Dämonenblut von _Cloe_ ================================================================================ Kapitel 1: Schwächling ---------------------- „Was ist?!“, vernahm er die barsche Stimme seines Gegenübers, dem er vielleicht bis zur Hüfte ging und somit sein Gesicht nicht erkennen konnte. „Was starrst du mich so an, Balg?“ Er spürte einen Schmerz an seiner Wange, als der Schlag ihn überraschend traf, obwohl er es doch irgendwo erwartet hatte. So lief es doch immer. Er hatte noch nie verstanden, was genau an ihm war, dass sie ihn so mieden. Nein, dass sie ihn sogar verspotteten, seinen Körper verletzten und ihm scharfzüngige Beleidigungen an den Kopf warfen. Erneut ein Schlag, diesmal gegen seine Schläfe, dass ihm schwindlig wurde. Mit einem Mal zog sich ein Schauer durch seinen Körper, als er bemerkte, dass die Person vor ihm nicht allein war. Sie waren viel zu viele, ein ganzes Rudel, wenn man es so nennen mochte. Finger mit langen Fingernägeln verkeilten sich in seinem schwarzen Haarschopf, rissen ihm fest einige Haare heraus und er spürte die spitzen Nägel über seine Kopfhaut schürfen. Wieder ein Ruck, doch diesmal wurde er von hinten gestoßen. Er hatte das Gefühl, gleich würde er in den Armen des Peinigers landen, der mit dem Ganzen erst angefangen hatte und noch immer vor ihm stand. Doch kaum hatte sich sein Körper derart ungewollt in Bewegung gesetzt, da wurde er schon wieder gestoßen, diesmal von der Seite. Schmale Finger schlangen sich um seinen Leib, als er ungewollt in den Armen eines weiteren Bastards landete. Einen Moment lang glaubte er, endlich jemanden gefunden zu haben, der ihn nicht von sich stieß, da wurde er weiter hin und her gestoßen. Jedes Mal, wenn er von einem „aufgefangen“ wurde, bohrten sich wieder diese langen Fingernägel in seine Haut. Langsam aber sicher löste sich seine Kleidung auf, seine Haut zeigte die Spuren dieser Qualen. Wenngleich die Narben darauf davon zeugten, dass dies nicht das erste Mal war. Seine Stimme erhob sich, er wollte schreien, doch kaum hatte er den Mund geöffnet, da wurde dieser ihm sogleich wieder verschlossen und fest zugebunden, sodass ihm Tränen in die Augen stiegen. Das war es, was sie sehen wollten. „Schwächling!“, vernahm er nun und hätte am liebsten aufgeschrien, doch er konnte nicht. Kraftlos sackte er auf die Knie, erkannte undeutlich auf dem Boden einige seiner schwarzen Haarsträhnen, die man ihm mit Gewalt ausgerissen hatte. Da, wo dies geschehen war, brannte seine Kopfhaut wie Feuer. Blut rann ihm über die Schläfe, ihm wurde erneut schwindlig. Es roch nach Metall, dass ihm schlecht wurde. Er war ihr Spielball, hoffnungslos den Reibereien ausgesetzt. Ihrem Spott und ihren Schlägen. Noch immer verstand er nicht, was er getan hatte. Er kannte seine Peiniger noch nicht einmal. Es waren immer andere, zumal er so viele Gesichter vor sich sah, dass er sie sowieso in seinem Zustand nicht mehr hätte zuordnen können. Erneut wurde er hin und her gestoßen, konnte sich nicht wehren. Hatte Angst, wenn er sich wehrte, würde es nur noch schlimmer werden. „Seht ihr, er wehrt sich nicht einmal. So ein Schwächling!“, hörte er wieder die Stimmen sprechen, es hörte sich an, als wären es Tausende. Sein Kopf dröhnte, sein Körper schmerzte und seine Wunden wollten nicht aufhören zu bluten. Irgendwann hatte sich das Band um seinen Mund gelöst und er wollte die Chance nutzen, wollte schreien, wollte diese Qualen nicht weiter ertragen. Wollte um Gnade flehen, um Hilfe. Doch in dem Moment, als er den Mund öffnete, um seine Schwäche zu zeigen, um sie anzuflehen, endlich aufzuhören, traf ihn etwas Hartes am Hinterkopf und alles um ihn herum verschwamm in schwarzen Fluten, ehe er das Bewusstsein komplett verlor. ~~~ Langsam zog Sebastian die Vorhänge zurück und gleißendes Licht flutete das Schlafgemach seines Masters, der noch immer grummelnd im Bett lag und sich darin herumwälzte, als würde ihn das davor bewahren, nicht aufstehen zu müssen. Wenngleich er doch seinen Butler kennen musste, der nun mit einem Ruck die Decke von dem Jungen zog und sorgfältig zusammenfaltete, während dieser sich kurz einrollte und dann entnervt seufzend erhob. „Habt Ihr schlecht geträumt, my Lord?