denn er hatte außer Galew momentan und Zero in seiner Anwärterzeit niemals Freunde gehabt. Und Zero... den würde er wohl ohnehin nie wieder sehen.

Erts schluckte seinen Zorn hinab und versuchte, sich zu beruhigen. „Es ist absolute Hilflosigkeit, die mich so wütend gemacht hat.“

„Hilflosigkeit?“

„Ja. Hilflosigkeit ist das schlimmste, was einem passieren kann, wenn man etwas erreichen will und es sich mehr als alles andere überhaupt wünscht.“

Es war nichts als die Wahrheit, was über seine Lippen sprudelte. Jedes Wort war exakt das, was er momentan fühlte.

Yu bemerkte, dass Erts sich nicht traute, ins Detail zu gehen, aber das war in Ordnung. Der Anfang war gemacht. Und es war sowieso höchste Zeit gewesen, dass sie beide sich etwas annäherten. Erts war nun schon rund ein Jahr in ihrem Team und sie hatten kaum zehn Sätze miteinander gewechselt. Eigentlich war es eine Schande.

Yu versuchte, nicht so distanziert und beherrscht zu wirken wie sonst immer, denn er wusste, das schreckte andere Menschen ab, wenn sie nicht gerade Galew oder Rioroute hießen. „Darüber zu reden hilft vielleicht.“

„Ja, vielleicht“, echote Erts. „Aber momentan geht es nicht. Trotzdem danke.“

Er zwang sich zu einem kurzen, dankbaren Lächeln.

Yu musterte ihn mit einem besorgten Blick. Er selbst gehörte nicht zur Sorte der starken Menschen, er gehörte zu den labileren, auch wenn er sich das nie anmerken ließ. Seine reservierte Art half ihm dabei. Das einzig starke an ihm war seine Fähigkeit.

Bei Erts musste es wohl ähnlich sein, so vermutete er. Nur dass Erts nicht reserviert war, sondern offen und freundlich. Und damit ein Ziel für Ausnutzung.

Yu beobachtete seinen Teamkollegen verstohlen. Dessen Blick wanderte über die Trainingsfläche, auf der Rio und Galew bereits mit dem Training begonnen hatten.

Sein Blick schien besonders Galew zu gelten. Hatten sie vielleicht Streit?

Erts’ Blick wurde immer trauriger, je öfter Galews Lachen zu vernehmen war.

Vielleicht war es aber auch etwas anderes. Yu wusste es nicht. Und eigentlich wollte er auch nicht weiter darüber nachdenken, denn er hatte seine eigenen Probleme.

Erts würde ihm bestimmt noch irgendwann sagen, was ihn bedrückte. Er musste nur geduldig sein.

„Lass’ uns auch trainieren.“

Der Angesprochene gehorchte ohne auch nur ein Wort.

Sie lernten neue Techniken mittels den Pro-Ings. Diese würden sie bei Gelegenheit in den In-Grids testen. Aber dazu brauchte man eben Geschick, daher das unerlässliche Training.

Erts war heute aggressiver als sonst, so schien es Yu. Er zögerte bei den Angriffen keine Sekunde lang.

Es war hier eigentlich die beste Möglichkeit, die angestauten Aggressionen abzubauen, schoss es Yu durch den Kopf. Und so sparte auch er keine Kräfte auf.
 

Etwa zwei Stunden später – Teela war inzwischen ebenfalls dazu gestoßen – waren sie alle durchgeschwitzt.

„Mann, eine ausgiebige Dusche wär’s jetzt“, ächzte Rio und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Ein paar der dunkelblonden Strähnen blieben dabei auf der Haut kleben, doch das störte ihn nicht weiter.

„Worauf warten wir dann noch?“, grinste Galew, der ebenfalls ziemlich verschwitzt war. „Wer als erster im Duschraum ist.“

Und damit stürmte er los, scheinbar ohne auch nur einen Ansatz von Müdigkeit.

‚Wahrscheinlich freut er sich auf sein Date und kann’s kaum erwarten’, dachte Erts melancholisch bei sich.

Yu und er folgten den beiden Streithähnen und sie nahmen im Gemeinschaftsduschraum eine Abkühlung auf der Haut ein.

Erts spürte Galews Blicke auf seinem Körper. Normalerweise genoss er es, doch heute war es ihm unangenehm, angesichts der Tatsache, dass Galew heute Nacht bei einem Mädchen sein würde, um sie flachzulegen.

Der 15-jährige Pilot drehte sich einfach um und streckte Galew die Kehrseite entgegen.

Als Galews lüsterne Blicke immer noch nicht endeten, warf er einen scheuen Blick über die Schulter. Galew fing ihn und zwinkerte ihm zu.

‚Also, das ist ja wohl das Allerletzte!’, dachte Erts und die Wut kehrte zurück. ‚Wie kann er es wagen, mich noch so anzusehen, wenn er genau weiß, dass ich die Sache mit seinem Date mitbekommen habe!?’

Er warf Galew einen bezeichnenden Blick zu und sah wieder nach vorne. Was erlaubte dieser Schürzenjäger sich eigentlich? Dachte der wirklich, man konnte auf zwei Hochzeiten gleichzeitig tanzen?

Erts war es leid. Er stelle die Brause aus und schlang ein Duschtuch um sich, um danach den Duschraum zu verlassen.

Kurz darauf folgte ihm auch schon Galew.

Erts zog sich wortlos an und ignorierte die Anwesenheit seines Freundes.

Nun kamen auch Rio und Yu und lockerten die Stimmung auf durch ein Thema, das Rio anschnitt, das da lautete ‚Wie besiegt man die Victims so, dass es auch noch cool dabei aussieht?’.

Erts beteiligte sich nicht am Gespräch. Er hatte keine Nerven dazu. Er hoffte, dass die anderen möglichst schnell den Umkleideraum verließen, damit er alleine war und keine gute Miene zum bösen Spiel machen musste.

Sie gingen alle nach und nach – bis auf Galew.

Die Türe schloss sich und schon drehte sich der große Kerl zu ihm herum.

„Was ist denn heute los mit dir? So kenne ich dich ja gar nicht.“ Es klang nicht sauer oder enttäuscht, eher überrascht. Und genau das war etwas, was Erts jetzt am wenigsten brauchte – dieses Überraschungs-Getue. Die Miene der Unschuld, die er wahrlich nicht hatte!

Er funkelte kurz über die Schulter und wendete sich danach dem Eincremen seines Gesichtes. „Was soll deiner Meinung nach sein?“

Zappeln sollte der Schürzenjäger. Heraus kitzeln musste er es, wenn er Details wissen wollte.

Doch Erts hatte nicht mit Galews Hartnäckigkeit gerechnet. Er konnte zäh sein wie Kaugummi.

„Erts, wir kennen uns jetzt schon eine ganze Weile. Ich merke sehr wohl, wenn du dich anders als sonst verhältst.“

Der Angesprochene wollte ihm am liebsten um die Ohren hauen, was für ein unglaublicher Schnellchecker dieser doch war und wie seltsam schwach sein Gedächtnis funktionierte, aber Erts wäre nicht Erts gewesen, wenn er sich solch eine Unhöflichkeit erlaubt hätte.

Er rieb sich mit dem Handtuch die Haare etwas trockener und strich sie danach mit den Fingern in ihre Bahnen. Erst danach sah er Galew an, in scheinbarer Gemütlichkeit, als hätte er alle Zeit der Welt.

Eigentlich hatte Galew die Standpredigt seines Lebens verdient, wirklich. Aber Erts konnte ihm einfach nichts in lautem Ton entgegenwerfen.

„Weißt du“, begann er dann langsam, „ich habe gedacht, du hättest die Lösung wenigstens selbst erkannt, aber da lag ich wohl falsch.“

Hinter Galews Augen begann es zu rattern. „Ist es etwa wegen... dem Mädchen heute in der Mensa?“

Bingo.

Erts’ Nasenflügel bebten für einen kurzen Moment, doch drang kein Ton über seine Lippen.

Sein Freund wusste, er hatte richtig getippt.

Er holte zu einer Ausflucht Luft, doch Erts gab ihm die Möglichkeit nicht.

