Cod3s von _Myori_ ================================================================================ Ausflug ------- Seit diesem Tag war knapp eine Woche vergangen, ohne dass etwas passierte- keine Hausbesuche von der Polizei oder diesen komischen „Mafia- Leuten“ (wie Nero sie nannte); nicht einmal eine Suchmeldung in der Zeitung oder den Nachrichten… Somit hatten wir ein paar relativ entspannte Tage. Ich ließ mich krankschreiben und ging nicht zur Arbeit, Nero blieb, der Vorsicht wegen, die ganze Zeit im Haus und tat so, als gäbe es ihn gar nicht- doch das konnte ich mir einfach nicht mehr vorstellen. Er war einfach… unglaublich. Ich unterhielt mich am Abend stundenlang mit ihm, er half mir bei jeder Kleinigkeit, wo ich gerade eben Hilfe brauchte- und war einfach da. Ich genoss die Gesellschaft und das Leben, das er in das große Haus gebracht hatte, auch wenn sich das Lebhafte bei ihm in Grenzen hielt. Schon nach wenigen Tagen konnte ich mir Nero nicht mehr aus meinem Leben wegdenken und der Vorsatz, ihm aus dieser „Vergangenheits-Geschichte“ zu helfen verankerte sich mehr und mehr in meinem Denken. Und am nächsten Samstag nahm dieser Vorsatz Überhand… „Ein Freizeitpark?“ Ich nickte heftig und strahlte über beide rotglühenden Ohren. Nero runzelte die Stirn und schaute auf die zwei Eintrittskarten, die ich ihm in die Hand gedrückt hatte. Die Unterlippe vorschiebend, verschränkte ich die Arme vor der Brust. „Der Freizeitpark ist bei uns immer nur für ein paar Tage und sehr beliebt. War ganz schön schwierig, die Karten im Voraus zu kriegen.“, maulte ich. Er seufzte und schaute mich mit besorgter Miene an. „Meinst du nicht, dass es noch ein bisschen zu früh ist…“ Ich schnaufte und ließ mich neben ihn in das Sofa fallen. „Nein, ist es nicht! Du hockst jetzt schon fast eine Woche hier im Haus und versauerst. Noch `ne Woche und du liegst mir tot in der Ecke.“ Er guckte immer noch besorgt. „… Ich will dich nicht in Gefahr bringen.“ Ich verdrehte innerlich die Augen. Das schon wieder… „Dann dürftest du theoretisch auch nicht hier sein.“ Nero schwieg. Ich war es leid, stand auf und zog ihn ebenfalls in die Höhe. Immer musste man ihn zu seinem Glück zwingen. „Nun komm, Herr Conner wartet bestimmt schon auf uns!“ Verwirrt schaute er mich an. „Dein Nachbar?!“ Ich nickte, schob ihn zur Eingangstür und nahm im Vorbeigehen meinen und seinen Mantel vom Hacken. Wie besprochen stand auch schon der dunkelblaue Wagen in der Einfahrt. Ich winkte dem Fahrer und stieg, mit Nero im Schlepptau, hinten ein. „Hallo, Herr Conner.“, begrüßte ich ihn und schnallte mich an. Der ältere Mann mit Halbglatze und Hornbrille grinste mich an. „Schön dich zu sehen, Finja.“ „Danke, dass Sie uns fahren.“ Herr Conner winkte ab. „Schon gut, Kleines. Ich muss ja sowieso in die Richtung.“ „Geht es Ihrer Frau besser?“ Er nickte. „Ja, ja, das wird schon wieder.“, sagte er und startete den Motor. „Mein Mädchen ist nach 42 Jahren Ehe ziemlich zäh geworden.“ Ich musste schmunzeln. Die Conners waren sehr nette Leute. Es tat mir in der Seele weh, dass Frau Conner schon wieder ins Krankenhaus gebracht werden musste. Wieder schaute Herr Conner in den Rückspiegel und fixierte nun Nero, der stumm aus dem Fenster schaute. „Und Ihnen?