“, fragte Sebastian mit einem frechen Grinsen auf den Lippen, ehe er sich nun dem jungen Earl widmete und ihn ankleidete, während dieser den Kopf hob und ihn machen ließ. Jedoch verließ sogleich ein Knurren den Mund des Sitzenden. „Sei still“, fauchte er und ignorierte Sebastian, ließ sich weiter ankleiden. Tatsächlich war seine Nacht mehr als nur unruhig verlaufen. Er hatte Bilder gesehen, die er nicht zuordnen konnte. Das konnte eigentlich nicht er gewesen sein, doch kam es ihm so bekannt vor. Er hatte eine gewisse Vertrautheit gespürt und gleichzeitig war es ihm fremder denn je. Blut, überall Blut. Eine Gruppe von Leuten, die hämisch lachten. Etwas, eine Gestalt, kniete in ihrer Mitte und wurde von einem zum nächsten gestoßen. Wer genau es war, hatte er nicht erkennen können. Auch die Gruppe hatte er nicht klar sehen können, alles war so verschwommen und in Dunkel getaucht, er sah nur Umrisse von Personen, mehr nicht. Und selbst das kam ihm relativ unscharf vor. So als wäre er nur ein stiller Beobachter eines Spektakels, das ihn mehr als nur anwiderte. Der Geruch von Blut hatte ihn eingehüllt, als wäre er wirklich dort gewesen. Doch er hatte keines der Worte, die von der Gruppe ausgingen, verstanden. Es war, als hätte man einen Schleier um ihn herum gelegt und er durfte es nur beobachten. Doch was hatte er da gesehen? Es kam ihm so schrecklich real vor. Und so bekannt, dass es ihn kaum merklich schauderte. Sebastian hob unbemerkt den Blick, als er seinen Master ankleidete. Er wirkte irgendwie verändert, so als hätte er einen Geist gesehen. Vielleicht hatte er wieder einen Alptraum gehabt, eine Erinnerung von damals, als seine Eltern starben. Oft genug hatte der Butler seinen Herrn im Schlaf wimmern gehört, als der Junge um sich schlug und alles noch einmal im Traum durchmachte. Und seit ihrem Besuch in dem Zirkus hatte sich das Ganze nur noch verschlimmert. Obwohl seitdem schon einige Jahre vergangen waren. Oft genug hatte der Junge unruhig geschlafen, doch Sebastian konnte ihm nicht helfen, selbst wenn er es gewollt hätte. Ciel hätte es zudem nie zugelassen. Würde er doch auch niemals zugeben, dass er Alpträume hatte, dass es ihn nun mehr denn je heimsuchte. Doch heute war es anders. Sebastian jedoch wandte sich weiter dem Ankleiden zu, war es ihm doch nicht erlaubt nachzufragen. Ohnehin würde ihm der junge Earl nichts erzählen. So lange war der Dämon nun schon an seiner Seite, doch noch immer vertraute er ihm nicht gänzlich. Doch das war nur verständlich, bedachte man, dass er derjenige sein würde, der den Jungen zum Schafott geleiten würde. Langsam kehrte er mit seinen Gedanken wieder in das Hier und Jetzt zurück, als ihm auffiel, dass Sebastian ihn längst vollständig angekleidet hatte. Unbemerkt räusperte er sich leicht und langte nach der Tasse Tee, die auf seinem Nachttisch stand. Wohlriechender Duft stieg ihm in die Nase. Es war Earl Grey, sein Lieblingstee, wie Sebastian genau wusste. „Nun denn“, sprach er leise und nippte kurz an dem heißen Tee, der seine Zunge wohltuend verbrannte. Er tat dies jedes Mal aufs Neue, fast wie eine Angewohnheit. Es war, als würde Sebastian ihn sofort verstehen und er begann, die Tätigkeiten des heutigen Tages aufzulisten. Termine mit Geschäftspartnern, ein paar Musikstunden und schließlich das heutige Frühstück. Ciel seufzte nur und erhob sich, begab sich weiterhin schweigend in das Esszimmer, während sein Butler ihm treu folgte. Fast schon wie ein Hündchen. Irgendwie musste er leise schmunzeln bei dem