„Ich weiß, dass wir nicht zusammen sind. Das musst du mir gar nicht erst vorhalten.“

Galews Gesichtsausdruck wurde etwas überrumpelt. „Äh..“

„Aber verstehe bitte an dieser Stelle auch mich. Ich habe nämlich keine Lust darauf, das Bett mit dir zu teilen, wenn du vorher mit jemand anderem in die Kiste gesprungen bist. Das widert mich an.“

Jetzt hatte er Galew an eine gefährliche Schneide gebracht und sogar womöglich heraufbeschworen, dass dieser ihrer Affäre den Laufpass gab, um seine Freiheiten weiterhin voll auskosten zu können, dessen war Erts sich bewusst. Aber er wollte sehen, wie wichtig seinem Freund ihre Affäre war.

Und Galew war nun wirklich überfahren; er wusste in den ersten Sekunden nichts zu erwidern. Denn Erts’ Vorwurf hatte wirklich Biss.

Doch dann hatte er sich endlich Worte zurechtgelegt.

„Meinetwegen. Ich werde mich etwas einschränken.“

Bei dem Wörtchen ‚Etwas’ läuteten bei dem Jüngeren sämtliche Alarmglocken. Ein Galew konnte sich nämlich nicht gänzlich einschränken. Ein Galew war polygam veranlagt.

Doch Erts beließ es dabei – zumindest für den Moment.

„Danke.“

Und dann kam Galew auch schon auf ihn zu. „Ich habe dich vorhin übrigens angesehen.“

„Ich weiß“, murmelte Erts schwach.

„Und weißt du was? Ich habe gerade ziemlich Lust auf dich, weil du verdammt gut aussiehst. “

In der Brust des jüngsten der Top-Piloten begann es ziemlich heftig zu hämmern. Er wich langsam zurück, bis die Wand kam und Galew direkt vor ihm war, sodass er keine Möglichkeit mehr hatte zu entkommen.

Dieses wohlvertraute, spannende Knistern entstand.

„Galew, wir können doch nicht hier... Was ist, wenn jemand kommt?“

„Da wird schon niemand kommen. Und außerdem ist das hier jeden Kick wert.“

Bevor Erts noch einmal protestieren konnte, spürte er auch schon Galews Hände an seinen Seiten, seinem Rücken, Po, einfach überall, seine Lippen an seinen Wangen, seinem Kinn, seinem Mund.

Seine Knie wurden weich, sein Verstand benebelt und er wusste, es war zu spät für eine Rückkehr, denn er begehrte seinen Partner mindestens genauso sehr wie dieser ihn.
 

* * * * *
 

Armer Erts. ._.

Mal sehen, ob die FF gut ankommt. Würde mich speziell zu dieser FF über Kommentare freuen, da mir dieses Werk sehr am Herzen liegt. 8D

Part 2

So, da wäre ich mit Kapitel 2. 8D
 

@portia: Danke für deinen lieben Kommentar *g*

Zu deiner Anmerkung wegen Erts' Fähigkeit: Stimmt, das ist immer so eine Sache.

Aber Erts kann ja für gewöhnlich Gedanken nur lesen, wenn er jemandne berührt.

Er kann die der anderen auch ohne Berührung lesen, aber nur, wenn er seine EX aktiviert hat.

So gesehen hat er nicht immer Einblick in Gareas' Gefühlswelt. Ich hoffe, so weit ist das verständlich :)

Alleine schon für dich poste ich hier weiter die Geschichte ;D
 

* * * * *
 

Draußen war es tiefschwarz. Nur die endlosen Sterne und der Planet Zion schienen im hellen Licht der Hoffnung herein.

Erts strich sich eine Strähne hinters Ohr.

Er hatte es schon wieder getan. Er war heute Nachmittag schwach geworden. Wie Wachs in Galews Händen.

Aber was hätte er denn auch tun sollen? Immerhin liebte er den Piloten der blauen In-Grid Eeva Leena.

Und er wusste genau, dass er lediglich eine Affäre für seinen Freund war. Denn sonst würde er nun nicht alleine hier sitzen, hier, an diesem Abend, in seinem Quartier.

Und wo Galew gerade war, darüber wollte er am besten gar nicht nachdenken.

Er hatte gesagt, er wolle sich etwas einschränken. Etwas.

Vielleicht hatte er das aber auch nur gesagt, damit Erts ihm nicht fortlief.

Der blonde Junge biss sich schuldbewusst auf die Lippen. Er war ja selbst Schuld an der Lage, machte er sich klar. Hätte er sich nicht auf Galew eingelassen, dann müsste er nun nicht solche Strapazen erdulden.

Er beschloss, sich nicht mit den schrecklichen Vermutungen über Galews momentanen Aufenthaltsort zu grämen.

Es würde doch sowieso nichts ändern.

Vielleicht war es einfach besser, wenn er abwarten würde und zu Bett ginge. Morgen würde sich sicher alles aufklären – ob zum Positiven oder Negativen war dahingestellt.

Und schweren Herzens tat Erts das, was ihm sein rationaler Verstand klarmachte, auch wenn es ihm verdammt schwerfiel.
 

* * * * *
 

Am nächsten Tag fühlte Erts sich besser, auch wenn die Melancholie nicht von seinem Gemüt wich.

Aber damit konnte er momentan leben.

Er trainierte mit den anderen zusammen und vermied es tunlichst, Galew zu fragen, was er denn gestern Abend noch so alles gemacht habe.

Er hatte keine Lust, sich die Blöße zu geben, zu eifersüchteln. Darauf konnte Galew lange warten.

Er würde diesem Schwerenöter nicht nachlaufen wie all diese Betthäschen. Er hatte seinen Stolz. Auch wenn das bedeutete, wie auf glühenden Kohlen zu sitzen und innerlich zu vergehen.

Bis zur Mittagspause hatte sich immer noch nichts getan. Keine Regung von Galew, was die gestrige Sachlage Erts oder der Blondine betraf, nichts.

Das verunsicherte den jüngsten der Top-Piloten sichtlich, denn er verschüttete etwas von seiner Suppe auf dem Tablett.

Galew bemerkte es – er bemerkte endlich irgendetwas.

„Komm‘, wir setzen uns zusammen wohin, wo wir nicht total beobachtet sind.“

Nun war Erts kurz davor, das ganze Tablett fallen zu lassen.

„Was? Wir beide? Du und ich?!“

„Äh… ja?“, kam es etwas verwundert von Galew, der zudem eine etwas perplexe, fast amüsante Miene aufsetzte.

‚Vielleicht tut es ihm ja leid, was er da gestern mit dem Mädchen vor mir abgezogen hat‘, schoss es Erts durch den Kopf. Dass dies ein rein freundschaftlicher Akt seitens des anderen Jungen war, daran dachte er in diesem Moment nicht. Er verdrängte es einfach weit hinten in seinem Kopf und folgte seinem Geliebten an einen etwas abgelegeneren Tisch.

Schließlich saßen sie sich gegenüber und verzehrten das Mittagessen.

Erts war kaum in der Lage, seine Bissen zu schlucken, da sie ihm wie Steine schienen. Und die lassen sich bekanntlich nicht so ohne weiteres schlucken.

Galew bemerkte die angespannte Lage sehr wohl und versuchte, sie auf seine Weise etwas aufzulockern.

„Wie geht es dir heute?“

Wie es ihm ging? Wie sollte er sich wohl fühlen, wissend, dass er Galew wohl niemals alleine für sich haben würde? Wissend, dass seine Gefühle einseitig waren und vielleicht niemals ganz erwidert werden würden?

„Geht schon so“, log der junge Pilot also mutig, denn er wusste, Galew würde ihn nicht verstehen. Galew konnte seine Gedanken nicht lesen. Das war alles ihm alleine vorbehalten.

Galew ließ sich von der recht zurückhaltenden Antwort seines Gegenübers nicht beirren.

„Was hältst du davon, wenn wir heute Abend gemeinsam eines dieser Programme mitmachen, du weißt schon, ein Ort auf der Erde – ein Ort, an dem es einen Horizont gibt.“

Ein Horizont. Zwar nicht real, aber wenigstens durch diese Projizier-Programme kannte Erts die Bedeutung dieses Wortes.

Er selbst hatte noch nie einen Horizont gesehen. Niemand in seiner Altersgruppe oder auch älter hatte das.

