Feather and Blood von lupa ================================================================================ Kapitel 3: Tränen und Meer -------------------------- Innerhalb kürzester Zeit hatten sie einen Suchtrupp zusammengestellt. Sandra durchstreifte die eine Hälfte des Waldes und Aaron mit dem Blutwolf Gray die andere. Alles wäre viel einfacher gewesen, wenn wenigstens einer von ihnen ihre Fährte hätte aufnehmen können. Tatsächlich roch Reina für sie alle sehr intensiv und angenehm, doch selbst Aaron, der sie normalerweise noch zehn Kilometer bei Gegenwind wahrnahm konnte sie an dem Tag nicht aufspüren. Ihnen blieb nichts anderes übrig als zu versuchen sie so zu finden. Aaron durchkämmte den Wald akribisch und hoffte dank seiner Ausbildung als Waldläufer, welche schon eine Weil zurücklag, wenigstens einige Spuren zu finden, blieb aber erfolglos. Der Tag neigte sich immer mehr seinem Ende zu, allmählich fing es an zu dämmern und ihm wurde klar, dass ihre Chancen sie zu finden immer geringer wurden. Er war kurz davor die Hoffnung sie wiederzusehen aufzugeben, als Gray plötzlich davon hetzte, sodass Aaron seine Fähigkeiten einsetzen musste um hinterher zu kommen. Jedoch nützte es ihm nichts, nach einigen hundert Metern hatte er den Wolf aus den Augen verloren. „Na toll jetzt muss ich den auch noch suchen. Wenigstens kann ich seine Fährte verfolgen.“ Die Spur des Wolfes führte ihn sehr, sehr weit von dem Haus der Sanktins weg. Kilometerweit durch den Wald, bis er einen Strand erreichte. Tatsächlich konnte er den Pfotenabdrücken im feinen Sandstrand gut folgen. Aaron war leicht verwundert er hatte eigentlich gedacht die Gegend sehr gut zu kennen, aber soweit war er nie gekommen beim erkunden. Er hatte diesen von Bäumen umsäumten Strand nie entdeckt, obwohl er die Klippen die ihn an beiden Seiten beendeten kannte. Als er dem Wolf weiter folgte, umwehte ihn ein Windstoß, der einem wohl bekannten Geruch an seine Nase trug und ihm Hoffnung brachte. Reina hatte es zu Hause einfach nicht mehr ausgehalten, nachdem ihre Familie aufgebrochen war, rannte sie hinaus durch die Wälder. Sie hatte kein Ziel vor Augen, einfach nur zu rennen und nicht mehr denken, fürchten zu müssen war das was sie wollte. Wenn es nach ihr gegangen wäre hätte der Wald kein Ende mehr nehmen dürfen, doch nach einiger Zeit hatte sie den Strand erreicht. Ohne einen weiteren Ausweg zu haben, hatte sie sich einfach an Ort und Stelle fallen lassen und war dort regungslos liegen geblieben. Solange bis sie ein Hecheln über sich hörte und spürte wie ihr jemand mit einer rauen Zunge übers Gesicht leckte. Eigentlich hatte sie vor gehabt nicht darauf zu reagieren, aber das Tier ließ nicht locker bevor sie nicht die Augen öffnete und sich aufsetzte. Als sie den Wolf zum ersten Mal sah erschrak sie sich. Reina hatte zuvor noch nie einen gesehen und schon gar keinen dessen Fell so nachtschwarz war. Entlang seiner Wirbelsäule war es Blutrot, als wäre ihm etwas auf dem Rücken ausgelaufen. Sie konnte aber nicht wirklich Angst vor ihm haben. Er schaute sie so lieb an, mit diesen großen, runden Wolfsaugen so als wollte er ihr sagen kraul mich. Das erste was Aaron tat nachdem er sie gerochen hatte war Sandra anzurufen um ihr von der Lage zu berichten und sie um Rat zu fragen, was er als nächstes tun sollte. Nachdem das