Cita moris ruit. von JO89 (... zu diesen Stunden) ================================================================================ Kapitel 8: black hours ---------------------- »Und wenn das letzte Licht erlischt, besucht die Hoffnungslosigkeit Hand in Hand mit der Dunkelheit die Lebenden.« »And if the last light goes, the hopelessness will visit hand in hand with the darkness the people, who are still alive.« Ein einziger Atemzug genügte, um zu wissen, dass er schon wieder viel zu lange auf den Beinen war, als er an diesem schweren Holztisch Platz genommen hatte. Die dunkelgrünen Vorhänge zugezogen, sperrten das Licht aus, nur die drei dicken, fast komplett abgebrannten Kerzen spendeten noch etwas Helligkeit, um nicht ganz in dieser Schwärze zu versumpfen, die sich wie Ruß über die Häupter legte, haften blieb, die sich, wie Tinte in ein Pergament, in das Innerste eines Menschen fraß, um die Wertvorstellungen zu schwächen, zu verändern, die durch und durch in den Adern pochten. Das Blut färbte sich, so schwarz, so düster, als würde das Böse Überhand nehmen, angefangen bei seinen Fingerspitzen. In jeder noch so wertvollen Sekunde, in der er diese Art der Magie betrachtete, starb ein Stück Menschlichkeit. Es tat noch nicht weh. Er fühlte nichts, vielleicht war er durch das Leben selbst auch einfach stumpf geworden. Und dennoch würde es ein schmerzhaftes Ende bedeuten. Und dies war das seine. Die Tür quietschte leicht, als jemand sie öffnete. Es war jene, diese wunderschöne Hexe mit den dunklen Locken trat ein und D. blickte auf. Nach all diesen Jahren musste er sich eingestehen, dass er ihr auf welche Art auch immer verfallen war. „So geht das aber wirklich nicht mehr weiter“, murmelte die Hexe mit einem schiefen Lächeln auf den Lippen und stolzierte zu den bodenlangen Fenstern um die Sonne in das ohnehin düstere Zimmer – mit dem schwarzen Marmorboden, den Holzmöbeln aus Ebenholz, die ansonst weißen Wände, ungeachtet dieser einen, die mit grauen Steinen verziert und uneben, ein Blickpunkt des Zimmers schien; den Kerzenständern, die aussahen als wären sie Schlangen und sich wie diese Tiere bewegten, der Kronleuchter selbst, dessen silberne Arme Kobras darstellten, die runde Kugeln in den Mäulern hielten und leuchteten sobald jemand schnipste, der kleine Tisch in der Ecke mit der Glasplatte, dessen Bein auch eines dieser Reptilen lebensecht darstellte - zu lassen. D. kniff aus dem ersten Reflex heraus die grünen Augen zusammen, da das warme Licht dieses Tages unerträglich brannte, wandte sich der Hexe ab, als er aufstand und sich durch das rabenschwarze Haar strich. Stolz schlich er auf leisen Sohlen zu seinem Kräuterkasten, wie die Hexe mit den dunklen Locken diesen nannte, um sich ein Fläschchen herauszuholen. Ein letzter Blick zu der Hexe, die es sich nun auf dem Stuhl bequem machte, auf welchem er gesessen war, und den Tagespropheten in den Händen hielt, wahrscheinlich der Grund, warum sie ihn besuchte, eine bloße Mutmaßung. D. öffnete das zierliche, reichverzierte Gefäß und hob es in die Luft mit den Worten: „Ich trink auf dich!“ Ihm schien es gleichgültig, dass diese violette Flüssigkeit sämtliche Farbe verlor, sowie aus dem Inneren des Behältnisses Rauch aufstieg, schwarz, so dick, dass nicht mehr hindurchzusehen war, in Form eines Totenkopfes. Er trank diesen klaren Zauber, wohl wissend, dass sie ihn nicht aus den Augen ließ. Das Schwarz in den Adern seiner Fingerspitzen verblasste. Desinteressiert stellte er das Fläschchen wieder zurück auf seinen Platz und näherte sich seinem Tisch. Die Hexe, die die Beine überkreuzt hatte, stand auf, legte ihre zierlichen Hände auf seine Schultern und führte ihn zum Stuhl, zart, liebvoll. Sie legte D. hinter ihm stehend die Zeitung hin, dann strichen ihre Hände über seine Brust und ihre Locken fielen nun auch über seine Schultern. Wange an Wange hörte D. ihre zart gehauchten Worte in sein Ohr. „Was hast du getan?“ Er gab keine Antwort, schwieg. Wusste nicht wozu er sich jemals vor ihr rechtfertigen sollte. Seine Finger fuhren zu diesem minderwertigen Papier, dessen Tinte sich just auf seine Haut zeichnete, sowie er die Buchstaben berührte, und schlug den Tagespropheten auf. Seine oft so grauen, müden Augen besahen sich einen Moment den ersten Artikel, an diesem 22. Juli 2023. Die Ruhe selbst, das war der schwarzhaarige Magier gewesen - nicht mehr. Als er wütend die Zeitung zurück auf den Tisch warf und aufsprang, dass die Hexe einen Schritt zurückwich, etwas, das sie sonst nie tat. „Es reicht! Diese Bastarde sollen endlich aufhören in meinem Namen zu morden!“, zischte er bedrohlich leise und die Hexe trat verwundert an seine rechte Seite. Sein Blick war wild, stechend und grün leuchtend, als er sein Augenmerk auf die junge Frau neben ihm warf. „Und du!“, bellte er mit hassverzehrter Miene. Die Dunkelhaarige schluckte, stand wie gelähmt vor ihm. „Bist du denn der Bedienung deines Verstandes nicht mehr mächtig? Liest das hier“, fauchte er scharfzüngig, die Zeitung wieder in den Händen, die er ihr nun vor die Füße warf, „und glaubst sofort, ich wäre dafür verantwortlich!“ Die beiden blickten sich einen Moment an, seine Wut verblasste, die Enttäuschung loderte wie ein großes Feuer in ihm auf. Dann schrie sie los, strich sich ihre Haare nach hinten und machte einen Schritt auf ihn zu, als die Hexe mit erhobenem Finger vor seiner Nase herumfuchtelte. „Du bist der einzige, den ich kenne, der dazu im Stande ist! Du hast gesagt… Du hast versprochen, du tust mir das nicht an!“ Die Hexe schien genauso enttäuscht, drehte sich von ihm weg, war bereit zu gehen. Erste Tränen füllten ihre Augen, sie wollte nicht weinen, niemals, nicht vor ihm. D. griff nach beiden Schultern und zog die Hexe zu sich, bis ihr Rücken sein Hemd traf. Langsam strich er ihre Haare auf die linke Seite, dass ihr sich alle über die Schulter lockten. Seine Finger strichen um ihr Taille, er wusste wie sie sich fühlte, dazu musste er ihr nicht erst in die Augen sehen, ehe er anfing zu sprechen, leise, süß säuselt, samtig, tief: „Du hast mein Wort… Ich halte es…“ „Wer war es dann?