Es gab schon lange keine bewohnbaren Planeten wie die Erde mehr. Darum gab es G.O.A.. Darum gab es sie, die Top-Piloten. Sie, die den letzten Planeten mit ihrem Leben schützten – Zion.

Und was würde er, Erts Virny Cocteau, dafür geben, einmal auf Zion sein zu dürfen.

Galews Idee, so lapidar wie sie von ihm vorgetragen worden war, war großartig.

Doch im selben Moment als Erts zu einer bejahenden Antwort ausholen konnte, trat die Person an den Tisch, die Erts jetzt als letztes sehen wollte – die Blondine von gestern. Seine größte Rivalin und gleichzeitig auch wieder nicht. Denn welcher hübsche Junge hätte denn schon eine Chance gegen eine schöne junge Frau, die einem Schürzenjäger wie Galew den Kopf verdrehte?

Die Anwärterin ignorierte Erts vornehmlich und wandte sich ganz dem Objekt ihrer Begierde zu.

„Ich wollte dir nur nochmal sagen wie schön es gestern Abend war und dass wir es gerne wiederholen können.“

Ein Augenaufschlag wie aus dem kitschigsten Liebesfilm folgte und in Erts‘ Hosentasche ging das sprichwörtliche Klappmesser auf.

Er wollte sie erstechen. Jetzt. Sofort. Hier. Ganz langsam. Sodass sie sehr leiden musste.

Und danach… ja dann würde er Galews Ding abschneiden. Auch ganz langsam. Und dann hätte dieser Schwerenöter nie wieder das Verlangen, jemand anderen als ihn anzusehen.

Galew seinerseits war die Situation sichtlich peinlich. Er hatte definitiv nicht damit gerechnet, dass seine Affäre von gestern Abend hier aufkreuzen würde. Und auch noch vor Erts.

Aber jetzt wäre es zu spät für irgendwelche Ausflüchte, schwor sich Erts.

Galew setzte ein gekünsteltes Lächeln auf, das er der Anwärterin schenkte. „Äh ja… weißt du, besprechen wir das später, in Ordnung?“

Sie grinste vielversprechend, die weißen, geraden Zähne blitzten hinter den Lippen hervor. „Wie du willst. Du weißt ja, wo du mich findest, Süßer.“

Damit machte sie auf dem Absatz kehrt und verließ den Saal, während ein paar der anderen Anwärtern und Lotsen bereits über Galew und sie zu tuscheln begannen. Sie hatte nun, was sie wollte: Bekanntheitsgrad.

Erts sah ihr hinterher und wenn Blicke töten könnten, dann wäre die Anwärterin wohl spätestens zu diesem Zeitpunkt einen qualvollen, elenden Tod gestorben.

Nachdem sie endlich weg war, riskierte er einen Blick in Galews Gesicht.

Dieser schien mit einem Donnerwetter zu rechnen. Aber genau so berechenbar wollte Erts nicht sein. Er wollte jemand sein, den Galew niemals zu hundert Prozent einschätzen konnte-

Also nahm der blonde Junge sich, so schwer es ihm fiel, zusammen. Und es fiel ihm sehr, sehr schwer.

Galew hatte es also mit ihr getan. Und zwar noch nachdem er mit ihm geschlafen hatte. Nachdem er so zärtlich zu ihm gewesen war.

Erts konnte es einfach nicht glauben. Wie konnte sein Freund so etwas tun - ihm so etwas antun, zum Henker?!

Das durfte einfach nicht sein. Er hatte seinen Körper Galew hingegeben, dem ersten Menschen überhaupt in seinem Leben, weil er fest in dem Glauben gewesen war, dass das zwischen Galew und ihm etwas Besonderes war, etwas einmaliges, etwas, das nur ihnen gehörte.

Und Galew schien das gar nicht zu kümmern. Er flirtete einfach weiter mit anderen herum, schlief sogar mit dieser Blondine, ohne auch nur einmal daran zu denken, dass es seinem Freund wehtun könnte.

„Erts?“

Eine sanfte, vorsichtige Stimme holte ihn nach G.O.A. zurück und er realisierte, dass er die ganze Zeit über Galew angesehen hatte.

Dieser schweifte mit dem Blick besorgt über das Gesicht seines Gegenübers.

„Du bist so blass.“

Erts rang kurz nach Atem und fasste einen klaren Kopf.

„Mir geht’s gut.“

„Du warst noch nie gut im Lügen.“

„Du auch nicht.“

Erts‘ Konter versetzte Galew einen mentalen Hieb. Er wusste, es war wegen dem Mädchen.

„Erts…“

Nein, bitte sag‘ nichts, schoss es dem Angesprochenen wie ein Stich durchs Herz.

Er wollte keine Ausflüchte hören. Er war es so leid.

„Schon gut, Galew, spar’s dir.“

Er stand auf, langsam, nicht zu hektisch.

„Lass‘ es mich bitte erklären, Erts...“

„Erklären?“

Erts‘ Stimme wurde schnittig; etwas, das man bei dem sonst so ruhigen Jungen nur sehr selten erlebte. „Es ist deine Sache, was du tust, Galew! Aber wenn du schon unbedingt in anderen Betten herumturnen musst, dann sei doch wenigstens mir gegenüber ehrlich! Ist das denn zuviel verlangt?“

Als würde sie die herausgesprudelten Worte untermauern wollen, ertönte die blecherne Alarmsirene und alle Anwärter und Piloten wurden für einen Moment lang still.

Erts vergaß seinen ganzen Zorn, den er eben noch auf Galew ausgießen wollte und lief los, gefolgt von selbigem.

Oh Gott, nicht jetzt! Wie viele Victims waren es dieses Mal? Oder war es vielleicht sogar nur einer? So ein großer wie der, der damals Ernest getötet hatte?

Erts mochte es sich nicht ausdenken. All der Missmut und der Frust wandelten sich in pures Adrenalin, das jede einzelne seiner Zellen im Körper flutete und ihn in Todesangst versetzte.

Doch diese Todesangst war es, die seine Leistung jedes Mal aufs Neue zur Höchstleistung antrieb.

Galew war schneller als er und lief an ihm vorbei. „Komm‘ schon, Erts!“

Leichter gesagt als getan.

Er wollte ja schneller laufen, aber er konnte einfach nicht. Er war nicht so athletisch wie sein Geliebter. Und das wusste dieser auch, denn er fasste Erts an der Hand, wohlwissend, dass dieser nun seine Gedanken lesen konnte, und zog ihn mit sich.

Auch Galew hatte Angst. Erts spürte sie förmlich durch dessen Hand.

Zwischen ihren Handinnenflächen bildete sich Schweiß. Angstschweiß.

Sie jagten förmlich in die Maschinenräume, in denen sie alle startklar bereitstanden: die gigantischen In-Grids.

Für eine Sekunde blieben Galew und Erts stehen und fassten Mut. Den brauchten sie jetzt mehr als alles andere. Sie konnten sterben, das wussten sie nur zu gut. Jedes Mal, wenn der Alarm ertönte, setzten sie ihr Leben für die Menschheit aufs Spiel.

Und was blieb ihnen? Was?, schoss es Erts durch den Kopf. Würden sie heute zurückkehren? Wofür lohnte es sich überhaupt zurückzukehren? Für die Familie? Die Familie, die er nicht mehr hatte, weil er viel zu weit weg war und die sowieso nur die eigenen Interessen duldeten? Für die Liebe? Die Liebe, die ihm nicht gegeben wurde?

Galew drückte seine Hand leicht. „Komm.“

Er hatte recht. Sie mussten jetzt stark sein und kämpfen. Für Zion. Für G.O.A. Für die Menschheit.

Die Lotsinnen standen schon bereit an den Checkpulten und die Piloten schlüpften so schnell es ging in ihre Uniformen.

Danach tauchten sie ins Innere ihrer jeweiligen In-Grid, sei es Ernn Laties, Eeva Leena, Reneighd Klein, Tellia Callisto oder auch Agui Keimeia.

Nun waren sie im Kampf auf sich gestellt.

Sicher, sie hatten die anderen vier um sich. Aber das nahm ihnen die Angst auch nicht sehr viel mehr.

Der Start wurde freigegeben und die Göttinnen schossen ins Weltall hinaus, dem Feind entgegen, was es auch immer für Victims sein mochten.

Sie mussten vernichtet werden, egal was es kostete. Das Leben der Menschheit hing davon ab.