Telefonat vorbei war verfolgte er ihren Geruch, bis er sie sah. Reina saß auf dem Sandstrand, die Beine angewinkelt, den Blick in Richtung Meer. Gray lag ausgestreckt neben ihr und genoss das Kraulen, solange bis er seinen Herrn erblickte. Als er Aaron sah sprang er freudig auf und jaulte. Reina durch die plötzliche Bewegung erschreckt sprang auch auf und folgte dem Blick des Wolfes. Als sie Aaron sah, war es als würde ihr Herz zerrissen werden. Sie konnte seinen Anblick im Moment nicht ertragen, nachdem was Cindy ihr erzählt hatte. Es war schon schwer genug für sie die einzige Person die sie jemals geliebt hatte zu verlieren, mit diesem Verlust aber gleich noch mal brühwarm konfrontiert zu werden ertrug sie nicht. Reina spürte wie sich ihre Augen wieder mit Tränen füllten, wandte sich von ihm ab und wollte weiter wegrennen. Doch bevor sie auch nur einen Schritt gemacht hatte stand Aaron bereits vor ihr und schnitt ihr den Fluchtweg ab. Am liebsten hätte sie sich oder ihn wegteleportiert, dummerweise hatte sie den Zauber noch nicht gelernt und durch ihn durchgehen konnte sie auch nicht. Sie standen sich eine Weile stumm gegenüber. Aaron beobachtete sie die ganze Zeit besorgt, wagte es aber nicht ihr näher zu kommen oder sie anzusprechen. Es war einfach alles zu viel für Reina, je mehr sie versuchte ihre Tränen zurückzuhalten, desto schneller verlor sie die Beherrschung und desto wässriger wurden ihre Augen. Als sie sich gerade wieder umdrehen wollte um in die andere Richtung wegzulaufen, spürte Reina wie Aaron zärtlich seine Arme um sie legte und sie vorsichtig an sich zog. So nah bei ihm, seine Nähe spürend und in den tiefen seines schwarzen Mantels versinkend, so nah an seinem Herzen konnte sie nicht anders als ihren Tränen freien lauf zu lassen und hemmungslos zu weinen. Aaron behielt sie die ganze Zeit in seinen Armen, presste sie vorsichtig an seine Brust und streichelte sanft über ihre Haare und ihren Rücken. Als Reina sich einigermaßen beruhigt hatte fragte er sanft: „Wollen wir uns hinsetzen?“. Sie antwortete ihm mit einem starken Kopfschütteln und schlang ihre Arme fest um seine Taille. Reina dachte nicht im Traum daran ihn jemals wieder los zu lassen, geschweige denn auf diese Nähe zu verzichten. „Hm, wie wäre es dann mit einem warmen Kakao und einem Bad? Ich sehe ja von hier aus, dass du frierst.“, es folgte erneut ein Kopfschütteln, „Mir fällt bald nichts mehr ein. Hm vielleicht sollten wir einfach hier stehen bleiben.“, ein zaghaftes Nicken folgte und Aaron nahm sie noch fester in den Arm und zog seinen Mantel als Wärmedämmung noch enger um sie. Eine ganze Weile standen sie so schweigend da. Reina hatte den Kopf an seine Brust gelegt und schaute aufs Meer, während er seinen Blick fest auf ihren Hinterkopf gerichtet hatte. Langsam ging die Sonne unter, das letzte Licht schwand vom Horizont und eine kühle Brise umwehte die Beiden. „Sie hat dich nicht verdient!“, flüsterte Reina leise. Aaron zum einen glücklich, dass sie wieder sprach und sich einigermaßen gefasst hatte, zum anderen verdutzt über die Aussage antwortete: „Wer?“ „Wer wohl? Cindy. Sie hat dich nicht verdient und du hast sie nicht verdient!“ „Autsch, dass war jetzt wirklich gemein. Wenn ich nicht mal so etwas wie sie verdient hab, hab ich wahrscheinlich gar kein Glück verdient.