“ Nero reagierte nicht und ich musste ihm erst leicht in die Seite knuffen, bevor er zuerst mich und dann verwirrt nach vorne starrte. „W- wie bitte?“ „Fin hatte erzählt, dass es Ihnen nicht so gut ginge. Sie seien die ganze Woche über krank gewesen“, erklärte er beim Fahren und mich durchlief ein Schauer. Nero warf mir einen raschen Blick rüber und antwortete dann etwas zögernd: „Ja… das stimmt.“ „Die Grippe!“, rief ich schnell und Nero nickte zu meiner Erleichterung sofort. Herr Conner brummte etwas. „Ja, das passiert bei uns zu dieser Jahreszeit häufiger.“ Wieder schaute er in den Rückspiegel. „Passen Sie ja auf sich auf, mein Junge! Damit ist nicht zu spaßen. Und das Sie mir ja nicht unsere Fin anstecken.“ Nero lachte gekünstelt und auch ich atmete erleichtert auf. Der Rest der Fahrt verlief unspektakulär. Ich unterhielt mich ab und zu mit Herrn Conner über dies und das und Nero schaute wieder stumm vor sich hin. Nach einer halben Stunde Fahrt waren wir da. Ich verabschiedete mich von unserem Fahrer und schleifte Nero zum Eingang. Der Park war immer wieder erstaunlich. Er war ziemlich groß, hatte eine stolze Anzahl an Attraktionen und an Tagen wie diesen, an denen die Sonne schien und keine Wolke am Himmel zu sehen war, beinahe überfüllt. Ich konnte mein Staunen und meine Freude kaum in Zaum halten, nachdem wir an der Kasse die Karten vorgezeigt hatten und im Freizeitpark standen. Man hörte vergnügte Schreie von den Achterbahnen, laute Schüsse von den Schießbuden und mir stieg der unwiderstehliche Geruch von Popcorn, Pizza und den unzähligen süßen Sachen in die Nase, von denen man so viel essen konnte, dass einem schlecht wurde. Nach Neros Gesichtsausdruck zu folge schien ihm im Moment aber etwas anderes auf den Magen zu schlagen. Misstrauisch schaute er auf die vielen Menschen, die an uns vorbeiliefen. Ich seufzte. „Mensch, nun schau doch mal anders…“, bat ich Nero, stellte mich vor ihn und drückte mit den Zeigefingern seine Mundwinkel in Richtung seiner wunderschönen, fast schwarzen Augen. Ich grinste. „Das sieht viel freundlicher aus! Man könnte glatt denken, du seiest aus freien Stücken hier.“, neckte ich ihn- ohne Erfolg. Völlig unbeeindruckt fixierte er weiter die Leute. „Hier sind mir zu viele Menschen…“, nuschelte er leise. Ich zuckte mit den Schultern, ließ seine Gesichtszüge wieder in Ruhe und hakte mich bei ihm unter. „Das ist halt normal für einen guten Freizeitpark… wäre blöd, wenn es anders aussehe.“ Er antwortete mir wieder nicht. Er war eindeutig sauer auf mich. „Nero, glaube mir, wir werden hier nicht auffallen.“ Nun schnaufte er doch- wenigstens eine Gefühlsregung… Der Tag entpuppte sich doch nicht als ein sinnloser Griff in den Geldbeutel, wie ich zu Anfang nach Neros unkontrollierbareren Freudensausbruch über meine Überraschung gedacht hatte. Das Wetter blieb fabelhaft, wir fielen wirklich nicht auf und ich schaffte es sogar, in Nero eine Vorliebe für Schießbuden und Autoskooter zu wecken. Er war ein Naturtalent, was diese Buden anging… Schon beim ersten Versuch hatte er einen Schlüsselanhänger – einen kleinen Plüschhasen mit Schleifchen- gewonnen. Vollkommen entzückt, steckte ich den süßen Anhänger sofort an meinen Schüsselbund. „Du bist echt gut!