Und es lag in ihren Händen, ob sie alle weiterleben würden oder nicht.

Teela, Nummer 1, meldete sich. „Erts, kannst du schon etwas empfangen?“

Erts konzentrierte sich, während sich seine Haare leuchtend grün zu färben begannen. Seine EX war nun aktiviert – die Fähigkeit, die Gedanken der anderen zu lesen und somit auch die des Feindes oder Feinde.

Seine Fähigkeit war weit besser ausgeprägt als der Radar in Reneighd Klein. Er war nicht umsonst der Top-Piloten-Anwärter von G.O.A. gewesen. Seine Fähigkeit war unentbehrlich. Sie war perfekt ins Team passend.

Er fühlte, wie sich etwas bedrohliches näherte. Und zwar mit schneller Geschwindigkeit.

Es waren mehrere, es waren viele. Und ihre Gedanken waren gebündelt zu einem einzigen vernichtenden Gedanken: Kollektiver Zerstörungswahn von Zion.

In Erts verkrampfte sich alles und auch die Göttin konnte ihm die Angst nicht nehmen.

„Es sind sehr viele! Sie sind dicht an dicht.“

Nummer Eins hakte nach. „Kannst du ausmachen, wie viele in etwa?“

Das wollte Erts die anderen eigentlich nicht wissen lassen, aber er musste nun Rede und Antwort stehen.

„… Unzählige.“

Keiner kommentierte diese Feststellung. Nicht einmal Rio, der sonst immer eine große Klappe hatte. Ganz zu schweigen von Galew.

Die nackte Angst schwebte unsichtbar zwischen ihnen allen und ihren Göttinnen umher.

Würden sie diesen Ansturm gegen Zion stoppen können? Wie viele waren es denn ganz genau in Zahlen?

Teela Zain Elmes brach das Schweigen.

„Agui Keimeia in Stellung! Rio, du musst Zion schützen! Lass‘ keinen durch!“

„Verstanden.“

„Eeva Leena und Tellia Callisto, ihr kommt mit mir! Pfeilformation. Flankiert mich. Reneighd Klein, ich brauche den Anführer. Bleibe aber in Sicherheitsabstand.“

Es ging alles fast wie von selbst. So viel trainiert, so viel simuliert, doch nun war es ernst und es lief so viel holpriger als es eigentlich sein durfte.

Die drei Göttinnen, die für den Angriff zuständig waren, stellten sich der Masse entgegen, die unaufhaltsam entgegenkam.

Und nun kamen sie auch in Sichtweite. Erts hatte nicht übertrieben; es waren so viele, dass es unmöglich war, sie auch nur schätzungsweise zu zählen.

Sie hatten im Verhältnis zu ihren langen, fast grazilen Körpern sehr große Schwingen, die fast an die von Dämonen erinnerten. Ihre Augen waren schwarze, enge Schlitze, die ausdruckslos funkelten, jedoch mehr bedrohlich als nichtssagend.

Teela aktivierte ihre EX, die anderen beiden taten es ihr gleich. Es war keine Zeit zu verlieren, weil es viel zu viele Victims gab, die es zu vernichten galt.

Jeder der dreien reagierte auf die Befehle von Nummer Eins und begann systematisch, die Victims niederzuschlachten.

Erts und Rio waren weiter hinten und konnten das Ausmaß aus der Ferne betrachten.

„Verdammt, das sind viel zu viele!“

Erts spürte, dass Rio viel zu unruhig wurde. Es kamen schon einige Victims durch die Reihen.

Rio wollte eingreifen. Aber er hatte seine Befehle.

„Bleib‘ hier, es ist zu gefährlich.“

„Du hast gut reden, Erts.“

Und dabei hatte er das *nicht*. Gareas, sein Geliebter, war da vorne und setzte sein Leben aufs Spiel. Für G.O.A. und Zion.

Er konnte die Gedanken von allen dreien vorne und ihren Göttinnen empfangen, die exakt im Einklang mit den Piloten waren.

Und er sah Gareas‘ Vorhaben. Er hatte vor, auszubrechen und seine größte Attacke einzusetzen.

Wieder einmal. Das hatte er doch auch vorgehabt als Ernest damals die Lage erkannte und ihm zuvor kam.

War es nun auch an seinem kleinen Bruder, Gareas vor sich selbst zu schützen?

Das mochte sein, schoss es Erts durch den Kopf, aber er würde es weniger aus Pflichtgefühl tun als vielmehr aus Liebe zu Gareas und weil er nicht wollte, dass dieser starb.

Und er war bereit, sich dafür zu opfern. Wenn Gareas dadurch nur sehen würde, dass er für seinen Kollegen viel mehr war als nur eine Affäre.

Seine Göttin erkannte, wozu Erts bereit war.

‚Es ist viel zu gefährlich. Tu‘ es nicht, Erts‘, bat sie ihn inständig.

‚Ich bin nicht wie mein Bruder‘, gab ihr Erts zurück. ‚Ich würde zwar für ihn sterben, aber nicht kampflos. Ich will doch auch leben.‘

Sie sah ein, dass sie den Piloten nicht umstimmen konnte. Also wurde sie völlig eins mit seinem Willen.

Erts schoss mit Reneighd Klein los und ehe die anderen sich versahen, war er schon an ihrer Seite, vor Gareas.

Teela registrierte es mit Entsetzen. „Erts, was soll das?! Flieg‘ zurück! Das ist ein Befehl!“

Doch der 15-Jährige hatte nicht vor, ihr Folge zu leisten. Er war ganz darauf fokussiert, Gareas in seine Schranken zu weisen.

„Hast du nichts aus Ernests Tod gelernt? Willst du dich wirklich opfern?“

Das saß, denn Gareas fühlte sich immer noch verantwortlich für den Tod seines Freundes.

„Erts… ich muss doch etwas tun, verdammt!“

„Wir sind zu fünft! Du bist nicht allein…“

Er wollte eigentlich noch etwas sagen, doch er spürte in diesem Moment, dass eine Gruppe der Victims sich formierte, um Gareas einen Todesstoß zu versetzen, weil er eine der zwei stärksten In-Grids hatte.

Er fuhr herum und machte die Gruppe aus.

Und tatsächlich, mithilfe seiner Göttin wurde er fündig. Er flog los, fest entschlossen, nicht zuzulassen, dass Gareas etwas zustieß. Ernest war bereits tot; er würde es nicht ertragen, dass noch jemand starb, der ihm nahestand.

„Erts!“ hörte er die vereinten Stimmen der anderen rufen.

„Jemand muss ihn aufhalten!“, schrie Yu.

Teela und Gareas flogen ihr hinterher, doch der jüngste der Top-Piloten hatte bereits Vorsprung.

Nun war auch die Formation der Victims zu sehen, die Gareas töten wollten. Sie schossen aus der Menge hervor und sahen aus wie ein einziger großer Pfeil. Und dieser Pfeil war nur auf eines aus: Tod.

Erts fühlte, wie sich die Angst in seine Glieder stahl und ihn fast lähmte. Er war nicht für den Angriff zuständig; seine In-Grid hatte keine Offensiv-Waffe.

Doch seine Angst machte ihn gleichermaßen stark – sehr stark - und ein zweites Mal in diesem Einsatz begann sich seine EX zu aktivieren: seine zweite Fähigkeit, eine zerstörerische Form, die er bisher noch niemals eingesetzt hatte, weil er noch niemals zuvor so weit nach vorne an die Front des Kampfes gekommen war.

Tune, Erts‘ Lotsin, erkannte die Gefahr, die nun von ihm ausging, sofort.

„Zurück! Sofort zurück, sonst wird er euch auch zerstören!!“

Gareas konnte nun nur noch hilflos ein Stück zurückfliegen und musste tatenlos mitansehen, wie Erts seine zweite EX aktivierte, um sie alle vor dem vernichtenden Angriff der Victims zu retten. Nicht einmal Ernest, der dieselben Fähigkeiten wie sein Bruder gehabt hatte, hatte es jemals gewagt, die zweite EX einzusetzen.

Doch Erts war mutiger.

Seine In-Grid begann zu leuchten und es entstand solch eine gleißende Helligkeit inmitten des tiefschwarzen Universums, dass alle anderen Piloten ihre Augen schützen mussten, um nicht zu erblinden.