“, er lächelte Reina zögerlich an, als diese erstaunt hoch blickte. Das Lächeln erreichte jedoch nicht seine Augen, so als wüsste er, dass hinter der Aussage eine tiefere Wahrheit steckte, „Ich weiß ja, dass ich dich versetzt habe und dass das wirklich alles andere als nett war, aber deshalb wünscht du mir doch hoffentlich nicht so viel schlechtes, oder?“ Beim letzten Teil war seine Stimme immer unsicherer geworden. „Wovon... ich wünsche dir überhaupt nichts Schlechtes. Deshalb sage ich ja du hast sie nicht verdient. Ich würde sie nicht mal meinem schlimmsten Feind als Freundin wünschen und schon gar nicht dir. Dir wünsche ich alles Glück der Welt.“, sie senkte ihren Blick wieder, da sie knallrot wurde und ansonsten nicht hätte weitersprechen können, „ Und eine Freundin die dich glücklich macht, die dich wirklich liebt und das tut Cindy nicht. Sie meinte es noch nie ernst mit irgendwem. Für sie bist du nur eine Trophäe, bestenfalls ein Abenteuer.“, es kostete sie viel Überwindung und Kraft ihn beim letzten Teil des Satzes anzuschauen, „Ich will nicht, dass sie dir weh tut! Ich möchte, dass du glücklich bist.“ „Rei...“, nach diesem überraschenden Ausbruch brauchte er einige Zeit um seine Gedanken zu sortieren und sagte dann, „ Ich weiß zwar nicht worüber genau du grad redest, aber es fühlt sich schön an, wenn du das sagst.“ „Ich rede von dem was gestern zwischen euch passiert ist. Schließlich hast du mich wegen ihr versetzt und sie ist nicht gerade diskret was ihre „Abenteuer“ angeht. Du scheinst mir auch nicht die Art Junge, die ein Mädchen nur für eine Nacht will und so.“ Aaron ging langsam ein Licht auf, was Cindy erzählt hatte und er wusste nicht ob er heulen, vor Wut schreien oder sich übergeben sollte. „Ich fasse es nicht, dass sie die Dreistigkeit besessen hat so einen Mist zu verzapfen! Allmählich verstehe ich warum du vorhin so aufgelöst warst. Äh ich meine, wenn mir irgendein Typ erzählt hätte, dass er mit dir...Ich hätte den so was von...“, er bemerkte gerade noch im letzten Moment was er da sagte, wurde rot und setzte hinzu, „Äh ich meine, also gestern ist nichts zwischen deiner Schwester und mir passiert. Sie ist mir unglaublich auf die Nerven gegangen und hat mich irgendwann dazu eingeladen zu tun was ich möchte und da hab ich sie vor die Tür gesetzt. Wie konntest du ihr so was nur glauben? Sandra hat mir erzählt du kannst auch Gedankenlesen, warum hast du das nicht bei ihr überprüft? Oder bei mir?“ „Ich lese niemals ihre Gedanken. Da würde ich Sachen mitbekommen die so schlimm sind, dass mir danach kein Psychologe der Welt mehr helfen könnte und deine Gedanken kann ich nicht lesen. Scheint als wären unsere Gehirne auf der selben Frequenz oder so was, Interferenz und Auslöschung und so.“ „Du...kannst meine Gedanken auch nicht lesen?“, Reina schüttelte wieder den Kopf, „Wahrscheinlich hast du den Zettel auch nicht gefunden, den ich in deinem Spint hinterlassen habe oder? Tja dann muss ich dir wirklich viel erzählen, aber lass uns zurückgehen ja? Du hast doch schon Gänsehaut und es wird immer dunkler und kälter je länger wir brauchen. Komm Gray!