“, folgte die Frage, die Stimme glich nicht mehr als einem Schluchzen. Die Hexe drehte sich zu ihm, blickte ihm in die leuchtenden Augen. Sie erwartete eine Antwort, doch er schwieg vehement. Denn das musste er herausfinden. * Die Gassen des kleinen Zauberstädchens waren gefüllt, an diesem 17. November 2022, nahe der Beauxbatons-Akademie. Die Halbriesin Madame Olympe Maxime hatte sich einmal die Zeit genommen, wie die Schüler selbst, die Instiution zu verlassen. Sie mochte diesen Rummel um sich, steuerte allerdings schnell das kleine gemütliche Café am Rande an, auf einem Flecken, bei dem die Häuschen immer weniger wurden. Mit kleinen Schritten und etwas gebückt, rauschte die Schulleiterin durch die Lokalität, grüßte Jean und Florance recht schön, denen dieses Café gehörte, und fand ein Plätzchen in einer der hinteren, ruhigeren Ecken. Sie mochte die Einrichtung, die Sitzbänke und Stühle in diesem Flieder mit den goldenen Blumenmustern, die Spiegelwände, die kleinen Tischchen mit den verschnörkelten Beinen, die ihr wirklich viel zu winzig waren. Sie hörte diese leisen Schritte, blickte in die Spiegel und Madame Maxime wusste, er war da, der mit dem sie sich traf. Freudig drehte sie sich um, erblickte zuerst die Pralinenschachtel und begann zu lachen (denn die gab es vorne an der Theke zu kaufen), als er die Schulleiterin begrüßte und ihr die Schokolade in die Hand drückte, als kleine Aufmerksamkeit. „Sie waren schon immer, auch als Junge, jemand, der auf so kleine Höflichkeiten Wert legte, sie allerdings dann daheim vergaß.“ Die Schulleiterin betrachtete die Verpackung lächelnd, während er sich ihr gegenüber setzte. „Nun, Monsieur Verne, was ist aus Ihnen geworden? Geht es ihnen gut?“, kam die freundliche Frage. Der Blondhaarige mit diesen blauen Augen schmunzelte. Bellamy hatte das Treffen gewollt, suchte zu erfahren, was sich in dem Leben seiner ehemaligen Direktorin ergeben hatte, ob und was sich veränderte. „Ich arbeite in der Aurorenzentrale, und mir geht es gut, danke. Ich hoffe doch stark, Ihnen auch?“ Seine Stimme war so freundlich, sein Lächeln so warm. Sein Vater mochte davon halten, was er wollte, der ihn angeraunt hatte, er könne sich doch nicht mit einer derart älteren Frau treffen - „Was die Leute denken!“ - denn Bellamys Erwartungen sprengten offensichtlich den Horizont. Olympe lächelte vornehm und tastete unbewusst mit den Fingern zu ihrer Halskette aus Opal. Jean kam zu ihnen um die Bestellungen entgegen zu nehmen. „Moi, je voudrais une tasse de café (Ich hätte gerne eine Tasse Kaffee)“, bestellte sich die Schulleiterin und informierte sich im selben Atemzug, ob es denn stören würde, öffnete sie die Packung. Jean lächelte und blickte zu Verne. „Seulement, l’eau. Merci. (Nur Wasser, danke.)“ Olympe besah sich die verschiedenen Pralinen, mit Nüssen, Nougat, Marzipan, dunkler oder weißer Schokolade, und wusste nicht, welche sie zuerst kosten sollte. Bevor sie sich eine nahm, hielt sie die süße Köstlichkeit ihrem Gegenüber hin, der anfangs protestierte, da er doch nicht selbst das Geschenk essen konnte. „Nun nehmen Sie schon!“, gab Maxime noch einmal mit Nachdruck von sich und der Dreiundzwanzigjährige griff zögerlich hinein. Jean kam mit den Gertränken, die Schulleiterin lächelte entzückt, als sie sich ihm zuwandte. „Die schmecken köstlich!“ „Ich werde es meine Frau wissen lassen“, entgegnete der Besitzer und verschwand wieder in die vorderen Räume. Natürlich waren die beiden nicht die einzigen Gäste, auch nicht in den hinteren Ecken des Cafés. „Wie geht es Ihren Eltern, Monsiuer Verne?“, wollte Olypme wissen und schob sich äußerst vornehm eine Praline in den Mund. „Gut“, antwortete er knapp und biss bei seiner Marzipankugel ab. „Ist irgendetwas nicht in Ordnung?“, erkundigte sich die Schulleiterin etwas besorgt über ihren ehemaligen Schüler, in welchem sie so viel Potenzial gesehen hatte. „Momentan ist es in der Arbeit recht stressig, das ist alles. Ich komme gerade irgendwie zur Ruhe…“, lächelte der Blondhaarige sanft und trank an seinem Wasser. „Dann bin ich beruhigt“, murmelte die Halbriesin und nippte an ihrer Tasse. Es war ungewöhnlich heiß in diesem Kaffeehäuschchen, Olympe konnte einfach nicht aufhören ihre Stirn zu tupfen und ihren Fächer aus ihrer Clatsch hervorzuzaubern, um sich Luft zuzuwedeln. „Geht es ihnen gut?“, fragte Bellamy Jules besorgt und griff nach der heißen, schweißgebadeten Hand, dessen Handschuh klitschnass an der Haut klebte. „Oui, oui“, murmelte die Schulleiterin, der nicht auffiel, dass es nur ihr so ging. Der ehemalige Schüler verlor immer mehr Farbe im Gesicht, denn das hatte er noch nie erlebt. „Wäre es möglich, den Heiz-Zauber zu deaktivieren?“, keuchte die edle Frau noch, ehe sie bewusstlos zu Boden sank. Verne sprang auf, blickte auf seine ehemaligen Direktorin hinab. Der Schock fraß sich in seine Glieder, lähmte ihn für den ersten Augenblick, nicht fähig zu schreien. Und als die Halbriesin zu atmen aufhörte, sich ein D auf ihr Dekoltee brannte, schrie Bellamy völlig verzweifelt los. „Hilfe! So hilf doch einer!“ Bis Heiler und Medimagier eintrafen, die sich auch nicht zu helfen wussten, weil ihnen das Geschehen ebenso fremd war, hatte sich Bellamy unter den Tisch zusammengekauert, die Arme um die Beine geschlungen, nicht ansprechbar, völlig verstört. Er flüsterte immer wieder diesen einen Satz, oder zumindest Teile davon. Seine Gedanken und Vorstellungen waren nicht mehr sicher, um ihn herum herrschte die tiefschwarze Nacht. Denn ein Gesicht markellos und rein, der Teint so hell wie Porzellan, die Gesichtszüge so kalt und grausam wie der eisige Tod, hatte Bellamy heimgesucht und ihm zugesäuselt, wenige Atemzüge nach Madame Maximes Zusammenbruch. „Dein einziges Lebenselexir ist Wasser, Bellamy Jules Verne… Zumindest für die nächsten 72 Stunden.“ Die Stimme klang amüssiert, samtig, sanft, tief, geschmeidig und wirkte dennoch so bedrohlich. Diese stechend grünen, leuchtenden, unnatürlichen Augen, von denen er sich abzuwenden unfähig, in die er immerzu hineinstarrte, waren letztlich das Einzige, das der Dreiundzwanzigjährige von diesem Verbrecher noch wissen würde. Mord Nummer sieben, dabei hatte Bellamy immer gedacht, war felsenfest davon überzeugt gewesen, seine Kollegen, die Auroren, würden, sofern sie vor Ort waren, diesen Bastard aufhalten können, und nun musste sich der Zauberer eingestehen, dass er machtlos war. Denn, da war er sich sicher, dieser Mistkerl befand sich nicht einmal in der Nähe dieses Cafés. * Es war ein Morgen wie jeder andere, – nun ja, fast –, als Rose Weasley mit Caprice und Monique frühstückte und einen Blick zu ihrer Cousine Dominique warf, die ihre in Wellen fallenden Haare nach hinten warf und den Hals reckte. Die Veela ignorierte, dass gleich fünf Jungen an ihrem Tisch ihr schmachtende Blicke zuwarfen. Die junge Hexe seufzte, bevor sie sich ihre Tasche umhang und aufstand, um zum Unterricht zu eilen. Monique und Caprice, die ihr hinterher schrien, sie solle doch auf sie warten, nahm sie an diesem Tag gar nicht wahr, denn Rons Tochter fühlte sich an diesem Morgen so seltsam, flau und unwohl. Wenige Meter vor ihr war er und sie hörte seinen Namen auch schon fröhlich von ihrer Cousine rufen, die winkend an Rose vorbeilief, ohne ein ‚Hallo‘ oder ‚Schönen guten Morgen‘: „Beau!