Das nächste, was sie spürten, war ein durch Mark und Gebein dringender Schrei von Erts, dessen EX unkontrolliert die gesamte Umgebung zu zerstören schien, dann eine Druckwelle, die sie ein großes Stück nach hinten schleuderte.

Dann wurde es still.

Die vier Top-Piloten G.O.A.s mussten sich sammeln, um zu realisieren, was passiert war.

Um sie herum flogen Fetzen der entzweigerissenen Victims. Ihre Sicht war behindert, so viele tote Victims trieben in der Sphäre umher.

Gareas hatte als Erster die Fassung wieder.

„Wo ist Erts?“

Nummer Eins meldete sich als nächstes und erstattete G.O.A. Bericht. „Die Ziele sind komplett vernichtet. Mission erfolgreich beendet!“

Gareas und Yu flogen derweil los, um inmitten des Schlachtfeldes Erts zu suchen.

„Reneighd Klein, erbitte Meldung! Erts, bitte sag‘ etwas!“, rief Tune völlig aufgelöst. Ein schlimmes Déjà-vu kam ihr in den Sinn. Was, wenn Erts nun auch tot wäre? Das durfte nicht sein!

Ernest war bereits gestorben und das hatte sie kaum verkraftet. Zudem war sie in ihn verliebt gewesen, das hatte alles noch viel schlimmer gemacht. Wenn nun auch sein kleiner Bruder tot wäre, so war sie sich sicher, das würde sie nicht mehr ertragen können und ihre Arbeit als Lotsin niederlegen.

„Ich sehe seine In-Grid!“, riss Yu Hikura sie plötzlich aus ihrer Panik.

Gareas schoss an Tellia Callisto vorbei und sah das Ausmaß von Erts‘ EX-Ausbruch: um ihn herum schwebten tausende zerrissene Victims, in ihrer Mitte trieb die übel zugerichtet scheinende Reneighd Klein ohne Bewegung umher.

„Erts! Erts, verdammt, antworte!“, rief Gareas panisch. Auch er wurde bei diesem schaurigen Anblick unweigerlich an Ernests Tod erinnert.

„Oh Gott, er wird doch nicht etwa auch…?!“

Aber dem war, dem Himmel sei Dank, nicht so.

„Ich bin noch am Leben…“, kam Erts‘ schwache Antwort.

Alle atmeten erleichtert auf.

Nummer Eins ergriff das Wort. „Erts ist am Leben, aber scheint verletzt zu sein. Reneighd Klein ist ziemlich beschädigt. Wir bringen sie zurück, G.O.A.!“

Tune weinte vor Erleichterung, Gareas schloss dankbar die Augen.

Der Junge hatte seine EX besser im Griff als man es ihm äußerlich ansah. Er hatte eine mentale Stärke, von der andere Piloten nur träumen konnten. Dieser Top-Pilot war etwas ganz besonderes – das hatte er soeben all jenen bewiesen, die vielleicht noch daran gezweifelt hatten.

„Wir werden uns noch sprechen“, kündigte Teela dem jüngsten der Piloten streng an, doch Erts war das momentan herzlich egal.

Sie lebten alle noch; er hatte sie retten können.

Er fühlte wie zwei der anderen In-Grids seine eigene ins Schlepptau nahmen und nach G.O.A. zurück transportierten.

Insgeheim war er sogar etwas stolz auf sich. Er hatte fertig gebracht, was Ernest nicht geschafft hatte.

Vielleicht hatte er seinem Bruder doch etwas voraus.

Und hoffentlich hatte Gareas nun erkannt, zu was sein Geliebter fähig wäre für ihn.

Sein ganzer Körper war schwer wie Blei und schmerzte höllisch, doch ein gewisses Gefühl des Glücks machte alles nur halb so schlimm.

Er bekam nicht mehr mit, wie sie in den Startbereich zurückkehrten, noch wie er in der Krankenstation landete, denn eine Ohnmacht der Erschöpfung holte den blonden Jungen ein.
 

Als er aufwachte, lag er in einem Bett und starrte an eine weiße Decke. Als er sich umsah, wurde ihm klar, dass er sich in einem separaten Zimmer der Krankenstation befand.

Er hatte nicht einmal mehr Schmerzen.

Gareas saß neben ihm und war etwas vornüber gebeugt, den Blick gen Boden gewandt und die Finger nervös ineinander vor sich verhakt.

Erts setzte sich langsam auf und sein Freund wurde sofort auf ihn aufmerksam.

„Du bist wach! Gott sei Dank. Ich habe mir solche Sorgen gemacht.“

Erts lächelte müde. „Ich bin okay.“

Gareas‘ Blick war erleichtert, dann wich seine Miene leichtem Zorn.

„Was hast dir eigentlich bei deiner Aktion gedacht?! Du könntest tot sein!“

Erts sammelte sich. „… sie wollten dich ausschalten. Das konnte ich nicht zulassen.“

Gareas‘ Blick wurde wieder sanfter.

„Trotzdem… so etwas darfst du nie wieder machen.“

Erts sah ihn vorwurfsvoll an. Er hatte keine Lust, immer als Schwächling angesehen zu werden, der sich nur im Hintergrund zu halten hatte. Vor allem nicht von Gareas. „Ich bin nicht *Ernest*. Ich weiß, wie weit ich gehen kann!“

Und das saß, das wusste Erts.

Gareas sah betreten zu Boden. „Das sage ich ja auch gar nicht…“ „Dann deute es auch nicht mit solchen Aussagen an.“

Der ältere der beiden Piloten wusste, dass Erts es nicht mochte, mit seinem Bruder verglichen zu werden. Aber es war nun einmal so, dass beide keine Offensivkämpfer von Natur aus waren. Und er würde einen Teufel tun, mit Erts in solch einer Situation darüber zu diskutieren.

Also beließ er es dabei und schwenkte um.

„Wie fühlst du dich?“

Erts zuckte die schmalen Schultern. „Es geht so. Hab‘ mich schon besser gefühlt.“

„Ich bin froh, dass dir nicht Schlimmeres zugestoßen ist. Danke, dass du dich für mich eingesetzt hast.“

Sie lächelten einander an, doch Erts‘ Lächeln war nur der Form halber.

Eigentlich hatte er mehr von Gareas erwartet. Dass er so zurückhaltend wäre, das hatte er nun wirklich nicht erwartet.

Gareas war ein impulsiver Mensch; eigentlich wäre zumindest ein liebevoller Kuss seine Art gewesen, aber nicht einmal eine Umarmung folgte.

Und das verletzte den sanften Jungen ziemlich.

Dr. Rill Croford kam herein. „Ah, der Patient ist endlich wach. Gareas, mach‘, dass du rausgehst.“

Der Angesprochene zog gekünstelt eine Fratze. „Oh je, wenn Frau Doktor schon so kommt, dann gehe ich wirklich besser. Bis später.“

„Bis dann“, murmelte Erts und war im nächsten Moment auch schon mit Dr. Croford alleine im Raum.

Der Checkup begann, doch der junge Pilot war gedanklich abwesend.

Gareas hatte offensichtlich nicht gemerkt, was Erts ihm mit seiner Aktion eigentlich hatte klarmachen wollen.

Das Herz des Jungen zog sich krampfhaft in der Brust zusammen.

Eines war klar: Wenn sein Freund etwas *so* Offensichtliches nicht verstand, wie weit her konnte es dann mit seinen Gefühlen für ihn sein?

Dr. Croford redete etwas mit ihm, doch Erts hörte sie nicht. Er war in seinem Innersten längst fernab G.O.A.s.

Er versank in einem Meer der Verzweiflung und drohte darin langsam aber sicher zu ertrinken, wenn er nicht bald Hilfe für seine seelischen Wunden bekäme.
 

* * * * *
 

Armer Erts. ._.

Aber wo Verzweiflung ist, gibt es auch Hoffnung :)

Part 3

Danke für den Kommi <3

Das Kapitel ist für alle meine Leser :3
 

* * * * *
 

Es dauerte nicht lange, bis Erts sich von seinem EX-Ausbruch erholt hatte.

Sein Gemütszustand jedoch hatte sich nicht ansatzweise gebessert.

Warum auch? Er hatte sein Leben für Galew riskiert. Und er? Er hatte es als eine Sache des Pflichtgefühls genommen.