“ Er ließ sie los und lief ein Stück den Strand hinab, bis ihm auffiel, dass Reina ihm nicht folgte. Aaron drehte sich um, sie stand immer noch an der Stelle an der er sie verlassen hatte und schaute zögernd aufs Meer hinaus. Langsam ging er wieder zurück, als er bei ihr angelangt war, hob sie den Kopf, sah ihn mit großen, bittenden Augen an und sagte: „Ich will nicht zurück, zumindest nicht mehr heute. Es ist ja eh keiner da, sie bemerken es also nicht wenn ich nicht heimkomme. Geh ruhig, ich möchte hier bleiben.“ „Das kannst du vergessen! Was denkst du was ich mir für Sorgen mache, wenn ich dich hier allein übernachten lasse. Mal abgesehen von dem was Sandra mir antun würde, wenn sie das erfährt. Außerdem würdest du über Nacht erfrieren, wir haben immerhin schon September und am Meer ist es besonders frisch. Du frierst doch jetzt schon. Es hat ja niemand gesagt, dass du zu dir nach Hause musst!“ „Wohin sollten wir wohl sonst gehen?“ Aaron kam Reina ganz nahe, sodass ihre Nasen nur noch ein paar Zentimeter trennten, schaute ihr tief in die Augen und hauchte ihr zärtlich entgegen: „Zu mir nach Haus!“ Sie wanderten zusammen über die nahegelegenen Klippen bis sie eine Straße erreichten, an der Sandra bereitstand um sie mit dem Auto mitzunehmen. Als sie den Schutz des Waldes verließen kam Sandra sofort auf sie zugelaufen und umarmte Reina stürmisch. „Gott was machst du denn für Sachen? Weißt du wie sehr wir uns gesorgt haben? Wir sind fast wahnsinnig geworden.“, sie schaute auf und bemerkte, dass Reina geweint hatte, „Rei, es tut uns alles so leid. Mach so was nie wieder! Oder nimm nächstes mal wenigsten ein Handy mit damit wir dich erreichen können. Ich dachte schon du tust dir sonst was an.“ „Was? Äh nein ich hatte nicht vor...Ich brauchte nur ein wenig Ruhe und Zeit zum Nachdenken und so. Außerdem hab ich kein Handy, ich brauchte ja auch nie vorher eins. Es gab schließlich noch nie jemanden der sich Sorgen um mich gemacht hat.“, etwas verlegen durch Sandras starke, emotionale Reaktion schaute sie Aaron an, dessen zärtlicher, fragender Blick allerdings nicht viel besser war. Nach einiger Zeit ließ Sandra dann wieder von ihr ab und bemerkte: „Du bleibst doch übers Wochenende oder? Ich hab zumindest ein paar Sachen von dir zu Hause geholt, also Schlafanzug, Zahnbürste, Schulzeug für Montag und so.“ „Äh, woher weißt du wo mein Zimmer ist? Geschweige denn wo die Sachen stehen?“, Reina war, dass in dem Moment doch etwas unheimlich. „Hm, ich hab dich mal am Fenster gesehen, als ich dich abgeholt hab. Ansonsten hab ich einfach alles auf den Kopf gestellt, bis ich deine Sachen gefunden hatte. Aaron ist bestimmt neidisch, dass er nicht in deiner Unterwäsche wühlen durfte.“ „Was? Sandra was erzählst du da für einen Mist. Ich würde doch niemals..., ich bin doch nicht pervers!“ „Ach und warum wirst du dann rot, hm? Hast du dir Rei grad in Unterwäsche vorgestellt? Oder gleich nackt?“ „Nein, weder noch, dass ist ja widerlich! A...Also nicht das du widerlich bist Rei. Du bist bestimmt wunderschön und so und ich würde dich auch gerne...,“ Reina wurde auf der Stelle puterrot und schaute betreten drein, während Aaron auffiel was er sagte und er schnell versuchte sich herauszureden, „Also so meinte ich das jetzt auch nicht ich...wah, ich komm da nicht mehr raus. Warum tust du mir so was an Sis? Hab ich dich jemals schlecht behandelt?“ So komisch das Gespräch auch war es hob die Stimmung gewaltig und die drei machten sich in gelockerter Atmosphäre auf den Weg zu den Strauß. Unterwegs machten sie alle möglichen Pläne für den Abend und den nächsten Tag. „Hm, was haltet ihr von einem gemütlichen Fernsehabend?