“, bewunderte ich Nero. „Wo hast du das gelernt?“ Er zuckte mit den Schultern. „Ich habe keine Ahnung… ich kann’s einfach. Ich hab nicht groß darüber nachgedacht- hab einfach geschossen.“ Nachdenklich schlenderte er neben mir her. Ich hatte mich wieder bei ihm untergehakt. Unsicher schaute er mich dann plötzlich an. „Glaubst du… ich kann das… weil- weil ich bei dieser Mafia war?“ Mir lief es eiskalt den Rücken runter, zum einen, weil ich mir vorstellte, wie Nero mit einer Pistole, Gewehr oder was auch immer Leute bedrohte- oder gar tötete – und zum anderen, weil wir wieder auf das Thema gekommen waren. Schnell schaute ich mich nach einer Ablenkung um- und fand sie. „Zuckerwatte!“, rief ich plötzlich. Ich spürte, wie Nero einige Zentimeter von mir wich. „Bitte?“ Ich deutete auf einen Stand vor uns. „Zuckerwatte.“, wiederholte ich und zog ihn mit mir. „Ich hab tierischen Hunger auf dieses Zeug.“ Wenig später hatten wir uns auf eine der unzähligen Bänke gesetzt und ich hielt einen langen Stiel mit rosafarbener Watte in der Hand. Nero starrte mich unschlüssig an und sah mir dabei zu, wie ich mit den feinen Zuckerfäden kämpfte und versuchte, mich nicht ganz einzusauen. Als ich seinen Blick bemerkte, hielt ich inne und schaute verwirrt zurück. „Was hast du? Jetzt sag bloß nicht, du hast Zuckerwatte noch nie gegessen?“ Er lächelte schief und guckte mich hilflos an. Zuerst starrte ich ihn nur perplex an, doch dann zupfte ich etwas von meiner Watte ab und hielt ihm das Stück unter die Nase. Mit hochgezogenen Augenbrauen schielte er auf den Fetzten. „Nun iss! Das ist kein Gift…“ Zögernd stopfte er sich die Watte in den Mund- und verzog das Gesicht. „Das… ist ja süß!“ Ich konnte nicht mehr. Laut brach ich in schallendes Lachen aus. „Du magst keine süßen Sachen, hm?“ Er schüttelte nur den Kopf. Ich seufzte. Mit ihm hatte man es wirklich nicht leicht. „Wie findest du eigentlich mein neues Kleid?“, fragte ich stattdessen. Verwirrt schaute er auf. „Das ist neu?“ Grimmig stützte ich die Fäuste in die Hüfte und schaute ihn klagend an. „Ja ist es! Aber das wollte ich nicht hören- ich dachte eigentlich an ein Kompliment.“ Nero zog die eine Augenbraue hoch. „Warum willst du, dass ich dir Komplimente mache?“ Ich stand auf und baute mich vor ihm auf. „Weil man so etwas eben macht. Regel Nummer 1.“ Nero holte Luft und ich hob drohend den Zeigefinger. „Aber bitte nicht so was, wie: >Man erkennt, dass es ein Kleid ist< oder >Du hast es richtig rum an<“ Prompt klappte Nero seinen Mund wieder zu. Er lehnte sich auf der Bank zurück, legte den Kopf schief und betrachtete mich. „Die Farben stehen dir…“ Ich schaute an mir runter. Das Kleid war ziemlich bunt, mit leuchtenden Farben in einem Blumenmuster. Ich hatte nie richtig auf so helle und farbenfrohe Kleider gestanden, der Kauf war mehr ein Experiment gewesen und ich musste mich sehr überwinden, es heute anzuziehen. „Meinst du wirklich?“ Nero nickte. „Ich finde, das passt zu deinen dunklen Haaren. Solltest du öfter tragen…“ Ich spürte, wie mir heiß wurde. Verlegen setzte ich mich wieder neben ihn. „… Danke.“, sagte ich und zupfte weiter an meine Zuckerwatte rum. „Darf ich dich auch etwas fragen?“ Seine Stimme war leise geworden und er hatte die Frage sehr unsicher gestellt. „Klar!