Kein einziges Wort war über seine Lippen gekommen, das Erts‘ aufopfernde Handlung auch nur andeutungsweise als einen Akt der unendlichen Zuneigung hätte beschrieben.

Und das schmerzte den blonden Jungen mehr als alle seine körperlichen Gebrechen, die er davongetragen hatte.

Es ging alles einfach so weiter wie zuvor. Als wäre gar nichts passiert.

Sicher, Erts integrierte sich wieder voll und ganz mit all seinen Fähigkeiten in die Gruppe, aber er war deprimiert.

Und das sah man ihm an, ob er es nun wollte oder nicht.

Yu zog ihn während eines Trainings am Nachmittag zur Seite.

„Ist es wegen Galew?“

Erts‘ Augen sprangen nervös zwischen seinen eigenen fast schwarzen, rehgleichen großen Seelenspiegeln umher.

Ah, schoss es Yu verräterisch durch den Kopf, ich habe wohl recht getippt.

„Was meinst du?“

Die fast noch nervösere Frage schlossen jeden Restzweifel aus.

„Deine ständige Traurigkeit. Ist doch mehr als offensichtlich.“

„Wie kommst du darauf, dass Galew der Grund dafür ist?“, fragte der Jüngere schrill.

Yus Miene wirkte fast teilnahmslos, doch das täuschte sehr. „Weil du ihn immer wieder anstarrst.“

Erts wollte ein ‚Nein‘ schreien, wollte leugnen, aber was hätte das denn für einen Sinn gehabt? Yu war ein scharfsinniger Mensch. Und wer weiß, vielleicht wollte er ihm ja nur helfen.

Also nickte er langsam. „Ja, du hast recht… es ist wegen Galew.“

„Streit?“

„Wenn’s das nur wäre.“

„Geht es um ein Mädchen?“

Erts lachte. Aber es war ein bitteres Lachen. In diesem Lachen steckte so viel Bitterkeit und Hilflosigkeit, dass es fast wehtat.

„Ein Mädchen? Oh Gott, nein… Vielleicht indirekt. Als Auslöser. Aber er und ich wären garantiert niemals Rivalen wegen…“, und den letzten Teil betonte er verächtlich, „irgendeiner Lotsin.“

Yu musterte den anderen Jungen langsam und scharfsinnig prüfend. Also war es wohl ein anderer Grund. Aber was für ein Grund musste es geben, der Erts so aus der Bahn warf, dass er Tag und Nacht nur noch ein seelisches Wrack war?

Galew war doch weiß der Himmel kein Mensch, der jemanden – außer seine Todfeinde und Rivalen, und Erts war weder noch – lange traurig machen konnte. Er konnte Herzen brechen, sicher. Aber seine Freunde so traurig machen, dass es so schlimm wurde, dass sie blass und dürr davon wurden? Niemals.

Er betrachtete Erts eingehender und versuchte, sich ihn mit einem Mädchen an der Seite vorzustellen. Wie sie sich küssten.

Es war irgendwie eine abwegige Vorstellung. Erts hatte noch nie eine Freundin gehabt. Zumindest nicht, dass Yu es wusste. Und irgendwie konnte er es sich auch nicht vorstellen, dass Erts ein Mädchen glücklich machen würde.

Er war kein Kerl, der Geborgenheit bieten konnte, weil er *selbst* Schutz brauchte. Schutz vor sich selbst und der Dunkelheit in seinem Inneren. Schutz vor denjenigen, die stärker waren als er selbst und die ihm Schlechtes wollten. Und davon gab es viele, sehr viele.

Erts war bestimmt auch niemand, der anderen Trost bieten konnte. Aus welchem Repertoire würde er denn Sonne tanken? Seine Eltern liebten ihn doch nicht, wie er selbst schon einmal erzählt hatte. Er brauchte doch selbst Trost.

Und zu guter Letzt war Erts auch keine Person, die die Initiative ergriff. Er war jemand, der Führung *brauchte*.

Um es fast sogar hämisch zu sehen: Erts war selbst sehr mädchenhaft. Sein Körper setzte, so wie Yus eigener, nur schwer, wenn überhaupt, Muskelmasse an.

Konnte es sein…? War es möglich, dass…?

„Erts, bist du in Galew verliebt?“

Der Angesprochene sah ihn mit geweiteten Augen an. Der Schock über diese Frage stand ihm ins Gesicht geschrieben. Er war unfähig zu antworten und sämtliche Farbe wich aus seinem Gesicht.

Ich hatte recht, kombinierte Yu schnell.

Und um Erts nicht dastehen zu lassen in einem Moment schlimmster Peinlichkeit, fügte er langsam und ehrlich hinzu: „Du brauchst dich dafür nicht zu schämen. Ich werde es niemandem weitersagen.“

„Ich… es…“, stotterte Erts und fühlte wie ihm die Tränen in die Augen schossen, weil er endlich alles raus lassen konnte, „… ich kann nichts dafür. Es ist…. es ist einfach passiert. Ich wollte es doch nicht…“

Yus Miene wurde sanfter. Er konnte Erts verstehen, denn auch er haderte die letzten Tage sehr mit sich selbst, weil Rios viele Aufmerksamkeit langsam aber sicher ihre Spuren in seinem Herzen hinterließen. Er begann, für den Piloten Agui Keimeias zu schwärmen. Und liebe Zeit, er hatte das doch auch nicht gewollt. Es passierte einfach und er konnte sich nicht dagegen wehren.

Wie schlimm musste es wohl für Erts sein, still in sich hinein zu leiden, ohne sich jemandem anvertrauen zu können?

Yu trat dicht an den anderen Jungen heran und legte eine Hand auf seine Schulter. „Du kannst mir alles anvertrauen. Ich höre dir zu.“

Erts schlug die Hände vors Gesicht und schluchzte leise, während die ersten Tränen fielen.

„Ich wollte es nie jemandem sagen, aber ich schaffe es nicht! Oh Gott, ich kann einfach nicht mehr!“

Yu strich liebevoll über seine Schulter und schwieg einfach nur. Er konnte den unendlichen Schmerz des anderen Jungen fast greifen.

„Wir haben schon seit einer Weile eine Affäre, aber ich liebe ihn über alles! Und er… er merkt es einfach nicht. Er geht sogar mit irgendwelchen Lotsinnen in die Kiste, ohne Rücksicht auf mich!“

Yu wollte ihm am liebsten klarmachen, dass eine Affäre keine Verpflichtung zu irgendetwas ist, und dass Galew eigentlich schlafen konnte, mit wem und wann er wollte, doch das würde Erts in diesem Moment auch nicht helfen. Und zudem wusste er das sicherlich selbst.

„Aber du willst die Affäre nicht aufgeben, weil du ihm so näher bist als alle anderen, nicht wahr?“

„Ja“, schluchzte Erts verzerrt und versuchte verzweifelt, die unzähligen Tränen von seinen brennenden Wangen zu wischen.

Das war wirklich eine sehr verzwickte Situation, sah Yu ein.

Er wusste nicht, was er Erts raten sollte. Alles wäre momentan schlecht.

Und dann hörte er auch noch Rios Stimme von weiter hinten.

„Yu! Hast du mal kurz Zeit?“

Sein Herz schlug höher, doch Erts‘ Probleme hatten nun Vorrang.

Also sah er kurz über die Schulter. „Später bitte. Ich habe gerade zu tun.“

Rio sah ihn irritiert an, erkannte dann aber endlich die Lage als er Erts‘ zuckende Schultern sah. „Äh… klar, kein Problem. Ich trainiere solange weiter.“

Damit verschwand er wieder in Richtung der anderen.

„Tut mir leid“, schniefte Erts. „Ich bin dir nur eine Last.“

„Nein, bist du nicht“, versicherte Yu ihm schnell. „Es ist in Ordnung. Du brauchst jetzt jemanden, der für dich da ist.“

Und wie er das tat. Erts sah Yu mit einem mehr als dankbaren Blick aus großen, verzweifelten Augen an.

Das war das netteste, was jemand derzeit für ihn tun konnte. „Das ist wirklich nett von dir.“

„Schon okay… Sag‘, wie ist es überhaupt gekommen, dass du dich auf eine Affäre mit diesem Schürzenjäger eingelassen hast?“

Erts dachte kurz nach. Es kam ihm vor wie eine Ewigkeit, die Zeit, bevor sie sich auf einander eingelassen hatten.