“, fragte Sandra. „Klingt gut, aber dann müssen wir noch mal einen Abstecher in die nahegelegene Stadt machen. Wir haben keine Snacks mehr“, bemerkte Aaron. „Wir könnten ja auch zusammen kochen, wenn ich eh für mehrere Mahlzeiten da bleibe. Die Zutaten können wir auch gleich mit besorgen“, schlug Reina vor. „Echt? Klasse! Wo wir Ma rausgeschmissen haben, dachte ich schon ich würde das ganze Wochenende nichts ordentliches zwischen die Zähne bekommen“, Sandra grinste schelmisch, doch als sie wieder auf die Straße schaute und wahrnahm, dass es schon fast stockdunkel war, verdüsterte sich ihr Gesicht, „Ich fürchte ihr müsst ohne mich einkaufen gehen. Ruf mich dann an wenn ich euch abholen soll ja, Aaron?“ „Hm? Oh, ja stimmt es ist ja schon dunkel. Dann setz uns einfach nur ab.“ Nach zwanzig Minuten Fahrt passierten sie die kleine Kreuzung , an der Sandra kurz anhielt um die Beiden abzusetzen. Die Stadt war nur einige Minuten entfernt. Mittlerweile war das letzte Licht verschwunden und es war kalt geworden, sodass Aaron, der bemerkte, dass Reina wieder fror seinen Mantel auszog und ihn ihr um die Schultern legte. Reina kuschelte sich dankbar hinein und schaute ihn dann besorgt an: „Frierst du nicht so? Ich meine du hast nur ein T-Shirt an.“ Er lächelte zur Antwort sanft und antwortete: „Nicht solange du bei mir bist. Du erwärmst mein Herz.“ Reina schaute ihm, obwohl sie schon wieder knallrot wurde, einen langen Moment in die Augen. Ließ sich von seinem zärtlichen Blick und dem sanften, schimmernden Rot verzaubern und wärmen, bevor sie langsam, ganz nah an ihm weiterging. Nach einer Weile umfasste Aarons Hand sanft ihre und sie legten den restlichen Weg in vertrautem Schweigen zurück. In der Stadt angekommen gingen sie, die von Laternen erleuchteten Straßen entlang zum Supermarkt. Reina holte einen Einkaufswagen und steuerte als erstes auf die Gemüseabteilung zu, während Aaron ihr brav folgte. „Hm, wir haben gar nicht gefragt, was die Beiden essen wollen. Tja was machen wir jetzt? Hast du irgendwelche Wünsche?“ „Äh...du meinst ich darf mir was aussuchen?“, er wartete noch einen Moment auf ihr zustimmender Nicken, strahlte dann wie ein Kind, dass gerade ein neues Spielzeug bekommen hatte und sagte: „Also, als Vorspeise, hm, wie wäre es mit Bruscetta, als Hauptgang Pizza und zur Nachspeise einen riesigen Haufen Eis.“ „Was für eine Sorte Pizza? Weißt du denn was Sandra und Oscar mögen?“ „Nö... hab ich mich nie drum gekümmert. Wir essen so was eigentlich auch nicht so häufig. Man muss es ja ausnutzen, wenn die Eltern weg sind.“ „Dann machen wir am besten Pizza Salame, die ist jeder. Ist ja auch nichts drauf was man nicht leiden können kann. Also für vier Personen, dann brauchen wir Tomaten, Tomatenmark, Zwiebeln, Knoblauch...