“ Der Zauberer blieb sofort bei den Stufen, die einen Stock tiefer führten, stehen und blickte Dominique genervt an. „Bitte?“, sagte er dennoch freundlich und strich sich durch sein Haar. „Da du disch ja so schon schwer damit tust, misch anzuspreschen, masche isch es dir etwas einfascher!“, strahlte die vierzehnjährige Weasley, lehnte sich an seine Schulter und strich ihm über den Oberarm, süß lächelnd. Sein Blick blieb unverändert. „Ja, ich möchte mit dir am Samstag in das Stätdschen ge‘en!“ Dann rauschte sie davon und warf ihm einen Luftkuss entgegen, doch er blickte ihr völlig irritiert nach, denn er hatte nicht vor, mit ihr Zeit zu verbringen. Rose, die das ganze mitansehen hatte müssen, wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte, denn ihre Cousine machte sich seit ein paar Monaten zum Gespött der Akademie, da sie sich an einen Jungen ranmachte, der einfach wirklich nicht an ihr, personifizierte Super-Veela, interessiert war. „Weasley, was nimmt deine Cousine für Drogen, dass sie von derartigen Halluzinationen heimgesucht wird?“, spie der Zauberer, der das braunhaarige, zwölfjährige Mädchen entdeckt hatte, doch zu seinem Misfallen, zuckte die bloß die Schultern. „Am Sonntag schlagen wir euch haushoch!“, freute sich ein Schüler, mit roten Haaren und grauen Augen, als er Beau entdeckte und auf das kommende Quidditch-Spiel verwieß. Der schwarzhaarige Schüler seufzte genervt. „Also weißt du, mir persönlich wäre es ja etwas Neues, wenn du auf einmal zum Hellseher mutiert wärst…“, begann der Vierzehnjährige trocken, da er von der Schwäche in diesem Fach wusste und das Lächlen des Fünfzehnjährigen verschwand, der auf den Treppen stehen blieb. Dann… Ganz unvorbereitet bebte die Erde. Andrew blickte sich alamiert um, hielt sich am Geländer, bis es tiefe Risse bekam, Rose wich zurück, blieb erst im Türrahmen stehen. Der rothaarige Schüler starrte neugierig auf einen Punkt unter ihm und bewegte sich keinen Millimeter. „Komm her, Ruskin!“ Ein strenger Befehl, der den Fünfzehnjährigen in Beaus Jahrgang zur Besinnung brachte. Es bebte stärker, Beau fiel gegen die Balustraden, - von welchen er Herzschläge zuvor noch Abstand genommen hatte. Die Risse wurde größer, Teile der Streben brachen weg, bröckelten. Beau stieß sich weg und fiel mit dem Hintern auf den kalten Fliesenboden, sah zu, wie Bauteile ein Stockwerk tiefer kippten. Die Treppe aus altem, hartem Stein, riss zuerst bei der obersten Stufe. Es war gut zu beobachten wie sich die feinen Risse auf dem Treppenabsatz rapide ausbreiteten - die letzten beiden Stufen, die in den ersten Stock führten immer mehr dem Schutt glichen, der auch von den Decken bröselte, und zum Teil bis in den Keller rieselten. Der Schüler Ruskin eilte die Treppen hoch, sprang in den sicheren ersten Stock, Andrew streckte ihm die Hand entgegen, nachdem er aus dem ersten Affekt aufgesprungen und zu diesem Abgrund gehechtet war. Die Decke brökelte stärker, Andrews und Ruskins Finger berührten sich, hauchzart, als nun ein Teil des Bodens samt zwei weiteren Schülern vom zweiten Stock herabstürtzte und Ruskin mit sich riss. Ein einziger, verzweifelter Schrei von Rose Weasley erfüllte die Stille, denn Andrew nahm nichts anderes mehr wahr. Er starrte in die Tiefe zu den Trümmern, erkannte eine Hand, die nicht begraben wurde. Blutig, staubig, von Ruskin, die, nach der er gegriffen hatte. Beau, nun seine eigene Hand betrachtend, schluckte heftig. Der Schüler fühlte diesen hauchzarten Kontakt, er brannte. Seine Lippen zuckten einmal, eines Schreis, eines lautstarken Gefühlsausbruches nicht mächtig. Das Erlebnis, die bloße Gegenwart, war noch nicht bis zu seinem Verstand durchgesickert, als er leicht zu zittern begann. Wenige Atemzüge später gab er sich die Schuld, weil er nicht schneller gewesen war, besser… fragte sich, warum er Ruskin in diesem entscheidenden Moment im Stich gelassen hatte. „Du…“, verließ das Wort leise und tonlos Rose' Lippen, als die Hexe ihre Finger in das Leder ihrer Umhängetasche krallte, und kein Glied rühren konnte, als wäre sie versteinert, an Ort und Stelle festgehext. Sein Blick wandte sich langsam ihr zu, bis auf die glausigen Augen wirkte er noch verschlossener als sonst. In Beaus Gesicht fand man einfach keine Regung. Er merkte nicht, dass der Boden unter ihm allmählich nachgab, dass sich Risse bildeten. Das ganze war ein Alptraum, Rose versuchte es sich die gesamte Zeit über einzureden, denn das, was hier passierte, schien so irreal! Sie wollte aufwachen, einfach die Augen aufschlagen und in ihrem Bett liegen… Die Welt drehte sich, als der Vierzehnjährige auf Rose zustürmte. Vorsicht, dieses Wort hallte in ihren Ohren, zu der Andrew die Zwölfjährige ermahnt hatte. Die Schülerin verlor den Boden unter ihren Füßen, blickte zum oberen Abschluss des Türrahmens. Beau hatte sie mit sich gezogen, als er in das Zimmer, in welchem sie eben noch gefrühstückt hatten, sprang. Die junge Weasley hörte noch das Geräusch der am Boden aufschlagenden Trümmer des Eingangsbereichs, ehe sie mit dem Kopf voran am Fliesenboden aufschlug und das Bewusstsein verlor, ganz plötzlich war ihre Umwelt die Schwärze. Olympe Maxime säuselte mit drei anderen Lehrern völlig in Trance vertieft einen Zauber, der die Schule und die Schüler vor diesem Beben beschützen sollte, seitdem es angefangen hatte. Andrew, am Ende seiner Kräfte, schnappte nach Luft, seine Augen weit aufgerissen auf das Mädchen unter ihm gerichtet, mit zittrigen Fingern nahm er das Gesicht der Wealsey in seine Hände, fuhr ihr durch das lockige Haar und streichelte die warme Wange. „Wach auf… Es wird alles gut, aber bitte wach auf…“, flüsterte er, wusste nicht, ob er sich damit nicht auch selbst beruhigen wollte. Alles wonach er sich jetzt noch sehnte: in die braunen Augen Rose Wealseys zu blicken, doch die Hexe regte sich nicht. Für einen kurzen Moment schloss der Junge die Augen, suchte sein aufgeregtes Herz zu beruhigen, seine aufgewühlten Gedanken zu besänfigten, dachte auch keinen weiteren Augenblick nach, als er einen tiefen Atemzug nahm und Rose wieder ansah. Verzweifelt säuselte er einen Zauber für schnelle Heilung mit bebenden Lippen. „Sieh mich an!“, schrie er mit einem Mal wütend auf sich selbst, weil er keinem helfen konnte, nicht einmal sich selbst, dabei hatte er so viel gelernt, sich Nächte um die Ohren geschlagen um sich möglichst viel Wissen anzueignen. Andrew wusste nicht, was er darum geben würde, nur damit ihm dieses Mädchen mit den dunklen, braunen Augen ansah, ihm entgegenfunklete, oder ihn anschrie. Ihr Gemütszustand war ihm zu diesem Zeitpunkt völlig egal. „Dum spiratis, spero.(Solange du atmest, hoffe ich….)“ keuchte der Schüler, den Aufruhr ignorierend und schloss die Augen abermals. „Dum vivis, spero.