„Er war für mich da als ich neu in eure Gruppe kam. Er fühlte sich ein Stück weit für mich verantwortlich, nach dem Tod meines Bruders.“

Er musste fast schon bitter lächeln. „Wir haben wohl zu viel Zeit alleine miteinander verbracht. Und irgendwann… irgendwann haben wir dann alle Hemmungen fallen lassen. Es ist nicht so als hätten wir es kontrollieren können.“

„… und mit jedem Mal hast du dich mehr in ihn verliebt, oder?“

Erts nickte langsam.

„Und Galew merkt nicht, wie sehr du unter seinen anderen Affären leidest?“

„Offenbar scheint es ihm egal zu sein.“ Die harte Feststellung trieb Erts neue Tränen in die Augen.

Yu fühlte mit ihm mit. Es war sicher nicht einfach für den jüngsten der Top-Piloten G.O.A.s, eine der vielen Affären von Galew zu sein und der merkte nichts von der tiefen Liebe zu ihm.

„Weißt du“, sagte Erts heißer, „ich war bereit, da draußen für ihn zu sterben. Ich hätte mich sogar *liebend gerne* für ihn geopfert, wenn er nur gesehen… wenn er nur gemerkt hätte, dass ich ihn *wirklich* liebe und es viel mehr als eine Affäre für mich ist.“

Yu konnte aus allen Worten des anderen Jungen die blanke Ehrlichkeit heraushören. Er schien Galew von ganzem Herzen zu lieben, ja mehr als sein eigenes Leben.

„Wenn du so weitermachst, wirst du daran zerbrechen, Erts.“

Es war eine Feststellung, keine Vermutung. Das war beiden klar.

„Aber was soll ich denn tun?“

Erts schien von Yu eine Antwort zu erwarten, die DIE Lösung sein würde, die alle Probleme beseitigen würde.

Aber dem war nicht so. Die Lösung, die Yu vorschwebte, war verbunden mit seelischen Schmerzen.

„Beende die Affäre.“

So knapp der Rat gehalten war, so niederschmetternd war die Bedeutung.

„Was?“, kam es atemlos von Erts. Zwar hatte er insgeheim mit so etwas gerechnet, dennoch war es nicht weniger schrecklich für ihn. „Aber… ich weiß nicht, ob ich das kann.“

„Du musst aber, wenn du nicht zerbrechen willst unter deinem Gefühlschaos.“

Er hatte recht, das wusste der jüngere der beiden Piloten leider zu gut. Er musste die Sachlage grundlegend ändern.

Also nickte er betreten, fügsam des Rates.

„Ich werde für dich da sein, wenn du jemanden zum Aussprechen oder –weinen brauchst,“ bot Yu an, um es Erts leichter zu machen. Das war sonst nicht seine Art, weil er introvertiert war, aber bei Erts war alles etwas anders, da er ihm so ähnlich war, genauso introvertiert und sogar noch etwas naiver.

Um es genau zu nehmen, Erts erinnerte ihn an sich selbst als er noch etwas jünger war. Und das war mehr als Grund genug, dem anderen Jungen zu helfen. Denn er wollte nicht, dass Erts, genau wie er selbst noch vor einiger Zeit, zur Zielscheibe für die blöden Sprüche von Rio oder Galew – insbesondere Galew! - wurde, weil er den Mund nicht aufbekam.

„Danke. Das bedeutet mir viel, Yu.“

Yu lächelte leicht – etwas, das man eigentlich nie bei dem sonst so beherrschten Jungen zu sehen bekam.

„Ich werde es so schnell wie möglich hinter mich bringen, das wird wohl das Beste sein.“

„Eine gute Idee. So, und jetzt lass‘ uns weiter trainieren. Nummer Eins sieht schon wieder mahnend in unsere Richtung.“

Erts wischte die restlichen Tränen weg, bevor er noch einmal durchatmete, bereit für das Training.

Er würde also die Affäre beenden. Es stand fest, weil es das Beste war für ihn – und vielleicht auch für Galew.
 

* * * * *
 

Als das Training für den Tag zu Ende war, wartete Erts in den Umkleiden, bis er Galew für einen Moment zur Seite ziehen konnte.

„Ich muss mit dir reden.“

Galew grinste dreckig.

„Kriegst wohl nicht genug von mir, was? Ich wollte heute Abend sowieso zu dir kommen.“

Erts verzog keine Miene.

„Treffen wir uns um 20.00 Uhr im Simulationsraum.“

„Ist gut“, meinte Galew etwas überrumpelt. Dass sie sich weder bei Erts im Quartier trafen noch dass der blonde Junge lächelte, irritierten ihn.

Also war es wohl das Beste, die Sache heute Abend zu besprechen.

Und so duschten die Piloten und zogen sich schweigend an.

Yu wartete noch auf Erts. „Und? Hast du mit ihm gesprochen?“

„Noch nicht, aber ich werde es ihm heute Abend klarmachen.“

„Viel Glück“, wünschte Yu ihm, dann verließ er die Umkleiden.

Erts konnte noch kurz sehen, dass Rio außen auf ihn wartete und ihn gleich ansprach.

Ist da etwa auch was im Busch?, schoss es Erts durch den Kopf, doch er hatte keine Nerven sich jetzt darüber den Kopf zu zerbrechen.

Er musste ein kühles Gemüt bewahren bei dem Gespräch, was ihm bevorstand.

Und wenn er jetzt schon an den späteren Abend dachte, schlug sein Herz vor Aufregung höher.

Er machte sich nüchtern klar, dass es nach heute Abend keine Küsse mehr mit Galew geben würde, keine zärtlichen Berührungen mehr, keine Vereinigung ihrer Körper zu einem Ganzen, ja keine zweite Trausamkeit.

Sie würden einfach nur wieder Kollegen sein, die Seite an Seite um die weitere Existenz des letzten Planeten kämpften – Zion.
 

Viel zu schnell als es dem Piloten Reneighd Kleins lieb war, war die Zeit angebrochen, die Affäre mit Galew zu einem Ende kommen zu lassen.

Pünktlich um 20.00 Uhr stand er vor dem Simulationsraum und die automatischen Türen öffneten sich monoton vor ihm.

Doch bevor Erts irgendeinen Gedanken fassen konnte, realisierte er, dass hier bereits eine Welt kreiert worden war: ein tiefgrüner Waldrand mit Blick auf weite Wiesen und einem hellblauen *Horizont*.

Sogar die Geräusche der Vögel und des Windes war originalgetreu nachempfunden worden.

Am Waldrand saß bereits Galew und schien in entspannter Pose den Horizont zu betrachten.

Dass er überpünktlich war, verunsicherte Erts und seine Entschlossenheit drohte zu schwanken. Galew hatte sich redlichst Mühe mit diesem Panorama gegeben und er? Er hatte nichts Besseres zu tun als die Sache zwischen ihnen zu zerstören.

Das schlechte Gewissen begann an Erts zu nagen. Aber er konnte, er durfte jetzt keine Schwäche zeigen, sonst würde sich niemals etwas zwischen ihnen ändern.

Also trat er näher und räusperte sich als er hinter Galew stand.

Sein Herz begann einen Marathonlauf.

„Hey, da bist du ja“, lächelte Galew freundlich. „Setz‘ dich doch neben mich.“

Erts folgte gehorsam.

„Wie lange bist du schon hier?“

„Och, seit einer halben Stunde ungefähr. Wollte etwas nachdenken.“

„Nachdenken?“, echote der Jüngere höher.

„Naja, über alles eben. Wir leben nur für Zion und um diesem Planeten zu beschützen. Aber ob wir jemals dort sein werden?“

Erts beschloss, sein Anliegen etwas weiter nach hinten zu verschieben, denn dieses Thema war mindestens genauso wichtig wie das andere. Es betraf schließlich ihr ganzes Leben.

„Ich hoffe schon“, sagte er zuversichtlich, um Galews Frage zu beantworten.

Der sah ihn verwundert an. „Du klingst so überzeugt davon.“

Erts zuckte die Schultern. „Davon lebe ich jeden Tag. Du nicht?“

Galew dachte mit ernster Miene nach. „Weiß nicht. Darüber habe ich noch gar nichts so nachgedacht, um ehrlich zu sein. Ich lebe derzeit jeden Tag wie er kommt.“

Das war der beste Moment, um die Kurve zu kriegen!