Gedanken, wusste er doch, wie sehr es dem Butler missfiel, mit diesen Kreaturen verglichen zu werden. Während er aß, begannen seine Gedanken erneut um diesen seltsamen Traum zu kreisen. Wer oder was war die Gestalt in der Mitte gewesen? Es schien, als wäre er oder sie schwer misshandelt worden von dieser Horde Menschen. Waren es Menschen? Er konnte es noch immer nicht einordnen. Andere Bilder stahlen sich in seine Gedanken, umnebelten ihn. Der Käfig, die ganzen in Schwarz gehüllten Menschen um ihn herum. Schmutzig hatte er sich gefühlt, tiefe Wunden hatten seinen Körper gezeichnet. Das Gefühl, mehr als nur misshandelt zu werden. Und dann diese dunkle Stimme, die er nicht aus seiner Erinnerung streichen konnte. Die ihm versprach, ihm zu helfen, wenn er dafür nur seine Seele gab. Von Schmerzen benebelt, hatte er sofort zugestimmt, hatte zugesehen, wie dieser Dämon alle hingerichtet und ihn befreit hatte. Noch immer konnte er sich nicht genau an seine Gestalt erinnern. Nur schwarze Schuhe, die so gar nicht zu einem Mann passen wollten, und ein breites, dämonisches Grinsen, das die spitzen Zähne entblößt hatte. Doch all dies brachte ihn nicht dazu, Angst vor seinem „hauseigenen Dämon“ zu haben. Im Gegenteil, er war für ihn nur ein Mittel zum Zweck. Früher oder später würde er sowieso durch seine Hand sterben. Bis dahin würde er ihm unterstehen, alles tun, was er ihm befahl. Der perfekte Butler des Hauses Phantomhive. Oh ja, er war wahrlich perfekt. So sehr, dass Ciel manche Momente lang nicht aufhören konnte an ihn zu denken. Schon länger hegte er ein Interesse an dem Dämon, der ihm bis zu seinem Tod dienen würde. Seine Erscheinung, wie er sich verhielt, wie er seine Arbeit verrichtete und die Art zu sprechen. Alles hatte Ciel vollkommen eingenommen und er kam nicht umhin innerlich zuzugeben, dass ihm dabei relativ unwohl wurde. Er war ein Mann, noch nicht einmal ein Mensch. Und er wusste überhaupt, wie alt er schon war. Nie hatte der Junge ihn gefragt, weil es ihn auch eine halbe Ewigkeit lang nicht interessiert hatte. Sebastian war einfach da gewesen, hatte ihm gedient und das hatte ihm gereicht. Doch langsam hatte sich etwas verändert, seine Bindung zu dem Dämon wurde mit jedem Tag stärker. Und so wuchs auch das Interesse an ihm, wenngleich Ciel nie auch nur eine einzige Frage gestellt hatte, um seine Neugier zu befriedigen. Sebastian würde das Interesse des Earls am Ende sogar noch amüsant finden und ihn damit aufziehen, so wie er es immer tat. Wenn er aber so nachdachte, mochte er das geradezu. Diese Sticheleien, das gegenseitige Necken und manchmal das Verschieben der Rollen, wenn Sebastian sich mal wieder erdreistete, mit ihm in einem Ton zu sprechen, der nicht dem eines Dieners entsprach. Es war einfach Teil des Ganzen, es wirkte so erquickend gegenüber dem langweiligen und trüben Alltag. Gelegentlich einige Mordfälle aufzuklären, die jedoch noch weniger als nur uninteressant waren. Es langweilte ihn einfach nur. Tief in seinem Inneren war er noch immer ein Kind, wollte etwas Interessantes haben, knobeln und rätseln, sich mit etwas beschäftigen können und gleichzeitig eine Ablenkung haben. Ablenkung von diesem überaus attraktiven Dämon, der nun neben ihm stand und den Tisch abräumte, während Ciel selbst aufstand und sich in sein Arbeitszimmer begab, wo sich wieder einmal die Unterlagen seines Imperiums türmten. Manchmal war er es einfach nur noch leid. Mit einem tiefen Seufzen ließ er sich in seinem Stuhl nieder, lehnte einen Moment lang den Kopf an und schloss die Augen, genoss die wenige Zeit ohne Sebastian. Doch selbst wenn er nicht bei ihm war, was äußerst selten der Fall war, so spukte er doch auch weiterhin in seinem Kopf herum. Verschwand einfach nicht aus seinen Gedanken. Ciel jedoch verbot sich selbst darüber zu sprechen, mit wem auch immer er darüber hätte reden