“ Es dauerte einen Moment, bevor Nero weitersprach. „… Du lebst alleine in dem Haus… oder?“ Verwirrt musterte ich ihn. Er saß neben mir, schaute zu Boden und nestelte an seinem Jackensaum herum. Ich war mehr als überrascht über diese Frage und auch ein wenig beunruhigt, denn über das Thema, dass er mit dieser Frage anschnitt, redete ich nicht gerne. Ich seufzte. Irgendwann hätte ich es sowieso nicht mehr verheimlichen können. „Du willst wissen, warum ein 19- jähriges Mädchen ein so großes Haus besitzt und dort dann ohne seine Familie wohnt…“, mutmaßte ich. Nero nickte stumm. Ich schloss kurz die Augen, überlegte, wie viel Nero wissen sollte und wie viel ich bereit war, zu erzählen, ehe ich tief Luft holte. „Meine Mutter ist schon vor längerer Zeit bei einem Autounfall gestorben. Meine Eltern haben nie geheiratet, weil die Eltern meiner Mutter damit nicht einverstanden waren- mein Vater ist Amerikaner und meine Großeltern… na ja- die hatten für meine Mutter etwas andere Pläne, wen sie heiraten sollte.“ Ich machte eine Pause und wartete ab. Nero schaute mich verstehend an. „Das tut mir Leid- das mit deiner Mutter. Aber warum wohnst du nicht bei deinem Vater?“ Mein Kopf fuhr in die Höhe und ich funkelte ihn, ohne es eigentlich zu wollen, trotzig an. So viele Leute haben mich das schon gefragt und immer wieder musste ich mich erklären. „Weil mein zu Hause hier ist!“, sagte ich etwas lauter. „Ich bin hier groß geworden, hier sind meine Freunde- und außerdem…“ Ich seufzte. „Außerdem will ich gar nicht bei meinem Vater leben. Ich kann ihn nicht ausstehen!“ Die letzten Worte flüsterte ich nur noch. Nero runzelte die Stirn. Ich sah das und gestikulierte hilflos mit den Armen. „Nach Mamas Tod hat er den kompletten Absturz erlitten- er fing an zu trinken, zu spielen … alles eben. Mamas Eltern machten ihm Vorwürfe und stritten sich mit ihm bis aufs äußerste. Irgendwann ging er dann wieder zurück nach Amerika, um sie endgültig zu vergessen.“ Verständnislos über die Erinnerungen an meinen Vater, schüttelte ich den Kopf. „Er hatte sein Leben einfach nicht mehr im Griff und dachte, weglaufen sei die einzige Lösung.“ Wut stieg in mir hoch. Ich konnte mich noch genau daran erinnern- wie er vor mir stand, vor einer 13- jährigen, angetrunken und mit Tränen in den Augen meinen Koffer packte. Damals hatte man ihm das Sorgerecht entzogen- nicht weil er zu viel trank oder weil er sich nicht mehr um mich kümmern konnte, sondern weil ich es so entschieden hatte. Ich wollte nicht mehr bei ihm wohnen, weil ich es nicht mit ansehen konnte, wie er durch sein Leben stolperte… ich schwor mir, nie so zu werden. Von da an lebte ich bei den Eltern meiner Mutter, die zwar auch nicht viel für mich übrig hatten, mich aber trotzdem gut aufzogen und sich um mich kümmerten- immerhin war ich ja die Tochter ihres Heißgeliebten Kindes gewesen. Neros Stimme holte mich aus meinen Gedanken wieder zurück. „Hast du noch Kontakt zu deinem Vater?“, fragte er leise. Ich zuckte mit den Schultern. „Nicht wirklich… mehr zu seinen Eltern. Sie schicken mir manchmal Sachen aus Amerika und mein Vater überweist mir monatlich etwas Geld… aber das ist auch alles.