“ Sie suchten gemeinsam alles zusammen was sie so brauchten und hatten unglaublichen Spaß dabei. Einige Hausfrauen die so spät noch unterwegs waren schauten den Beiden neidisch nach, es bedauernd, dass sie nicht mehr frisch verliebt waren und ihr Mann bei weitem nicht so interessiert an ihnen war. Als sie alles hatten, was sie fürs Abendbrot brauchten kümmerten sie sich um Snacks für den Fernsehabend. Tatsächlich war die Abteilung für Chips und ähnliche Dinge so riesig, dass es wirklich schwer viel eine Entscheidung zu treffen. Aaron stand mit großen Augen vor den Regalen und hätte am liebsten alles mitgenommen. „Hm, Chips, äh welche Form, normal, geriffelt, eingedreht, langgezogen, ech, warum machen sie nicht gleich welche in alpha-Helix Form, kann man wenigstens noch Biounterricht mit machen oder Benzolringe, gut für Chemie. Jetzt in jeder Packung drei verschiedene mesomere Grenzstruckturen, können sie sie auch benennen? Dann noch die Frage des Geschmacks, Käse, sour cream, gesalzen, Chilli, Paprika etc., oh Gott. Ich glaub ich krieg gleich Kopfschmerzen.“ Aaron stellte sich hinter sie und fing sanft an sie zu massieren. Reina erschrak sich erst einmal, genoss es dann aber. „Hm, nein Kopfschmerzen sind nicht gut, dann könntest du die Filme ja gar nicht mehr genießen. Wir nehmen einfach von jeder Sorte eine Packung mit.“ „Das sind dann fünfzig Tüten, mit dem ganzen Zeug das wir schon haben möchte ich lieber nicht wissen, wie viel das kostet. Außerdem wer soll das alles tragen?“ „Hm, ja du hast recht, da könnte sich ein Problem ergeben. Weißt du was ich ruf einfach Sandra an.“ Nachdem sie Aaron und Reina abgesetzt hatte, trat Sandra aufs Gas. Sie hatte vor lauter Sorge ganz vergessen wie spät es war. Mit einer abnormalen Geschwindigkeit fegte sie über die Landstraße und schaffte es gerade noch so, dass Auto am Fuße des kleinen Hügels, auf dem das Haus der Strauß stand zum stehen zu bringen. Mit einem Sprung verließ sie die Karre, knallte die Tür zu und rannte den Kiesweg, welcher von nur nachts leuchtenden weißen, tagsüber grünen, Blumen gesäumt war. Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, auch wenn sie nur wenige Millisekunden für den Weg brauchte, bis sie die Tür erreichte, den Schlüssel im Schloss herumdrehte und endlich den Flur des Hauses betrat. Sandra schmiss ihre Jacke an einen Hacken, schlüpfte aus ihren Schuhen und betrat den Empfangsraum. Eigentlich eine Mischung aus Wohnzimmer und Esszimmer. Über ihr verlief eine Brüstung, die man durch eine an der rechten Wand liegenden Treppe erreichte, die drei Seiten des Raumes umspannte, sodass man von der dem Eingang gegenüberliegenden Seite nach rechts und links die Zimmer im ersten Stock betreten konnte. Sandra wusste, dass es nun darum ging Oscar so schnell wie möglich zu finden. Neben der Treppe stand eine Sitzecke aus zwei Sesseln und zwei Sofas, dahinter versteckte er sich nicht. Auf der linken Seite des Raumes war eine langgezogene Tafel mit vielen Stühlen, auch dort kein Todeszeichen von ihm. Nach rechts ging es in das eigentliche Wohnzimmer, nach links in die Küche doch auch dort war er nicht. Geradeaus ging es erst in eine Art Ballsaal in dem sie zu feierlich Anlässen eine noch größere Tafel aufbauten, dahinter war die Veranda, an keinem der beiden Orte konnte man sich gut Verstecken, also ging sie ins Obergeschoss. Ihr Vater hatte es erst vor kurzem magisch vergrößert, sodass es keinen Sinn ergeben hätte alles zu durchsuchen. Zuerst schaute sie in der Bibliothek, dann in Aarons Zimmer, in ihrem gemeinsamen Zimmer und zum Schluss im Zimmer ihrer Eltern und tatsächlich, als sie die schwere Eichentür öffnete erspähte sie unter dem großen, mit schwarzem Satin bezogenen Bett ein Licht. Die Decke war ausgebreitet worden, sodass sie das Bett