können. Es schickte sich nun mal nicht, sich nach seinem eigenen Butler zu sehnen und jeder, der es herausfinden würde, würde ihn dafür verspotten und den Namen Phantomhive somit in den Schmutz ziehen. Und genau das war es, was er nun mal nicht wollte. Also war er allein mit diesem Problem, das mit jedem Tag größer wurde. Und nicht nur das bereitete ihm Kopfzerbrechen, auch dieser Traum, der immer wiederkehrte und sich in ihn hineinfraß. Er wusste einfach nicht, was dies zu bedeuten hatte. Die einzigen Träume, an die er sich bisher so klar hatte erinnern können, hatten von seiner eigenen Vergangenheit gehandelt. Dieser jedoch war nichts dergleichen, obgleich es sich so real und vertraut anfühlte, als wenn es Teil seines Leben gewesen wäre, als wenn er selbst das durchgemacht hätte. Auch wenn dem nicht so sein konnte, würde er sich doch sonst daran erinnern. Nach einer gefühlten Ewigkeit schob Ciel diese verworrenen Gedanken von sich und öffnete die Augen wieder, bemerkte zuerst, dass sich die Tür zu seinem Büro soeben von außen geschlossen hatte. Hatte Sebastian etwa nach ihm sehen wollen? Irgendetwas rührte sich in dem Jungen bei dem Gedanken, doch es verflog sofort, als er den wahren Grund für Sebastians kurzes Auftauchen und wieder Verschwinden auf seinem Tisch erblickte. Ein Brief mit dem Siegel der Königin. Vielleicht wieder nur ein langweiliger Fall, den er nicht mal innerhalb eines Tages würde lösen können. Demzufolge relativ gelangweilt und doch innerlich furchtbar neugierig öffnete er den Brief, las die wenigen Zeilen und wollte gerade umblättern, als ihm ein kleines Blatt herunterfiel, direkt in seinen Schoß. Ciel hob verwirrt eine Augenbraue. Wahrscheinlich ein Foto des Opfers? Als er es hochhob und genauer betrachtete, kam er nicht umhin, einen Brechreiz hinunterzuschlucken und sich auf die Unterlippe zu beißen. Das war nun wahrlich abartig. Man erkannte kaum noch die richtige Gestalt des Opfers, es schien sich nur um einen jungen Mann zu handeln, welchen Alters war jedoch nicht auszumachen. Seine Arme und Beine waren in alle möglichen Richtungen verdreht, sie selber waren auch noch einmal in sich verdreht. Die Haltung wirkte so unmenschlich, dass der junge Earl einen Moment lang ganz davon eingenommen war und nicht gleich ein weiteres Detail bemerkte. Der Kopf des jungen Mannes wirkte seltsam auf seinen Schultern, als säße er nicht richtig. Beim zweiten Blick jedoch fiel ihm auf, dass auch der Kopf merkwürdig verdreht wurde, und zwar mehrmals um sich selbst, sodass er am Ende wieder vorne lag. Der Mund stand offen, Blut rann aus allen möglichen Wunden und es kam ihm vor, als hätte jemand mit diesem Körper wie mit einer Puppe gespielt. Das grausame Bild fand seinen Abschluss darin, dass dem Opfer mehrere Haarbüschel ausgerissen worden waren, die überall um seinen Körper herum verstreut lagen, während an den Stellen am Kopf, wo man sie ausgerissen hatte, riesige Wunden klafften. Es waren schwarze Haare. Ciel wurde übel, als er sich an seinen Traum erinnerte und ihm ein Detail einfiel, das er vorher ignoriert hatte. Die Person, die so sehr gepeinigt worden war, hatte ebenfalls schwarze Haare gehabt, rabenschwarz. Erneut wandte Ciel den Blick auf das Foto, das ihn noch immer erschauderte. Neben dem Opfer war etwas mit dessen Blut geschrieben worden. Im ersten Augenblick vermutete Ciel, dass dies von dem jungen Mann stammen könnte, sozusagen als Hinweis auf seinen Mörder. Doch er lag falsch. Dort stand nur ein einziges Wort, das ihn mehr als nur verwirrte. Wollte der Mörder sein Opfer damit verspotten? Als er das Wort las, war es, als flüsterte ihm eine Stimme zu, dann jedoch kam es ihm vor, als würde jemand ihm genau dieses Wort ins Ohr schreien, während dunkles, hämisches Lachen in seinem Kopf widerhallte. „SCHWÄCHLING!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)