“ Ich seufzte und schaute ihn an. Wie ich erwartet hatte, spiegelte sich Mitleid und Sorge in seinen Augen wieder- wie bei jedem, dem ich die Geschichte erzählen musste. Ich klopfte mir auf die Oberschenkel und stand auf. „Mir geht es gut! Ich habe alles im Griff und jetzt kein Wort mehr darüber, verstanden?“ Nero schaute mich noch einen Augenblick an, dann nickte er und stand ebenfalls auf. Ich schaute auf meine Armbanduhr und zog scharf die Luft ein. „Wir sollten langsam zurückgehen… Herr Conner wird uns gleich abholen!“ Doch ehe ich mir meine Handtasche über die Schulter werfen konnte, rempelte mich jemand von hinten unsanft an und fast im selben Moment spürte ich, wie man mir die Tasche aus der Hand riss. Ich schrie vor Schreck und stolperte, sodass Nero mich auffangen musste. „Meine Tasche!“, keuchte ich entsetzt und sah, wie ein junger, hagerer Mann in der Menschenmenge verschwand. Keine Sekunde später, nachdem mich Nero wieder auf die Beine gestellt hatte, sprang er dem Dieb hinterher. Ich rief noch seinen Namen, doch er war schon in der Menge untergegangen. Im ersten Moment hätte ich Fin am liebsten die Meinung gesagt- was war sie auch so leichtsinnig und nahm so eine Handtasche mit?! Aber nun war es geschehen und ich konnte nichts weiter machen, als die Standpauke auf später zu verschieben und nun die Tasche wiederzuholen. Der Typ lief ungefähr 20 Meter vor mir durch die Menschenmenge und schien keine Probleme damit zu haben- im Gegensatz zu mir… Ständig lief ich gegen irgendwelche mir entgegenkommenden Besucher und der Vorsprung meines Zieles breitete sich immer weiter aus. Ich fluchte innerlich. Hinter mir im beträchtlichen Abstand, hörte ich Fin, die meinen Namen rief, aber das war mir jetzt egal. Und dann hatte ich ihn aus den Augen verloren… Der Weg war breiter geworden, ich stand nun auf dem Platz am Eingang und flog mit den Augen über die Köpfe der Besucher hinweg. Nichts... ich hatte ihn verloren. Nun entwich mir doch ein Fluch und wütend drehte ich mich auf dem Absatz um- und da stand er direkt vor mir. Ehe ich auch nur Luft holen konnte, holte der Kerl zum Schlag aus und donnerte mir seine Faust ins Gesicht, dass ich zurückstolperte. Mein Kopf flog in den Nacken und ich sah Sterne. Aus Reflex hielt ich mir die Hand vor die schmerzende Nase. Heißes Blut sammelte sich in meiner Handfläche und rann mir durch die Finger. Der Typ stand immer noch vor mir, die eine Hand zur Faust erhoben, die andere umklammerte Fins Handtasche. Er guckte ziemlich erschrocken von seiner Faust zu mir und zurück. Durch meine Adern pulsierte auf einmal ein Gefühl, dass ich zu diesem Zeitpunkt nicht hätte beschreiben können- es war dem Gefühl ähnlich, das ich verspürt hatte, als ich Fin zum ersten Mal sah, nur viel heftiger. Ich bring dich um, schoss es unkontrolliert durch meinen Kopf und diese Worte, hätte ich sie in diesem Moment über meine Lippen gebracht, wären nicht nur so daher geredet gewesen, nein- ich meinte sie auch so. Ich spürte, wie ich zu zittern begann, die blutverschmierte Hand aus meinem Gesicht nahm(der Dieb zuckte plötzlich zusammen und starrte mich noch erschrockener an) und beide zu Fäusten ballte. Der hagere Mann wimmerte auf einmal, ging einige Schritte rückwärts, ehe er sich umdrehte, dabei fast über seine eigenen Beine fiel und stolpernd davonlief. Einen Augenblick später hatte ich ihn eingeholt, sprang ihn von hinten an und riss ihn zu Boden. Nun bemerkten uns doch einige Leute und blieben erschrocken stehen. Der Typ schrie. „Helft mir! Der Typ tickt nicht ganz- ARRRRGH!!