“ Er wusste nicht, was er machen sollte, wenn dieser alte Zauber, den ihm sein Urgroßvater einst und einmalig gezeigt hatte, nicht funktionierte. Er strich ihr Haar nach hinten, zuckte zurück, als warmes Blut über seine Finger ron. Übelkeit stieg in ihm auf und verzweifelt flüsterte er: “Dum me audis, spero...” (Solange du mich hörst, hoffe ich) Tränen rollten über seine Wangen. – Merlin, es war mittlerweile zehn Jahre her, als er das letzte Mal geweint hatte. Ein erbärmliches Schluchzen konnte er einfach nicht mehr unterdrücken, dazu fehlte ihm schlichtweg die Kraft. „Dum ades, dum amas, spero….(Solange du hilfst, solange du liebst, hoffe ich)“ Andrew schnappte nach Luft, er hatte Angst – schreckliche Angst. Ein Blick an die Decke und er merkte endlich, dass die Kronleuchter wackelten. Die Glasscheiben der Fenster, bunt und verziert, fielen aus den Halterungen, die Bilder stürzten zu Boden, Schüler hatten sich unter den Tischen verkrochen. Er konnte nur hoffen, dass Rose so menschlich blieb, wie er sie kennengelernt hatte mit all ihren Launen. „Dum suprides, vivo.(Solange du lächelst, lebe ich)“ Beau war in diesem Moment davon überzeugt, was er sagte, denn Rose hatte so viel unbekannte Wärme und Freundlichkeit in seinen triesten Alltag gebracht, - auch wenn sie nicht immer einer Meinung waren - dass er nicht wusste, ob er zuvor wirklich gelebt hatte. Er zählte die Hexe, ganz gleich wie verwirrt, kompliziert und verzwickt sich ihre Beziehung darstellte, zu seinen Freunden, zu den wenigen Freundschaften, die der Junge nicht mehr missen wollte. Ein Blinzeln und Andrew nahm seine Hände von ihr, Rose kam zu sich. Mit einem Mal fühlte er sich so erleichtert, der Vierzehnjährige konnte nach diesen schier endlos vorkommenden Mintuen der Hoffnungslosigkeit, des Unglücks, endlich aufatmen. Doch dann, ihm blieb fast das Herz stehen, fragte er sich, was er getan - was er angerichtet hatte, als sie ihm mit eisblauen Augen entgegen lächelte. Bei seinem Urgroßvater hatte der Zauber anders ausgesehen, einmal abgesehen davon, dass es nicht eine derartige Veränderung mit sich gebracht hatte. An diesem 1. Mai 2019 gab es sieben Todesopfer, Schüler, die in den Abgrund gestürzt waren, und etliche Verletzte. Auf die Zungen der ums Leben gekommenen Opfer waren Buchstaben tattoowiert, von denen jeder bezweifelte, dass die zuvor auch schon da gewesen waren. A – Valérie Lacroix; 2. Klasse B – Luc Bellier; 1. Klasse C – Dominic Desens; 1. Klasse D – Ruskin Faustinus Chevalier; 4. Klasse E – Percival Beauchamp; 7. Klasse F – Esmée Rozier; 6. Klasse G – Adèle Forêt; 7. Klasse Dass auf Rose' Zunge der Buchstabe H wie feiner, schwarzer Staub gelegen hatte, so schnell verflogen, dass eine Betrachtung keine zweite Sekunde möglich gewesen wäre, hatte Andrew nach den Stunden, die verstrichen waren, vergessen, als jeder Bewohner an dieser Schule gefragt wurde, ob er etwas Atypisches entdeckt oder bemerkt hätte. Der Vierzehnjährige blickte sich nur orientierungslos um, noch immer vom Schock gepeinigt, denn nun brannten sich Bilder Ruskins in seinen Geist. Die letzten Momente, der angsterfüllte Blick, die stille Bitte um Hilfe… * „Schade, nur sieben…“, säuselte eine süßliche, samtige Stimme, dessen Besitzer zufrieden in eine Glaskugel blickte, und nur zu gerne sich sein achtes Opfer geholt hätte. Mit dem Zeigefinger fuhr er sich über die Unterlippe, als würde er nachdenken. Es war ein schönes Chaos gewesen, schade nur, dass die Schulleiterin mit ihren dämlichen Handlangern einen guten Schutzzauber wusste. Das würde sie irgendwann noch büßen, schwor er sich und strich sich sein rabenschwarzes Haar nach hinten. „Wo bin ich?“ Die krächzende Stimme des Schülers bewirkte, dass er sich umdrehte. Es war erstaunlich, dass er so schnell wach wurde. „In Sicherheit“, gab der Zauberer in ruhigem Ton bekannt, führte seine Hände zusammen, dass sich nur die Kuppen berührten. Ruskin schrak hoch, blickte furchtsam in diese stechend grünen, leuchtenden Augen. „Wo sind die anderen?“ In der Schule, wo denn sonst?, dachte der Schwarzhaarige, doch er schwieg dazu und trat an den Fünfzehnjährigen heran. „Egal, was sie mit mir machen, meine Eltern werden mich finden!“, schrie der Rothaarige und robbte rücklinks zurück an die Wand. „Werden sie nicht…“, die tiefe, samtige Stimme war nicht mehr als ein zufriedenes Wispern. „Sie denken, nein… eigentlich bist du tot…“ Die Heiler und Medimagier hatten bereits eine Leiche Chevaliers gefunden. „Nach dir sucht überhaupt niemand, mon chéri…“ Der Fünfzehnjährige schluckte, starrte mit geweiteten Augen auf den Zauberer, welcher in schallendes Gelächter verfiel. * Es wehte ein laues Lüftchen, an diesem Tag, als die alte Turmuhr gerade zwölf Uhr mittags schlug und deren Glocke noch in den entlegensten Gassen Italiens zu hören war. Und in einer dieser Straßen, die es vom Ruf mit der Nocturngasse in England zu ihren dunkelsten Stunden aufnehmen konnte, da sie genauso bedrohlich, wie düster, ausschließlich die gefährlichsten Zauberer - unter ihnen Mörder und Verbrech er - ihre Passanten nannte, schlich ein junger Mann, der seit wenigen Jahren als völljährig galt, mit einer blinden, stolzen Frau in einen kleinen, versifften, herabgekommenen Kräuterladen. Das ungewöhnliche an diesem Bild an diesem düsteren Ort: Die Frau trug ein bodenlanges Kleid, dunkelblau und gold, schulterfrei, die Haare hochgesteckt, als besuche sie den nächsten Ball. Da prangte das Schwarze Mal an ihrer rechten Schulter, das sich bis zur Brust ausgebreitet hatte, und es war nur schwach verblichen. „Bernice! Rella! Wo seid ihr?”, donnerte seine Stimme durch den winzigen, voll gestellten Laden und hinter ihm war das Klingen des Glöckchens zu hören, das angestoßen wurde, sobald die Tür geöffnet wurde, oder zufiel. Er führte die Frau, die sich bei ihm eingehakt und ihre Hand auf seinen Unterarm gelegt hatte, diese eine Stufe vorsichtig hinab, und die Hexe riss sich von ihm los. „Du musst wirklich nicht so tun, als ob ich hilflos wäre, Kind!“, zischte sie und nahm ihre Brille mit den pechschwarzen Gläsern ab. „Der Dunkle Lord wird mir schon helfen…“ Der Zauberer unterdrückte ein Seufzen, blickte die Frau, die seine Mutter war, nur hilflos an, denn jener existierte sein 25 Jahren, 2 Monaten und 20 Tagen nicht mehr. Eine junge Hexe mit violetten Haaren trat aus dem Lager und lächelte. „Schönes Wetter heute, finden Sie nicht, Signora Giabotti?“ Der Zauberer schnaubte und bedachte diese junge Frau mit einem wütenden Blick und zischte böse: „Rella…“ Er hasste es, wenn sie oder ihre Schwester seine Mutter aufzogen, die seit dem Krieg erblindet dem Leben gegenübertrat. „Sehr witzig, Signorina Graziano“, gab die Hexe gleichgültig von sich, nicht wissend, wen von den beiden sie nun vor sich hatte, und drehte sich zu ihrem Sohn. Ein Küsschen links, ein Küsschen rechts, und die Hexe, trat auf die Straße. „Ich dachte, du wolltest zum Kaffee bleiben!