umschloss und darunter eine Art Höhle entstand und aus der kam auch das Licht. Vorsichtig beugte sie sich hinunter und hob die Decke an. Was sie darunter sah veranlasste sie zu einem Seufzen. Oscar hatte sich um eine Lampe herumgerollt und schaute sie mit großen verängstigten Augen an. „Hei, ist ja gut ich bin ja da. Du musst keine Angst mehr vor der Dunkelheit haben. Im ganzen Haus ist das Licht an. Komm da bitte wieder vor ja:“ „Bist du dir ganz sicher, dass niemand gefährliches im Haus ist? Ich hab da vorhin was gehört und es war so dunkel.“ „Oscar, du bist ein Vampir. Du musst dir immer sagen, dass Gefährlichste in diesem Haus bin ich. Ich bitte dich du siehst aus wie ein Schrank, bist fast zwei Meter groß und kannst dieses Haus ohne Probleme hocheben. Jeder Einbrecher würde sich in die Hosen machen wenn er dich sieht und auf der Stelle wieder wegrennen.“ „Und wenn es ein Dämon ist?“ „Selbst der! Außerdem bin ich ja jetzt wieder hier und wenn irgendwer es wagen sollte dich anzurühren kriegt er eine auf die Nuss. Schau mal es gibt viele gute Gründe weshalb du vorkommen solltest. Erstens du kannst nicht die Ewigkeit da drunter verbringen, zweitens wo sollen Ma und Dad bitte schlafen, manche Dinge die sie hier machen sind nicht jugendfrei. Drittens wer nimmt mich bitte in den Arm und beruhigt mich wenn du da bleibst, viertens Rei und Aaron kommen gleich, wir wollen zusammen kochen und du willst doch auch was abbekommen oder? Äh und mehr fällt mir jetzt grad nicht ein, also bitte komm da vor ja?“ „Nur wenn du mir versprichst nicht sauer zu sein.“ „Hm, natürlich verspreche ich dir das, warum sollte ich auch sauer sein?“ „ Ich hatte solche Angst, da hab ich versucht mich in deinem Schuhschrank zu verstecken, aber der war einfach zu klein und na ja, hier.“ Oscar schob etwas unter dem Bett hervor, dass wie ein zusammengepresster Gummihaufen aussah. Sandra musste es erst eine Weile untersuchen bis sie einen zerdrückten Rest eines Reißverschlusses fand. „Das, dass ist...war einer meiner Lieblingsstiefel. Na warte Oscar, wenn ich dich da drunter vorkriege...“ „Hm, jetzt sind wir kein Stück weiter. Es geht keiner ran. Ach was soll’s, nimm einfach die geriffelten, gesalzenen, dann noch welche mit Paprika und jeweils drei vier Packungen, dass reicht dann schon.“ „Äh, ok. Glaubst du nicht, dass das etwas viel ist? So nach dem Abendbrot?“ „Ach was. Du wirst sehen, dass ist schneller weg als du gucken kannst.“ „So dann bleiben nur noch die Getränke. Oh oh, dass wird wieder der Selbe Horror, Cola, Cola light, Fanta, Sprite etc.; dann noch verschiedene Zumischungen. Demnächst schreiben sie noch drauf mit viel, wenig, medium Phosphorsäure, für alle die es titrieren wollen.“, Reina seufzte entnervt und auch Aaron reichte es mittlerweile. Er schloss die Augen, schnappte sich fünf Sechserpackungen 1,5 Liter Flaschen voll mit irgendetwas, stellte sie in den Wagen und schob Reina in Richtung Kasse. „Wir kommen zu meiner Lieblingsabteilung!“ „Äh, Aaron, das ist die Kasse, sei mir nicht böse, aber hier gibt’s keine Abteilung mehr.“ „Gibt es wohl, die Süßigkeitenregale neben der Kasse.