“ Der Rest seiner Hilferufe ging in einem Schmerzensschrei unter. Die Hand, in der er die Tasche gehalten hatte, verlor unter dem Druck meines Schuhs an Farbe und verkrampfte sich vor Schmerz. Mein Atem ging rasselnd vor Wut und wegen der blutenden Nase. Ein Passant trat näher an mich heran, gefolgt von drei weiteren Männern und einer Frau. „Hey Junge! Geh gefälligst von dem Mann runter! Du brichst ihm noch die Hand!“ Ich antwortete nicht, sondern stellte nun meinen anderen Fuß auf den seitlich liegenden Kopf des Kerls und verlagerte mein Gewicht. Ein erneuter gellender Schrei entfuhr dem Typen und seine Rufe erstarben erneut. „Spinnst du?!“, kreischte die junge Frau. Ich drehte langsam den Kopf in ihre Richtung und lehnte mich nur noch mehr auf mein linkes Bein. Die Frau schlug entsetzt die Hände vor den Mund und wich zurück.Die wimmernden Hilferufe meines Opfers blendete ich vollkommen aus. Ich grinste. Die Wut und die Mordlust nahmen immer weiter in mir zu. „Nero !!“ Zwei Hände klammerten sich um meinen Bauch und zogen mich von dem Mann runter. Ich zog mit meinem ganzen Körpergewicht an Nero, schaffte es, ihn um mich zu drehen und ihn zu Fall zu bringen. Er schrie wütend auf und zappelte, doch ehe er aufstehen konnte, saß ich auf ihm und hielt ihn an den Schultern fest. „Beruhige dich!“ Keine Reaktion. Neros Gesicht war blutüberströmt, in seinen Augen spiegelte sich blanker Hass wieder und es schien so, als sehe er mich gar nicht. Mit Schrecken musste ich erkennen, dass ich diesen Gesichtsausdruck kannte- damals, als er mich beinahe… Ich dachte nicht weiter drüber nach, sondern nahm sein Gesicht in beide Hände und beugte mich zu ihm runter. „Sieh mich an, Nero!“, bat ich ihn, doch er war immer noch wie wild. Ich schüttelte leicht seinen Kopf. „Sieh mich an!!“, sagte ich noch einmal ernster und diesmal half es. Nero starrte mich an, seine Gebärden wurden schwächer und zum Schluss kam das sanfte Glänzen in seine Augen zurück. Immer noch schwer atmend, blinzelte er, als sei er gerade aus einem Traum erwacht. Hinter mir wurden Stimmen laut. Der Dieb hatte sich aufgerappelt und war einige Meter von uns weggerobbt. Menschen hatten sich zu ihm gestellt und fragten nach seinem Befinden. Ich ließ Nero, der sich nun die Nase hielt, aufstehen. Verwirrt schaute er zuerst mich und dann den Typen an. Das Entsetzen stand ihm ins blutige Gesicht geschrieben. „Der Typ ist gemeingefährlich!“, schrie jemand, „Ruft die Polizei!“ Bei den Worten wurde ich aufmerksam. Ich ergriff Neros Hand und zog ihn schnell zum Ausgang. Bevor wir, von den verblüfften Blicken der umstehenden Leute verfolgt, den Park verließen, ging ich noch einmal zu dem hageren Mann, der meine Tasche gestohlen hatte. Dieser wich mit einem spitzen Schrei vor mir zurück. Ich ergriff meine Tasche, schaute ihn böse ins angstverzerrte Gesicht und beeilte mich, mehrere hundert Meter zwischen uns und diesen Freizeitpark zu bringen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)