“ Die Tür fiel zu und er hörte Gelächter, schnell wandte er sich Imelda zu, die sich prächtig amüssierte. „Wie kannst du nur! So etwas gehört sich nicht! Auch wenn es meine Mutter ist!“ Vielleicht hätte er sagen sollen, gerade weil… Denn Imelda tritzte die stolze und sture Hexe nur, da diese noch in der Vergangenheit lebte, genauso wie ihr Mann nicht einsehen wollte, dass der Dunkle Lord gefallen war und ihren Sohn versuchte, nach diesen Idealen zu erziehen, was ihr - Merlin sei Dank - bis heute misslungen war. Der Zauberer und Ladenbesitzer strich sich mit beiden Händen seine längeren, braunen Haare zurück, seine graublauen Augen hafteten auf der geschlossenen Eingangstür, während er in die Raummitte trat. Der Boden war uneben, mit kleinen Steinen gepflastert. „Da würde ich nicht stehen bleiben, Bernice hat sich irgendwo hier verflüchtig“, wieß ihn Rella mit den violetten Haaren, nun blau, lachend darauf hin. Der Zauberer sah sich um, denn Bernices und Imeldas Eigenarten sich einfach zu verflüchtigen, war ihm bis heute nicht geheuer, dabei kannte er sie schon so lange und ließ sich in den nächsten Stuhl fallen, weit genug weg um Bernice nicht im Weg zu stehen, sobald, wann immer es auch sein mochte, sie sich hier wieder materialisierte. Er rieb sich die Augen. „Und wie war es beim… babbo?“, lachte die Hexe, deren Haarfarbe nun in giftgrün glänzte, und reichte ihm eine Tasse frischen, schwarzen Kaffee. Er seufzte. „Willst du das wirklich wissen?“, gab er müde als Antwort, dachte daran, dass er und seine Mutter seinen Vater, welcher noch immer böse in seiner Zelle im magischen Teil der Opera über Voldemords Rückkehr säuselte und zischte, besucht hatten. Sein Vater war jener Anhänger gewesen, der versucht hatte, Lord Voldemord in Italien zur Macht zu verhelfen, zeitgleich, als in Großbritannien der Krieg ausgebrochen war. Diese Rebellion hatte fast solange gedauert wie der Krieg selbst. Es gab viele Tote und die wenigen Todesser, die noch lebten, wurde weggesperrt, nur sein Vater war wesentlich später gefasst worden, 2002 als seine Mutter mit ihm schwanger war. Der Zauberer hatte für diesen Tag genug Gemeinheiten gehört und seufzte, während er seinen Kaffee rührte. „Wie immer?“ Er nickte. Ein Kreischen war zu hören und in der Raummitte erschien jemand. Weiße Haare, rot geweinte Augen, heulend, alt - wandelte sich in schwarzes Haar, dunkle Augen, keine Spur einer einzigen Träne, jung. Worauf hatte er sich bloß eingelassen, als er die beiden Schwestern kennen gelernt hatte? „Und hast du genug Trauerlieder gesungen, Bernice?“, lachte Jemma Imelda und reichte ihrer Zwillingsschwester ihre Tasse. „Das ist nicht witzig…“, gab Elena pampig zurück und ließ sich, da jeder andere Stuhl zu weit weg war, auf Giabottis Schoß sinken. Sie ignorierte seinen genervten Blick, murmelte lediglich: „Mein Tag war auch nicht gerade angenehm.“ Rauch stieg auf in diesem kleinen Laden, verzog sich so schnell wie er gekommen war und Giabotti verscheuchte die Hexe von seinem Schoß. „Bernice Elena Graziano, runter von mir…“ Er stand auf, streifte sich seinen Umhang glatt und grüßte diesen Zauberer, den er mittlerweile Jahre kannte. „D., lange nicht gesehen“, er klopfte ihm auf die Schulter und der Zauberer zog seine Kapuze nur tiefer ins Gesicht, auch war der Kragen so hoch, dass nur seine grün leuchtenden Augen zu erkennen waren. „Die Zeiten sind gefährlich…“, säuselte D. nur und blickte Giabotti in die Augen. Eilends schlichen die beiden in ein Hinterzimmer. „Amicelli, raus!“ Der Hund, der es sich auf einem Kissen gemütlich gemacht hatte, schwänzelte zu Giabotti, schleckt dessen Wange ab, als sich dieser zu dem Tier gebeugt hatte, und rollte sich auf den Rücken. „Später…“, murmelte er und schloss die Tür, sowie der Hund bei den Hexen war. „Und du findest es klug, Amicelli bei ihnen zu lassen?“ D. hatte die Augenbraue gehoben und legte endlich die Kapuze ab. Der Zauberer fuhr sich durch seine längeren, braunen Haare und zuckte mit den Schultern. „Wie kann ich helfen?“ „Der Zeitungsartikel ist eine Frechheit…“, zischte D. und machte es sich auf der Couch bequem. „Tja, hier bist du an der falschen Adresse, ich schreibe weder Artikel, noch verkaufe ich Nachrichten“, grinste Giabotti und setzte sich neben ihn. „Aber du hast das“, erwiderte D. und zog mit Zeige- und Mittelfinger aus selber Hand ein Stück gefaltetes Pergament. Der Zauberer neben ihm wirkte skeptisch, nach längerer Zeit, meinte er: „Das ließe sich einrichten.“ Ein schmallippiges Lächeln zierte D‘s Züge. Wenige Minuten später lagen alle notwenigen Unterlagen in einem Beutel. Und der Ladenbesitzer selbst wedelte damit. „Gut“, murmelte D., drückte Giabotti viel zu viel Geld in die Hand und verschwand mit den Worten durch die Tür, sein Haupt wieder unter der Kapuze versteckend: „Ciao Andrea!“ Der zwanzigjährige Zauberer eilte ihm nach, wollte ihm auf den rchtigen Betrag rausgeben, da war er schon durch die Ladentür verschwunden. Jemma und Bernice lächelten ihm entgegen und Giabotti rollte mit den Augen. Es klingelte wieder, und als sich Andrea undrehte und sich die Ärmel hochkrämpelte, fragte er verwirrt: „Etwas vergessen?“ „Nein…“, die Stimme war süß säuselnd und die beiden Begleiter hatten die Zauberstäbe gehoben. „Ich benötige Einhornblut…“ Die Stimme klang unverändert, komplett gleich. Doch als der Zauberer an ihn herantrat, merkte Giabotti, dass er nicht derselbe war, und dennoch blickten ihm dieselben leuchtenden Augen entgegen. „Hab ich nicht mehr, ist ausverkauft…“, stammelte Andrea, trat einen Schritt zurück und donnerte gegen die geschlossene Tür, sah, wie sich die anderen beiden – der Statur nach Herren – Bernice und Rella bedrohlich näherten. Der eine schlug die ältere Hexe mit dem Handrücken, dass sie gegen das nächste Regal fiel und daran angelehnt bewusstlos liegen blieb. „Dann habe ich keine Verwendung mehr für dich.“ Seine samtige Stimme war so ruhig und klar. „Wartet, Signore…“ In Andreas Kopf routierte es, denn obwohl sie sich so ähnlich sahen, stand definitiv nicht derselbe vor ihm. „Kommen wir nicht ins Geschäft? Ich besorge für Sie, dieses Einhornblut und alle sind zufrieden.“ Der Zauberer bückte sich sofort, als der zweite Begleiter einen Fluch quer durch die Regale schickte, und diese umkippten. Die Gefäße auf den Boden aufschlugen und zersprangen, Dämpfe aufstiegen. Amicelli sprang Rella in die Arme und winselte, während die Hexe diesen Zauberer mit großen Augen betrachtete. „Non?“ Bei Merlin der Kerl war dem Zwanzigjährigen nicht geheuer! „Très bien!