“, er grinste Reina schelmisch an und brachte sie damit so durcheinander, dass der Einkaufswagen ganz von allein weiterrollte, während sie noch immer wie festgefroren, an der Stelle stand. „Äh Rei, der Wagen rollt davon“ „Was? Oh, tu...tut mir Leid ich war grad abgelenkt“ Aaron hatte den widerspenstigen Wagen mittlerweile wieder eingefangen und zu Reina zurückgebracht, als er sie schüchtern anschaute und sagte: „Das muss dir nicht Leid tun. Solange ich derjenige sein darf der dich ablenkt ist das schon in Ordnung!“ Reina schaute ihn etwas verdutzt an und versuchte irgendeinen Sinn hinter der Aussage zu sehen. Sie fand ihn gerade, als sie an der Kasse vorbei waren, wo sich der Umfang ihres Einkaufs sicher noch mal verdoppelt hatte und Aaron damit beschäftigt war Sandra an zu rufen, damit sie, sie abholte. Es war immer noch ziemlich kalt und obwohl sie seinen Mantel anhatte fror sie. Noch dazu fing es langsam an zu regnen und die Einkaufstüten standen überall um sie herum. Letzten Endes hatte sie so viel zu Essen gekauft, dass sie bezweifelte, dass überhaupt irgendwer das alles an einem Abend essen könnte. Aaron hatte gerade aufgelegt, als er zwei ihm bekannte Gestalten weit entfernt am Ende der Straße sah. Panik beschlich ihn, denn er wusste, hatte er sie gesehen, würden sie, sie Beide auch sehen und das war das Letzte was er an diesem wunderschönen Abend wollte. Gerade als eine der Personen den Kopf in ihre Richtung drehte, schnappte er sich Reina und schob sie in eine dunkle Seitengasse. Sie hatte sich fast zu Tode erschreckt, als Aaron sie so plötzlich mit sich gezogen hatte. Die Gasse in der sie verschwunden waren, war abartig eng. Tatsächlich hatte kaum eine Person darin Platz, geschweige denn zwei. Sie war ganz eng an Aaron gepresst. Ihr Herz raste wie wild. Seine Arme lagen eng an ihrem Körper und direkt an der Wand, während ihre Hände sanft an seiner Brust ruhten und ihr Kopf ein wenig darüber verharrte. Erst jetzt merkte sie wie dünn sein T-Shirt tatsächlich war. Durch den Stoff hindurch konnte sie seine Muskeln spüren die gespannt waren, seine sanfte, leicht warme Haut. Sie roch ihn stärker als jemals zuvor, den sanften blumenartigen Duft, der einerseits so süß, andererseits so seidig war. Reina war wie benebelt, wusste nicht ob das was sie wahrnahm überhaupt noch real war. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass ihre Beine sie nicht mehr tragen wollten, aufgrund der Enge konnte sie aber zumindest nicht zusammenbrechen. Eine Ewigkeit nach der anderen schien zu vergehen und sie spürte wie ihr Gesicht brannte. Sie wollte sich lieber nicht vorstellen, wie rot sie gerade war. Nachdem die letzten Schritte von vorbeigehenden Passanten abgeklungen waren lockerte er endlich die Umarmung ein wenig, sodass sie wieder besser Luft bekam. Keiner von Beiden traute sich so recht den Anderen an zu schauen. Aaron war sich gerade erst der peinlichen Situation bewusst geworden. Seine Eltern hier zu sehen hatte ihn so abgelenkt, dass er noch nicht einmal bemerkt hatte, wie unangenehm die Situation für Reina sein musste. Er konnte ihr Herz noch aus der Entfernung so laut schlagen hören, dass es einfach nicht gesund sein konnte. Vorsichtig schaute er hinunter, Reina die all ihre Kraft gesammelt hatte schaute im selben Moment hoch und ihre Augen trafen sich. Sie standen da, in dieser dunklen Gasse, nach wie vor mehr oder weniger eng umschlungen, während der Regen um sie herum melodisch gegen die Häuser prasselte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)