„Ja, das habe ich schon gemerkt, Galew.“

Der hob seine Augenbraue. „Wie meinst du das?“

Erts sah zu Boden. Er konnte ihm dabei nicht in die Augen sehen. „Nun…. Du denkst nur an dich und nicht an die Menschen in deinem Umfeld. Versteh‘ mich bitte nicht falsch, du bist ein netter, herzlicher und offener Mensch. Aber dein Liebesleben… ist ein einziges Chaos.“

„Oh“, kam es etwas betroffen. „Naja, das stimmt schon irgendwie. Aber ich kann mich einfach nicht entscheiden, was ich eigentlich will.“

Das kränkte Erts, weil Galew es fast lapidar aussprach. „Das habe ich auch gemerkt und bin zu einem Entschluss gekommen.“

„Bist du deshalb mit mir hier?“

„Ja. Ich möchte, dass wir die Affäre beenden, Galew.“

Ein Schweigen entstand, gegen das eine einsame Nacht mitten in einem Wald voller nerviger Ausbilder ein Witz war.

Diesen Moment hatte Erts erwartet und oh, wie sehr er ihn hasste!

Aber da musste er nun durch. Es war endlich raus und sein Herzrasen nahm an der Intensität ab.

Er wagte es nicht, Galew nun anzusehen.

Der ergriff irgendwann wieder das Wort. „Das ist beschlossene Sache?“

„M-hm“, kam es bejahend von dem blonden Jungen.

„Das ist schade“, murmelte Galew. „Aber wenn es dein Wunsch ist, kann man wohl nichts machen.“

Erts sah ihn ruckartig an, um das Missverständnis aus dem Weg zu räumen.

„Das ist nicht mein Wunsch, es muss sein, weil ich unter den gegebenen Umständen nicht mehr weiterleben kann und will. Ich gehe daran kaputt, Galew. Merkst du das denn nicht?“

Galew sah ihn einfach nur an, überfordert mit der Situation. Darüber hatte er wohl noch nicht nachgedacht.

„Es tut mir leid“, flüsterte Erts und beherrschte sich, um nicht zu sentimental zu werden.

„Mir auch“, kam es atemlos von seinem Freund.

„Ich gehe jetzt besser“, krächzte Erts traurig. „Bis morgen.“

Damit verließ er ohne sich noch einmal nach seinem Freund umzusehen den Simulationsraum, denn er spürte die Blicke an seinem Rücken wohl.

Er lief so schnell ihn seine Beine trugen zu seinem Quartier und schloss sich dort ein.

Endlich war es vorbei und er würde wieder leichter zu leben haben, aber warum tat dies dann nur so verdammt weh? Und warum zum Henker weinte er denn nun schon wieder?!

Erts ließ sich kraftlos aufs Bett fallen und weinte sich die Seele aus dem Leib. Er weinte all den Schmerz, den er Galew und sich soeben bereitet hatte, weinte all die Einsamkeit, die er nun schon wieder zu ertragen hatte, weinte sich in den Schlaf, der die einzige Rettung war, all das hier für die Nacht lang zu vergessen.
 

* * * * *
 

:/

Die armen beiden. Aber versprochen, im nächsten Kapitel werdet ihr nicht mehr so viel Trauriges lesen müssen. :)



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Kommentare zu dieser Fanfic (5)

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Von:  xXannaxyoxX
2013-11-12T22:08:45+00:00 12.11.2013 23:08
gut das erts keine frau ist diesen gare hätte ich was gegeigt von wegena ffäre und fremdflirten ich hätte dem eine geballert net der tusssi sondern ihn lol aber so richtig xD erts ist einfach nur sooooo süß und ich finde zu ihn passt seine lotsin lotte am besten weil die ihn wriklich mag
Von:  SaRiku
2013-03-24T17:09:37+00:00 24.03.2013 18:09
TT____TT
Aaaah.... *Galew in den Hintern tret* Blöder Kerl, wieso ist er bloß so verdammt blind, sobald es um Erts geht?! >___< Verdammt.

In diesem Kapitel... hab ich Yu ganz schön ins Herz geschlossen. Wie lieb er zu Erts war... wurde je auch mal Zeit, dass der Kleine sich wem würde anvertrauen können. >x<
Tjah. Und gerade jetzt, bei einem 'Kliffhänger' wie aus dem Bilderbuch, kann ich leider nicht weiterlesen! O__O Neiiin~ A-aber du versprichst, dass das Leiden bald, also vielelicht schon im nächsten kapitel, ein Ende haben wird?! >///< *sich auf die Lippe beiß*

Deine Fanfiction ist jetzt jedenfalls auf meiner Favoritenliste, ich hoffe, ich bekomme mit, wenn du weiterschreibst... (und das solltest du, du hast hier bisher ein so tolles Werk geschaffen *Däumchen heb* ^^b).
Bis bald! ;3
Von:  SaRiku
2013-03-24T16:51:30+00:00 24.03.2013 17:51
Waaaah~ wie gut du einfach schreiben kann!!! >////< *vom Stuhl kipp*
Oh Mann.... :>
Ich bin immer begeisterter von deiner Geschichte. Du schaffst es einfach, sie so zu schreiben, als würde sie tatsächlich zu der Storyline von Candidate for Goddess gehören, sich im Hintegrund der eigentlichen Gesichte wirklich genau so abspielen.

Dieser Kapmf war unglaublich klasse beschrieben. Sowas kannst du also auch - nicht nur gefühlvolle Szenen, sondern auch Action! >:D

Hat sich mehr als gelohnt hier weiterzulesen! <3
Von:  SaRiku
2013-03-19T22:52:18+00:00 19.03.2013 23:52
Hey! :)
Es ist zwar schon lange her, seit diese Fanfiction hochgeladen wurde, aber ich versuche es trotzdem mal mit einem Kommentar. Vielleicht wird er ja doch eines Tages gelesen? ;D
Ich mag deinen Schreibstil! *~* Das möchte ich ganz zu Anfang klarstellen! >w< Du baust so viele... besondere, metaphorische Beschreibungen ein, das mag ich sehr. Es ist nicht zu viel oder zu wenig, finde ich. :3
Außerdem kann man richtig gut mit Erts mitfühlen, du beschreibst sehr gut (aber auch nicht zu langatmig ;)), wie es in seinem Inneren aussieht. Mann, tut er mir Leid. *seufz*
Übrigens finde ich~ dass du die Charaktere wirklich richtig richtg gut triffst! *__* Vor allem die Stelle mit Tune hat mir gut gefallen. Du hast wirklich perfekt zusammengefasst, in was für einem Verhältnis die beiden zueinander stehen. Und Erts ist ja auch wirklich ein sehr aufopfernder Mensch. v///v Er hätte es echt verdient, glücklich zu werden. Bin gespannt, wie du die Geschichte weiterentwickeln wirst und ob Galew vielleicht doch noch weich wird und sich weiter einschränkt, einem ganz besonderen Menschen zuliebe? :'D
Ich hebe mir die beiden anderen Kapitel für die nächsten Tage auf, also villeicht... hörst du bald wieder von mir. ;)

Liebe Grüße~ (und Gute Nacht ^^°)
Von:  portia
2010-06-02T21:29:36+00:00 02.06.2010 23:29
Hey Lykos,
also ich mag das Pärchen echt gerne - Galew als Schwerenöte und der sensible, stille Erts. Bin gespannt wie es weiter geht. Ich fand auch die Andeutung zu der Beziehung zwischen Erts und Ernest ganz interessant, dass Erts immer der kleine Schatten war. Vllt könnte man da noch was gutes drauß machen, auch in Bezug zu Galew.
Ansonsten ist deine Geschichte angenehm zu lesen und nachvollziehbar. Nur eines müsstest du vllt noch irgendwie klären (das ist aber bei Erts finde ich immer so ein Problem)und zwar, wie Erts zwar die Gefühle und Gedanken von allen lesen kann, aber bei Galew vollig unschlüssig ist. Eine Lösung wäre vllt zu sagen, dass seine (Erts) eigenen Gefühle seine Fähigkeit in Bezug auf Galew einschränkt oder stört.

Freu mich auf eine Fortsetzung

Liebe Grüße
Portia


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