“, murmelte der Zauberer mit diesen stechend grünen Augen, „ Oui!“ Giabotti stand da wie festgehext, die Tür im Rücken, mit blanken Nerven. Er spührte wie der Zauberer die Hand auf seinen linken Unterarm legte. Der Daumen fuhr mit festem Druck über die weißen Bandagen seines Linken Unterarms und genau an dieser Stelle riss das Gewebe. „Wir sind im Geschäft…“, flüsterte der Schwarzhaarige lächelnd, stieß noch einen Tisch um ehe er seinen Kollegen schnipste und mit wehendem Umhang davon rauschte. Die Bandagen waren auf den Boden gefallen, verdeckten nicht mehr sein düsteres Geheimnis. Andrea atmete auf, eilte zu Bernice, die langsam wieder zu sich kam. Weder diese Hexe noch ihre Schwester Rella störte dieses Schwarze Mal, das Andrea versuchte so gut es ging zu verstecken. „Alles in Ordnung?“ Es folgte ein langsames Nicken. Die Welt war grausam, wusste Giabotti schon immer, und sowie das letzte bisschen Hoffnung, dass sie sich je änderte, in ihm erlosch, fühlte er sich merkwürdig leer. Denn es kam mit der Erkenntnis einher, dass der Zwanzigjährige nichts bewirken konnte. Er war diesen Männern einfach nicht gewachsen. * Draußen herrschte bereits die Nacht, als er an seinem Schreibtisch noch die letzten Berichte schrieb. Die Leuchter, die an den Wänden angebracht waren, warfen freundliches Licht in diesen düsteren Raum. Der dunkle Fliesenboden, auf welchem der smaragdgrüne Teppich mit dem Belvery-Wappen lag, war eisig kalt. An einer, der ansonst weiß gestrichenen und einen guten Meter mit ebenso grauen Fliesen zugeplastert, war Tapete angebracht, die die Wurzeln der Familie darstellte – mit einer simplen Wischbewegung der Hand, Jahrhunderte zurück in die Vergangenheit führte. Im Moment waren die Familienmitglieder zu sehen, die noch lebten. Die Decke selbst war mit Holz verkleidet und so geschnitzt, dass es ein einziges Kunstwerk darstellte. Die Tür wurde aufgerissen, und als sich Ashford umwandte, erkannte er seinen Kollegen und langjährigen Freund Maximilian Leores, der wütend zu ihm stürmte und ihm die Zeitung auf den Tisch über die Unterlagen schnalzte. „Als hättest du es gewusst!“, schrie er aufgebracht und bemerkte die Gleichgültigkeit in den Zügen seines Gegenübers. „Als hättest du gewusst, dass das passiert, Ashford!“ Maximilian strich sich mit Zeigefinger und Daumen über den Nasenrücken, während er die Augen geschlossen hielt. Manchmal verstand er seinen Freund einfach nicht. Der schwarzhaarige Zauberer wandte sich wieder seinen Unterlagen zu, ließ die Zeitung in den Papierbehälter wandern. „Es war nur eine Frage der Zeit, bis das nächste Opfer gefunden wird“, murmelte Ashford ruhig, „Dass es so schnell meiner Ankündigung folgen würde, habe ich nicht erwartet, Maximilian.“ Der Rothaarige blickte den Zauberer ungehalten an, zog ihn schließlich vom Sessel hoch und drohte: „Sag mir nicht, dass du da mit drin hängst!“ Ashfords Gesicht zeigte keine Regung. „Nein, mit solchem Gesindel gebe ich mich nicht ab. Mich beunruhigt es lediglich, dass noch niemand herausgefunden hat, mit wem oder wie vielen wir es zu tun haben, Maximilian.“ Belvertyford riss sich los, strich sich über sein Hemd und blickte auf seine Unterlagen. „Aber es ist doch am Naheliegensten, dass es ein Schwarzmagier ist. Und wenn er es nicht im Alleingang macht, sucht er sich Magier vom selben Schlag…“ Maximilian hörte zu reden auf, als ihm Ashford böse funkelnd in die grauen Augen sah. „Und nur, weil ich schwarze Magie nutze, alleine deswegen, weil ich mich mit der Materie befassen muss, um meinem Posten als Minister gerecht zu werden, heißt das noch lange nicht, dass das in meinem Interesse geschieht!“ Ashford hatte die Zeitung herausgefischt und an die Brust seines Freundes gedrückt. „Ich dachte du kennst mich besser!“, zischte Andrews Vater wütend und verwies Leores zur Tür. „Du findest sicher alleine raus.“ Maximilian blieb noch einmal an der Tür stehen, die Hand auf der Klinke, begann er: „Ich komme gerade auf dich, weil du Erfahrung auf diesem Gebiet hast. Ich glaube nicht, dass du es warst, aber es beunruhigt mich, dass selbst du einmal nicht weiter weißt, Ashford.“ Dann schloss der rothaarige Zauberer die Tür hinter sich. Ashford starrte noch eine Zeit auf die Zeitung, die Maximilian nicht mitgenommen hatte. Er hatte vieles verschwiegen, denn ihm war diese Magie bekannt, sehr sogar. Sie ähnelte jener, die seine Familie seit Jahrhunderten nutzte, nur fragte er sich, wie ein Außenstehender jemals Zugang zu dieser Form von Macht erhalten hatte, denn Ashford traute es keinem aus seiner Sippe zu. Weder seinem Vater Ormand, seinem Opa Viperides, noch dessen Vater Wyette Natrix, der zwar für seine 106 Jahre noch ziemlich agil war, aber die Ruhe liebte und immer wieder auf dem Standpunkt plädierte: „Für die gefährlichen, halsbrecherischen Sachen ist die Jugend da, die noch genug Flausen im Kopf hat, dass sie sich auf soetwas einlässt. Ich auf meine alten Tage will mit meiner Frau die Zeit verbringen, die uns geblieben ist.“ Die älteren noch Lebenden hielten es ähnlich. Die Generation nach ihm, Andrew und Genoveva, die hatten noch ihre gesamte Zukunft vor sich, genauso wie Magnus und Jonquil, die Kinder seiner Schwester, die mit Ignatius Duprix den ewigen Bund geschlossen hatte. Wer würde da so dumm sein, das aufs Spiel zu setzen? Jonquil mit ihren vierzehn Jahren hatte andere Dinge im Kopf, abgesehen davon, dass sie nicht die Kraft besaß und viel zu weichherzig in ihrem Wesen war. Magnus hatte schlichtweg den falschen Nachnamen, denn seltsamerweise wurde diese alte Magie nur den Männern namens Belvertyford vererbt. Und Andrew… Ashford hatte schon immer gefunden, dass seinem Sohn für dieses Leben die nötige Härte fehlte. Außerdem hatte sein Sohn so manche gute Freunde unter Muggel und Muggelstämmigen gefunden, wie Ashford selbst, wie könnte ausgerechnet sein Sohn da soetwas anrichten? Es war lächerlich! Und dennoch, dieser Artikel beunruhigte ihn. Langsam trat er, nach zwei weiteren Stunden Arbeit, schließlich ins Wohnzimmer, da noch Licht brannte, zu seiner Frau, die noch ein Buch las. „Du schläfst noch nicht?“, kam es seltsam kalt von dem schwarzhaarigen Zauberer und er trat an die Hexe heran. Morna blickte auf, löste ihren feinen Haarknoten und ihr braunes Haar fiel in Locken. Sie lächelte, ehe sie das Buch weglegte. „Irgendwie konnte ich nicht schlafen…“ Ashford erwiederte das schöne Lächeln und reichte ihr die Hand, zog die Hexe schließlich auf die Beine. „Komm mit“, bat er sie leise, und küsste zärtlich ihren Hals. Ihre Finger fuhren zu seinen breiten Schultern, weiter zu seinem Rücken. Mornas Lippen suchten seine, und als sie sich trafen, hob Ashford seine Frau hoch und trug sie ein Stockwerk höher in ihr Schlafzimmer. Momente wie diese waren rar. Denn Ashford entkam selten diesem Trott, in welchem er gefangen war, immer und immer wieder holte ihn die Realität mit diesen Morden ein, für die er sich auf seltsame Weise verantwortlich fühlte, ohne dazu beigetragen zu haben. * Es schlug elf Uhr abends, als draußen die Schneeflocken vom Himmel fielen. Ein Blick aus dem Doppelfenster mit den weißen Vorhängen und dem grau-schwarzem Blumenmuster genügte, um zu sehen, dass Sydney nach wie vor hell erstrahlte. Überall waren diese Lichter zu sehen, die noch brannten. Die junge Wealsey stand bei der Küchenzeile, die Hände hinter ihrem Rücken. „Und ich darf dir wirklich nicht helfen?“, wollte Rose lächelnd wissen, als sie über Daves Schulter blickte, ihn beobachtete, wie er an den Geburtstagstorten für Hugo bastelte. Der Zauberer schüttelte nur den Kopf und scheuchte die Hexe mit einer winkenden Handbewegung aus der Küche. Dieser Raum war schon immer sein Revier gewesen, denn Dave buk für sein Leben gerne – kochen war da wieder weniger interessant. „Vergiss es, dieses Vorhaben ist sinnlos“, erklärte Melissa lächelnd, die sich über die Dekoration hergemacht hatte und beim Esstisch mit der Glasplatte und den schwarzen Eisenbeinen saß. „Aber mir kannst du gerne zur Hand gehen.“ Rose setzte sich zu ihr und blickte die große Gläserfront hinaus, die eine komplette Wand darstellte und auf eine Dachterasse führte. Die Weasley griff nach der Schere, denn hier wäre es sinnlos gewesen, mit dem Zauberstab herumzuwerken, immerhin hatte sich Dave dafür entschieden in einer Muggelwohnung zu leben und da zaubern hier nur in der magischen Welt erlaubt war, - unter anderem um Nichtmagier zu schützen -, würde sie sowieso nur Schwierigkeiten bekommen, sollte sie dieses Gesetz missachten. Rose selbst war es nur Recht. Und dann bekam jemand anderes ihre Aufmerksamkeit. Andrew schritt nervös auf und ab mit einem Diktiergerät in der Hand, ignorierte er den Stapel an Unterlagen, den er sich mitgenommen hatte. „Und deswegen bin ich hier her gekommen? Deswegen habt ihr mich von der Arbeit weggezerrt? Um euch beim… beim…“ Er warf die Hände in die Luft, ließ sie aber gleich wieder sinken. „Bei Belvery, seht euch an!“, raunte er schlechtgelaunt und ließ sich in den weißen Ohrensessel sinken. Es war nicht so, dass er nichts von dieser Überraschungsparty hielt, nein, er hatte die Lokalität organisiert. Sein einziges Problem: In absehbarer Zeit würde er in dem Berg an Papierkram ersticken, weil er sich so viel aufgehalst hatte, dass er nicht mehr alles schaffte, was er sich vorgenommen hatte. „Aber natürlich, du alter Miesepeter! Aber, wenn es dich beruhigt, von mir aus hättest du auch bleiben können, wo die Alraune wächst!“, donnerte Kathryn durch den Raum, die gerade in die Wohnung trat und ein paar Tüten trug. „Sehr beruhigend…“, murmelte der Schwarzhaarige sehr monoton – um ja nichts Giftiges zu spucken, denn mit Kathryn vertrug er sich nicht wirklich, nur so lange, wie es dauerte, bis sie etwas sagte - und wandte sich an Rose. „Und du hast wirklich alle Einladungen geschrieben?“ Die Weasley nickte, als sie zum Dekorationsmaterial griff. Die Letzten waren heute in der Früh nach englischer Zeit verschickt worden, denn die Hexe hatte beschlossen, auch ein paar weitere Hexen und Zauberer aus Hogwarts einzuladen, die Hugo sicher gerne dabei gehabt hätte. Der Schwarzhaarige strich sich mit beiden Händen über das Gesicht und flüsterte schließlich ein paar Worte ins Diktiergerät. „Jetzt macht euch nicht ins Hemd, das wird schon werden“, beschwichtigte Dave, der mit dem teigbeschmierten Löffel wedelte, mit dem Rücken zur Küchenzeile, und sowie er sich wieder der werdenden Torte zuwandte, stieß er einen Schrei aus, - sprang mit seinem Löffel in der Hand unter den Glastisch. Der Teig in der Rührschale explodierte und klebte an den Wänden und Küchenutensilien - und das nur weil ein nicht völlig geschlossener Zaubertrank von einem Regal weiter oben hinein gefallen war. Melissa und Rose, die beide diese klebrige Masse in den Haaren hatten, begannen schallend zu lachen, während Kathryn in Daves Schlafzimmer gesprungen war und ängstlich den Kopf heraus streckte. Nur Andrew blickte ungläubig auf das Geschehen, ehe er genervt mit den Augen rollte. „Ist es wirklich notwendig, in einem Muggelhaushalt Zaubertränke aufzubewahren?“, folgte es etwas gehässig, als selbst Dave in seiner weiß-violetten Schürze am Boden liegend in schallendes Gelächter ausbrach. Das würde nie etwas werden… „Hast du eine Ahnung wie mühselig es ist, sich von Muggelärzten behandeln zu lassen? Das dauert ewig!“, lachte Dave nach einer Weile, als sich der Blonde einmal soweit gefasst hatte, dass er wieder fähig war, vom Tisch hervorzurobben. „Ja! Und genau das ist der Grund, warum ich nicht auf die hirnverbrannte Idee gekommen bin, mir einen Muggelhaushalt anzuschaffen!“, giftete Andrew energisch und klopfte sich mit dem Zeigefinger auf die eigene Brust. Solche Aktionen raubten ihm den letzten Nerv, besonders wenn er schlafbedürftig war. „Du, Dave, was ich dich schon immer fragen wollte…“, murmelte Kathy, die noch immer in Daves Schlafzimmer stand und sich noch nicht aus dem Zimmer traute. „Wieso hast du eigentlich deine Wohnung in schwarz-weiß eingerichtet? Mal von dem violetten Muster in den Kissen abgesehen?“ Die dunkelhaarige Hexe namens Melissa half Dave auf die Beine, verschwieg, dass das bisschen Farbe in der Wohnung auf ihr Konto ging, natürlich nur, weil Rose sie dazu angestiftet hatte. „Weil Grün, Rot und Blau nicht meine Hausfarben sind, ich Gelb dummerweise nicht mehr sehen kann, und na ja… Orange, Rosa und Türkis…. Reden wir nicht weiter….“, murmelte der Achtzehnjährige und schlich wieder in die Küche, griff eifrig zum Lappen um das Chaos zu beheben und nochmal von vorne anfangen zu können. „Und warum in Merlins Namen Violett?“, hakte die Blondhaarige nochmal aufbrausend nach, da erschienen Matthews und Beth im Kamin. Anstatt Dave, antwortete Melissa endlich selbstbewusst: „Weil ich gut bin!“ Kathryn schnaubte ungehalten. Natürlich akzeptierte sie Melissa an Daves Seite, musste sie, denn sonst würde sie Dave verlieren, wenn sie die ganze Zeit über sie herziehen würde, nur würden die beiden wohl nie richtige Freunde werden. „Endlich, zwei Vernünftige!“, murmelte Andrew laut genug, dass ihn Rose finster anblickte. Beth lachte und zog ihre Haare aus dem Mantel und stellte ein paar Papiertüten auf den Wohnzimmertisch. Matthews schmunzelte, legte seinen Mantel über Andrews Lehne und blickte sich um. Er fragte sich, ob sie irgendetwas vergessen hatten… Und sei es eine noch so kleine Nichtigkeit… „Hugo wird Augen machen, wenn er die Überraschungsparty sieht, die wir für ihn organisieren“, murmelte Elizabeth und drückte zuerst Rose und dann Melissa an sich, die gut gelaunt und scherzhaft drohte: „Wehe wenn nicht!“ Dann rauchte es wieder im Kamin, husten war zu hören. So ziemlich alle Blicke waren auf die Feuerstätte gerichtet, denn es wurde niemand mehr erwartet. „Andrea?“, kam es unglaubwürdig von Matthews, als er den Zauberer erkannte. „Merlin, Andrew, du bist echt schwieriger zu finden, als einem lieb ist! Ich war in sieben Häusern und kein Elf wusste, wo du steckst!“, beschwerte sich der zwanzigjährige Zauberer und wedelte mit der Hand den Rauch davon, bevor er sich den Ruß abklopfte. „Was ist denn los?“, folgte es verständnislos vom Schwarzhaarigen, der alarmiert aufstand. „Wir müssen mal unter vier Augen reden“, keuchte Giabotti, und zog den Zauberer in Daves Schlafzimmer. „Ich darf doch?“, blieb eine nichtbeantwortete Frage, als der Braunhaarige die Tür hinter sich schloss, nachdem er Kathryn rausgeschickt hatte, doch Dave würde es wenig stören, denn Andrea gehörte zu seinen guten Freunden. „Was haben die da drin zu munkeln?“, regte sich Kathryn auf, die das Ganze unverschämt fand. Dann bekam sie von Dave einen Löffel warme Schokolade in den Mund geschoben, der meinte, sie solle sich beruhigen, denn Andrea, schneite nur dann unangemeldet ins Haus, wenn es – wirklich großen - Ärger gab. Andrews Augen funkelten böse, als er Giabotti betrachtete. „Was in Merlins Namen ist hier los?“, zischte er, der in dem schmalen Gang zwischen Tür und Bett stand, während sich Andrea mit geschlossenen Augen gegen die Tür lehnte. „Es sind mehr als erwartet, Andrew…“, waren die ersten, leisen Worte Andreas, bevor er heftig schluckte. Sein Gesicht wurde allmählich bleich, und als er dem jungen Zauberer vor ihm in die grüngrauen Augen blickte, murmelte er: „Sie sind verdammt gefährlich, also halte dich aus der ganzen Sache raus!“ Ein Keuchen war zu hören und in den Pupillen mit der blaugrauen Iris spiegelte sich Angst. Nicht verstehend neigte sein gegenüber den Kopf. „Sie… Sie hätten Jemma und Bernice etwas getan… Andrew, hör auf nach diesen Verbrechern zu suchen. Die wenigen Hinweise, die sie hinterlassen, stürzen dich nur ins Verderben, wenn nicht gar in den Tod!“ Betretenes Schweigen zog sich über die beiden wie der nasse Film auf der Haut, wenn es regnete. „Es ist egal, wer oder was sie sind, Andrew!“, folgte es atemlos von Andrea, der seine Hände immer noch gegen die Tür presste, um nur irgendwie Halt zu finden. „Ist es nicht! Diese Sache ist vieles, - vor allem grausam -, aber sicher nicht egal, Andrea! Ich dachte, ich kenne dich besser!“, war das leise, erboste Zischen, das der junge Belvertyford von sich hören ließ. „Sie sind zu stark….“, murmelte der Italiener hilflos, suchte nach einer Regung, irgendeiner, damit er wusste, dass Andrew es einsah, doch dieser ballte nur seine Hände zu Fäusten und ging einen Schritt auf seinen Freund zu. „Du willst mir aber nicht damit sagen, dass du weißt, wer sie sind, mit wem wir es hier zu tun haben? Was willst du tun? Den Kopf einziehen und zusehen? Giabotti, ich habe mir mehr von dir erwartet!“ Enttäuschung und Wut war eine gefährliche Mischung, das wussten beide, denn sie machte blind. Andrea atmete tief durch, ehe er erneut ansetzte: „Versprich mir, dich nicht mehr darum zu kümmern, Andrew. Versuch in deinem Leben glücklich zu werden. Sei frei und ungezwungen. Das ist das Einzige, das ich dir als Freund raten kann. Das ist das, was ich mir für dich wünsche.“ Der Zwanzigjährie lächelte schmal, strich sich durchs Haar, dann wandte er sich zur Tür. „Gibst du einfach so auf?“, kam es ungehalten vom Neunzehnjährigen, der offensichtlich noch immer nicht verstand. „Davon war nie die Rede, ich versuche nur die zu schützen, die mir wichtig sind, Andrew.“ Andrew packte Andrea bei der Schulter und verlangte nach einer Erklärung. „Ihre Macht ist enorm, ihr Wille ungebrochen…“ Andrea schloss für einen Moment die Augen, und fragte sich, wie er es erklären sollte. Schließlich hatte er nur einen Verdacht, dass die Zauberer Vielsafttrank verwendeten, damit keiner das wahre Gesicht erkannte. Wie sollte er Andrew glaubhaft machen, dass er gleich zweimal besucht worden war? Sollte er etwa erwähnen, dass die Angst an ihm nagte, nur weil all seine Zauberkraft beim zweiten Besuch gänzlich versagt hatte? Kein nonverbaler Spruch hatte geholfen, rein gar nichts. „Du hältst dich da raus. Du lässt die Finger von den Morden, den Opfern, den wenigen Spuren. Andrew ich bitte dich!“, flehte er schließlich verzweifelt. „Du beugst dich doch nicht etwa dieser unbekannten Macht, Andrea? Ich glaube dir nämlich nicht!“, zischte Andrew ungehalten. Es war seltsam, denn Giabotti hatte er immer vertraut, seit er ihn kannte. „Andrew, ich bitte dich nochmal, hör auf, dich damit zu beschäftigen. Ich komm da nicht mehr raus, dafür stecke ich schon viel zu tief in dieser Scheiße…“ „Willst du das etwa alleine durchziehen?“, kam es vom Schwarzhaarigen energisch. „In diesem Fall, sind wir alle Einzelkämpfer, Andrew. Wie soll man jemandem vertrauen, wenn man nicht weiß, wer diese Welt bedroht?“ Dann zog Giabotti die Tür auf und trat in die Wohnküche mit integriertem Esszimmer. Der Schwarzhaarige folgte ihm langsam, mit diesem leeren Ausdruck im Gesicht – er hatte immer gedacht, dass zumindets sie sich vertrauen konnten. „Ciao!“, gab Giabotti kurz angebunden von sich und eilte zum Kamin. „Du willst doch nicht etwa wirklich schon gehen! Du kommst doch auch, oder?“, bremste ihn Rose und zog ihn in eine Umarmung, weil sie sich so freute, dass sie Andrea wieder sah. Sie mochte diesen Zauberer sehr. „Ach Rosie, ich habe keine Ahnung, ob ich es schaffe, im Moment ist es etwas kompliziert…“ Der Braunhaarige hatte den linken Arm um sie gelegt, den mit den Bandagen. Seine Stimme wirkte traurig, eine Seltenheit, denn Andrea Giabotti war ansonsten energiegeladen und in seinem Tatendrang nicht zu bremsen, mit seiner stetig guten Laune, doch dieses Mal zierte ein geqäultes Lächeln seine Züge. „Nicht gut drauf?“, fragte Dave überrascht und zog eine Augenbraue in die Stirn. „Viel zu tun…“, redete sich Andrea raus, in der Hoffnung nicht viele Antworten geben zu müssen, und verschwand schließlich mit einem „bis dann!“ im Kamin. Es war seltsam, wenn die Ahnung zum Greifen nah schien, und dennoch im Dunkeln tappend nicht das bisschen Licht gefunden werden konnte, das so dringend benötigt wurde um klar zu sehen… »Sobald du dich mit den momentanen Gegebenheiten des Lebens abfindest, wird in Stunden wie diesen deine längere Existenz fragwürdig und sinnlos.« »As soon as you accept the instantaneous facts of life, is, in hours, like these, your further existence debatable and meaningless.« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)